Mord am See - Robin D. Jensen - E-Book

Mord am See E-Book

Robin D. Jensen

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Beschreibung

Dreizehn Jahre lang war Thorsten verschwunden. Dreizehn Jahre lang glaubte seine Frau, er wäre tot. Nun hat Natascha einen neuen Mann, Florian, den Sohn von Thorstens früherem Arbeitgeber Stork & Söhne, und führt ein ruhiges Leben. Bis Thorsten plötzlich auf ihrer Türschwelle auftaucht. Statt ihr zu erklären, wieso er untergetaucht war, gibt er ihr nur seine Handynummer und verschwindet erneut.

Kurz darauf wird Thorsten ermordet aufgefunden.

Die Kommissare Rainer und sein neuer Kollege Hendrik nehmen die Ermittlungen auf. Schnell geraten Stork senior und sein Sohn Florian unter Verdacht. Doch auch Natascha verhält sich seltsam. Weiß sie etwa mehr, als sie zugibt? Als zwei weitere Leichen auftauchen, durch die die Ermittlungen in eine völlig neue Richtung gelenkt werden, wird den Kommissaren klar, dass sie keine Zeit zu verlieren haben. Denn es ist bereits eine weitere Person ins Fadenkreuz des Täters geraten. Eine Frau, die in Rainer Erinnerungen an seinen ersten Fall wachruft.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Einige Bemerkungen zu diesem Buch
Danksagung
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Robin D. Jensen

Mord am See

Über den Autor:

 

 

 

Robin D. Jensen wurde 1959 in Nordenham geboren, studierte BWL und arbeitete über 35 Jahre in Hamburg als IT-Berater in größeren Unternehmen. 2016 begann er zu schreiben und bezeichnet sich selbst als »Zufallsautor«, denn von ihm stammt unter anderem die Krimireihe mit dem Hamburger Kommissar Rainer Zufall. Der sympathische, etwas schüchterne Protagonist seiner Krimis löst gemeinsam mit seinem Team die kniffligsten Fälle, aber auch sein Privatleben nimmt in den Büchern einen größeren Raum ein.

 

 

Buchbeschreibung:

 

Dreizehn Jahre lang war Thorsten verschwunden. Dreizehn Jahre lang glaubte seine Frau, er wäre tot. Nun hat Natascha einen neuen Mann, Florian, den Sohn von Thorstens früherem Arbeitgeber Stork & Söhne, und führt ein ruhiges Leben. Bis Thorsten plötzlich auf ihrer Türschwelle auftaucht. Statt ihr zu erklären, wieso er untergetaucht war, gibt er ihr nur seine Handynummer und verschwindet erneut.

Kurz darauf wird Thorsten ermordet aufgefunden.

Die Kommissare Rainer und sein neuer Kollege Hendrik nehmen die Ermittlungen auf. Schnell geraten Stork senior und sein Sohn Florian unter Verdacht. Doch auch Natascha verhält sich seltsam. Weiß sie etwa mehr, als sie zugibt? Als zwei weitere Leichen auftauchen, durch die die Ermittlungen in eine völlig neue Richtung gelenkt werden, wird den Kommissaren klar, dass sie keine Zeit zu verlieren haben. Denn es ist bereits eine weitere Person ins Fadenkreuz des Täters geraten. Eine Frau, die in Rainer Erinnerungen an seinen ersten Fall wachruft.

 

»Mord am See« ist der siebte Band der Reihe Mörderisches Hamburg. Der Roman ist eine Neuauflage und erschien ursprünglich unter dem Titel »Gefährliche Rückkehr«.

Jeder Krimi ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden.

