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***BAND 5-8 DER SPANNUNGSGELADENEN MÖRDERISCHES-HAMBURG-KRIMI-REIHE***
Band 5: Mord auf Helgoland
Dreizehn ehemalige Klassenkameraden treffen nach dreißig Jahren auf der Hochseeinsel Helgoland aufeinander. Unter ihnen eine Person, die auf Rache sinnt. In ihrer Tasche befindet sich ein Giftfläschchen und auf ihren Lippen liegt ein wissendes Lächeln. Als ein Mitglied der Gruppe tot aufgefunden wird, brechen sofort gegenseitige Verdächtigungen und Paranoia aus. Die beiden Hamburger Kommissare Rainer und Britta sind genau zur rechten Zeit am rechten Ort und nehmen die Ermittlungen auf. Schnell wird klar: Jeder der zwölf Verbliebenen hätte ein Motiv.
Neuauflage von »Entkommen unmöglich«.
Band 6: Ein perfides Spiel
Rainer öffnet sein Mailpostfach, darin befindet sich eine Aufforderung zu einem perfiden Spiel von einem Unbekannten. In dessen Schreibstil schwingt eine gehässige Note mit. Die Spielregeln sehen folgendermaßen aus: Der Täter wird in unregelmäßigen Abständen Anschläge ankündigen. Die Ausmaße variieren. Kann Rainer die Tat verhindern, erhält er einen Punkt, scheitert er, geht dieser an den Täter. Sollte Rainer zuerst zehn Punkte erreichen, verspricht der Täter sich der Polizei zu stellen. Verliert Rainer das Spiel jedoch …
Neuauflage von Fieses Spiel.
Band 7: Mord am See
Dreizehn Jahre lang war Thorsten verschwunden. Dreizehn Jahre lang glaubte seine Frau, er wäre tot. Nun hat Natascha einen neuen Mann, Florian, den Sohn von Thorstens früherem Arbeitgeber Stork & Söhne, und führt ein ruhiges Leben. Bis Thorsten plötzlich auf ihrer Türschwelle auftaucht. Statt ihr zu erklären, wieso er untergetaucht war, gibt er ihr nur seine Handynummer und verschwindet erneut.
Kurz darauf wird Thorsten ermordet aufgefunden.
Band 8: Der Tote im Park
Auf dem Weg zu einer Verabredung erhält Rainer einen unerwarteten Anruf. René, ein ehemaliger Klassenkamerad, zu dem schon seit Jahren kein Kontakt mehr besteht, bittet den Kommissar um Hilfe. Offenbar steckt er in großen Schwierigkeiten, die er am Telefon nicht näher erläutern möchte. Rainer zögert nicht lange und sagt zu, sich in einer Stunde im Eppendorfer Park zu treffen. Die Zeit verstreicht, doch René taucht nicht auf. Kurz darauf wird in der Nähe des vereinbarten Treffpunkts seine Leiche geborgen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Robin D. Jensen
Über den Autor:
Robin D. Jensen wurde 1959 in Nordenham geboren, studierte BWL und arbeitete über 35 Jahre in Hamburg als IT-Berater in größeren Unternehmen. 2016 begann er zu schreiben und bezeichnet sich selbst als »Zufallsautor«, denn von ihm stammt unter anderem die Krimireihe mit dem Hamburger Kommissar Rainer Zufall. Der sympathische, etwas schüchterne Protagonist seiner Krimis löst gemeinsam mit seinem Team die kniffligsten Fälle, aber auch sein Privatleben nimmt in den Büchern einen größeren Raum ein.
Buchbeschreibung:
Mord auf Helgoland
Dreizehn ehemalige Klassenkameraden treffen nach dreißig Jahren auf der Hochseeinsel Helgoland aufeinander. Unter ihnen eine Person, die auf Rache sinnt. In ihrer Tasche befindet sich ein Giftfläschchen und auf ihren Lippen liegt ein wissendes Lächeln.
Als ein Mitglied der Gruppe tot aufgefunden wird, brechen sofort gegenseitige Verdächtigungen und Paranoia aus.
Die beiden Hamburger Kommissare Rainer und Britta sind genau zur rechten Zeit am rechten Ort und nehmen die Ermittlungen auf. Schnell wird klar: Jeder der zwölf Verbliebenen hätte ein Motiv.
Während der Täter sich weiterhin unbemerkt inmitten der Gruppe bewegt, plant er bereits sein weiteres Vorgehen. Und ehe Rainer und Britta sich versehen, geschieht ein weiterer Mord, gefolgt von einem Anschlag. Wird es ihnen gelingen, den Mörder zu enttarnen?
»Eine hübsche Witwe mordet nicht« ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. Der Krimi ist eine Neuauflage und erschien ursprünglich unter dem Titel »Attraktive Mörderin«.
Ein perfides Spiel
Rainer öffnet sein Mailpostfach, darin befindet sich eine Aufforderung zu einem perfiden Spiel von einem Unbekannten. In dessen Schreibstil schwingt eine gehässige Note mit. Die Spielregeln sehen folgendermaßen aus: Der Täter wird in unregelmäßigen Abständen Anschläge ankündigen. Die Ausmaße variieren. Kann Rainer die Tat verhindern, erhält er einen Punkt, scheitert er, geht dieser an den Täter. Sollte Rainer zuerst zehn Punkte erreichen, verspricht der Täter sich der Polizei zu stellen. Verliert Rainer das Spiel jedoch …
Nicht nur das Leben des Kommissars steht auf dem Spiel, sondern auch das vieler ahnungsloser Menschen. Kann er den Attentäter aufhalten? Oder wird Rainer dieses Mal verlieren?
Mord am See
Dreizehn Jahre lang war Thorsten verschwunden. Dreizehn Jahre lang glaubte seine Frau, er wäre tot. Nun hat Natascha einen neuen Mann, Florian, den Sohn von Thorstens früherem Arbeitgeber Stork & Söhne, und führt ein ruhiges Leben. Bis Thorsten plötzlich auf ihrer Türschwelle auftaucht. Statt ihr zu erklären, wieso er untergetaucht war, gibt er ihr nur seine Handynummer und verschwindet erneut.
Kurz darauf wird Thorsten ermordet aufgefunden.
Die Kommissare Rainer und sein neuer Kollege Hendrik nehmen die Ermittlungen auf. Schnell geraten Stork senior und sein Sohn Florian unter Verdacht. Doch auch Natascha verhält sich seltsam. Weiß sie etwa mehr, als sie zugibt? Als zwei weitere Leichen auftauchen, durch die die Ermittlungen in eine völlig neue Richtung gelenkt werden, wird den Kommissaren klar, dass sie keine Zeit zu verlieren haben. Denn es ist bereits eine weitere Person ins Fadenkreuz des Täters geraten. Eine Frau, die in Rainer Erinnerungen an seinen ersten Fall wachruft.
Der Tote im Park
Auf dem Weg zu einer Verabredung erhält Rainer einen unerwarteten Anruf. René, ein ehemaliger Klassenkamerad, zu dem schon seit Jahren kein Kontakt mehr besteht, bittet den Kommissar um Hilfe. Offenbar steckt er in großen Schwierigkeiten, die er am Telefon nicht näher erläutern möchte. Rainer zögert nicht lange und sagt zu, sich in einer Stunde im Eppendorfer Park zu treffen. Die Zeit verstreicht, doch René taucht nicht auf. Kurz darauf wird in der Nähe des vereinbarten Treffpunkts seine Leiche geborgen.
Von Schuldgefühlen geplagt nimmt Rainer sofort die Ermittlungen auf. Gemeinsam mit seinem Kollegen macht er sich auf zur Wohnung des Opfers und findet sie verwüstet vor. Die Befragung der Nachbarn führt nur zu weiteren Rätseln, also beschließt Rainer, den Kreis der Verdächtigen zu erweitern und macht andere ehemalige Klassenkameraden ausfindig. Dort trifft er jedoch auf eine Mauer des Schweigens. Jeder von ihnen scheint in geheimnisvolle Aktivitäten involviert zu sein, die schon bald weitere Opfer fordern. Während Rainer entschlossen ist, die Puzzleteile zusammenzufügen, muss er sich seiner Vergangenheit stellen und gerät dadurch selbst ins Visier des Mörders.
Robin D. Jensen
Mord auf Helgoland, Ein perfides Spiel, Mord am See, Der Tote im Park
Mörderisches Hamburg 5-8
Sammelband
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Februar 2025 Empire-Verlag
Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer
Ansprechpartner: Thomas Seidl
Lektorat: Petra Bülow
Korrektorat: Jasmin Schulte – http://www.zeilenstark.de/
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –
nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Cover: Chris Gilcher
http://buchcoverdesign.de/
Robin D. Jensen
Mord auf Helgoland
Mörderisches Hamburg 5
Kriminalroman
Prolog
Es war ein schöner Tag im September. Dreizehn Frauen und Männer bereiteten sich auf ein Wiedersehen dreißig Jahre nach ihrem Abitur vor.
Sie freuten sich auf das Treffen auf der Hochseeinsel Helgoland, zu dem sie gemeinsam von Hamburg aus starten wollten. Die wenigsten von ihnen hatten nach der Schulzeit noch Kontakt miteinander gehabt und waren gespannt, wie es den anderen ergangen war.
