Ein Schmerz wie Liebe - Nancy Salchow - E-Book

Ein Schmerz wie Liebe E-Book

Nancy Salchow

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Beschreibung

Er kann ihr nicht vertrauen. Und sie ihm nicht. Und doch wollen sie einander mehr, als ihnen guttut. Lucia Auf der Flucht vor meiner gefährlichen Vergangenheit ist es wohl so was wie Schicksal, dass ich zufällig in das Leben der älteren Dame Ida platze, die aus irgendeinem Grund fest davon überzeugt ist, dass ich ihre vor vielen Jahren davongelaufene Nichte bin. Aus Verzweiflung spiele ich dieses Missverständnis mit, um auf diese Weise die Brücken zu meiner Vergangenheit abzuschlagen und ganz neu anzufangen. Womit ich nicht gerechnet habe, ist Idas attraktiver Sohn Cedric, der mich genauestens beobachtet. Schon bald merke ich, dass nicht nur sein Misstrauen, sondern auch seine umwerfende Ausstrahlung zur ernsten Gefahr für meinen Plan werden. Cedric Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Frau, die nach all den Jahren wie durch Zauberhand wieder in unser Leben tritt. Warum taucht sie ausgerechnet jetzt wieder auf und ist sie wirklich, wer sie vorgibt zu sein? Und wie zum Teufel unterdrücke ich die unangebrachten Gefühle, die meine Cousine in mir weckt? In sich abgeschlossener Einzelband. Keine Serie. Keine Cliffhanger. Dieser Roman enthält eindeutige und leidenschaftliche Szenen.

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Inhaltsverzeichnis

Über das Buch

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Epilog

Impressum

Nancy Salchow

Ein Schmerz wie Liebe

Liebesroman

Über das Buch

Er kann ihr nicht vertrauen. Und sie ihm nicht. Und doch wollen sie einander mehr, als ihnen guttut.

Lucia

Auf der Flucht vor meiner gefährlichen Vergangenheit ist es wohl so was wie Schicksal, dass ich zufällig in das Leben der älteren Dame Ida platze, die aus irgendeinem Grund fest davon überzeugt ist, dass ich ihre vor vielen Jahren davongelaufene Nichte bin. Aus Verzweiflung spiele ich dieses Missverständnis mit, um auf diese Weise die Brücken zu meiner Vergangenheit abzuschlagen und ganz neu anzufangen.

Womit ich nicht gerechnet habe, ist Idas attraktiver Sohn Cedric, der mich genauestens beobachtet. Schon bald merke ich, dass nicht nur sein Misstrauen, sondern auch seine umwerfende Ausstrahlung zur ernsten Gefahr für meinen Plan werden.

Cedric

Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Frau, die nach all den Jahren wie durch Zauberhand wieder in unser Leben tritt. Warum taucht sie ausgerechnet jetzt wieder auf und ist sie wirklich, wer sie vorgibt zu sein? Und wie zum Teufel unterdrücke ich die unangebrachten Gefühle, die meine Cousine in mir weckt?

In sich abgeschlossener Einzelband. Keine Serie. Keine Cliffhanger.

Dieser Roman enthält eindeutige und leidenschaftliche Szenen.

Diese Geschichte wurde inspiriert von der Serie »Sneaky Pete«. Die so ziemlich einzige Gemeinsamkeit zwischen der Serie und meinem Buch besteht zwar darin, dass sowohl »Pete« die Identität eines anderen übernimmt, als auch die Titelheldin meines Buchs. Trotzdem bin ich großer Fan der Serie und kann sie jedem von euch nur wärmstens für einen gemütlichen TV- und Stream-Abend empfehlen.

Prolog

Cedric

Mein Schädel brummt wie nach einer durchzechten Nacht. Ich möchte meinen Kopf anheben, die Augen öffnen und einfach aufstehen. Stattdessen bleibe ich regungslos im Bett liegen und verliere mich selbst im Halbdunkel des frühen Morgens.

Hör auf, an sie zu denken, du Idiot! Sie wird dir nichts als Unglück bringen – das weißt du.

Doch so sicher sich mein Verstand ist, diese Frau aus meinem Leben verbannen zu müssen, so sehr wehren sich meine Gefühle allein gegen die Vorstellung, sie wieder zu verlieren.

Ich muss sie haben. Unbedingt!

Aber was, wenn diese Lust mein Untergang ist? Nicht nur mein Untergang, sondern der Untergang meiner ganzen Familie?