 

 

 

Robin D. Jensen

Mord am See

 

Mörderisches Hamburg 7

 

 

 

Kriminalroman

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

© Januar 2024 Empire-Verlag

Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer

 

Lektorat: Petra Bülow

Korrektorat: Jasmin Schulte – http://www.zeilenstark.de/

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –

nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Cover: Chris Gilcher

https://buchcoverdesign.de/

 

Kapitel 1

 

Tag 1

 

Gehetzt blickte er sich um. Es war vermutlich keine gute Idee gewesen, Natascha nach dreizehn Jahren Abwesenheit aufzusuchen, doch seine Sehnsucht nach ihr war einfach zu groß gewesen. Erst glaubte sie wohl, ein Gespenst zu sehen, aber nach einigen Minuten hatte sie sich wieder gefangen und sich von ihm in die Arme nehmen lassen. Allerdings blieb sie sehr zurückhaltend. Das hatte ihn irritiert, aber vielleicht war das verständlich, weil er sich all die Jahre nicht bei ihr gemeldet hatte. Er wollte ihr erklären, was passiert war und warum er hatte verschwinden müssen, aber aus irgendeinem Grund konnte er es nicht. Etwas hielt ihn zurück. Erst einmal wollte er denjenigen zur Rechenschaft ziehen, wegen dem er all die Jahre untertauchen musste.

Anstatt sich darüber zu freuen, dass er zurück war, hatte Natascha ihm gebeichtet, dass sie ihn im letzten Jahr für tot erklären lassen hatte, weil von ihm nie ein Lebenszeichen gekommen war. Er war erschüttert, auch wenn er es aus ihrer Sicht natürlich verstehen konnte. Noch mehr hatte ihn getroffen, dass sie schon wieder verheiratet war, und ausgerechnet mit dem Sohn dieses Kerls, den er schon früher nicht ausstehen konnte.

Sie hatte ihn nach seinen Plänen gefragt. Doch das konnte er noch nicht beantworten. Am liebsten würde er zur Polizei gehen, hatte er geantwortet, ohne eine Erklärung darüber abzugeben, weshalb und was er dort zu berichten hatte. Ihren Blick konnte er nicht deuten. War es Überraschung, Besorgnis, Furcht? Er traute sich nicht, sie danach zu fragen, vermutlich, weil er Angst vor ihrer Antwort hatte. Seine Frau war ihm in diesem Moment plötzlich fremd gewesen.

Er würde sich erst einmal eine Weile nicht melden können, hatte er ihr erzählt, und ihr seine Handynummer gegeben. War das ein Fehler gewesen? Aber er hatte sie doch gebeten, erst einmal niemandem zu erzählen, dass er wieder da war. Dann war er gegangen und hatte sich in einem billigen Hotel ein Zimmer genommen.

Das war nun zwei Tage her. Er ging durch den Stadtpark, um sich ein wenig dort umzuschauen, wo er sich am übernächsten Tag mit Stefan treffen wollte, als er sich plötzlich beobachtet fühlte. Er war so in Gedanken gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass ihm jemand folgte. Als er das dann realisierte, dachte er zunächst, es wäre Stefan, bis er seinen Irrtum bemerkte. Sein Herz begann zu rasen. Er beschleunigte seine Schritte, doch die Verfolger taten es ihm nach. Wie hatten sie ihn gefunden? Steckte vielleicht sogar Natascha dahinter? Hatte sie ihn verraten? Ihre Reaktion auf sein Erscheinen war deutlich anders gewesen, als er gehofft, ja eigentlich erwartet hatte, auch wenn er sich dreizehn Jahre lang nicht hatte melden können. Hatte sie es ihm doch erzählt, dass er wieder da war, oder war ihm vielleicht jemand von Natascha aus gefolgt und hatte ihn seitdem nicht aus den Augen gelassen?

Wieder hatte er diese Ahnung, die ihm in Namibia mehrfach das Leben gerettet hatte: Gefahr war im Anmarsch. Alle Alarmglocken läuteten, und er beschleunigte erneut seine Schritte. Als er sich umblickte, sah er zu seiner Erleichterung, dass er den Mann abgehängt zu haben schien. Vor ihm tauchte in der Dunkelheit der Stadtparksee auf. Immer noch schwer atmend, aber erleichtert, stellte er sich an den Rand des Sees und blickte aufs Wasser. Der Abend lud eigentlich nicht zu einem Spaziergang ein, denn es war windig und hatte den ganzen Tag lang genieselt. Nun aber war es trocken und der Wind hatte nachgelassen. Sinnierend blickte er übers Wasser und dachte über seine Pläne für die nächsten Tage nach. Auch wenn es merkwürdig war, doch in gewisser Hinsicht vermisste er Namibia. Hätte er doch lieber in Namibia bleiben sollen? Aber nein, er musste denjenigen zur Rechenschaft ziehen, der sein Leben durcheinandergewirbelt hatte.