Nur eine Person hatte ein ganz spezielles Anliegen, das nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der anderen zwölf nachhaltig verändern würde. Diese Person traf Vorbereitungen der besonderen Art. Es sollte ein denkwürdiges Klassentreffen werden, anders als von allen anderen erwartet und eine Abrechnung für dreißig Jahre verpfuschtes Leben. Die Demütigung von damals war heute noch genauso präsent wie vor dreißig Jahren und hatte das weitere Leben dieser Person nachhaltig geprägt. Dafür sollte der Übeltäter büßen und ein qualvolles Ende finden.
Der Koffer war gepackt, in der Seitentasche verschwand das kleine Giftfläschchen, das ein unwürdiges Leben beenden sollte. Die Person lächelte und machte sich auf den Weg.
Kapitel 1
Endlich Wochenende. Die Kommissare Britta Papadopoulos und Rainer Zufall hatten beschlossen, die freien Tage mal nicht zu Hause zu verbringen, sondern ihr lange geplantes Vorhaben umzusetzen und zwei Tage auf Helgoland zu verbringen. Rainer hatte die Fahrt mit dem Katamaran ab Hamburg und auch eine Übernachtung in einem der Hotels auf der kleinen Insel gebucht und freute sich auf die ungestörte Zeit mit seiner Freundin und Kollegin.
Der Wetterbericht sagte für die Hinfahrt ruhiges Wetter vorher, was für die nicht ganz seefeste Britta beruhigend war. Dass der Wetterbericht für den nächsten Tag deutlich mehr Wind ankündigte, hatte Rainer lieber nicht erwähnt, aus Angst, dass Britta es sich dann noch einmal anders überlegen würde.
Es wird schon nicht so unruhig werden, beruhigte er sich selbst. Außerdem bin ich ja da und kann mich um sie kümmern, falls ihr doch übel werden sollte. Erfahrungsgemäß war die Fahrt auf der Elbe bis zur Mündung in die Nordsee kein Problem. Da würde es nur leichte Wellenbewegungen geben und sollte von jedem gut zu überstehen sein.
Unruhig wurde es erst, sobald der Katamaran die Nordsee erreichte. Zurück würden sie eben den unruhigen Part zuerst haben, aber darüber wollte er sich heute noch keine Gedanken machen.
»Wir müssen uns beeilen, damit wir rechtzeitig an den Landungsbrücken sind«, trieb Rainer seine Freundin zur Eile. »Um neun Uhr legt das Teil ab und wartet nicht auf uns.« Er war bereits reisefertig und sah ungeduldig zu Britta, die nach seinem Geschmack viel zu viel Zeit im Bad brauchte.
»Nun hetz mich nicht«, erwiderte sie leicht unwirsch. »Ich muss meine Haare noch trocken bekommen.« Sie richtete ihren Föhn auf Rainer, dessen Haare wie üblich verwuschelt und noch ziemlich nass waren. Aber er brauchte keinen Haartrockner.
»Der Rest trocknet unterwegs«, verkündete er.
»Gut, du Nervensäge.« Britta zog ihre Stiefel an und streifte sich ihre Lederjacke über. Wie üblich war sie wieder ganz in Leder gekleidet, während Rainer Pullover und seine leicht zerrissene Jeans trug.
Sie verließen die Wohnung und beeilten sich, die U-Bahn-Station Hoheluftbrücke zu erreichen. Die Fahrt bis zu den Landungsbrücken dauerte nur wenige Minuten.
An der Brücke Dreiviertel stand schon eine Menschentraube und wartete darauf, an Bord gehen zu dürfen. Eine Gruppe von fünf Personen, die sich herzlich begrüßten, fiel den Kommissaren auf. Diese schienen sich eine längere Zeit nicht gesehen zu haben, wie sie der lautstarken Unterhaltung entnahmen.
Dann machte jemand ein Zeichen und die Passagiere durften an Bord gehen. Rainer und Britta suchten sich einen Platz in der Nähe des Panoramafensters, um einen guten Blick auf das Wasser zu haben.
Als sie sich hinsetzten, griff Britta nach Rainers Hand. Ihre eigene war schweißnass.
»Keine Bange, Schätzelein, das überlebst du«, hauchte Rainer ihr ins Ohr und schmunzelte. »Es ist wichtig, aufs Wasser zu schauen. Das soll gegen Übelkeit helfen. Ich freue mich schon auf die frische Luft und die zwei ungestörten Tage mit dir.«
Britta nickte. Ganz wohl war ihr in Anbetracht der Fahrt allerdings nicht.
Kapitel 2
Sven Müller war sehr überrascht gewesen, als er nach langer Zeit von seinem Klassenkameraden Peter Heilemann die Einladung zu einem Klassentreffen erhielt. Dieser hatte Detektivarbeit leisten müssen, um seinen ehemaligen Mitschüler ausfindig zu machen, denn sein Name, Sven Müller, war ja nicht gerade selten.
Doch irgendwie war es Peter gelungen, und Sven war begeistert. Schließlich hatte er alle seine ehemaligen Mitschüler seit ihrem Abitur nicht mehr gesehen, und das war immerhin bereits dreißig Jahre her. Die meisten hatten sich nach dem Abitur in alle Winde zerstreut. Wie es meistens so ist: Man verabredet sich, auf jeden Fall in Kontakt zu bleiben, aber dann sind die guten Vorsätze schnell vergessen und man verliert sich aus den Augen.
Sven hatte sofort zugesagt und sich den Termin geblockt. Am Tag des Treffens spürte er überraschenderweise so etwas wie Nervosität. Was aus den Leuten wohl geworden war? Jahrelang war er selbst als Berater in einem IT-Unternehmen tätig gewesen, bis er sich dann entschlossen hatte, seinen Job an den Nagel zu hängen und sich ganz der Schriftstellerei zu widmen, mit zunehmendem Erfolg.
Und nun war der Tag des Klassentreffens da. Um acht Uhr brach er auf und stieg in die S-Bahn, um rechtzeitig an den Landungsbrücken zu sein.
Schon von Weitem war die Traube von Menschen zu sehen, die ebenfalls wie er und seine ehemaligen Klassenkameraden nach Helgoland wollten.
Dort angekommen blickte er sich suchend um. Zwei Männer, die sich unterhielten, fielen ihm auf. Der eine kam ihm bekannt vor: Peter Heilemann. Aber wer war der andere?
»Hallo Peter«, begrüßte er den Organisator des Treffens.
»Hallo Sven«, grüßte der zurück und nahm vorsichtig seine Hand. »Ich freue mich, dass es geklappt hat.«
Sven nickte. »Ich mich auch«, bestätigte er und warf einen Blick zu dem anderen Mann. Wer war das bloß?
»Na, Sven, erkennst du mich nicht mehr?«, fragte dieser lachend. Sven kratzte sich am Kopf. Langsam dämmerte es ihm. Die Stimme half ihm schließlich auf die Sprünge: Robert Gerland. In den letzten Schuljahren war er sein bester Kumpel gewesen, mit dem er viel Zeit verbracht hatte. Sie schwärmten damals für das gleiche Mädchen, waren aber schließlich beide leer ausgegangen, denn jemand anderes schnappte sie ihnen quasi vor der Nase weg.
Er betrachtete Robert. Ganz schön aus dem Leim gegangen war er, um nicht zu sagen beinahe fett. Früher war er zwar auch nicht schlank gewesen, aber mittlerweile war er doch sehr umfangreich geworden. Die Haare und sein Vollbart zeigten bereits einige graue Strähnen.
»Klar, Robert, ich brauchte nur einen Moment. Mensch, dreißig Jahre sind eine lange Zeit.«
»Das stimmt. Wie geht’s denn so?«
»Ach, ganz okay. Toll, heute haben wir ja viel Zeit, um uns auf den aktuellen Stand zu bringen. Wo wohnst du denn jetzt?«
Robert grinste. »Ich habe in Braunschweig studiert und bin da auch geblieben. Und du?«
Sven lächelte zurück. »So ähnlich wie du, nur in einer anderen Stadt: Hamburg.«
»Und ich hab in Bremen studiert, wohne aber jetzt wieder in Hamburg«, warf Peter leise ein. »Ich freu mich.«
»Ich auch«, erwiderte Sven. »Endlich mal alle wiedersehen. Wie viele kommen denn?«
»Ach, wenn alle kommen, die zugesagt haben, dann sind wir dreizehn.«
»Dreizehn? Na ja, kein Grund zur Unruhe. Wir sind doch nicht abergläubisch, oder?« Robert lachte und die beiden anderen stimmten in das Gelächter ein.
»Überhaupt nicht«, verkündete Peter und Sven nickte heftig.
»Dann freuen wir uns auf zwei schöne Tage.« Robert hob den Daumen.
Sven blickte sich suchend um. Wo blieben denn die anderen? Er sah auf die Uhr. Nun gut, es war erst zwanzig vor neun, also noch genug Zeit für die übrige Truppe, sich zu ihnen zu gesellen.
Kapitel 3
Sven musterte Peter ein wenig genauer, während sie sich über die alten Zeiten unterhielten. Sein Haar war deutlich spärlicher geworden, aber ansonsten hatte er sich kaum verändert. Er war immer noch das dünne Hemd, das er schon zu Schulzeiten gewesen war. Seine Arme hingen wie damals herunter, als ob sie nicht zu seinem Körper gehörten. Aus seiner gesamten Körperhaltung sprach die Unsicherheit, die Sven von früher kannte.
