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***NACH "DIE TOTE VOR DER TÜR" UND "DIE SCHWEIGENDE FREUNDE" SOWIE "DER USER" DER VIERTE HOCHSPANNUNGS-THRILLER DER STEFFEN-BAUMANN-REIHE.***
Zwei Männer, eine offene Straße in Hamburg-Eimsbüttel und ein Schuss.
Der Journalist Steffen Baumann wird Zeuge eines schrecklichen Anschlags. Der Kommissar Jens Jacobsen, ein guter Freund, wird vor seinen Augen angeschossen und bricht zusammen. Sofort stürmt Steffen zu dem Opfer und kommt gerade noch rechtzeitig, um zwei Worte zu hören: Rosengarten … töten. Dann verliert Jens Jacobsen das Bewusstsein.
Davon getrieben, die Wahrheit hinter dem Anschlag herauszufinden, fängt Steffen an zu recherchieren. Eine fieberhafte Jagd beginnt, die ihn in das beschauliche Örtchen Tötensen führt, doch der Schein trügt. Im Umfeld von Jens Jacobsen offenbart sich für Steffen eine unerwartete Wahrheit, die sein gesamtes Leben verändert und ihn noch tiefer in ein Netz aus Geheimnissen zieht. Kann er retten, was er liebt?
Steffen Baumanns fulminante Rückkehr – ein Thriller, der nervenzerreißende Spannung verspricht und tödliche Geheimnisse enthüllt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Robin D. Jensen
Über den Autor:
Robin D. Jensen ist ein Hamburger Autor von Krimis und Thrillern, geboren im Jahr 1959. Ursprünglich war er als IT-Berater in einem größeren amerikanischen Unter-nehmen beschäftigt. Seit 2017 schreibt er vorwiegend Krimis und Thriller.
Von ihm stammt unter anderem die Krimireihe mit dem Hamburger Kommissar Rainer Zufall. Seit April 2024 gibt es eine neue Reihe mit dem Journalisten Steffen Baumann als Protagonisten.
Auf seiner Homepage https://rolandbluemel.de/robin-d-jensen/ kann man mehr über ihn erfahren und sich auch für »Neues von Robin D. Jensen« unter https://t1p.de/xhg79 anmelden, um regelmäßig über seine neuesten Aktivitäten informiert zu werden.
Buchbeschreibung:
Zwei Männer, eine offene Straße in Hamburg-Emsbüttel und ein Schuss.
Der Journalist Steffen Baumann wird Zeuge eines schrecklichen Anschlags. Der Kommissar Jens Jacobsen, ein guter Freund, wird vor seinen Augen angeschossen und bricht zusammen. Sofort stürmt Steffen zu dem Opfer und kommt gerade noch rechtzeitig, um zwei Worte zu hören: Rosengarten … töten. Dann verliert Jens Jacobsen das Bewusstsein.
Davon getrieben, die Wahrheit hinter dem Anschlag herauszufinden, fängt Steffen an zu recherchieren. Eine fieberhafte Jagd beginnt, die ihn in das beschauliche Örtchen Tötensen führt, doch der Schein trügt. Im Umfeld von Jens Jacobsen offenbart sich für Steffen eine unerwartete Wahrheit, die sein gesamtes Leben verändert und ihn noch tiefer in ein Netz aus Geheimnissen zieht. Kann er retten, was er liebt?
Steffen Baumanns fulminante Rückkehr – ein Thriller, der nervenzerreißende Spannung verspricht und tödliche Geheimnisse enthüllt.
Robin D. Jensen
Die Wahrheit liegt in Tötensen
Der Journalist 4
Thriller
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© November 2024 Empire-Verlag
Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer
Lektorat: Petra Bülow
Korrektorat: Johannes Eickhorst
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –
nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Cover: Chris Gilcher
https://buchcoverdesign.de/
Illustrationen: Adobe Stock ID 276838953
Kapitel 1
Tag 1 – Montag
Im Laufe der letzten Monate hatte sich eine echte Freundschaft zwischen dem Journalisten und Chefredakteur der Zeitung ›Hamburg-Blick‹, Steffen Baumann, und dem Kommissar Jens Jacobsen entwickelt. Drei Kriminalfälle hatten sie mehr oder weniger gemeinsam gelöst. Auch wenn es natürlich in erster Linie Aufgabe der Polizei war, die Täter zu überführen und die Taten aufzuklären, hatte Steffen sich intensiv an den Recherchen beteiligt, denn bei manchen dieser Verbrechen war er sogar persönlich betroffen gewesen. Auch die Berichte, die mit Kommissar Jacobsen abgestimmt in Steffens Zeitung erschienen waren, hatten bei der Aufklärung jeweils entscheidend geholfen.
Seitdem waren die beiden eng befreundet und trafen sich regelmäßig in ihrem Stammlokal in Hamburg-Eimsbüttel. Hin und wieder spielten sie Billard gegeneinander, so auch an diesem Tag, und wie meistens verliefen die Spiele ausgeglichen. Die letzte Partie war dadurch zu Ende gegangen, dass Jens Jacobsen die schwarze Kugel zu früh versenkt hatte, was Steffen Baumann einen Jubelschrei und eine geballte Faust entlockte, auch wenn er nur durch das Missgeschick seines Gegenspielers gewonnen hatte und nicht durch eigenes Können. Jens Jacobsen schmunzelte über den Gefühlsausbruch des Jüngeren. Danach gönnten sie sich einen kleinen Imbiss und das eine oder andere Bier, alkoholfrei selbstverständlich.
Auch wenn sie Feierabend hatten, ging es wie so oft um die letzten Fälle, die sie gemeinsam aufgeklärt hatten. Jacobsen bezeichnete seinen Freund gern als Hilfsermittler, was dieser lächelnd hinnahm und damit konterte, dass Jens Jacobsen es ohne ihn nicht hinbekommen würde, die Täter zu überführen. Das hätte er ja hinlänglich bewiesen.