Ein Geräusch in seinem Rücken ließ ihn zusammenfahren. Plötzlich standen zwei Männer hinter ihm, ganz nah, zu nah. Sie hatten es ausgenutzt, dass er für einen Moment unvorsichtig gewesen war. Sofort ergriff er die Flucht und hoffte, ihnen zu entkommen, denn er war schnell und gut trainiert. Ein Loch im Boden, das er in der Dunkelheit übersehen hatte, brachte ihn ins Straucheln. Verzweifelt suchte er Halt, konnte den Sturz aber nicht verhindern. Er spürte den Schmerz, zunächst im Knie, das er sich beim Sturz verdreht hatte, und dann im Rücken, als die Spitze eines Messers tief in ihn eindrang. Die Männer hatten ihn eingeholt.

Er wurde auf den Rücken gedreht und blickte in das Gesicht seines Mörders. Ein weiterer Stich ins Herz beendete seine Flucht, seine weiteren Pläne und sein Leben.

Natascha, was hast du getan?, war sein letzter Gedanke, bevor alles um ihn herum dunkel wurde.

Kapitel 2

 

Tag 1

 

Kommissar Karl Steiner blickte dem Rechtsmediziner über die Schulter, der gerade dabei war, den Toten näher zu untersuchen. Karl schätzte den Toten auf Mitte bis Ende dreißig. Er schien noch nicht lange dort am Ufer gelegen zu haben. Auf seiner Brust in der Herzgegend war ein Einstichloch zu erkennen. Vermutlich war diese Verletzung tödlich gewesen.

»Wer hat den Toten gefunden?«, fragte er einen der in der Nähe stehenden Polizisten. Der deutete auf eine Gruppe Jugendlicher, die Karl erst jetzt entdeckte. Schweigend standen sie beieinander, ganz offensichtlich schockiert von ihrem Fund.

»Die Gruppe da drüben. Wollten wohl gerade Party machen, nachdem es aufgehört hatte zu regnen, als einer von ihnen die Leiche entdeckte.«

»Okay, danke, Kollege, dann werde ich sie mal befragen.«

Karl stapfte zu der Gruppe, die aus jeweils drei jungen Männern und Frauen bestand. Schweigend blickten sie ihm entgegen. Der Schreck stand ihnen ins Gesicht geschrieben.

»Moin!«, begrüßte Karl die Gruppe. »Steiner von der Kriminalpolizei in Hamburg. Ihr habt den Toten gefunden? Könnt ihr mir ein wenig genauer erzählen, was passiert ist?«

Ein junger Mann, Karl schätzte ihn auf Anfang zwanzig, mit kurzen braunen Haaren und einem Dreitagebart, räusperte sich und begann zu erzählen.

»Also, wir wollten hier ein wenig feiern, weil Kyra«, er deutete auf eine junge Frau mit blonden Haaren und feuchten Augen, »heute Geburtstag hat.«

»Oh, herzlichen Glückwunsch«, schob Karl ein, was Kyra mit einem angedeuteten Nicken quittierte. »Und weiter?«

»Als wir hier ankamen, habe ich da etwas am Ufer liegen sehen und wollte mir das näher anschauen. Plötzlich habe ich erkannt, dass es ein Mensch ist. Dann habe ich sofort die Polizei gerufen und …« Er brach ab.

»Hast du nachgesehen, ob er noch lebt?«

»Nein!« Der junge Mann schüttelte sich. »Ich habe noch nie einen Toten gesehen, aber so wie der da lag und das viele Blut auf dem Shirt, da war ich sicher, dass er tot ist.«

»Verstehe. Ist euch sonst noch etwas aufgefallen? Ein Mensch, der sich auffällig verhalten hat, jemand der weggelaufen ist oder sonst etwas?«

»Ein Mensch?«, fragte der junge Mann erstaunt. »Schauen Sie sich mal um. Hier sind haufenweise Menschen.«

Karl ließ seine Blicke schweifen. In der Tat waren im Stadtpark mittlerweile trotz der späten Stunde viele Leute, auch um den Tatort herum hatte sich eine Traube Neugieriger zusammengefunden. Es war zwar für den Hamburger Stadtpark nicht ungewöhnlich, dass die Polizei dort immer mal wieder nach dem Rechten schaute, aber dass das hier etwas anderes war, das spürten die Leute. So ein großes Polizeiaufgebot war nicht normal.