Peter war immer ein Mitläufer gewesen, keiner, der irgendwie im Mittelpunkt gestanden hatte oder besonders auffällig gewesen war. Die Tatsache, dass er dieses Klassentreffen organisiert hatte, war ziemlich untypisch für ihn.
Was hatte er eigentlich gemacht nach der Entlassung? Sven wusste es nicht.
»Was hast du denn nach dem Abitur gemacht?«, fragte er ihn, und es schien fast so, als wenn Peter diese Frage erschreckt hätte.
»Äh, ich habe Bauingenieurwesen studiert«, kam die zögerliche Antwort, als ob es ihm peinlich wäre. Sven stutzte.
»Ah, okay. Und wo?«
»Wie gesagt, in Bremen.«
Anscheinend muss ich ihm alles aus der Nase ziehen, dachte Sven. War es ihm unangenehm, dass er kaum herumgekommen war? Daher versuchte er, ihm die Unsicherheit zu nehmen.
»Oh super, da hast du bestimmt schnell einen Job bekommen, oder?«
Wieder druckste er herum. »Ich habe jetzt den Betrieb meines Vaters übernommen.«
Okay, ist doch keine Schande, dachte Sven, sprach es aber nicht aus. Langsam verlor er die Lust an diesem Thema.
»Ich finde es klasse, dass du das Treffen hier organisiert hast. Wer kommt denn alles?«, wechselte er rasch das Thema.
Ganz offensichtlich froh, nicht weiter über seinen Werdegang sprechen zu müssen, zählte Peter die Namen auf: »Also wir drei, dann noch Holger, Henning, Karl, Markus, Werner, Karin, Heidi, Paula, Jutta und Conny. Die anderen habe ich entweder nicht erreicht oder sie konnten nicht.«
»Immerhin, dreizehn von achtzehn ist doch schon eine ganze Menge. Danke, dass du dich dahintergeklemmt hast.«
Peter strahlte, ganz offensichtlich glücklich über das Lob.
»Und wie sieht das Programm aus für heute?« Langsam kam sich Sven wie ein Interviewer vor, aber von den anderen beiden kam nichts, was das Gespräch in Gang hielt. Das konnte ja noch lustig werden.
»Also um neun Uhr legt das Schiff ab, die Fahrt dauert etwa drei Stunden und fünfundvierzig Minuten. Dann können wir im Hotel einchecken. Nachmittags gibt es ein gemeinsames Kaffeetrinken, dann ist freie Zeit auf der Insel und abends essen wir zusammen im Hotelrestaurant.«
»Schön. Übernachten alle im selben Hotel? «
»Ich glaube, ja. Ja, doch, ich habe für uns dreizehn Zimmer gebucht.«
»Und hat deine Frau dir freigegeben?«, scherzte Sven, aber Peters Gesichtszüge entgleisten sichtbar.
»Ich bin nicht verheiratet«, druckste er herum.
Oh Mist, voll ins Fettnäpfchen! Ich muss einfach vorsichtiger sein, dachte Sven.
»Sorry, das wusste ich nicht.«
Peter sah betreten aus. Zeit für den nächsten Themenwechsel.
»Und wie geht’s dir so?«, sprach Sven Robert an, der die ganze Zeit danebengestanden, aber sich nicht am Gespräch beteiligt hatte.
»Muss ja«, kam die kurze Antwort.
Super, dachte Sven. Es wird Zeit, dass jemand von den anderen dazukommt, sonst geht mir mit diesen beiden Spaßbremsen gleich der Gesprächsstoff aus.
»Wo wohnst du, was machst du so?«, schob Sven hinterher, wobei ihm erst dann bewusst wurde, die Frage schon mal gestellt zu haben. Sie waren früher so viel zusammen gewesen, hatten ihren Liebeskummer geteilt. Er war doch damals nicht so kurz angebunden gewesen, dachte Sven.
»Wie gesagt: in Braunschweig. Ich habe Informatik studiert, bin da dann irgendwie hängengeblieben.«
Darf ich jetzt nach Frau und Kindern fragen, oder droht die nächste Peinlichkeit?, ging Sven durch den Kopf.
»Und sonst?«, hakte er vorsichtig nach.
»Frau und zwei Kinder«, erwiderte Robert grinsend. Sven atmete erleichtert auf. Die Klippe konnte ich also umschiffen, dachte er.
»Peter hat erzählt, du schreibst Bücher?«, fragte Robert und lächelte seinen früheren Kumpel an.
Kam jetzt die Frage: Und wieviel hast du schon verkauft? Die Frage folgte eigentlich immer, um herauszufinden, ob man es mit einem »richtigen« Autor zu tun hatte, ob derjenige nur zum Spaß schrieb und gar nicht veröffentlichte oder ein erfolgloser »Schreiberling« war.
»Ich kann davon leben«, antwortete Sven vielsagend und wartete auf die Frage, die immer kam, ob denn auch ein Bestseller dabei war.
»Und was schreibst du so?« O, andere Frage, dachte Sven.
»Krimis und Thriller.«
»Oha, keine Sachbücher über Software oder Ähnliches?«
»Nein, das Thema habe ich an den Nagel gehängt. Mit diesen Sachen habe ich lange genug zu tun gehabt.«
Sven blickte zu Peter, der förmlich an seinen Lippen hing, sich aber nicht am Gespräch beteiligte. Er wirkte so, als ob er das ganz aufregend fand, was Sven machte. War er schon immer so merkwürdig gewesen? Sven konnte sich nicht erinnern.
»Und Familie?«, platzte Roberts nächste Frage in dessen Gedanken.
»Ja, Frau und auch zwei Kinder.«
Robert nickte.
»Weißt du eigentlich, was aus Kim geworden ist?«, fragte er. Aha, jetzt kam das Thema auf den Tisch.
Kim war das Mädchen, in das sie damals beide verliebt gewesen waren. Darum konnten sie ganz offen darüber sprechen und Kim hatten sie es auch gestanden. Ihr gefiel das natürlich, aber sie hatte ein Auge auf Lars geworfen, der allerdings keine Anstalten machte, davon irgendetwas mitzubekommen oder seinerseits Interesse an ihr zu zeigen. Über Monate lebten Robert und Sven in diesem Schwebezustand. Man konnte im Nachhinein sogar feststellen, dass sie die beiden so lange hinhielt, bis sie Gewissheit hatte, ob aus ihr und Lars etwas werden könnte.
Hinterher wunderte es Sven, dass Robert und er sich nicht wie die zweite Wahl vorgekommen waren, aber sie waren geduldig gewesen. Auf der anderen Seite war es ja auch spannend, wen von ihnen sie auswählen würde.
So ging das bis zu dem Tag, an dem sie eine Abendveranstaltung in der Schule hatten. Sven hatte Kim nicht gesehen, wusste aber, dass sie da sein musste. So wartete er am Ausgang auf sie, bis sie herauskam, leider eng umschlungen mit Lars. Sven war wie vor den Kopf gestoßen. Nach dem Abitur verlor Sven sie aus den Augen und wusste nicht, was aus ihr geworden war.
»Keine Ahnung!« Sven schüttelte den Kopf. »Interessiert mich auch nicht.« Stimmte das wirklich? Noch bis gestern hatte er gar nicht mehr an sie gedacht, aber heute kam das Thema plötzlich wieder hoch und schmerzte überraschenderweise doch ein wenig.
»Weißt du was über sie?«, fragte Robert Peter, der weiterhin schweigend ihr Gespräch verfolgt hatte.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, über sie habe ich nichts herausbekommen. Keine Adresse, keine Mailadresse, nichts. Wie vom Erdboden verschluckt.«
»Na dann, Schnee von gestern«, schloss Robert das Thema ab.
»Genau«, stimmte Sven ihm zu.
Was wohl aus ihr geworden war? Früher war sie sehr attraktiv gewesen. Aber wer wusste, wie sie sich inzwischen verändert hatte?
»Hallo!«, hörten sie eine Frauenstimme und drehten sich um. Das war doch Heidi Clausen, die ihren Kameraden freundlich zuwinkte. Gleich dahinter tauchte Paula Thomsen auf. Die hatte sich überhaupt nicht verändert. Zurückhaltend wie eh und je.
Kapitel 4
Bei den beiden Frauen schien die Zeit stehengeblieben zu sein. Im Gegensatz zu Robert hätte Sven die beiden auf der Straße sofort wiedererkannt. Heidi trug immer noch ihr Haar sehr kurz, die Farbe war die gleiche wie früher, schwarz, allerdings mit einigen grauen Strähnen, die sie aber noch attraktiver aussehen ließen. Ihr sympathisches Lächeln erinnerte ihn an damals.
Paula hielt sich dezent im Hintergrund, graue Maus wie früher. Ihre Haare waren grau und sie trug sie immer noch halblang. Ihre Augen waren ohne Glanz und ließen Sven vermuten, dass sie in den letzten dreißig Jahren nicht viel Freude empfunden hatte. Er erinnerte sich, dass man sie auf einer Klassenfahrt einmal beinahe auf der Rückfahrt vergessen hätte, weil sie immer so still und unscheinbar war, dass man sie leicht übersehen konnte.
Heidi dagegen war der Liebling aller in der Klasse gewesen, eine Frau, mit der man, wie man so schön sagt, Pferde stehlen konnte.