»Das denkst du«, antwortete Jacobsen. »Vielleicht würde es ein wenig länger dauern, aber irgendwann hätten wir die Typen mit Sicherheit erwischt, auch ohne deine Hilfe.« Er nahm einen Schluck Bier und stocherte mit seiner Gabel in den letzten Pommes frites herum.
»Was zu beweisen wäre«, konterte Steffen, der wie üblich schneller gegessen hatte und bereits vor seinem leeren Teller saß. Zufrieden lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und warf einen Blick auf den Fernseher, der die Aufzeichnung einer Fußballpaarung aus der spanischen Liga zeigte, nämlich das El Clásico zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid.
Der Fall, bei dem die beiden Männer sich kennengelernt hatten, begann mit einem großen Schock für Steffen. Eine tote Frau lag vor seiner Tür, weitere Tote folgten und hielten ihn sehr in Atem. Kurzzeitig war er sogar verdächtigt worden, bis der Fall dem ermittelnden Kommissar entzogen und Jens Jacobsen übergeben worden war. Da Steffen persönlich betroffen war, hatte er parallel zur Polizei ermittelt, wodurch er und Jens Jacobsen in engen Kontakt gekommen waren.
Kurz darauf half er dem Kommissar, mit dem er inzwischen per Du war, bei der Auflösung eines aktuellen und eines elf Jahre zurückliegenden Mordes. Und als ob es damit nicht genug war, verschwand einige Wochen später die Enkeltochter von Steffens Nachbarin, was, wie sich herausstellte, Teil einer Serie von Entführungen war, bei deren Aufklärung Steffen und seine Kollegin Svenja Kröger die Kommissare erneut unterstützten. Inzwischen fühlte sich Steffen beinahe wie ein Privatdetektiv, was ihm so viel Spaß machte, dass er aufpassen musste, seine Pflichten als Chefredakteur von ›Hamburg-Blick‹ nicht zu vernachlässigen. Aber seit dem letzten Fall war Ruhe, was vor allem Steffens Freundin Paulina genoss. Die junge Frau machte sich immer große Sorgen, wenn ihr Freund bei seinen Recherchen Risiken einging. Während sie glücklich war, dass nun alle Fälle gelöst waren, wartete Steffen förmlich darauf, dass sich mal wieder etwas ereignete, bei dem er seinem Freund helfen könnte. Aber derzeit war alles ruhig, es gab nur kleinere Delikte, die relativ schnell gelöst wurden.
»Und wie läuft es mit Paulina?«, erkundigte sich Jacobsen nach Steffens Freundin, mit der dieser nun schon mehrere Monate zusammen war.
»Immer noch gut, obwohl sie mit meinen ›Abenteuern‹, wie sie es nennt, noch ein wenig fremdelt.«
»Du meinst deine Ausflüge als Kommissar-Assistent?« Jens Jacobsen grinste.
»Ja, sie meint, ich wäre etwas zu leichtsinnig«, gab Steffen widerstrebend zu.
Jacobsen nickte. »Da muss ich ihr allerdings recht geben. Vielleicht solltest du dich in Zukunft mehr um deine Hauptaufgaben als Chefredakteur kümmern.« Er nippte an seinem Bier.
Steffen verzog das Gesicht. »Ich kümmere mich doch nahezu ausschließlich um meine Zeitung, aber es bleibt noch genug Energie, um der Polizei zu helfen«, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.
Nun hatte auch Jens Jacobsen seinen Teller geleert und streckte sich ausgiebig. »Und mir gefällt die ruhige Lage zurzeit auch ganz gut. Ich hatte gerade noch privaten Klärungsbedarf, deshalb war es ganz passend, dass ich beruflich etwas kürzertreten kann.« Er warf einen Blick auf den Bildschirm, wo der FC Barcelona gerade ein Tor erzielt hatte.
»Du hast ein Privatleben?«, fragte Steffen erstaunt. Bisher hatte er den Eindruck, das einzige Privatleben seines Freundes wäre, wenn die beiden sich auf ein oder mehrere Biere trafen. »Davon weiß ich ja gar nichts. Erzähl mal! Eine Frau? Hast du etwa jemanden kennengelernt? Kenne ich sie?«, bombardierte er seinen Freund mit Fragen.
Jacobsen schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nicht, was du denkst. Es ging um etwas anderes.«
»Worum denn?«, hakte Steffen nach.
Jens Jacobsen blickte auf seine Uhr. »Ich glaube, ich würde mich gern auf den Weg machen«, wich er einer Antwort aus. »Für morgen habe ich mir einiges an Schreibarbeit vorgenommen.« Er stöhnte. Das war eine Tätigkeit, die Jens hasste, wie Steffen mittlerweile wusste.
Steffen lächelte und blickte selbst auf die Uhr. »Du schwächelst schon, um diese Zeit?«
»Wenn du es so nennen willst«, brummte er. »Ich zahle dann heute. Du kannst ja noch ein wenig hierbleiben und Fußball schauen.«
Steffen schüttelte den Kopf. »Allein habe ich auch keine Lust. Dann überrasche ich lieber Paulina. Die rechnet sicher jetzt noch nicht mit mir.«
Jacobsen ging bezahlen, und gemeinsam verließen sie das Lokal.
»Wo steht dein Auto?«, fragte Steffen und sah sich suchend um.
»Dort um die Ecke.« Jens deutete in die entsprechende Richtung.
»Okay, ich muss in die andere Richtung.« Sie gaben sich die Hand und verabschiedeten sich. Nach etwa zwanzig Schritten drehte sich Steffen noch einmal zu seinem Freund um. Später konnte er nicht mehr sagen, warum er das tat, ob es eine Ahnung oder Zufall gewesen war. Plötzlich vernahm er einen Knall, etwas, das sich wie ein Schuss anhörte, und sah, wie Jens einige Meter von ihm entfernt auf der Straße zusammenbrach und auf dem Pflaster aufschlug. Ohne nach rechts oder links zu sehen, stürmte Steffen los. Einige Passanten drehten sich zu dem Mann um, der am Boden lag, und gingen in Deckung.