»Okay, danke. Eure Kontaktdaten haben wir?«, fragte Karl. Der junge Mann nickte. »Gut, dann könnt ihr erst einmal gehen. Mit Feiern wird das heute zumindest hier nichts mehr, aber vermutlich ist euch sowieso nicht mehr danach zumute, oder?« Einhelliges Nicken und zustimmendes Brummen waren die Antwort.

Der Rechtsmediziner war bereits wieder weg, als Karl zurückkam, nun war die Spurensicherung bei der Arbeit. Karl näherte sich vorsichtig und sprach einen der Kollegen an.

»Wissen wir schon, wer der Tote ist?«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein, er hatte nichts bei sich oder der Täter hat es mitgenommen.«

»Tatwaffe?« Karl blickte sich um.

»Der Doc hat etwas von Messer gemurmelt, aber auch das haben wir noch nicht gefunden.« Der Kollege zuckte mit den Schultern. »Aber wir sind auch noch nicht so lange dabei.«

»Wie ist die Spurenlage?«, hakte Karl nach.

Der Kollege zuckte wieder mit den Schultern.

»Jede Menge, aber kaum etwas Verwertbares. Zumindest ist recht klar, dass der Fundort wohl auch der Tatort ist, denn da ist viel Blut, und es sieht auch nicht so aus, als ob der Tote bewegt worden ist. Es gibt keine Schleifspuren.«

Karl kratzte sich am Kopf. Dann konnte er nur hoffen, dass die DNA des Toten entweder in ihrem System war oder dass jemand die Identität des Toten kannte, wenn sie einen Öffentlichkeitsaufruf starteten. Bevor der Tote abtransportiert wurde, machte er einige Fotos vom Kopf des Mannes. Möglicherweise hatte er eine Kriminalakte, da würde Karl seinen Kollegen Henrik Hansen dransetzen, dann wäre der jedenfalls beschäftigt.

Wann kommt Rainer eigentlich aus dem Urlaub zurück?, fragte er sich. Irgendwie fehlte ihm sein Kollege, denn der Ersatzmann, Henrik, war mit seiner Redseligkeit ziemlich anstrengend und Karl schon nach wenigen Tagen gehörig auf die Nerven gegangen. Daher hatte er ihm gar nicht erst Bescheid gesagt, als er an den Fundort der Leiche gerufen worden war. Den Typen wollte er hier nicht rumstehen haben. Doch Karl spürte einen leichten Anflug von schlechtem Gewissen und konnte sich schon vorstellen, dass Henrik ihn am nächsten Morgen sicher mit Vorwürfen überschütten würde, aber das war ihm in diesem Moment egal.

»Was?« Karl schreckte auf, als er merkte, dass der Kollege ihn angesprochen hatte.

»Wo ist denn dein Kollege?«, fragte der Mann der Spurensicherung.

Karl winkte ab. »Ich habe ihm seinen Feierabend gegönnt«, antwortete Karl, was zumindest zum Teil der Wahrheit entsprach. So angenehm fand er selbst solch späte Einsätze auch nach vielen Dienstjahren noch nicht, eher im Gegenteil. Allerdings gönnte er sich heute selbst die Ruhe vor seinem geschwätzigen Kollegen. Er konnte an diesem Abend wirklich keinen Redeschwall gebrauchen.

»Dann seht zu, dass ihr möglichst schnell überprüft, ob wir seine DNA im System haben«, drängelte Karl.

»Logisch!« Der Kollege nickte ihm zu.

»Okay, sagt mir bitte gleich Bescheid, wenn ihr etwas habt.«

»Jaha«, kam die genervte Antwort. »Machen wir doch immer so.« Karls schlechte Laune schien sich auf den Kollegen zu übertragen.