»Hi«, sprudelte es aus ihr heraus und im nächsten Moment fiel sie Sven um den Hals. »Wenn das mal nicht unser Sven ist. Hast zwar jetzt einen Bart, bist etwas größer und kräftiger als früher, aber an der Stimme habe ich dich sofort erkannt.«
Die alte Vertrautheit war sofort wieder da, und Sven war froh, dass endlich Leben in die Runde kam. Er umarmte sie herzlich, freute sich aufrichtig, sie wiederzusehen. Als sie sich von ihm löste, boxte sie ihn freundschaftlich in die Seite und Sven grinste.
»Die liebe Heidi Clausen«, rief er.
»Hansen inzwischen«, verbesserte sie ihn. »Ich heiße inzwischen Hansen.«
Heidi wandte sich um und drückte als nächstes Robert, danach Peter. Letzterer verspannte sich sichtlich, als Heidi ihn umarmte.
»Schön, euch zu sehen«, sagte Heidi und strahlte die Männer an.
Zögernd gab Paula Sven die Hand. Der Händedruck war, als ob er einen toten Fisch in der Hand hielte. Sie legte ihm mehr oder weniger eine weiche Hand in seine, wollte sie gleich wieder wegziehen, aber er packte fest zu und lächelte sie an.
»Hallo Paula, schön, dass du auch dabei bist.«
Verlegen probierte sie ein vorsichtiges Lächeln, blickte unsicher von Sven zu Robert und nickte zaghaft.
»Und Jungs, was treibt ihr so?«, fragte Heidi, die sofort die Initiative übernahm.
Peter und Robert schauten hilflos zu Sven, sodass er sich aufgerufen fühlte, Heidis Frage zu beantworten.
»Also ich bin mittlerweile Autor geworden, nachdem ich lange Zeit in der IT gearbeitet habe.«
»Wow, spannend. Was schreibst du so und kannst du davon leben?«
Das waren wieder die Standardfragen, die man ihm immer stellte, aber bei Heidi klang das anders, interessiert und nicht herablassend. Daher hatte Sven kein Problem damit, die Frage sofort ehrlich zu beantworten.
»Krimis und Thriller und ja, ich bin ganz zufrieden damit.«
»Schön.«
»Und wie ist es dir so ergangen?«, fragte er zurück. Im Augenwinkel bemerkte er die anderen drei, die schweigend danebenstanden, dem Gespräch lauschten und sich offensichtlich nichts zu sagen hatten.
»Nun ja, ich habe damals auf Lehramt studiert und war danach lange auf der Suche, bis es dann endlich mit einer Festanstellung geklappt hat. Zwei gescheiterte Ehen, zwei Kinder und jetzt lebe ich in Hannover. So viel gibt es von mir im Telegrammstil zu berichten.« Sie grinste und boxte ihn noch einmal freundschaftlich in die Seite.
»Gescheiterte Ehen?«, fragte Sven ungläubig. »Wie kann man sich denn mit dir nicht verstehen?«
»Das geht«, erwiderte Heidi und zog die Augenbrauen hoch. »Offenbar fühlen sich Männer von mir an die Wand gedrückt.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause und fügte dann hinzu: »Daher lebe ich jetzt auch mit einer Frau zusammen.«
Sven stutzte. »Wie? WG?«
»Wer weiß«, antwortete sie vielsagend. Peter holte geräuschvoll Luft und wirkte erschüttert.
»Okay, verstehe.« Damit hatte Sven jetzt wirklich nicht gerechnet. Doch Peters Reaktion fand er einigermaßen sonderbar. Homosexuelle Beziehungen waren heutzutage nun wirklich kein Tabuthema mehr, auch wenn er sich das bei Heidi eigentlich nicht vorstellen konnte.
»Und wie sieht es bei dir aus, Paula? Was hast du so getrieben in den letzten dreißig Jahren?«
So plötzlich im Mittelpunkt zu stehen, ließ sie förmlich zusammenzucken. Es kostete sie anscheinend Überwindung, so direkt von sich zu erzählen.
»Ich habe eine Banklehre gemacht.« Ihre Worte kamen äußerst leise aus ihr heraus. Mehr sagte sie aber nicht.
»Okay, und du arbeitest in einer Bank?«, hakte Sven nach. Das mutete ja fast wie ein Verhör an, aber anscheinend musste man auch ihr alles aus der Nase ziehen. Zum Glück war ja Heidi dabei, dachte er.
Paula nickte und zuckte im nächsten Moment zusammen.
»Mahlzeit zusammen«, dröhnte plötzlich ein dunkler Bass hinter ihnen. Das konnte nur Karl Frieling sein, der Klassendominator früherer Tage. Und tatsächlich, er war es. Aber was war denn aus ihm geworden? Alle staunten nicht schlecht, denn er war total aus dem Leim gegangen, schob eine ziemliche Kugel vor sich her.
Karl stellte sich hinter Peter und gab ihm einen kräftigen Schlag auf den Rücken. Sven hatte beinahe Angst, dass der dünne Peter vornüberfallen würde.
In dem Moment wurde der Zugang zum Boot geöffnet.
Kapitel 5
Gemeinsam schoben sie sich vor in Richtung Katamaran. Karls Stimme übertönte alles. Es war beinahe wie früher. Karl trat auf und alles hörte quasi auf sein Kommando. Wenn Karl kam, hatten die anderen Pause. Er war wie ein Wirbelsturm, der alles hinwegfegte, nur dass dieser nach dreißig Jahren noch gewaltiger daherkam als früher. Groß und kräftig war er damals schon gewesen, aber mittlerweile war er ein richtiger Schrank geworden, ein schwergewichtiger Kleiderschrank.
Im Schlepptau folgte Holger Rieken, die Sportskanone. Holger war früher viel mit Karl zusammen gewesen, was seinen Noten allerdings nicht besonders gutgetan hatte. Das Abitur schaffte Holger nur mit Ach und Krach, während Karl ganz gut durchgekommen war. Ihm hatte geholfen, dass er gern mit den Lehrern im Unterricht diskutierte, was ihm sehr gute mündliche Noten eingebracht hatte.
Sven versuchte, Holger ein wenig genauer zu betrachten, was nicht ganz einfach war, weil sich Karl vor Holger aufgebaut hatte. Ganz offensichtlich versuchte Holger immer noch, sich fit zu halten. Während die meisten Männer im fortgeschrittenen Alter an Gewicht zulegten, war er immer noch rank und schlank, aber muskulös. Sven beneidete ihn fast und nahm sich zum wiederholten Mal vor, mehr und regelmäßiger Sport zu treiben.
»Na, ihr Fischköpfe«, rief Karl. Er hatte wohl den Eindruck, die Gruppe aus ihrer Lethargie wecken zu müssen. »Was liegt an?«
Karl machte die Runde, packte jeden bei der Hand, wobei insbesondere Peter regelrecht zusammenzuckte, als Karl dessen Hand griff und ganz offensichtlich fest zudrückte. Bei Sven angekommen reichte er ihm seine Pranke und legte die andere Hand auf Svens Schulter.
»Mann, ich komm nicht mehr auf deinen Namen.« Er schloss die Augen und grübelte. Wer mochte dieser Kerl bloß sein?
Der grinste. »Na, dann überleg mal.« So leicht wollte er es ihm nicht machen. Karl stutzte. Man konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Dann ging er weiter, blickte aber immer wieder zu Sven zurück. »Ich habe es gleich.« Als nächstes war Heidi dran, die er schwungvoll griff und in die Höhe hob.
»Na, wenn das nicht die gute Heidi ist. Gut schaust du aus. Aber wer ist der Kerl da?«, fragte er und nickte in Svens Richtung.
»Fängt mit S an«, half ihm Heidi auf die Sprünge.
»S, S, S«, grübelte Karl. »Sven?«, kam es plötzlich. Der Angesprochene nickte.
»Mensch, du warst doch viel kleiner damals.«
»Stimmt, früher war ich kleiner«, antwortete Sven schmunzelnd. »Und mit zwanzig bin ich noch mal gewachsen.«
Karl schüttelte den Kopf. »Unglaublich«, murmelte er. »Sven!«
So ging er von einem zum anderen, hatte bei jedem einen frechen Spruch auf den Lippen, während Holger ihm eher geräuschlos folgte und jeden freundlich begrüßte.
Die Gruppe suchte sich einen Platz, wo alle dreizehn, die erwartet wurden, zusammensitzen konnten. Diejenigen, die noch kommen würden, dürften keine Probleme haben, ihre Klassenkameraden zu finden, denn Karls Stimme war weithin zu hören.
Kapitel 6
Britta warf einen kritischen Blick zu der Gruppe, in der ein kräftiger Mann so laut sprach, dass er im gesamten Raum zu hören war. Genervt drehte sie sich zu ihrem Freund um.
»Was ist denn das für ein Typ?«, fragte sie Rainer, der ebenfalls zu den Mitreisenden hinübersah. Der Mann war anscheinend der Wortführer der Truppe. Er schien bester Laune zu sein, ließ einen lockeren Spruch nach dem anderen los und genoss es spürbar, die Aufmerksamkeit der gesamten Gruppe zu haben, die sich inzwischen vergrößert hatte. Sein Lachen dröhnte durch den Raum.
»Der hat es anscheinend nötig«, antwortete er trocken.