Reiß dich zusammen, du Schwächling! Du weißt, dass sie Ärger bedeutet. Großen Ärger.

Alles in mir wehrt sich gegen die Sehnsucht, die sich erneut in mir regt und eine Erregung in mir weckt, die ich besser ausblenden sollte. Aber wie zum Teufel blendet man etwas aus, das sich wie ein Virus in jeder Faser des eigenen Körpers ausbreitet? Eine Lust, die einen mehr als alles andere belebt und gleichzeitig lähmt?

Endlich öffne ich die Augen und fahre in die Höhe. Und während ich meinen Blick durch das einsame Zimmer schweifen lasse, frage ich mich, ob ich das alles vielleicht nur geträumt habe.

Kapitel 1

Lucia

»Nein, junge Frau, nicht das da. Das links daneben.«

»Das hier?« Sorgsam darauf bedacht, mir meine Anspannung nicht anmerken zu lassen, tippe ich auf das Roggenmischbrot daneben. Doch offensichtlich haben die kurzgewachsene Kundin mit dem Damenbart und ich eine andere Vorstellung davon, was links daneben heißt.

»Das doch nicht«, seufzt sie genervt, »das andere!«

Ich presse meine Lippen zusammen und atme lautstark durch die Nase aus.

»Meinen Sie vielleicht das?« Ich deute auf das Brot auf der rechten Seite und ernte einen weiteren ungeduldigen Seufzer.

»Nein, auch das meine ich nicht.« Sie hebt mit überheblichem Blick das Kinn. »Sie sind wohl nicht ganz bei der Sache, junge Dame!«

Mittlerweile fangen meine Zähne vom krampfhaften Zusammenbeißen an zu schmerzen, während ich die immer länger werdende Schlange betrachte, die seit fünf Minuten darauf wartet, dass die Nerv-Kundin des Jahrhunderts das einzig wahre Mischbrot gefunden hat.

»Also nochmal ganz von vorn.« Sie streicht sich eine gelbblond gefärbte Föhnlocke aus dem spießigen Gesicht. »Vielleicht verstehen Sie mich ja dann.«

Um nicht das Falsche zu sagen, entscheide ich mich für ein unverfängliches Lächeln, das ich mir mit letzter Kraft abringe.

»Ich möchte genau das da!« Zum sicher tausendsten Mal tippt sie gegen die Glasscheibe der Brot-Auslage.

»Das hier?« Ich lege die Hand auf das Brot, das direkt hinter der Scheibe in Höhe ihres Zeigefingers liegt, doch die erwartete Antwort lässt nicht lange auf sich warten.

»Also, junge Dame«, sie stemmt die Hände in ihre Hüften, »ich weiß ja nicht, ob Sie immer so unkonzentriert sind, aber wenn Sie nicht mal in der Lage sind, ein Brot …«

»Stopp!«, fahre ich ihr ins Wort und strecke meine ausgebreitete Handfläche in die Luft. »Ich will kein einziges Wort mehr von Ihnen hören.«

Mit offenem Mund sieht sie mich an, während sich in der Schlange verwundertes Gemurmel ausbreitet.

»Seit über fünf Minuten höre ich mir geduldig an, wie Sie aus zwanzig völlig identischen Mischbroten dieses eine ganz bestimmte auswählen, das offensichtlich nicht existiert, während die Schlange hinter Ihnen länger und länger wird.«

»Na, hören Sie mal!« Ihre Wangen röten sich. »Was erlauben Sie sich denn? Ich finde, Sie …«

»Unterbrechen Sie mich nicht!«, fauche ich wütend. »Menschen wie Sie, bei denen Dummheit und Arroganz Hand in Hand gehen, sind der Grund dafür, warum dies vermutlich der dritte Job in diesem Monat sein wird, aus dem ich fliege, nur weil meine Geduld wieder mal überstrapaziert wurde. Im Gegensatz zu Ihnen kenne ich nämlich den Unterschied zwischen links«, ich zeige auf ein Brot, »und rechts«, ich zeige auf ein anderes Brot. »Und im Gegensatz zu Ihnen ist mir auch bewusst, dass jedes dieser Brote nicht nur absolut identisch aussieht, sondern auch identisch schmeckt. Vielleicht ist Ihre arrogante Art, andere vorzuführen, ja Ihr ganz persönliches Hobby, aber ich werde mich von einer Vorstadt-Diva mit schlecht gefärbten Haaren und Damenbart nicht wie ein kleines Dummchen behandeln lassen.«

Sie verfällt langsam in Schnappatmung, während ich irgendwo hinter ihr ein leises Kichern wahrnehme. Nur zwei Sekunden später applaudiert mir sogar jemand.