»Bloß, dass es manchmal eine Woche dauert, bis wir etwas Handfestes haben.« Karl konnte sich diese Spitze nicht verkneifen, auch wenn ihm bewusst war, dass er immer noch eher von Henrik Hansen genervt war als von der Spusi.

»Na, na, na, das ist wohl etwas übertrieben.« Der Mann winkte ab.

»Gut, macht einfach.« Karl hatte keine Lust, sich weiter über dieses Thema zu streiten. Außerdem klingelte in dem Moment sein Telefon. Er blickte auf sein Display und stöhnte auf. Anruf Henrik Hansen, las er. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er zögerte einen Moment, nahm das Gespräch dann aber widerwillig an.

»Hallo Karl, ich habe gerade erfahren, dass am Stadtparksee eine Leiche gefunden wurde. Sollen wir nicht dorthin fahren?«

»Ich bin schon vor Ort«, erwiderte Karl und holte tief Luft, in der Erwartung der unvermeidlichen Vorwürfe seines Kollegen.

»Was?« Die Lautstärke des Ausrufs klingelte in Karls Ohren. »Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt? Ich wäre sofort mitgekommen. Wir sind doch ein Team. Also, Karl, ich finde, du solltest da kooperativer sein, schließlich arbeiten wir doch gut zusammen, und ich kann und will noch Einiges von dir lernen. Außerdem bin ich doch eine große Hilfe, jetzt wo dein Kollege noch im Urlaub ist. Es ist doch immer besser, wenn wir zu zweit sind und uns ergänzen. Also ich kann mich sofort ins Auto setzen und kommen, das ist überhaupt kein Problem, das dauert höchstens …«

Karl hörte inzwischen gar nicht mehr zu und fragte sich, ob Henrik Hansen bei seinem Redefluss in den letzten Minuten überhaupt einmal geatmet hatte. Der Mann war ein Phänomen und eine ausgesprochene Nervensäge. Er hielt sein Telefon ein Stück weg und ließ seine Blicke über den Stadtparksee schweifen. Die Anzahl der Schaulustigen hatte sich verringert. Der Tote war inzwischen abtransportiert worden, sodass es nicht mehr viel zu sehen gab.

»Also bis gleich«, hörte er noch den Abschluss des Gesprächs, bevor die Verbindung unterbrochen wurde. Gut, dachte er, dann muss ichdie Vorwürfe haltbereits jetztund nicht erst morgen Frühüber michergehen lassen. Kurz überlegte er, ob er lieber sofort nach Hause fahren sollte, aber das wäre an Gemeinheit seinem Kollegen gegenüber doch zu viel gewesen. Sein Smartphone piepte, und er zögerte, die Nachricht zu lesen, da sie sicher noch einmal von seinem mitteilsamen Kollegen war.

Karl öffnete die Nachricht und lächelte zum ersten Mal an diesem Abend:

 

Moin Karl, bin auf dem Rückweg und steige in drei Tagen wieder ein. Hast du mich vermisst? Gruß Rainer

 

Und wie, dachte Karl, und wie. Plötzlich hob sich seine Stimmung und wurde auch nicht davon getrübt, dass sein derzeitiger Kollege mit vorwurfsvollem Blick auf ihn zugestürmt kam und um Aufklärung bat. In wenigen Sätzen berichtete Karl von den bisherigen sehr dürftigen Erkenntnissen.

Kapitel 3

 

Tag 2

 

Karl Steiner schlürfte seinen Fencheltee und genoss die Stille, die erfahrungsgemäß in Kürze mit dem Eintreffen von Rainers Urlaubsvertretung ein abruptes Ende finden würde. Karl war sich schon bewusst, dass er Henrik ein wenig Unrecht tat, denn der junge Mann bemühte sich wirklich, aber dessen Redseligkeit konnte er einfach nicht ertragen. Wie konnte man nur so ohne Punkt und Komma reden? Karl fieberte der Rückkehr von Rainer Zufall entgegen und war sehr gespannt, ob dieser seine Angebetete im Urlaub getroffen und ob er mit ihr weitere Pläne geschmiedet hatte. Würde er vielleicht bei ihr bleiben wollen und sogar aus dem Polizeidienst aussteigen? Davon hatte er schon häufiger gesprochen, aber es bisher zum Glück nicht in die Tat umgesetzt. Der Gedanke behagte Karl gar nicht. Sie waren beruflich ein Team, das super kooperierte, und auch privat kamen sie gut miteinander klar.