»Was meinst du?«
»Die dicke Lippe zu riskieren. Das ist ein Typ nach dem Muster: Wo ich bin, ist vorne.« Der Typ erinnerte ihn an einen ehemaligen Klassenkameraden, der früher ebenfalls solche Auftritte genossen hatte.
»Nervig«, urteilte Britta, die für einen Moment ihr ungutes Gefühl vor der Fahrt vergessen hatte. »Hoffentlich lässt der irgendwann nach und gibt Ruhe.«
»Am besten nicht beachten«, riet Rainer und blickte wieder aus dem Fenster.
Britta riss ihren Blick ebenfalls von dem aufdringlichen Typen los und schaute aufs Wasser. Augenblicklich kehrte das flaue Gefühl zurück. Auch wenn ihr sonst kaum eine Herausforderung etwas anhaben konnte, auf dem Wasser wurde ihr regelmäßig übel. Das Geschaukel und das Gefühl, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben, behagte ihr überhaupt nicht.
Sie bereute es bereits jetzt, dass sie sich von ihrem Freund hatte breitschlagen lassen. Viel lieber hätte sie ein ruhiges Wochenende zu Hause verbracht. Was hat mich bloß geritten, Rainers Vorschlag zuzustimmen?, fragte sie sich.
»Das ist doch ein traumhafter Ausblick, oder?« Rainer bemerkte ihre Nervosität und versuchte, sie auf andere Gedanken zu bringen. »Du, hast du schon überlegt, was du dir auf Helgoland anschauen willst?«
Britta schluckte den Kloß herunter, den sie im Hals hatte, und versuchte, sich an das zu erinnern, was sie über die Insel gelesen hatte. Die lange Anna fiel ihr ein, dieser Brandungspfeiler im Nordwesten Helgolands war das Wahrzeichen der Insel. Die sollte man sicher gesehen haben. Aber was gab es da noch zu sehen? Ihr Kopf war wie vernebelt, sie konnte sich an die anderen Dinge nicht mehr erinnern.
In der Gruppe mit dem nervigen Kerl wurde es noch lauter. Es gesellten sich immer mehr Personen dazu, die alle mit einem großen »Hallo« begrüßt wurden. Die benehmen sich, als wären sie allein auf dem Boot, dachte Britta.
»Nun?«, hakte Rainer nach.
»Was?«, fragte sie abgelenkt.
»Was möchtest du gern machen auf Helgoland?«
»Ach so. Die lange Helga«, antwortete Britta, abgelenkt durch das Getöse der Truppe.
»Du meinst Anna.« Rainer musste lachen. Seine sonst so taffe Kollegin und Freundin war kaum wiederzuerkennen. Hoffentlich nimmt sie es mir nicht übel, dass ich sie zu diesem Trip überredet habe, sagte er innerlich zu sich selbst. Dass ihr die Fahrt solch ein Problem bereitet, hätte ich nicht gedacht.
»Was ist mit den Kegelrobben oder dem Leuchtturm?«
»Ja.« Sie klang abwesend.
In dem Moment brummte es. Der Motor des Katamarans wurde gestartet. Britta packte Rainers Hand und schluckte schwer. Ihre Hand war eiskalt.
»Du schaffst das.« Rainer strich ihr mit der anderen Hand beruhigend über den Kopf. Held und Beschützer zu sein, ist schon was Tolles, dachte er, als sich der Katamaran in Bewegung setzte. Brittas Griff wurde noch fester.
Kapitel 7
Nach und nach hatte sich die Gruppe vergrößert. Zunächst kamen Markus Schneider und Karin. Die beiden waren im letzten Schuljahr zusammengekommen, schienen auch jetzt noch ein Paar zu sein.
Karin war das Model der Klasse gewesen, sah damals toll aus, sodass im Prinzip beinahe alle Jungs in der Klasse für sie schwärmten. Sie ließ es die jungen Männer spüren, dass sie jeden um den Finger wickeln konnte, letzten Endes machte dann Markus das Rennen. Das war für viele aus der Klasse eine Enttäuschung. Sven hatte nur noch mitbekommen, dass beide zusammen in Aachen studierten, danach verlor sich die Spur, und er hatte nicht einmal gewusst, ob sie noch zusammen waren.
Markus war immer der eher flippige Typ gewesen, und es war schon eine Überraschung, dass Karin gerade ihn ausgewählt hatte. Die beiden wirkten heute allerdings nicht besonders fröhlich. Es sah eher so aus, als ob es zwischen ihnen gerade gekracht hatte.
Im Gegensatz zu Markus, der äußerlich kaum verändert schien, sah Karin gealtert und verbittert aus. Von der ehemaligen Schönheit war nicht mehr viel übriggeblieben. Sie begrüßten die Gruppe eher reserviert, wobei Markus erfolglos versuchte, gute Laune zu demonstrieren. Karin hingegen machte aus ihrer schlechten Stimmung keinen Hehl und zog sich weitgehend zurück.
Als nächstes tauchte Conny Seifert auf. Ehe Sven sich versah, fiel sie ihm um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf. Erstaunt blickte er sie an. Conny war schon damals eine Frau gewesen, die keine Grenzen kannte. Hinter vorgehaltener Hand wurde sie auch »Klassenschlampe« genannt, denn es war ein offenes Geheimnis, dass sie diverse Bettgeschichten gehabt hatte.
Sven musterte sie genauer. Ihre Kleidung hätte zu einem jungen Mädchen gepasst, wirkte bei ihr unpassend, deutlich zu jugendlich. Ihre Haare trug sie wie früher – lang, die blonde Farbe war unecht, denn am Haaransatz waren die Haare bereits ergraut. Wie zur Schulzeit hatte sie Make-up aufgetragen, heute aber deutlich zu viel. Außerdem verströmte sie den Duft eines Parfums, das Sven als zu aufdringlich empfand. Er rümpfte dezent die Nase, um es sie lieber nicht merken zu lassen.
»Hi Conny, wie geht’s?«, fragte Sven, nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte.
»Super, Sven. Gut siehst du aus. Bist ja ein richtiger Mann geworden.« Lachend boxte sie ihn in die Rippen und zwinkerte ihm zu.
Er lächelte etwas säuerlich zurück. Sie war ihm für seinen Geschmack doch etwas zu sehr auf die Pelle gerückt, anders als Heidi, bei der er das anders empfunden hatte. Zum Glück wandte sich Conny jetzt Robert zu, den sie ebenfalls schwungvoll umarmte.
Nun ging es Schlag auf Schlag.
Der Klassenbeste, 1,0-Henning Becker, gefolgt von 1,2-Jutta Amann, trafen beinahe gleichzeitig ein. Henning hatte das Abitur ohne Fehl und Tadel durchgezogen und wollte damals Medizin studieren. Sven konnte sich nicht mehr erinnern, ob er das tatsächlich gemacht hatte, aber heute war dafür nun die Gelegenheit, die Informationslücken zu füllen. Henning begrüßte alle mit durchgedrücktem Arm, sein Faible für Distanz war schon immer sein Markenzeichen gewesen.
Jutta begrüßte alle herzlich, ohne zu viel Nähe. Kein Vergleich zu Conny. Jutta war ein nettes, zurückhaltendes Mädchen gewesen, an das man nicht so wirklich herankam. Heute hatte sie sich betont sportlich angezogen, trug weiße Turnschuhe und hatte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden.
Manche vermuteten, dass Jutta damals für den Bio-Lehrer geschwärmt hatte, andere behaupteten sogar, sie hätte etwas mit ihm gehabt. Genaues wusste man aber nicht. Interessant war nur, dass dieser Bio-Lehrer, Herr Peters, gemeinsam mit der Abiturklasse die Schule verlassen hatte. Auch hier gab es Gerüchte, dass das nicht ganz freiwillig geschehen wäre, aber dies blieb ebenfalls unbewiesen.
Als Letzter erreichte Werner Frerichs die Gruppe. Bei seinem Anblick war Sven erschüttert. Werner war schon immer das Sorgenkind der Klasse gewesen. Bereits damals hatte er gern getrunken und war bei einer Klassenreise total abgestürzt. Wie er das Abitur hatte schaffen können, war allen schleierhaft.
Doch so wie er jetzt aussah, schien er aus seinem Leben nicht viel gemacht zu haben. Sein Gesicht war rot und aufgedunsen, Spuren eines vermutlich ausschweifenden Lebens. Sein Bauch war eine richtige Kugel, seine Kleidung machte einen ungepflegten Eindruck. Die Klassenkameraden musterten ihn und wirkten ebenso schockiert. Auch Werner machte die Runde, begrüßte alle freundlich. Er wirkte bereits leicht alkoholisiert, als hätte er sich Mut antrinken müssen, um sich seinen Klassenkameraden zu stellen.
»So, Leute, was liegt an?«, ergriff Karl wieder das Wort und blickte erwartungsfroh in die Gesichter der Anwesenden. »He, Peter, du hast das doch organisiert, oder? Also, was ist geplant?« Die Frage hatten auch die Mitreisenden in der allerletzten Ecke des Raumes verstanden, weil Karl gebrüllt hatte, als ob alle schwerhörig wären.
Dem Angesprochenen war es sichtlich unangenehm, plötzlich im Mittelpunkt zu stehen und das Wort ergreifen zu müssen.