»Und jetzt entschuldigen Sie mich«, ich ziehe meine honiggelbe Schürze mit dem lachenden Brötchen darauf von meiner Hüfte, »aber ich habe einfach keine Geduld für einen Job wie diesen.«

Noch immer steht sie mit offenem Mund da, als hätte jemand die Zeit angehalten. Doch anstatt mich an ihrer Sprachlosigkeit zu erfreuen, knalle ich vor den Augen meiner Schnittchen schmierenden Kollegin die Schürze auf den Tresen und verschwinde im Hinterzimmer.

Atemlos schnappe ich mir meinen Mantel und meine Handtasche und verschwinde durch die Seitentür nach draußen.

Wieder einen Job vergeigt!

Wieder hat mir meine Ungeduld für nervige Menschen alles versaut.

Während ich an der Häuserwand entlang in Richtung Parkplatz gehe, ziehe ich meinen Mantel über, um mich vor dem kühlen Herbstwind zu schützen.

Warum nur kann ich mich nicht ein einziges Mal zusammenreißen? Nur ein einziges verdammtes Mal? Wenn ich so weitermache, werde ich selbst die Miete für die winzige Anderthalb-Zimmer-Wohnung nicht mehr zusammenbekommen, in die ich gerade erst gezogen bin.

Doch als meine Gedanken erneut zu dieser grausamen Kundin wandern, weiß ich, dass sie nur der Tropfen auf den heißen Stein war und ich spätestens bei der nächsten Kandidatin ihrer Art wieder ausflippen würde.

Als ich endlich das Ende des Supermarkt-Gebäudes erreicht habe, um auf den Personal-Parkplatz zuzusteuern, höre ich hinter mir plötzlich Schritte.

Sofort kriecht mir die altvertraute Panik den Nacken hoch.

Nein, ausgeschlossen! Hier wird mich niemand finden. Husum ist ganze drei Stunden von hier entfernt. Niemand weiß, wo ich bin.

Unfähig, mich umzudrehen, bleibe ich schließlich stehen und warte auf die Erkenntnis, dass ich mir die Schritte nur eingebildet habe. Irgendetwas lähmt mich.

Panisch atme ich ein.

Und aus.

Und wieder ein.

Wieder aus.

Dann drehe ich mich schließlich doch um und bin umso erleichterter, dass es lediglich eine ältere Dame ist, vielleicht Ende sechzig, die hinter mir steht. Mit ihren glatten weißblonden Haaren, die sie mit akkuratem Mittelscheitel bis zum Kinn trägt, den rosigen Wangen und dem grünen Wollmantel, der ihren rundlichen Körper umhüllt, ist sie der Inbegriff von Unschuld.

Keine Schatten der Vergangenheit, die mir nachhängen. Niemand, der mir auf den Fersen ist.

Es ist alles in Ordnung, Lucia!

ALLES IN ORDNUNG!

Niemand weiß, dass du hier bist.

Während ich mir in Gedanken mein altvertrautes Mantra aufsage, drehe ich mich wieder um, fest davon ausgehend, dass die fremde Frau nur zufällig hier ist, doch als ich plötzlich ihre Hand von hinten auf meiner Schulter spüre, zucke ich erschrocken zusammen.

»Bitte«, fleht sie. »Geh nicht!«

Als ich mich wieder zu ihr umdrehe, sehe ich, dass es in ihren Augen feucht schimmert, während sie mich anschaut, als wäre ich ein Gespenst.

»Entschuldigung«, murmele ich verwirrt, »aber kennen wir uns?«

»Ich kann verstehen, wenn du noch nicht bereit bist.« Sie schluckt die Tränen herunter, als sie nach meiner Hand greift und diese mit zitternden Fingern tätschelt. »Ich stand eben in der Schlange beim Bäcker und habe den Eklat mit dieser Kundin mitbekommen. Anfangs war ich noch amüsiert, aber als ich dann nähergekommen und dich von Dichtem gesehen habe«, sie bricht ab und wischt sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich … ich kann es einfach nicht glauben. Nach all den Jahren bist du endlich wieder hier.«

»Ich … ich fürchte, Sie verwechseln mich.«

Sie atmet tief ein, während sie meine Hand noch fester umklammert.