»Guten Morgen, Karl!« Die laute Begrüßung von Henrik Hansen ließ Karl zusammenfahren. Seine Laune war sofort wieder im Keller.

»Mann, Junge, geht das nicht auch ein wenig leiser?«, knurrte Karl, der bei der Begrüßung regelrecht zusammengezuckt war. Wegen dieses Kerls bekomme ich bald einen weiteren Herzinfarkt, dachte Karl. Der erste hatte ihn fast das Leben gekostet.

»Entschuldigung. Ich wollte nur höflich sein. Du bist ja schon früh hier, obwohl es gestern Abend doch ziemlich spät war, eigentlich sogar eher Nacht als Abend. Und ich dachte, ich könnte uns noch schnell einen Kaffee kochen, damit wir sofort auf Touren kommen.«

Karl stieß geräuschvoll die Luft aus. »Wie ich dir schon zigmal erzählt habe, trinke ich keinen Kaffee mehr.« Sein Kollege war noch keine zwei Minuten im Raum, und Karl könnte schon wieder beinahe an die Decke gehen.

»Ach ja, stimmt. Es ist wohl doch noch ein wenig früh«, ruderte Henrik zurück und kicherte. »Kann ich irgendetwas für dich tun? Vielleicht einen Tee? Oder soll ich Brötchen holen?«

Mich einfach in Ruhe lassen, dachte Karl. »Ja, Brötchen wären nicht schlecht«, antwortete er stattdessen. Dann habe ich zumindest noch ein paar Minuten Ruhe vor dieser Nervensäge, ging ihm durch den Kopf.

»Mach ich. Klar. Hast du irgendeinen Wunsch? Wurst, Käse? Wie viele?«

»Käse ist gut. Zwei Brötchen wären prima.« Unter Aufbietung aller Kräfte brachte Karl sogar ein Lächeln zustande, das man allerdings nur mit viel Fantasie als solches deuten konnte. Als sich die Tür hinter Henrik geschlossen hatte, atmete Karl erst einmal tief durch. Nun widmete er sich wieder seinem Bildschirm, auf dem bereits der erste Bericht der Spurensicherung zu lesen war. Dieses Mal hatten sie sich anscheinend sehr beeilt.

Das Opfer war mit zwei Stichen getötet worden. Die Tatzeit lag zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Uhr, wobei der Tote bereits kurz nach zweiundzwanzig Uhr gefunden worden war. Er konnte also noch nicht lange dort gelegen haben. Der Fundort war gleichzeitig der Tatort. Das Opfer hatte weder Papiere noch ein Handy dabei. Ein DNA-Abgleich mit der Datenbank hatte keinen Treffer ergeben. Fremd-DNA war am Opfer nicht festgestellt worden. Es gab auch keinerlei Abwehrspuren, wobei dies vom Rechtsmediziner noch einmal bestätigt werden musste.

Rechtsmediziner, ging es Karl durch den Kopf. Ob er seinen neuen Kollegen zu Doktor Diekmeier schicken sollte? Das wäre eine interessante Erfahrung für den jungen Mann. Ein Schmunzeln stahl sich auf sein Gesicht. Mit seiner Redseligkeit würde er dem Doc mit seinen Marotten sicher genau richtig kommen. Doktor Diekmeier, der schweigende Kauz, und Henrik Hansen, die wandelnde Labertasche. Was für eine Kombination! Erstmals an diesem Morgen spürte Karl so etwas wie Heiterkeit. Das musste er einfach miterleben. Also würde er Henrik Hansen mit in die Gerichtsmedizin nehmen. Vorher aber würde er für eine Öffentlichkeitsfahndung sorgen. Vielleicht hatten sie ja Glück und jemand würde den Toten wiedererkennen. Sonst würde es bei der Spurenlage schwierig werden, überhaupt einen Ansatz zu finden. Weitere Zeugen, die die Tat beobachtet hatten, gab es anscheinend nicht, zumindest hatte sich bisher noch niemand gemeldet, und Karl hatte diesbezüglich wenig Hoffnung.