»Jens, Jens? Was ist passiert?«, rief Steffen, als er seinen Freund erreichte, um dessen Kopf sich eine Blutlache bildete. »Wie geht es dir? Kannst du mich hören!« Er kniete sich neben den Kommissar und hob dessen Kopf leicht an. Jens hatte eine Platzwunde am Hinterkopf, seine Haare waren blutverschmiert.
Jacobsens Augenlider flatterten, und er versuchte, etwas zu sagen.
»Sie da in der roten Jacke, rufen Sie schnell einen Krankenwagen!«, schrie Steffen in Richtung einer Gruppe, die nur einige Meter von ihm entfernt stand.
»Jens, kannst du mich hören? Oh, mein Gott, wer war das?«, rief Steffen verzweifelt und schockiert.
Mit letzter Kraft hauchte Jacobsen: »Rosengarten … töten!« Dann verlor er das Bewusstsein.
Kapitel 2
Zehn Minuten später, die Steffen wie eine Ewigkeit vorkamen, traf der Rettungswagen ein. Steffen hatte bis dahin versucht, die Blutung zu stoppen und Jacobsen gut zuzureden, auch wenn er nicht wusste, wie viel sein Freund davon mitbekam, denn er war immer noch bewusstlos. Steffen war einer Panik nahe, weil es ihm viel zu lange dauerte, bis Hilfe kam. Ohne es zu realisieren, nahm er den Autoschlüssel an sich, der neben dem Kommissar lag. Die Sanitäter kümmerten sich sofort um den Verletzten, und Steffen stand in der Nähe und hoffte, dass sein Freund am Leben blieb. Inzwischen hatten sich diverse Schaulustige eingefunden, was der Journalist nur am Rande mitbekam.
Gebannt sah er zu, wie sein Freund auf eine Trage gehievt und in den Krankenwagen geschoben wurde, als ihm jemand auf die Schulter tippte.
»Herr Baumann, was ist passiert?« Kommissar Bremer sah ihn ernst an. »Mein Kollege ist angeschossen worden, wurde mir gesagt. Stimmt das? Was haben Sie mitbekommen?«
Steffen schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht wirklich sagen. Wir waren in dem Lokal dort, wo wir uns hin und wieder treffen, und haben uns danach verabschiedet. Jens ist in diese Richtung gelaufen«, er deutete entsprechend dorthin, wo Jacobsen zu seinem Auto gehen wollte, »ich in die andere Richtung. Ich war nur ein paar Schritte gegangen, habe mich noch einmal zu ihm umgedreht, und plötzlich hörte ich einen Schuss, und Jens ist zusammengebrochen.« Steffen musste erst einmal Luft holen, ehe er weitersprechen konnte. »Ich bin sofort zu ihm hingelaufen, um ihm zu helfen. Er hat noch etwas gemurmelt und ist dann bewusstlos geworden. Mein Gott, wer war das bloß?«
»Was hat er gesagt?« Kommissar Bremer blickte um sich, sah dann Steffen wieder an.
»Es war komisch. Das hörte sich an wie Rosengarten töten!« Das hatte er zumindest verstanden, auch wenn es für ihn keinen Sinn ergab.
Bremer stutzte und runzelte die Stirn. »Rosengarten töten? Was hat er damit gemeint?«
Steffen zuckte mit den Schultern. »Ich meine, er hat Rosengarten töten gesagt, das habe ich zumindest so verstanden. Ich habe keine Ahnung, was er damit sagen wollte. War das ein Hinweis auf den Schützen oder hat er irgendwie fantasiert?« Er überlegte noch einmal, aber das waren seiner Meinung nach Jens’ Worte gewesen.
»Okay, haben Sie den Schützen gesehen?« Wieder ließ Bremer seine Blicke schweifen, als ob er dabei den Täter entdecken könnte.
Steffen schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe mich total auf Jens konzentriert und versucht, die Blutung zu stoppen. Ich hoffe, dass er überlebt, aber ich bin mir nicht sicher. Ich fürchte, dass er ziemlich viel Blut verloren hat. Das sah wirklich nicht gut aus. Die Sanitäter wirkten auch sehr ernst, und sie können es ja sicherlich besser einschätzen als ich.«
Er warf einen kritischen Blick in Richtung Krankenwagen, dessen Türen gerade geschlossen wurden. Mit Blaulicht brauste er los. Vor wenigen Minuten hatten Jens und er noch gemütlich zusammengesessen und entspannt geplaudert. Nun rang sein Freund um sein Leben. Am liebsten wäre Steffen hinterhergefahren, allerdings hatte er kein Auto dabei, außerdem hatte Kommissar Bremer noch weitere Fragen an ihn. Inzwischen waren mehrere Streifenwagen eingetroffen, und die Beamten befragten die Umstehenden, ob jemand etwas gesehen hatte.
»Können Sie denn sagen, aus welcher Richtung geschossen wurde?«, fragte Kommissar Bremer und riss Steffen aus seinen trüben Gedanken.
»Ich kann es nicht genau sagen. Jens war dort zum Eppendorfer Weg unterwegs. Es könnte sein, dass der Schütze da auf ihn gewartet hat. Ich weiß es aber nicht. Ich habe auch niemanden weglaufen sehen.« Ihm stockte die Stimme. »In welches Krankenhaus haben sie ihn denn gebracht?«
Kommissar Bremer machte sich gerade Notizen. »Das weiß ich nicht, aber wir werden es herausbekommen. Ich muss jetzt die Kollegen unterstützen und die Passanten hier befragen. Am besten, Sie fahren nach Hause und erholen sich von dem Schock.«
Steffen runzelte die Stirn. Wie sollte er sich von dem Schock erholen, wenn er nicht wusste, wie es seinem Freund ging? Was sollte er zu Hause? Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Wer konnte es auf Jens Jacobsen abgesehen haben? Das schien eine geplante Tat gewesen zu sein, denn es war ja nur dieser eine Schuss auf Jens gefallen. Hier hatte es niemand wahllos auf Passanten abgesehen, also kein Amoklauf. Und es war mit Sicherheit kein Irrer, der blindlings den Erstbesten niedergeschossen hatte. Was bedeutete bloß Rosengarten töten? Welcher Rosengarten sollte getötet werden? Das ergab doch überhaupt keinen Sinn.