»Ich kann verstehen, dass es dir schwerfällt, dich mir zu öffnen. Du hast dich damals entschieden, uns zu verlassen und …« Sie stockt. »Oder kann es sein, dass du mich gar nicht erkennst?« Sie hält für ein paar Sekunden den Atem an. »Immerhin ist es jetzt fast vierzehn Jahre her.« Sie legt die Hand auf die Brust. »Ich bin’s, Schätzchen: Tante Ida!«

Ich schaue sie mit offenem Mund an. »Ich weiß wirklich nicht, wer Sie sind. Sie verwechseln mich eindeutig. Dürfte ich jetzt bitte zu meinem Wagen gehen?« Ich entziehe ihr meine Hand.

Genervt wende ich mich ab, um direkt auf mein Auto zuzusteuern, doch sie scheint besonders hartnäckig. Schon eine Sekunde später höre ich ihre Schritte hinter mir.

»Bitte«, ruft sie mir nach, »lass uns in Ruhe über alles reden, Mindy. Ich weiß, ich hätte dir eine bessere Tante sein müssen. Mich mehr auf dich einlassen müssen, aber ich war damals selbst in tiefer Trauer um den Verlust deiner Eltern. Mein Bruder und ich standen uns so nahe, und als er dann durch diesen tragischen Autounfall sein Leben verlor … na ja, genau wie deine Mutter … das war so … so …« Sie verstummt. Offensichtlich, weil die Tränen sie nun völlig übermannen.

Unweigerlich bleibe nun auch ich stehen.

»Ich erwarte auch gar nicht, dass du mir erzählst, wo du all die Jahre warst. Keine Vorwürfe, keine Fragen.« Sie steht nun unmittelbar hinter mir. »Einfach nur ein Stück warmer Apfelkuchen vorm Kamin. Wir können uns auch anschweigen, wenn dir das lieber ist. Nur bitte komm mit mir.« Sie schluchzt. »Nur für diesen einen Nachmittag. Mehr will ich gar nicht, Mindy.«

Mindy.

Schon wieder dieser Name.

Die Begegnung mit mir scheint viel in dieser Frau aufzuwühlen. Eine Tatsache, die mir beinahe schon leidtut. Aber was soll ich tun? Sie ist eine Fremde, eine völlig Fremde!

Gerade als ich endlich zu meinem Wagen gehen will, legt sie erneut die Hand auf meine Schulter.

»Bitte, Mindy, lass diese Begegnung nicht auf diese Weise enden.«

Und in diesem Moment geschieht etwas Merkwürdiges mit mir. Mein Verstand sagt mir, dass es richtig wäre, einfach weiterzugehen. Doch nach den letzten aufwühlenden Wochen auf der Flucht fühlt sich der Gedanke, einfach nur mit einem Stück Apfelkuchen vor einem Kamin zu sitzen und endlich ein wenig zur Ruhe zu kommen, wie der reinste Wellness-Urlaub an.

Was, wenn ich die Verwechslung einfach außer Acht lasse und dieses Spiel mitspiele?

Das kannst du nicht bringen, Lucia! Was auch immer du durchgemacht hast, diese arme Frau kann nichts dafür. Also nutze die Sehnsucht nach ihrer verschollenen Nichte nicht aus.

»Tut mir wirklich leid«, sage ich schließlich, »aber ich bin nicht die, für die sie mich halten.«

Darauf bedacht, die Versuchung zu unterdrücken, öffne ich meine Wagentür und steige ein. Doch als ich meinen Blick nach links wende, sehe ich sie noch immer am selben Platz stehen.

Ihre Wangen sind vom Weinen gerötet, ihr Blick ist geprägt von enttäuschter Hoffnung. Und plötzlich empfinde ich tatsächlich so etwas wie Schuld. Kann ich sie jetzt wirklich einfach so zurücklassen? Wäre es denn wirklich so schlimm, dieses Missverständnis mitzuspielen? Würde ich irgendwem damit schaden? Sie wünscht es sich doch so sehr!

Aber selbst wenn, wie soll ich ihr vorspielen, ihre Nichte zu sein, wenn ich überhaupt nicht weiß, wer diese Mindy ist und warum sie damals abgehauen ist?

Ich lasse meine Hand vom Zündschloss herabsinken und atme tief durch.

Wie auch immer ich mich jetzt entscheide, so oder so wird es die falsche Entscheidung sein. Ganz sicher!