Er wollte sich gerade ein wenig ausstrecken, als die Tür aufsprang und ein atemloser Henrik Hansen hereinstürmte.

»Ich habe mich extra beeilt, wir haben ja viel zu tun, müssen überprüfen, was die Spurensicherung herausgefunden hat und ob der Pathologe uns weiterhelfen kann, und wir müssen ja auch noch die Identität des Toten klären. Wie ich es verstanden habe, hatte er ja nichts dabei, oder irre ich mich? Aber jetzt lass es dir schmecken, Karl, damit wir uns gestärkt in die Arbeit stürzen können. Sind Bierschinken und Gouda richtig oder hättest du lieber etwas anderes, Karl? Ich habe Schweinebraten, den kannst du gern stattdessen haben, wenn dir der lieber ist!«

Es folgte eine überraschend kurze Atempause, wobei Karl wieder fasziniert überlegte, ob Henrik bei seinem Monolog zwischendurch überhaupt einmal geatmet hatte. Der Mann war ein biologisches Wunder, was das anbelangte. Schmunzelnd betrachtete er sein Gegenüber, nickte und sagte nur kurz: »Passt schon!«

»Oh, dann bin ich ja beruhigt«, antwortete Henrik, zog sein Brötchen aus der Tüte und biss hinein. Zumindest sprach er nicht mit vollem Mund, stellte Karl fest.

»Übrigens!« Karl hob einen Finger. »Es ist kein Pathologe, sondern ein Rechtsmediziner, und den werden wir gleich mal besuchen.«

»Wir beide? Das ist ja toll. Ich war noch nie dort, in meiner Abteilung hatte ich ja bisher nur mit Rasern zu tun und so. Das ist ja aufregend. Ich …« Er biss in sein Brötchen, sprach jetzt doch kauend weiter. »Ich finde es toll, wie viel ich hier lernen kann, und ich hoffe natürlich, dass ich dir auch eine Unterstützung bin, solange dein Kollege noch nicht da ist. Und hoffentlich …«, der nächste Biss ins Brötchen, »… darf ich dich noch unterstützen, bis wir diesen Fall gelöst haben. Gibt es eigentlich schon …?« Sein Redefluss wurde vom Klingeln von Karls Telefon unterbrochen.

Karl schluckte den Bissen, den er gerade im Mund hatte, herunter und nahm das Gespräch an.

»Ach, hallo Rainer, das ist ja schön, dass du anrufst.«

Henrik Hansen spitzte die Ohren und versuchte zu hören, was Karls Gesprächspartner sagte, aber Karl hatte den Hörer so fest an sein Ohr gepresst, dass er nichts verstehen konnte, so sehr er sich auch bemühte.

»Ja, gestern haben wir einen Toten am Stadtparksee gefunden. Ganz komische Geschichte. Das Opfer hatte nichts dabei, und auch die Spusi hat nichts gefunden. Nein, wir stehen noch ganz am Anfang. Wann kommst du? Oh ja, das ist gut. Ich, ich meine wir«, er warf Henrik einen kurzen Blick zu, »können gut Unterstützung gebrauchen. Alles klar, Rainer, ich freue mich. Bis dann!« Karl beendete das Gespräch und biss wieder in sein Brötchen.

»War das dieser Rainer?«, fragte Henrik gespannt.

»Hm«, antwortete Karl und kaute.

»Wann kommt er zurück?« Sein Herz klopfte förmlich vor Aufregung. Von diesem Rainer Zufall hatte er schon viel gehört, und einen Kommissar mit dem Namen Zufall kennenzulernen, war interessant. Der musste doch bestimmt mit seinem Namen viel Spott ertragen.

»Übrmng.« Karls Antwort war wegen der großen Brötchenmenge, die er gerade im Mund hatte, nicht wirklich zu verstehen. Ratlos blickte Henrik ihn an, traute sich aber nicht, noch einmal nachzufragen.