»Wie?« Steffen bemerkte nur, dass Kommissar Bremer etwas gesagt hatte, wusste aber nicht, was.
»Sobald ich weiß, wo mein Kollege liegt und wie es ihm geht, melde ich mich!«
»Danke!«, erwiderte Steffen zerstreut.
»Soll Sie jemand nach Hause fahren?«, fragte der Kommissar mitfühlend.
Steffen sah ihn irritiert an. »Was? Ach nein, das geht schon.« Zögernd verließ er den Tatort und lief zu Fuß nach Hause. Auf Bus oder Bahn hatte er keine Lust, er wollte lieber an der frischen Luft bleiben, und so weit bis nach Hause war es auch nicht.
Den ganzen Weg über stellte er sich zwei Fragen: Wird Jens überleben? Und was hatte er mit ›Rosengarten töten‹ gemeint? Zu Hause angekommen ging er sofort zu Paulina, um ihr von der Tragödie zu berichten.
Kapitel 3
Die Kommissarin Bianca Seifert hatte die Nachricht erhalten, dass ihr Kollege Jacobsen auf offener Straße angeschossen worden sei, und machte sich sofort auf den Weg, um vor Ort zu unterstützen. Als sie dort eintraf, entdeckte sie ihren Kollegen Karsten Bremer, der sich mit zwei älteren Männern unterhielt, die beide einen Hund an der Leine hatten. Die Vierbeiner waren über den Trubel sichtlich aufgeregt. Als der Kommissar Bianca sah, verabschiedete er sich von den beiden Herren und kam auf die Kommissarin zu.
»Was ist denn passiert? Ich habe gehört, dass Jens angeschossen worden ist. Wie geht es ihm?«, sprudelte es aus ihr heraus.
Bremer kratzte sich am Kinn. »So ganz genau kann ich es dir auch nicht sagen. Jens hatte sich hier mit Steffen Baumann getroffen. Nachdem die beiden sich verabschiedet hatten, gab es plötzlich einen Schuss, und Jens ist zusammengebrochen. Kurz darauf ist der Notarzt eingetroffen und hat sich sofort um Jens gekümmert. Wie es ihm geht, weiß ich leider noch nicht.«
Bianca Seifert schlug die Hand vor den Mund und sah ihren Kollegen entsetzt an. »Das ist ja schrecklich! Wo ist Steffen denn jetzt?«
Bremer blickte sich um. Die Menschentraube war inzwischen noch größer geworden. Viele reckten die Hälse, redeten wild durcheinander und fragten die Beamten, was denn hier los wäre.
»Ich habe ihn nach Hause geschickt. Der Mann war ziemlich fertig«, antwortete Bremer.
»Das kann ich mir vorstellen. Hat er den Schützen gesehen?«
Bremer schüttelte den Kopf. »Nein. Er konnte nur so ungefähr vermuten, von wo der Schuss gekommen ist, aber mehr war aus ihm nicht herauszubekommen. Er stand sichtlich unter Schock. Verständlich! Wir befragen jetzt hier die Passanten, aber die meisten sind erst dazugekommen, als sie den Tumult gesehen haben. So etwas ist ja immer überaus spannend.« Die letzten Worte zeigten deutlich seine Verärgerung über die Schaulustigen. »Ich habe die Kollegen gebeten, anschließend ins Kommissariat zu kommen, damit wir die Ergebnisse der Befragung zusammentragen können, aber ehrlich gesagt«, er schluckte schwer, »habe ich nicht viel Hoffnung, dass dabei etwas herauskommt. Ich habe die Leute, die nichts mitbekommen haben, gebeten, weiterzugehen.« Er zeigte auf die vielen Menschen. »Aber du siehst ja selbst. Es ist anscheinend einfach zu interessant, was hier geschehen ist.«
Bianca Seifert nickte. »Kann ich irgendetwas tun?«
Karsten Bremer überlegte. »Du kannst schon mal ins Präsidium fahren und dann dort die Kollegen empfangen, die gerade die Befragung machen. Außerdem such doch bitte mal die letzten Fälle von Jens raus. Vielleicht ist jemand dabei, der sich an ihm rächen will. Das könnte ja ein Motiv sein. Und, ach ja«, fügte er hinzu. »Laut Herrn Baumann hat Jens noch etwas gehaucht, bevor er bewusstlos geworden ist.« Er runzelte die Stirn. »Rosengarten töten, soll er gesagt haben.«
Seifert sah ihren Kollegen an, als hätte er den Verstand verloren. »Rosengarten töten? Was soll das denn bedeuten? Welchen Rosengarten denn?«
Bremer schüttelte den Kopf. »Ganz ehrlich, ich habe keinen blassen Schimmer. Vielleicht fällt dir etwas dazu ein. Möglicherweise ein Hinweis auf einen alten Fall? Das wäre die einzige Erklärung, die ich habe. Oder er hat fantasiert, bevor er bewusstlos geworden ist. Das ist ja auch möglich! Also bis später.«
Damit wandte er sich wieder den Passanten zu, um mit möglichen Zeugen zu sprechen, und ließ eine verwirrte Bianca Seifert zurück. Nach einem kurzen Moment riss sie sich los und machte sich auf den Weg ins Präsidium. Immer wieder ging ihr dieser kryptische Satz durch den Kopf: Rosengarten töten. Was wollte er damit ausdrücken? Um welchen Rosengarten ging es, und warum und vor allem wie sollte der getötet werden? Hatte Steffen Baumann das wirklich richtig verstanden? Sie würde sich erst einmal um die letzten Fälle von Jens kümmern. Möglicherweise lag dort der Schlüssel und würde auch diesen eigenartigen Satz erklären.