Doch der Gedanke, nach dem Fiasko in meinem dritten Job, den ich seit meiner Flucht nach Wismar angetreten habe, jetzt allein in meiner deprimierenden und viel zu engen Wohnung über meine perspektivlose Zukunft zu grübeln, bringt mich fast um.

Ohne nachzudenken ziehe ich schließlich den Schlüssel ab, steige aus und werfe lautstark die Wagentür hinter mir zu.

Für einen kurzen Moment stehe ich einfach nur da und schaue diese gewisse Tante Ida schweigend an. Auch sie betrachtet mich, ohne ein Wort zu sagen. Doch dann kommt sie mit schnellen Schritten auf mich zu und fällt mir schluchzend in die Arme.

»Ach, mein Kind«, wimmert sie mir ins Haar, »ich bin so froh, dass du wieder da bist.«

Unfähig, etwas zu sagen, gebe ich mich der Umarmung schweigend hin und stelle dabei verwundert fest, dass es mir sogar irgendwie guttut, in den Armen dieser fremden Frau zu liegen. Nach den letzten aufwühlenden Wochen gibt mir diese Ida ein unerwartetes Gefühl von Wärme und Geborgenheit.

»Komm«, sie nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst meine Stirn, »lass uns nach Hause fahren. Dass ich heute früh ausgerechnet deinen Lieblingskuchen gebacken habe, muss so etwas wie Schicksal sein. Als hätte ich gewusst, dass dies ein ganz besonderer Tag wird.«

Weil mir keine passende Antwort einfällt, lächele ich einfach nur.

»Ich bin zu Fuß hier«, sagt sie. »Wir können aber gern deinen Wagen nehmen. Dann sind wir schneller dort.«

»Gern«, antworte ich, auch wenn ich noch immer keinen Plan habe, wohin diese verrückte Idee führen wird.

Als wir zu meinem Wagen gehen und einsteigen, wird mir die Absurdität dieses Missverständnisses allerdings erst recht bewusst: Wo, verdammt nochmal, ist denn überhaupt »Zu Hause«?

Verunsichert fahre ich los und warte auf einen Geistesblitz – oder darauf, dass diese Ida mir von allein erklärt, wie ich fahren muss. Doch als wir die Hauptstraße erreichen, betrachtet sie mich einfach nur lächelnd von der Seite, ohne ein Wort zu sagen.

Also biege ich einfach aus einem Instinkt heraus rechts ab. Als sie keinen Widerspruch einlegt, fahre ich einfach weiter, doch da sie es vorzieht, mich weiterhin stumm von der Seite anzustarren, als wäre ich das achte Weltwunder, fahre ich schon nach wenigen Metern in eine Bustasche und schalte den Warnblinker ein.

»Ich muss dir etwas gestehen«, platzt es schließlich aus mir heraus.

»Was ist denn, Schätzchen?« Sie legt ihre warme Hand auf meine Finger. »Ist alles in Ordnung? Habe ich dich überrumpelt? Das wollte ich nicht. Wirklich nicht. Ich war nur so glücklich, dich zu sehen, dass ich einfach drauf los geplappert habe.«

»Das ist es nicht«, seufze ich. Doch je länger ich darüber nachdenke, ihr die Wahrheit zu sagen, desto klarer wird mir, wie sehr es sie verletzen würde, ihre gerade wiedergefundene Nichte sofort wieder zu verlieren. Andererseits ist eine Lüge auf keinen Fall besser, oder?

»Was ist denn los?«, hakt sie erneut nach, während sie mich besorgt anblickt.

In ihren Augen liegt so viel Wärme. Fast kommt es mir so vor, als würde ich sie bereits kennen und nicht neben einer flüchtigen Begegnung sitzen.

»Ich …«, beginne ich zu stammeln, »die Wahrheit ist, dass ich …« Ich halte die Luft an und senke den Blick auf meine Hände.

Wieder packt mich die Angst vor meiner eigenen Vergangenheit. Und immer wieder frage ich mich, ob ich etwas hätte anders machen können. Etwas anders hätte machen müssen.

Was, wenn es Schicksal ist, dass diese Frau in mein Leben stolpert? Was, wenn ich auf diese Weise endlich ein wenig Ruhe finde – und Sicherheit?