»Also«, begann er umständlich, »wir sind etwa kurz vor eins auf Helgoland. Dann können wir einchecken. Nachmittags gibt es ein gemeinsames Kaffeetrinken, danach ist freie Zeit auf der Insel und abends essen wir zusammen im Hotelrestaurant.«
»Wann?«, hakte Karl nach.
»Für achtzehn Uhr haben wir einen Raum im Restaurant reserviert.«
»Okay, dann können wir ja jetzt was zum Trinken bestellen«, übernahm Karl erneut die Initiative.
Die nächsten Stunden saßen sie zusammen und unterhielten sich. Die Fahrt war ruhig, solange sich das Schiff auf der Elbe befand. Sven war intensiv mit Heidi im Gespräch, die sich genau nach seinem neuen Job erkundigte. Die meisten anderen waren eher schweigsam, während Karl und Markus den Rest der Versammlung unterhielten. Karin saß zwar neben Markus, machte aber weiterhin ein genervtes Gesicht und beteiligte sich nicht an den Gesprächen, obwohl Conny, die neben ihr saß, immer wieder versuchte, sich mit ihr zu unterhalten. Aber Karin ließ sie abblitzen und ignorierte sie einfach.
Das Schiff erreichte die Nordsee und die Fahrt wurde unruhiger. Einigen Fahrgästen wurde übel, aus der Gruppe der Klassenkameraden traf das auf Paula und Peter zu, die sich etwas gegen Übelkeit geben ließen.
»Wisst ihr noch, der Hartmann, unser Klassenlehrer?«, rief Karl plötzlich in die Runde. »Wie der uns bei der Klassenreise abends zur Ordnung gerufen hat, als wir zu spät in die Herberge zurückgekommen sind? Pyjama und Krawatte, so was habe ich noch nie gesehen.« Er brüllte vor Lachen und einige schmunzelten.
»Oder Peters, dieser Bio-Onkel, der Schwarm aller Mädchen.« Er warf den Kopf zurück und tat, als wenn er lange Haare zurückwerfen würde. Einige richteten ihre Augen auf Jutta, die Karl einen bösen Blick zuwarf. Wusste Karl nichts von dem Gerücht oder war es ihm egal? Jutta selbst vermittelte den Eindruck, als ob sie am liebsten flüchten würde.
Aber nun war der Bann gebrochen und die eine oder andere Anekdote aus ihrer Schulzeit wurde zum Besten gegeben. Die Stimmung wirkte gelöst, nur Jutta, Karin, Paula und Peter wirkten nach wie vor ernst und angespannt.
»Der Karl ist ja wieder in Hochform.« Heidi nickte schmunzelnd in dessen Richtung.
»Wie in alten Zeiten«, bestätigte Sven.
Ein wenig fühlte er sich dreißig Jahre zurückversetzt.
»Ich bin gespannt auf die Insel«, sagte Heidi, »aber vor allem freu ich mich darauf, dass wir noch mal über die alten Zeiten sprechen und auch von jedem erfahren können, was er oder sie in den letzten dreißig Jahren gemacht hat.«
Sven nickte. »Ich hoffe nur, wir können Karl bremsen, damit er nicht das gesamte Treffen dominiert.«
Sein Blick fiel auf das Paar, das vor dem Panoramafenster saß. Der Mann hielt die schwarzhaarige Frau in ihrer Lederkluft fest im Arm. Augenscheinlich ging es ihr nicht besonders gut. Bei Peter und Paula schien das Mittel gegen die Seekrankheit nicht zu wirken. Sie sahen beide sehr elend aus. Ihre Gesichtsfarbe war in ein blasses Grün übergegangen.
Kapitel 8
Kaum hatte der Katamaran die Elbe hinter sich gelassen und war auf dem offenen Meer, sprich auf der Nordsee, wurde die Fahrt deutlich unruhiger.
Einige Fahrgäste, die sich vorher noch darüber gefreut hatten, dass die Reise ruhiger verlief als befürchtet, wurden regelrecht blass im Gesicht.
Britta klammerte sich an Rainer und stöhnte. »Ich glaube, ich muss mich gleich übergeben.«
Rainer überlegte, welche Tipps ihm gegen Übelkeit auf dem Schiff einfielen. Den Horizont fixieren, ging ihm durch den Kopf. Ablenkung war eine weitere Maßnahme oder auch frische Luft. Beruhigend redete er auf Britta ein, die krampfhaft nach vorn schaute und versuchte, ihre Übelkeit herunterzukämpfen, was ihr nur leidlich gelang.
Rainer nahm sie in den Arm und flüsterte ihr Liebesbekundungen ins Ohr. Britta kroch beinahe in ihn hinein. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. Die Gruppe mit dem lärmenden Kerl hatte sich in verschiedene kleinere Grüppchen aufgeteilt. Den meisten schien das Schaukeln des Katamarans nichts auszumachen.
Sven sah sich um und bemerkte, dass sich Karin anscheinend entspannt hatte. Nicht nur das, sie schäkerte mit Karl herum, war richtig albern. Markus allerdings wirkte mittlerweile genervt. Ganz offensichtlich passte es ihm nicht, wie Karin immer ungenierter mit Karl flirtete. Dem gefiel das augenscheinlich, denn er nahm Karin in den Arm und flüsterte ihr etwas ins Ohr, wobei sie herzhaft loslachte.
Von der anderen Seite des Tisches bemühte sich Conny, Karls Aufmerksamkeit zu erregen. Der ließ sie allerdings abblitzen, woraufhin Conny ziemlich verärgert aufstand und sich zu Markus gesellte.
Bin ich eigentlich der Einzige, der diese Spannung in der Gruppe bemerkt?, fragte sich Sven. Die anderen schienen davon nichts mitzubekommen. Robert war mit Heidi im intensiven Gespräch, Peter und Paula hatten offenbar mit sich selbst zu tun und bekamen von der Umwelt nichts weiter mit.
Werner wirkte gelangweilt, während Jutta und Henning heftig über ihre Abschlussarbeiten diskutierten.
Conny hatte inzwischen ein neues »Opfer« auserkoren: Sven!
»Oh Mann, dass die sich alle so begeistern können für die alten Zeiten. Ich lebe lieber im Heute. Und du, Sven?«
»Ach, ich finde es schon interessant, mal wieder über die alten Zeiten zu sprechen.«
»Na ja, aber was machst du eigentlich?«
»Ich schreibe«, versuchte er, sie mit einer knappen Antwort abzuspeisen. Leider schreckte sie das nicht ab, im Gegenteil.
»Echt? Das ist ja aufregend. Was schreibst du denn so?«
»Krimis und Thriller.« Merkt sie nicht, dass ich im Moment kein Gespräch will?, dachte er.
»Krass. Keine Liebesschnulze?« Lachend knuffte sie ihn in die Seite.
»Nö.«
»Und kannst du davon leben?« Die unvermeidliche Frage, bei ihr wieder einigermaßen nervig.
»Ich komm zurecht.«
»Hast du Familie?«, fragte sie hoffnungsfroh.
»Ja, Frau und zwei erwachsene Kinder.« Nun bin ich sie hoffentlich los, dachte er.
»O, schön. Und glücklich?«
Oh Mann, was sollte das jetzt?
»Ja, schon.« Sie merkte es einfach nicht.
»Das klingt aber nicht überzeugend.«
Aha, steuert sie jetzt auf etwas Bestimmtes zu?
»Doch, alles gut.«
»Ach, ich freue mich, dass wir uns mal wieder treffen, Sven. Du bist echt ein toller Typ geworden.« Sie strich ihm über den Arm und strahlte ihn an.
»Danke«, erwiderte er knapp, denn sie ging ihm immer mehr auf die Nerven.
»Na, vielleicht haben wir ja heute Abend noch Lust auf einen Schlummertrunk an der Bar.«
»Vielleicht.«
Aber bestimmt nicht mit dir.
Sven nutzte die Gelegenheit, zu Heidi zu flüchten. Conny hatte sich inzwischen an Robert herangepirscht, der sich auch eher lustlos mit ihr unterhielt.
Karin und Karl alberten immer noch herum und amüsierten sich augenscheinlich prächtig. In Markus brodelte es, aber eine Explosion blieb überraschenderweise aus.
»He, Werner, brauchst du einen Schnaps, oder was?«, dröhnte plötzlich Karls Stimme durch den Raum. Einige schauten erst Karl, dann Werner erschrocken an. Karin, Karl und Conny lachten, die anderen schauten betreten in die Runde.
Werner erhob sich mühsam, leicht schwankend, reagierte aber nicht auf Karls Provokation.
»Hoffentlich sind wir bald da«, raunte Heidi Sven zu. Er nickte. Das hoffte er auch. Den Beginn ihres Klassentreffens hatte er sich etwas anders vorgestellt.
Kapitel 9
Britta atmete auf, als der Katamaran endlich an der Hafenmole von Helgoland anlegte. Rainer sah sie mitleidig an. Dass diese Schifffahrt sie so mitnehmen würde, hatte er nicht gedacht. Er wusste zwar, dass sie Schifffahrten nicht besonders mochte, aber dass es so schlimm war, hatte er sich nicht vorstellen können. Er war froh, dass sie endlich an die frische Luft gehen konnten. Dann würde es ihr mit Sicherheit bald wieder besser gehen.