Im Präsidium angekommen kochte sie sich einen starken Kaffee und begann, die Fälle der vergangenen drei Jahre zu durchforsten, an denen Jens Jacobsen beteiligt war. Die letzten beiden hatte sie noch gut in Erinnerung, da sie selbst in die Auflösung involviert war. Der Serienmörder, der mehrere Frauen entführt und drei ermordet hatte, saß in Haft. Ebenso wie der andere, der eine Frau elf Jahre festgehalten hatte. Zumindest ging sie davon aus, sie würde das zur Sicherheit noch mal überprüfen. Daneben hatten sie noch eine Geldfälscherbande enttarnt und einen Stalker, der unter anderem auch wegen mehrfacher sexueller Belästigung und Nötigung belangt worden war. Soweit sie wusste, waren auch die in Haft. Also musste sie vermutlich an die älteren Fälle gehen, oder gab es Angehörige oder Freunde der Verurteilten, die sich an Jens rächen wollten?
Jens Jacobsen war ziemlich fleißig gewesen. Das bedeutete ein gehöriges Stück Arbeit für sie. Es musste jemand sein, der entweder entkommen, inzwischen wieder in Freiheit oder eben ein Freund oder Angehöriger einer Person war, die Jens Jacobsen festgenommen hatte. Seufzend machte sie sich an die Arbeit und war gerade dabei, sich die ersten Notizen zu machen, als zwei Streifenbeamte das Büro betraten.
Bianca Seifert unterbrach ihre Suche, um aufzunehmen, was die beiden bei ihren Befragungen herausgefunden hatten.
»Wir sollten uns hier melden«, sagte einer der beiden Beamten, ein junger Mann mit kurzen Haaren und blauen Augen. Bianca schätzte ihn auf Ende 20. Sein Kollege war vermutlich etwas älter und hielt sich eher im Hintergrund.
»Ihr habt mögliche Zeugen des Anschlags auf meinen Kollegen befragt?« Bianca musterte die beiden und öffnete auf ihrem Rechner eine Word-Datei, um mitzuschreiben, was die Männer in Erfahrung gebracht hatten.
»Genau. Mein Name ist übrigens Walter, Klaas Walter, das ist Pit Jürgens.« Er deutete auf den etwas älteren Kollegen.
»Bianca Seifert«, stellte sie sich vor. »Was habt ihr denn herausgefunden?«
Klaas Walter räusperte sich. »Also eigentlich nicht allzu viel. Die meisten, mit denen wir gesprochen haben, sind erst dazugekommen, als die Schüsse bzw. der Schuss schon gefallen war. Einer der Anwesenden ist nach eigener Aussage nach dem Schuss sofort in Deckung gegangen und hat nichts gesehen.«
»Gab es mehrere Schüsse oder nur einen?« Aus dem Bericht von Karsten Bremer war sie von einem einzigen Schuss ausgegangen.
Klaas Walter hob eine Augenbraue. »Da fängt das Problem schon an. Einige sprachen von einem Schuss, ein paar meinten, es seien mindestens zwei, vielleicht sogar drei Schüsse gewesen.«
»Das wird die Spurensicherung bestimmt feststellen können. Gab es auch Zeugen, die etwas gesehen haben, vielleicht sogar den Schützen?«
»Einer meinte, er hätte einen Mann weglaufen sehen, nachdem der Schuss gefallen war. Aber näher beschreiben konnte er ihn nicht. Und ob es der Schütze war oder jemand, der aus Panik weggelaufen ist, da war er sich auch nicht sicher.«
»Und sonst?«, fragte Bianca Seifert nach.
Die beiden Polizisten zuckten mit den Schultern. »Das war es leider schon.«
»Mit anderen Worten: Wir haben nichts bisher!«, stellte sie resigniert fest.
»So sieht es aus. Tut mir leid. Vielleicht haben die anderen Kollegen mehr erfahren. Da kommen sie schon.«
In der Tat betraten vier weitere Kollegen soeben das Büro. Zehn Minuten später entließ Bianca Seifert frustriert auch die anderen Polizisten. Das Ergebnis der Befragung war gleich null. Es gab keine hilfreichen Zeugenaussagen, selbst bei der Anzahl an Schüssen gab es verschiedene Versionen. Schließlich erschien auch Kommissar Karsten Bremer, der ebenfalls keine brauchbaren Informationen erhalten hatte.
»Das kann doch nicht sein«, stöhnte er. »Da wird Jens auf offener Straße niedergeschossen, und niemand kann eine verlässliche Aussage treffen. Das glaube ich einfach nicht.«
»Unglaublich!«, stimmte die Kommissarin ihm zu. »Hast du etwas von Jens gehört?«
Karsten Bremer stieß geräuschvoll die Luft aus. »Er wurde ins UKE nach Eppendorf gebracht und wird derzeit notoperiert. So viel wie ich erfahren habe, ist sein Zustand wohl ernst. Sie wissen nicht, ob er es überlebt.«
»Oh, wie schrecklich!«, stieß Bianca Seifert aus. »Wer kann das nur gewesen sein und warum?«
»Hast du schon seine alten Fälle durchforstet?«, fragte er.