»Weißt du«, ich atme tief durch, »um ehrlich zu sein, ist es so, dass ich …«, das Chaos in meinem Kopf formt sich plötzlich zu einem Plan, »… na ja, keine Erinnerungen mehr an meine Vergangenheit habe.«

Idas Verwirrung ist offensichtlich. »Wie meinst du das? Niemand erwartet von dir, dass du dich an alles erinnern kannst. Wie gesagt, es ist lange her.«

»Das meine ich nicht.« Ich presse meine Lippen zusammen.

»Was dann?«

»Na ja, ich … ich hatte einen Unfall«, entgegne ich mit dünner Stimme.

»Einen Unfall?«

Ich räuspere mich. »Ja, ich bin damals direkt in ein Auto gerannt.«

»Oh mein Gott.« Ida hält sich die Hand vor den Mund. »Doch nicht etwa, um dich«, sie schluckt, »dich umzubringen?«

»Nein«, wiegele ich schnell ab, »das … das kann ich mir nicht vorstellen. Ich meine, ich weiß es nicht. Denn alles, was ich weiß, ist, dass ich danach kurzzeitig im Koma lag – so erzählten es mir jedenfalls die Ärzte. Denn als ich aufgewacht bin, konnte ich mich an nichts mehr erinnern. Auch an nichts, was vor dem Unfall war.«

»An gar nichts?« Sie reißt die Augen weit auf.

»An gar nichts«, murmele ich schuldbewusst.

»Wie furchtbar.« Sie umklammert meine Hand erneut, nur dieses Mal noch fester. »Hast du dich deshalb all die Jahre nicht gemeldet? War der Unfall gleich, nachdem du von zu Hause fortgelaufen bist?«

Ich versuche, mich an die kläglichen Infos zu erinnern, die sie in unserem ersten Gespräch erwähnt hat. Da sagte sie etwas davon, dass diese Mindy – also ich – vor vierzehn Jahren davongelaufen ist.

»Ich nehme es an«, murmele ich. »Ich glaube, ich war damals …«

»Fünfzehn«, wimmert sie. »Du warst gerade mal fünfzehn.«

Binnen Sekunden versuche ich die kläglichen Infos in meinem Kopf zu sortieren:

Diese Mindy müsste dann jetzt 29 Jahre alt sein, nur ein Jahr älter als ich, was mich in meiner Rolle der lang verschollenen Nichte noch glaubwürdiger macht.

»Aber wir haben alles getan, um dich wiederzufinden«, erklärt Ida. »Großräumige Suchaktionen, sogar die Medien hatten wir eingeschaltet. Wenn du im Krankenhaus warst, warum hat dann niemand versucht, ausfindig zu machen, wohin du gehörst?«

Wieder werde ich nervös.

»Ich … ich habe mich selbst entlassen«, antworte ich schnell. »Bin einfach aus der Klinik abgehauen, als es mir etwas besser ging. Auf keinen Fall wollte ich in die Fänge des Jugendamts geraten. Dass mein Name Mindy ist, ist alles, was ich wusste. Und das auch nur, weil ich ein kleines Notizbuch mit meinem Namen darauf dabei hatte.«

»Ein Notizbuch? Was stand denn darin?«

»Ich … ähm … habe es damals leider verloren. Genauso wie meine Erinnerungen.«

Das Chaos in meinem Kopf wird langsam übermächtig. Genau wie der Drang, doch noch alles aufzuklären. Doch stattdessen sitze ich einfach nur da und starre über das Lenkrad in die Ferne. »Deshalb weiß ich auch nicht, wo du wohnst oder was mit meinen Eltern passiert ist«, fahre ich fort. »Und auch nicht, warum ich damals von zu Hause weggelaufen bin.«

»Aber wenn du erst fünfzehn warst, musst du doch irgendwo untergekommen sein.«

Jetzt hat sie mich! Spätestens jetzt werde ich ihr die Wahrheit sagen müssen!

»Ich will nicht darüber reden«, antworte ich aus einem Instinkt heraus und senke den Blick, um ihren wachsamen Augen auszuweichen.

Stille breitet sich zwischen uns aus, bis Ida schließlich ihre Hand an meine Wange legt und mich sanft an sich zieht.

»Du hast sicher schlimme Zeiten durchgemacht. Aber dir muss nichts peinlich sein, mein Kind. Es war eben deine Art, die Trauer zu verarbeiten.«

Ich frage mich, was genau sie sich vorstellt, wo ich – oder genauer gesagt Mindy – all die Jahre gewesen ist. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto überwältigender wird das Chaos in meinem Kopf.

---ENDE DER LESEPROBE---