Karl hatte mittlerweile sein Brötchen aufgegessen und mit einem Schluck Fencheltee hinuntergespült.

»So, Kollege, dann besuchen wir jetzt mal unseren Doc Di.«

Es kostete ihn erhebliche Mühe, nicht zu lachen. Henrik folgte seinem Kollegen, der es anscheinend eilig hatte, den Rechtsmediziner aufzusuchen.

Wir stehen ja auch ganz schön unter Druck, überlegte Henrik. Hoffentlich hilft uns der Pathologe, äh ich meine der Rechtsmediziner weiter.

Kapitel 4

 

Tag 2

 

Karl Steiner blickte auf seine Uhr, bevor er den Raum betrat, in dem Doktor Diekmeier residierte. Es war zwanzig nach neun, also waren noch genau zehn Minuten von der Pausenzeit übrig, die sich der Rechtsmediziner akribisch jeden Vormittag pünktlich gönnte, und Karl wusste aus Erfahrung, dass der Doc in dieser Zeit quasi nicht ansprechbar war und auch keine Gäste zur Kenntnis nahm. Konnte Henrik die Stille aushalten, oder würde er sofort anfangen loszuplappern?, fragte er sich. Karl beschloss, es darauf ankommen zu lassen. Innerlich amüsierte er sich schon bei dem Gedanken an die nächsten Minuten. Er erinnerte sich an Rainers ersten Besuch in der Rechtsmedizin. Auch Rainer hatte einen denkwürdigen Einstand bei Doktor Diekmeier gehabt.

Leise klopfend öffnete er vorsichtig die Tür und betrat gefolgt von seinem Kollegen das Diekmeiersche Reich. Der Rechtsmediziner saß wie vermutet an seinem Schreibtisch und ließ sich sein Frühstück schmecken. Die Umgebung war für ihn in diesen Minuten nicht existent.

Karl warf verstohlen einen Seitenblick auf seinen Kollegen, der wie gebannt auf den Körper sah, der auf dem Tisch lag. Der Y-Schnitt auf der Brust des Toten, ausgehend von den Schlüsselbeinen zum Brustbein und hinunter zum Schambein, ließ den jungen Kommissar erblassen. Er schluckte schwer, riss seinen Blick los und sah in Richtung des Rechtsmediziners, der, wie von Karl erwartet, von den Besuchern keinerlei Notiz genommen hatte und genussvoll seinen Kaffee schlürfte. Hin und wieder redete er vor sich hin. Anscheinend führte er Selbstgespräche.

»Was ist mit dem?«, fragte Henrik halblaut und deutete in Richtung des Schreibtisches.

»Pause!« Karl unterdrückte ein Grinsen und sah auf seine Uhr. Neun Uhr achtundzwanzig. Noch zwei Minuten bis Diekmeier wieder zum Leben erwachen und seine Umwelt wahrnehmen würde.

Henrik blickte erneut zu der Leiche und schluckte noch einmal. Bis auf das Schlürfen des Doktors gab es keinerlei Geräusche.

Punkt halb zehn schob der Rechtsmediziner seinen Kaffeebecher zur Seite und erhob sich. Erstaunt blickte er seinen Besuchern entgegen, sagte aber kein Wort und widmete sich wieder dem Toten auf dem Tisch.

Aufmunternd nickte Karl seinem Kollegen zu. Der schluckte, atmete einmal tief durch und öffnete dann den Mund, um diesen ungewöhnlichen Rechtsmediziner anzusprechen.

»Guten Morgen, Herr Doktor Diekmeier. Ich bin Henrik Hansen und meinen Kollegen, Herrn Kommissar Karl Steiner, kennen Sie ja. Wir ermitteln im Fall dieses Toten und wollten fragen, ob Sie schon irgendwelche Informationen für uns haben.«

Doktor Diekmeier wandte sich dem jungen Mann zu, musterte ihn von oben bis unten, warf dann Karl einen Blick zu, um anschließend wieder Henrik anzusehen.

---ENDE DER LESEPROBE---