»Ich wollte gerade damit anfangen, als die Streifenbeamten eingetroffen sind, um ihre Ergebnisse zu berichten. Das hätten wir uns übrigens sparen können. Anscheinend hat niemand etwas gesehen. Und es sind ganz schön viele Fälle.«
»Das kann doch alles nicht wahr sein. Weißt du eigentlich, ob Jens Angehörige hat?«
Bianca Seifert schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, er hat nie etwas von irgendwelchen Angehörigen erzählt. Vielleicht weiß Steffen mehr? Außerdem steht das sicherlich in seiner Personalakte. Notfalls müssen wir es über die Ämter klären. Ich lasse die Kollegen das mal checken.«
»Okay, dann warten wir das ab. Aber ich denke, wir müssen erst einmal einen Öffentlichkeitsaufruf starten«, schlug Karsten Bremer vor.
»Baumann?!«, antwortete Bianca.
»Ja, richtig, gute Idee. Ich sollte ihn ohnehin anrufen, um ihm zu sagen, wohin Jens gebracht worden ist und wie es ihm geht. Vielleicht ist ihm ja auch noch etwas eingefallen zu dem Schützen oder zu Jens’ kryptischer Botschaft. Und wir informieren auch die anderen Tageszeitungen.«
»Willst du Steffen jetzt noch anrufen?«, fragte Bianca mit Blick auf die Uhr.
Bremer nickte. »Der wartet bestimmt schon auf meinen Anruf!« Womit Karsten Bremer recht hatte. Kaum klingelte das Telefon, als Steffen Baumann das Gespräch bereits angenommen hatte. Er klang besorgt, und Karsten Bremers Nachricht trug auch nicht zu seiner Beruhigung bei. Er versprach, dass der Öffentlichkeitsaufruf so schnell wie möglich herauskommen sollte.
Kapitel 4
Erschöpft und völlig fertig traf Steffen zu Hause ein und klingelte bei Paulina, weil er zu verwirrt war, um sich zu erinnern, wo er ihren Wohnungsschlüssel gelassen hatte.
»Warum klingelst du?«, fragte Paulina. Ihre Freude darüber, dass Steffen doch noch zu ihr kam, obwohl er sich mit Jens Jacobsen getroffen hatte, was meistens länger dauerte, verflog schlagartig, als sie ihn ansah.
»Was ist passiert?«, fragte sie, denn Steffens Gesicht sprach Bände. Irgendetwas Schreckliches musste vorgefallen sein.
»Jens ist angeschossen worden!«, antwortete Steffen, wobei ihm die Tränen in den Augen standen.
»Was? Wer war das, und ist er …?«
Steffen schüttelte den Kopf. »Ich hoffe nicht. Sie haben ihn ins Krankenhaus gebracht. Mehr weiß ich auch nicht.«
Fassungslos hörte Paulina ihm zu, als er im Detail berichtete, was geschehen war. Sie war froh, dass ihrem Freund nichts passiert war. Aber wer war der Schütze, und nahm er für irgendetwas Rache? Schwebte Steffen eventuell auch in Gefahr?
Während des gesamten Weges nach Hause hatte ihn das Bild des verletzten Jens Jacobsen nicht losgelassen, und immer wieder war ihm dessen letzter Satz durch den Kopf gegangen: Rosengarten töten. Was hatte er nur damit gemeint? Steffen hatte nicht den Eindruck, dass Jens fantasiert hatte. Hatte er den Attentäter erkannt und wollte seinem Freund etwas mitteilen? Steffen versuchte, sich daran zu erinnern, wo Jens hingeschaut hatte, als ihn der Schuss traf. War das in die Richtung gewesen, aus der der Schuss gekommen war? Er war sich nicht ganz sicher, aber es wäre schon möglich.
Paulina nahm ihn in den Arm, und minutenlang standen sie eng umschlungen, bis Steffen sich langsam beruhigte. Sie kochte einen Tee und ließ Steffen immer wieder berichten, wie der Abend abgelaufen war. Steffen blickte ständig auf die Uhr, er wartete ungeduldig auf Nachrichten von Kommissar Bremer. Endlich klingelte sein Telefon.
»Hallo Herr Baumann, ich hatte ja versprochen, mich zu melden. Also als Allererstes: Jens Jacobsen liegt in der Uniklinik in Eppendorf. Man hat ihn operiert und ins Koma versetzt. Mehr konnte man mir noch nicht sagen. Sein Zustand ist nach wie vor kritisch, und sie haben versprochen, sich zu melden, sobald sich etwas ändert.«
»Okay!« Steffen schluckte schwer. »Haben Sie schon etwas herausgefunden? Gibt es Zeugen, die etwas gesehen haben?«
Bremer zögerte mit der Antwort. »Leider nein. Wie es aussieht, sind Sie der Einzige, der etwas gesehen hat. Können wir uns noch einmal unterhalten? Ich müsste Ihre Aussage aufnehmen, und vielleicht fällt Ihnen noch etwas ein, was Sie vorhin vergessen haben. Schließlich standen Sie ja unter Schock!«
»Okay!«, antwortete Steffen. »Wann soll ich vorbeikommen? Jetzt?«
»Morgen früh reicht auch«, erwiderte Bremer. »Vielleicht sollten Sie erst einmal zur Ruhe kommen und eine Nacht drüber schlafen?!«
»Schlafen?«, entfuhr es Steffen. »Sie sind gut! Ich glaube kaum, dass ich nach dem Schock ein Auge zubekomme.«
»Das geht mir auch so. Also wenn Sie möchten, können Sie auch gleich kommen.«
»Okay, ich bin in 20 Minuten bei Ihnen.« Steffen beendete das Gespräch und nickte seiner Freundin zu. »Du musst nicht auf mich warten. Es wird sicher morgens, bis ich zurück bin.«
Paulina nahm ihn noch einmal in den Arm und ließ ihn dann gehen.
Exakt 22 Minuten später betrat er das Präsidium und wurde von den Kommissaren Bremer und Seifert bereits erwartet.