»Endlich wieder festen Boden unter den Füßen«, verkündete Rainer und lächelte Britta zu. Sie konnte nur nicken, atmete die Meeresluft tief ein und hatte immer noch das Gefühl zu schwanken. Ihre Schritte waren entsprechend unsicher.
Rainer hielt sie fest an der Hand und so gingen sie die ersten Meter bis zu einer Bank, auf der Britta Platz nahm, um sich ein wenig zu sammeln.
Er ließ den Blick schweifen. So eine Insel mitten in der Nordsee war schon etwas Besonderes. Er sah hinüber zur Nebeninsel, der Düne. Dort gab es, wie er wusste, einen Flugplatz, einen Campingplatz und auch einige Bungalows. Eigentlich hätte er Lust, dorthin zu fahren, aber Britta würde er dafür kaum begeistern können, sich gleich wieder aufs Wasser zu begeben.
»Geht’s wieder?«, fragte er seine Freundin, die in der Tat inzwischen etwas entspannter aussah.
»Ja, wir können gern weitergehen.«
Sie erhoben sich und schlenderten ziellos an den Souvenirläden vorbei. Für das Einchecken im Hotel war es wohl noch etwas früh. Rainer spürte Hunger, mochte seiner Freundin aber lieber noch nicht vorschlagen, irgendwo einzukehren, um etwas zu essen.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass der Wind deutlich zugenommen hatte. Er schaute auf sein Smartphone. Für heute war Windstärke fünf angekündigt, am nächsten Tag sollte es deutlich stürmischer werden. Hoffentlich wurde es nicht zu schlimm. Bei zu starkem Seegang wurden die Fahrten sogar ganz abgesagt, hatte Rainer irgendwo gelesen. Nun gut, es hatte keinen Sinn, sich heute schon darüber zu sorgen. Das Wetter konnte er sowieso nicht beeinflussen. Jetzt wollte er einfach die Zeit mit Britta genießen und die Arbeit für zwei Tage vergessen.
Kapitel 10
Die Gruppe der ehemaligen Klassenkameraden durfte frühzeitig einchecken. Peter hatte an alles gedacht und bekam entsprechendes Lob von den anderen, was ihm sichtlich guttat.
Nachdem sie auf dem Schiff bereits so lange gesessen hatten, war ihnen allen mehr nach einem Spaziergang als nach dem geplanten Kaffeetrinken im Hotel, sodass Peter das kurzerhand absagte. Das Wetter spielte zum Glück auch mit. Es war zwar frisch und windig, aber dafür sonnig. Es lud regelrecht zum Spazierengehen ein.
Sven war mit Heidi und Robert zum Nordstrand gelaufen, wo sie einen Blick auf die Lange Anna geworfen hatten, das Wahrzeichen von Helgoland. Er hatte sich vor der Reise über sie schlaugemacht und gab sein Wissen an die beiden grinsend weiter: »Diese junge Dame ist etwa siebenundvierzig Meter hoch und ist ein Brandungspfeiler. Das Prachtweib wiegt dabei sage und schreibe etwa fünfundzwanzigtausend Tonnen, ist aus rotem Buntsandstein und hat eine Grundfläche von hundertachtzig Quadratmetern.«
»Nicht schlecht«, staunte Heidi.
Sven und Heidi hatten sich danach die ganze Zeit angeregt unterhalten, während Robert einigermaßen missmutig nebenher gegangen war und nur stumm zugehört hatte.
»Echt cool, was sie alles auf dieser kleinen Insel untergebracht haben.« Aus Heidis Stimme sprach Begeisterung und Sven musste feststellen, wie sehr er es genoss, mit ihr zusammen zu sein.
Robert dagegen schien schlecht gelaunt. Sven wusste nicht, welche Laus seinem ehemals besten Kumpel über die Leber gelaufen war, traute sich aber nicht, nachzufragen.
»Ach, hier seid ihr«, hörten sie plötzlich eine Stimme hinter sich, und Sven rollte mit den Augen. Conny hatte ihm gerade noch gefehlt. Er war froh gewesen, dass er sich mit Heidi und Robert auf den Weg machen konnte, als Conny gerade auf der Toilette war. Doch um sich dauerhaft aus dem Weg zu gehen, war Helgoland mit seinen etwa vier Quadratmetern wohl einfach zu klein.
»Ist das die Lange Anna?«, fragte Conny beim Blick auf die Sehenswürdigkeit.
Heidi nickte. »Ja, gut erkannt.«
Hörte er da ein wenig Ironie in ihrem Tonfall? Sven musste schmunzeln, auch wenn ihm klar war, dass sie die Nervensäge nicht so schnell wieder loswerden würden.
Die vier Klassenkameraden schlenderten zum Hotel zurück und Sven verabschiedete sich, um sich einen Moment hinzulegen. Irgendwie fühlte er sich plötzlich todmüde, vermutlich aufgrund der frischen Seeluft.
Kapitel 11
Sven war doch tatsächlich fest eingeschlafen. Nur mühsam kam er zu sich, überlegte, wo er war, bis ihm einfiel, dass er zum Abendessen mit seinen ehemaligen Mitschülern gehen wollte.
Er war froh, dass er sich einen Wecker gestellt hatte. Um wieder wach zu werden, spritzte er sich Wasser ins Gesicht. Dann zog er sich die Schuhe an und verließ das Zimmer. Wie zufällig schlenderte Conny gerade über den Flur und wusste nun natürlich, welches seine Zimmernummer war. Klasse!
»Ach, hallo Sven, na du siehst ja verschlafen aus«, begrüßte sie ihn fröhlich.
»Hi Conny, du bist auch spät dran, oder?«
»Ja, äh, stimmt. Ich hatte noch etwas im Zimmer vergessen«, stotterte sie.
Ziemlich faule Ausrede, dachte er.
»Gehst du auch zu Fuß runter zum Restaurant?«, schob sie eilig hinterher.
Ehe Sven antworten konnte, ergänzte sie lachend: »Dann können wir ja zusammen gehen, damit ich mich nicht verlaufe.« Schnurstracks hatte sie sich eingehakt und lächelte ihn vertraut an.
Na, das kann ja heiter werden. Das hat mir gerade noch gefehlt, aber nun komme ich aus der Nummer nicht mehr heraus. Sven war bedient. Wie wurde er diese aufdringliche Frau jetzt wieder los?
Sie gingen die Treppen nach unten. Conny hatte sich nach wie vor bei ihm eingehakt, schmiegte sich an ihn. Unten angekommen begegnete ihnen Heidi, die sie mit großen Augen ansah.
»Ich hatte ja keine Ahnung …«, platzte sie heraus.
»Moment«, stotterte Sven und wurde rot. »Das ist nicht, wie es aussieht. Conny hat sich nur bei mir eingehakt.«
Conny lachte, während Heidi ihn zweifelnd ansah.
»Komm«, sagte Sven, dem gerade eine Idee kam. Er bot ihr den anderen Arm an. Heidi zögerte kurz, hakte sich dann ein und so gingen sie in Richtung Restaurant.
»Mensch Sven, du lässt ja nichts anbrennen«, ertönte plötzlich eine laute Stimme hinter ihnen. Karl. Wer sonst? »Was deine Frau zu Hause wohl dazu sagt? Soll ich ihr mal einen Tipp geben?« Er grinste breit.
»Blödmann!«, entfuhr es Sven.
»Jutta braucht auch noch Trost«, setzte Karl hinzu. »Mit ihrem Bio-Onkel ist das wohl nichts geworden.«
Karin, Markus und Jutta kamen in dem Moment dazu. Jutta holte geräuschvoll Luft, während Markus verbissen die Lippen zusammenpresste und Karin mit sich nach draußen zog. Jutta folgte ihnen.
Karl war es in kürzester Zeit gelungen, sich bei nahezu allen Leuten unbeliebt zu machen. Die drei gingen noch einmal vor die Tür des Hotels.
»War er schon immer so ein Kotzbrocken?«, fragte Heidi, als sie außer Hörweite waren.
»Boah, keine Ahnung, aber das eben ging gar nicht.« Sven konnte sich zwar erinnern, dass Karl auch früher schon gern andere geärgert hatte, aber so fies fand er ihn damals nicht.
»Zum Glück sind nicht alle Männer so«, flötete Conny und stieß Sven in die Seite.
Er rollte mit den Augen und versuchte, sie so gut es ging auf Abstand zu halten, und konzentrierte sich auf das Gespräch mit Heidi.
Als sie nach einiger Zeit wieder hineingingen, stellten sie fest, dass sie trotz allem die ersten im Restaurant waren. Sven hielt nach einem Platz Ausschau und versuchte zu vermeiden, dass Conny sich sofort wieder neben ihn setzte. Also blieb er erst einmal vor der Tür stehen und wartete auf die anderen. Heidi sah sich im Restaurant um, aber Conny wich Sven nicht von der Seite.
Als nächstes trafen Henning, Robert und Werner ein. Werner sah noch schlechter aus als am Vormittag. Sein Gang war unsicher. Vermutlich hatte er nachmittags noch etwas getrunken. Aus glasigen Augen blickte er sich im Raum um. Sein Blick fiel auf Heidi, Conny und Sven.
»Moin«, grüßte er schwerfällig. Robert zog genervt die Augenbrauen hoch, während Henning sich beeilte, ins Restaurant zu gehen.
»Na, was hast du noch so gemacht?«, fragte Robert Sven.