»Hallo Steffen«, begrüßte ihn Bianca Seifert. »Das ist ja eine furchtbare Sache mit Jens. Ich kann es immer noch nicht fassen, auch, dass wir niemanden gefunden haben, der etwas gesehen hat. Ich hoffe, zumindest du kannst uns weiterhelfen.«
Steffen blickte sie einigermaßen ratlos an. »Ich kann es nicht glauben, dass wirklich niemand etwas gesehen haben will. Da wird Jens auf offener Straße angeschossen, und der Täter kann unerkannt entkommen. Das gibt es doch nicht. Leider habe ich auch nur den Schuss gehört und bin sofort zu Jens gelaufen.«
»Bist du sicher, dass es ein einziger Schuss war?«, fragte die Kommissarin nach.
»Ja, ganz sicher. Wieso?«
»Weil es vermeintliche Zeugen gibt, die zwei oder sogar drei Schüsse gehört haben wollen.«
»Blödsinn!«, ereiferte sich Steffen. »Es ist nur ein Schuss gefallen, aber der war leider gleich ein Volltreffer.« Er verzog schmerzhaft das Gesicht.
»Okay, die Spurensicherung ist noch vor Ort beschäftigt. Die Hoheluftchaussee ist abgesperrt, und sie suchen nach der oder den Hülsen in dem Bereich, aus dem nach deinen Angaben vermutlich der Schuss abgegeben wurde.«
»Karsten meinte, dass Jens noch etwas gesagt hat, bevor er bewusstlos wurde?!«, hakte Bianca Seifert nach. »Rosengarten töten? Bist du sicher, dass das die richtigen Worte waren?«
Steffen nickte. »Ja, ganz sicher, auch wenn das für mich keinen Sinn ergibt. ›Rosengarten töten‹, das waren seine letzten Worte, bevor er das Bewusstsein verloren hat.«
»Hmm!« Die Kommissarin fuhr sich durchs Haar. »Ich durchforste Jens’ alte Fälle, aber bisher habe ich keinen Zusammenhang mit den beiden Worten gefunden. Hat er vielleicht nur fantasiert, und das hat nichts mit dem Anschlag zu tun?«
Steffen schüttelte den Kopf. »Das habe ich mich auch schon gefragt, ich weiß es einfach nicht. Allerdings hatte ich schon den Eindruck, dass er noch klar genug war, um mir einen Hinweis zu geben, auch wenn ich die Bedeutung nicht verstehe.«
»Tja, dann muss ich wohl wirklich alle Fälle durcharbeiten, die Jens in den letzten Monaten oder sogar Jahren bearbeitet hat. Womöglich wurde ja auch ein Straftäter kürzlich aus dem Gefängnis entlassen, den Jens vor langer Zeit überführt hat. Es können also auch sehr viel ältere Fälle relevant sein. Karsten, du unterstützt mich, oder? Bei den meisten warst du ja dabei.« Bianca blickte in die Richtung ihres Kollegen, der vor seinem Bildschirm saß.
Bremer nickte.
»Ach ja«, fügte Bianca Seifert hinzu. »Falls es mit einem Fall zusammenhängt, den ihr zusammen bearbeitet habt, dann könntest du auch in Gefahr sein, Karsten, falls es um Rache geht. Und …«, fiel ihr plötzlich ein. »Sofern es um einen der letzten drei Fälle geht, dann warst du, Steffen, ja auch dabei.«
Steffen sah die Kommissarin erstaunt an. »Aber dann hätte der Attentäter doch vermutlich auch auf mich geschossen.«
Bianca Seifert schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. Vielleicht hatte er keine Gelegenheit mehr dazu.«
»Möglich!«, stimmte Steffen ihr zu. »Aber bei den letzten beiden Fällen warst du ja auch involviert«, hakte er ein.
»Das stimmt«, antwortete sie nachdenklich. »Ich glaube, wir sollten ein paar Stunden Pause einlegen, und dann werden Karsten und ich die Fälle durchgehen, okay?«
Bremer nickte.
»Ich habe schnell deine Aussage mitgeschrieben, Steffen, drucke sie gleich aus, und dann musst du nur noch kurz unterschreiben.«
Steffen unterschrieb das Protokoll und wollte gerade gehen, als Kommissar Bremer noch etwas einfiel. »Ach ja, denken Sie bitte noch daran, einen Öffentlichkeitsaufruf in Ihrer Zeitung zu machen?«
»Klar«, antwortete Steffen.
Kurze Zeit später löste sich die Runde auf. Auf dem Rückweg behielt Steffen seine Umgebung sehr aufmerksam im Auge. Dass jemand es auf ihn abgesehen hatte, konnte er sich zwar nicht vorstellen, aber man wusste es ja nie …
Kapitel 5
Tag 2 – Dienstag
Steffen hatte gerade zwei Stunden geschlafen, als er aus einem bösen Traum aufschreckte. Jens Jacobsen war ihm erschienen, um sich von ihm zu verabschieden. In der Stirn hatte er ein riesengroßes Loch, sein ganzes Gesicht war rot und blutüberströmt. Mit Grabesstimme sagte er: »Mein Freund, wir sehen uns in Kürze in der Ewigkeit!«. Schweißgebadet wachte Steffen auf und brauchte einen Moment, um wieder klar zu werden und sich davon zu überzeugen, dass er noch am Leben war. Hatte der Traum damit zu tun, dass Jens gestorben war? Wirre Gedanken gingen ihm durch den Kopf.
Auf seinem Telefon gab es keine neuen Nachrichten. ›Öffentlichkeitsaufruf‹ fiel ihm ein, und er griff zum Telefon, um Svenja Kröger, seine Kollegin und rechte Hand, anzurufen. Svenja war ihm in den letzten Wochen und Monaten eine große Hilfe gewesen. Er konnte im Nachhinein kaum noch verstehen, warum sie ihm lange Zeit auf die Nerven gegangen war. Sie hatte ihn bei der Aufklärung der Fälle tatkräftig unterstützt, war dabei selbst hin und wieder in Gefahr geraten. Dieses Mal würde er versuchen, sie aus seinen Recherchen weitestgehend herauszuhalten, damit sie nicht wieder in die Schusslinie geriet. Das konnte er nicht verantworten.
»Moin Steffen, wo steckst du? Wir haben gerade eine Meldung hereinbekommen, dass in Eimsbüttel ein Polizist angeschossen wurde.« Svenja war im Gegensatz zu Steffen um diese frühe Uhrzeit schon hellwach.
»Ja, ich weiß, das habe ich unmittelbar mitbekommen«, antwortete er.
»Was? Wieso?«, fragte Svenja erstaunt. »Was ist denn passiert?«
»Jens Jacobsen ist nach unserem Treffen auf dem Weg zu seinem Wagen angeschossen worden!« Er konnte es selbst immer noch nicht fassen.
»Was? Das war Jens? Aber warum?«
Steffen schluckte. »Das wüsste ich auch gern.«
»Wie geht es ihm?«
»Er ist gestern noch operiert worden und liegt jetzt im künstlichen Koma. Ich werde nachher ins Krankenhaus fahren, um mich über seinen Gesundheitszustand zu informieren.«
»O Mann, das ist ja furchtbar. Hoffentlich wird er wieder gesund«, seufzte Svenja. »Kann ich irgendetwas tun?«, fragte sie mitfühlend.
Steffen fiel ein, warum er Svenja überhaupt angerufen hatte. »Ja, deswegen wollte ich dich sprechen. Wir müssen einen Öffentlichkeitsaufruf herausgeben. Leider hat die Polizei bisher keine verlässlichen Zeugen gefunden, was ich kaum glauben kann. Wir müssen fragen, wer gestern Abend gegen 21 Uhr etwas gesehen hat, was mit der Tat in der Hoheluftchaussee in Eimsbüttel im Zusammenhang stehen könnte. Ein Kommissar wurde angeschossen, als er auf dem Weg zu seinem Auto am Eppendorfer Weg war. Vom Täter fehlt bis jetzt jede Spur.«
»Okay, ich schreibe das sofort auf unsere Homepage, und morgen erscheint es dann in der Zeitung.«
»Sehr gut! Danke!«
»Steffen?«, sagte Svenja in mitfühlendem Ton. »Wie geht es dir?«
Steffen war über ihre Empathie gerührt und hatte einen dicken Kloß im Hals, als er antwortete. »Danke, wie soll es mir gehen? Das ist einfach furchtbar. Jens ist echt ein guter Freund, mein bester, vielleicht mein einziger.«
»Du hast noch eine Freundin, zwei sogar«, widersprach ihm Svenja. »Wenn du jemanden zum Reden brauchst oder einfach auf andere Gedanken kommen möchtest, weißt du, dass ich da bin.«
»Danke«, antwortete Steffen stockend, »vielleicht komme ich darauf zurück.«
»Gut, dann mache ich mich jetzt an die Arbeit«, beendete Svenja das Gespräch.
Svenjas Worte gingen Steffen noch eine ganze Weile durch den Kopf. Er konnte gar nicht mehr verstehen, warum er noch vor wenigen Monaten Probleme mit ihr gehabt hatte. Inzwischen waren sie sich nicht nur beruflich, sondern auch privat nähergekommen, auch wenn sie natürlich kein Paar waren, aber ein gutes Team. Seine Freundin Paulina hatte ihm erklärt, dass Svenja offensichtlich in ihn verliebt war, was er nicht bemerkt hatte oder vielleicht auch nicht wahrhaben wollte. Wie auch immer, sie war jederzeit für ihn da, was ihn sehr freute.
Steffen kochte einen Kaffee, aß mit wenig Appetit ein Brot und fuhr anschließend ins UKE, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er ging davon aus, dass Jens auf der Intensivstation lag, und stürmte direkt zur entsprechenden Abteilung. Eine Krankenschwester hielt ihn auf.
»Junger Mann, wo soll es denn hingehen?«, fragte ihn Schwester Jana, wie auf ihrem Kasack zu lesen war. Er schätzte die Frau auf Ende 20. Sie hatte schwarze Haare, braune Augen und sah ihn lächelnd, aber bestimmt an.
»Ich suche Jens Jacobsen, der gestern Abend eingeliefert wurde. Man hat auf ihn geschossen.«
»Ach, den Kommissar meinen Sie?! Sind Sie ein Verwandter?«
Steffen schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin sein bester Freund.«
»Dann tut es mir leid.« Ihr Lächeln verschwand. »Wenn Sie kein Familienangehöriger sind, kann ich Sie leider nicht zu ihm lassen. Außerdem wird sein Zimmer bewacht, da die Gefahr besteht, dass ein zweiter Anschlag verübt werden könnte.«
Steffen überlegte hin und her. Ja, es war natürlich möglich, dass es der Attentäter ein zweites Mal versuchen würde. Daher war es gut, dass man auf Nummer sicher ging. Aber er würde Jens gern sehen, um zu wissen, wie es ihm ging.
»Verstehe! Aber können Sie mir wenigstens sagen, wie es ihm geht?« Steffen setzte den treuesten Blick auf, der ihm zur Verfügung stand, und hoffte darauf, dass er bei der jungen Krankenschwester Wirkung zeigte.
Er merkte, dass sie mit sich rang, aber sie blieb konsequent. »Das tut mir leid, aber dazu bin ich wirklich nicht befugt.«
»Könnte ich vielleicht mit dem behandelnden Arzt sprechen? Sie müssen wissen, ich war dabei, als mein Freund angeschossen wurde, und ich mache mir wirklich große Sorgen.«
Ihr Lächeln kehrte zurück, und sie nickte ihm zu. »Ich spreche mal mit Doktor Feldmann. Mehr kann ich leider nicht für Sie tun. Warten Sie bitte hier!« Sie drehte sich um und betrat einen Raum auf der linken Seite. Steffen fiel es schwer, nicht hinterherzulaufen. Er zwang sich, stehenzubleiben und abzuwarten.