»Ein kleines Schläfchen eingeschoben. Bin schließlich nicht mehr der Jüngste.« Sven grinste.
»Ich hole mir was zu trinken«, verkündete Werner und schlurfte zum Tresen.
»Oh Mann, der ist ja schon ganz schön fertig«, sagte Robert, als Werner sich entfernt hatte.
»Der ist wohl voll abgestürzt, leider.« Sven schüttelte den Kopf.
Karin und Markus näherten sich, Jutta lief einige Schritte dahinter. Markus gestikulierte heftig, während Karin ihn böse anblickte, aber nichts sagte.
Nach und nach trudelten auch alle übrigen im Restaurant ein, Karl natürlich mit dem größten Getöse. Ausgerechnet die beiden Schweigsamsten, Peter und Paula, begleiteten ihn, schwiegen aber, während Karl bester Laune war und eine Geschichte nach der anderen zum Besten gab. Seine beiden Begleiter lächelten leicht gequält. Sie fühlten sich offensichtlich nicht besonders wohl, trauten sich aber nicht, sich von Karl zu distanzieren.
Sven wartete, bis die Ersten sich gesetzt hatten. Am liebsten wäre ihm ein Platz möglichst weit sowohl von Karl als auch von Conny entfernt, aber das klappte leider nicht. Zwar hatte Karl bereits ziemlich im Zentrum der Tischreihe Platz genommen, aber Conny wartete einfach ab. Schließlich setzte sich Sven neben Robert und hoffte, dass irgendjemand Conny zuvorkommen würde. Doch wie befürchtet ergriff Conny sofort die Gelegenheit und glitt strahlend auf den freien Stuhl auf seiner anderen Seite und tippte ihm glücklich auf den Arm.
Links neben Robert saß Heidi, mit der dieser sofort intensiv ein Gespräch begann. Sven fürchtete, sich mit Conny als Tischnachbarin auf einen anstrengenden Abend einstellen zu müssen. Er konnte nur hoffen, dass sich nach dem Essen eine Gelegenheit ergeben würde, aufzustehen und andere Gesprächspartner zu finden.
Sie wählten das Essen aus und Conny redete pausenlos. Sven entschied sich für ein Fischgericht und das nahm sie natürlich auch. Er bestellte ein Weizenbier, sie auch.
»Wir haben ja den gleichen Geschmack«, flötete sie und beugte sich zu ihm. Ihre Bluse stand recht weit offen und erlaubte tiefe Einblicke. Im Gespräch legte sie ihm immer wieder wie unbeabsichtigt ihre Hand auf den Oberschenkel, flüsterte hin und wieder vertraulich in sein Ohr, kicherte und versprühte gute Laune.
Robert hatte nach wie vor kein Auge und Ohr für Conny und Sven, diskutierte mit Heidi über was auch immer. Sven konnte es nicht verstehen, denn Conny redete pausenlos auf ihn ein. Er hörte nur mit einem halben Ohr zu, reagierte kaum, aber das schien sie in keiner Weise zu stören.
Endlich kam das Essen, und Sven hoffte, dass sie zumindest jetzt ein wenig ruhiger werden würde. Weit gefehlt. Sie hatte bereits ihr erstes Glas geleert, bestellte sich ein weiteres und schwatzte unaufhörlich.
Nach dem Essen blickte Sven in die Runde und suchte eine Fluchtmöglichkeit. Es hatten sich diverse Grüppchen gebildet. Eine größere hatte sich um Karl gescharrt, der die Runde mit derben Sprüchen unterhielt.
»Nun sag doch auch mal was, Peter«, grölte er und klopfte dem Angesprochenen auf die Schulter. Peter blickte säuerlich, grinste dann gequält, sagte aber nichts.
»Du bist ja immer noch so ein Weichei«, verkündete Karl, packte Peter an der Schulter und schüttelte ihn leicht.
»Und du?« Nun ging es in Richtung Paula. »Mann und Kinder zu Hause oder bist du immer noch single?« Zurückhaltung konnte man Karl nicht gerade unterstellen.
Paula blickte betreten zu Boden. »Was denn? Du bist immer noch …« Karl prustete vor Lachen. »Oh Mann, Paulinchen, das kann doch nicht wahr sein.«
Doch dann hatte er sich bereits das nächste Opfer ausgeguckt. »Und Holger, Sportskanone. Was hast du so getrieben? Mit deinem versauten Abi konntest du ja nicht viel anfangen, oder?«
»Karl, es reicht!«, zischte Holger zurück und sah ihn feindselig an. »Du bist natürlich der Tollste, nur weil du die größte Klappe hast.« Zustimmendes Gemurmel folgte.
»Was denn? Man wird ja wohl noch mal einen Spaß machen dürfen.«
»Was du schon unter Spaß verstehst«, erwiderte Holger.
Für einige Minuten war Pause. Die Stimmung war spürbar gedrückt, nur langsam kamen wieder Gespräche in Gang. Sven stand auf, um auf die Toilette zu gehen. Überraschenderweise blieb Conny sitzen, verfolgte ihn aber mit ihren Blicken.
Im Waschraum atmete er erst einmal durch. Der polternde Karl und die anhängliche Conny waren ganz schön anstrengend. Spannung lag in der Luft. Sven genoss die Ruhe und musste sich regelrecht überwinden, wieder ins Restaurant zurückzukehren.
Als er die Toilette verließ, begegnete ihm Karl auf dem Gang.
»Na, Schreiberling. Hab gehört, du bist unter die Autoren gegangen. Hast du auch schon ein Buch verkauft?« Er grinste Sven herausfordernd an, fand seine eigene Bemerkung besonders witzig.
»Nein. Willst du das erste Exemplar kaufen?«, konterte Sven und versuchte, sich nicht provozieren zu lassen.
»Musst ja nicht gleich beleidigt sein.« Wieder grinste er.
»Lass ihn doch in Ruhe!« Conny stand plötzlich neben ihm und blitzte ihn an.
»Was denn, bist du jetzt seine Beschützerin?«, höhnte Karl.
Conny griff Svens Hand. »Karl, du bist so ein Idiot«, schimpfte sie.
»Ach so, ihr habt was miteinander«, verkündete er lautstark. »Na, Conny, du hast ja früher schon alle abgeschleppt, die nicht bei drei auf dem Baum waren. Warst schon immer eine Schlampe.«
Conny schnappte nach Luft.
»Karl, ich denke, du solltest mal vor die Tür gehen und dich ein wenig abkühlen.« Sven deutete zum Ausgang.
»Pah«, antwortete der und verschwand in Richtung Toilette.
Sven schüttelte Connys Hand ab und ging wieder ins Restaurant zurück. Die anderen blickten ihn erwartungsvoll an. Die Gespräche waren verebbt, alle regten sich über Karls indiskrete Art auf. Anscheinend hatten alle die Diskussion mit Karl mitbekommen.
Nur ganz langsam beruhigten sich die Gemüter. Als Karl nach einiger Zeit wieder zurückkam, verhielt er sich auffällig schweigsam.
Sven unterhielt sich bereits eine ganze Zeit mit Karin, als ihm auffiel, dass Markus gar nicht mehr da war. Er tauchte auch nicht wieder auf. Sven ging kurz vor die Tür, um nachzuschauen, ob Markus vielleicht draußen war. Karin aber schien es nicht weiter zu belasten, dass ihr Mann nicht mehr da war. Als Sven zurückkehrte, unterhielt sie sich angeregt und gut gelaunt mit Karl, der das sichtlich genoss, inzwischen aber seine Lautstärke deutlich reduziert hatte.
Sven gesellte sich zu dem Tisch, an dem Heidi, Holger, Robert und Henning saßen. Kaum hatte er sich gesetzt, gesellte sich natürlich auch Conny dazu. Sie abzuschütteln, würde ihm an diesem Tag vermutlich nicht mehr gelingen.
Es wurden die nächsten Schul-Anekdoten erzählt, und Sven staunte, an was sich die anderen noch alles erinnern konnten. Das meiste davon hatte er damals anscheinend nicht mitbekommen oder über die Jahre vergessen.
Mittlerweile war die Gruppe bei härteren Getränken angelangt und die Stimmung wurde überschwänglich und laut. Leider hatte Werner wohl bereits zu viel getrunken, sodass er anfing zu lallen und gar nicht mehr zu verstehen war. Holger und Henning nahmen sich seiner an und transportierten ihn in sein Zimmer. Karl rief noch hinterher, dass Werner eine Schande wäre, was den dazu veranlasste, ihm einen Stinkefinger zu zeigen.
Peter sah Karl irritiert an, woraufhin der auch ihn anschnauzte: »Was glotzt du so? Stimmt doch, dieser Saufkopf hat in seinem Leben nichts auf die Reihe bekommen.« Peter wollte gerade etwas erwidern, als Karl hinzufügte: »So wie du. Hast nicht mal eine Frau abbekommen. Nimm doch Paula, das graue Mäuschen.«
Der Stuhl schepperte, als Paula aufsprang und den Raum verließ. Peter eilte hinter ihr her.
Der Abend war endgültig gelaufen. Heidi, Robert und Sven beschlossen, in den Nebenraum des Hotels an die Bar zu gehen und sich dort noch etwas zu trinken zu bestellen. Conny gesellte sich selbstverständlich dazu. Nur Karl und Karin blieben im Restaurant.
