Emigranten - Slawomir Mrozek - E-Book

Emigranten E-Book

Slawomir Mrozek

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Beschreibung

AA, der Intellektuelle, und XX, der Gastarbeiter, teilen sich einen Kellerraum als Unterkunft und gehen sich nach Kräften auf die Nerven. Zwar sind sie beide Emigranten desselben Landes, doch sind die Verbindungen zwischen dem politischen Flüchtling und dem sich für materiellen Wohlstand abschuftenden bäuerlichen Gastarbeiter nur allzu brüchig. Am Silvesterabend kommt es zum Showdown.

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Sławomir Mrożek

Emigranten

und andere Stücke

Aus dem Polnischen von Christa Vogel

Diogenes

Emigranten

Schauspiel in einem Akt

Personen

XX

AA

Bühnenbild

Graue, schmutzige Wände mit Wasserflecken. Eine niedrige Decke. Von der Decke herab hängt eine nackte Birne. Sehr helles, streuendes Licht. Rechts hinten eine Tür.

(Rechts und links vom Zuschauer.) Keine Fenster. Längs der rechten und der linken Wand – ziemlich weit vorn – je ein Eisenbett. Über dem an der linken Wand hängen ein Mantel und ein hölzerner Kleiderbügel an einem Nagel. An der Rückwand, nach links hin, ein altmodischer Ausguß. Er sieht aus wie ein Kübel, der an ein Ausflußrohr montiert ist. Den Ausguß bedeckt eine gelbliche, stellenweise abgeplatzte Emailschicht, das Rohr ist verrostet. Über dem Ausguß ein Wasserhahn aus Messing. Über dem Hahn ein primitives Brett, auf dem Brett zwei Rasiergeräte, eines ziemlich schäbig, das andere von etwas besserer Qualität. Über dem Brett an einem Nagel ein großer, billiger Spiegel, neben dem Ausguß, ebenfalls an Nägeln, zwei Handtücher.

Rechts hinten ein verschlissener Wandschirm. An der Rückwand, von der Decke bis zum Boden, Rohre von verschiedenster Stärke, Kabel, Leitungen etc., je nach Phantasie des Bühnenbildners angeordnet. In der Mitte der Bühne steht direkt unter der Birne ein Tisch. Zeitungen dienen als Tischdecke. Auf dem Tisch zwei schmutzige Teller, zwei Löffel, zwei Plastikbecher, zwei offene Konservendosen, eine leere Bierflasche, eine Schachtel mit Teebeuteln, Zigarettenstummel. Zwei Stühle – einer links, einer rechts vom Tisch. Auf dem Stuhl links liegen graue Hosen, auf der Stuhllehne hängt eine Tweedjacke und ein seidenes Halstuch. Unter dem Stuhl ein Paar Schuhe.

Auf dem linken Bett liegt ein unrasierter Mann im Morgenrock und in Socken, mit den Füßen zum Zuschauerraum. Er ist schlank, zwischen dreißig und vierzig, hat dünne, schüttere Haare und trägt eine Brille mit dunkler Fassung. Er liest ein Buch. Auf dem Bett an der rechten Wand sitzt auf einer billigen Decke der Hund Pluto, ein ziemlich großes, grellfarbiges Stoffhundmaskottchen.

Auf dem Stuhl rechts neben dem Tisch sitzt ein Mann in einem schwarzen, unmodernen Anzug aus grobem Stoff, wie ihn die Bauern am Sonntag tragen, weißem Hemd und mit schreiend bunter Krawatte. Sehr spitze und sorgfältig blankgeputzte Schuhe. Der Mann ist kräftig, untersetzt, hat riesige Pranken und ein volles, glattrasiertes Gesicht, dichtes Haar. Sein linkes Profil ist dem Zuschauerraum zugekehrt, er betrachtet seinen Partner auf dem Bett. Auch er ist zwischen dreißig und vierzig.

Einen Augenblick lang liegt AA und liest, XX sitzt da und sieht vor sich hin.

XX

Na, was is’n? AA reagiert nicht. – Pause. XX wiederholt lauter Na, was is’n?

AA

ohne seine Lektüre zu unterbrechen Es heißt: Was ist nun?

XX

knetet sich die Waden. Haste ’ne Zigarette?

AA greift, ohne seine Lektüre zu unterbrechen, unter das Kopfkissen und zieht eine Schachtel Zigaretten hervor. Er hält sie XX hin. Der steht auf, schlurft zum Bett und nimmt sich eine Zigarette aus der Schachtel. AA liest immer noch. XX läßt die Zigarette heimlich in der Hosentasche verschwinden und nimmt sich eine zweite. Er zögert einen Augenblick, dann wiederholt er diese Operation. Er steckt also auch die zweite Zigarette in die Tasche, nimmt sich eine dritte und steckt sie sich in den Mund.

XX

Danke, hab schon, AA, tief in die Lektüre versunken, zieht jedoch seinen ausgestreckten Arm noch nicht zurück. Pause. Gut, dann nehm ich noch eine. Er greift nach der Schachtel.

AA

Gib her. Rück sie wieder raus!

XX nimmt gehorsam eine Zigarette aus der Hosentasche und steckt sie wieder in die Schachtel. Er dreht sich um und will weggehen. AA liest mit ausgestrecktem Arm weiter.

AA

Gib her!

XX

Hab doch schon.

AA

Du hast drei genommen.

XX zieht die zweite Zigarette aus der Hosentasche und legt sie in die Schachtel zurück. AA steckt die Schachtel unter das Kopfkissen, ohne seine Lektüre zu unterbrechen, xxgeht in die Mitte des Zimmers und zieht eine Streichholzschachtel aus der rechten Hosentasche. Er nimmt ein Streichholz aus der Schachtel und will es gerade anzünden – da hält er ein und linst verstohlen zu AA hinüber. Als er sieht, daß der immer noch liest, steckt er das Streichholz wieder in die Schachtel und die Schachtel wieder in seine rechte Hosentasche, geht zum Stuhl, an dem die Jacke hängt, befühlt die Taschen und findet eine Streichholzschachtel. Er zündet sich die Zigarette an, steckt die Streichholzschachtel in seine linke Hosentasche und setzt sich wieder auf seinen Stuhl, in der gleichen Haltung wie vorher. Er zieht genüßlich den Rauch ein. Er knetet sich die Waden, macht den Kragen auf, lockert den Schlips, zieht sich die Schuhe aus. In den Socken hat er riesige Löcher. Er pustet unsichtbaren Staub von den blankpolierten Schuhen und stellt sie dann sorgfältig neben den Stuhl. Erleichtert streckt er die Füße aus und bewegt die Zehen. – Pause.

XX

Ich war auf’m Bahnhof.

AA

ohne seine Lektüre zu unterbrechen Na und?

XX

Nichts. Viel Betrieb. Pause. Hab ’n Bier getrunken.

AA

ungläubig Du?

XX

bestimmt Klar. Pause. Zwei Bier Pause. Am Buffet.

AA

Ah! …

XX

Da sind Telefonzellen.

AA

Na und?

XX

Nichts. Die Leute telefonieren.

AA

Aha.

XX

Ich nich. Ich sag mir: wozu. Ich hab daneben gestanden …

AA

In Ordnung. Pause.

XX

Und Zeitungskioske.

AA

Oh!

XX

Mit Zeitungen und Kugelschreibern.

AA

Na und?

XX

Nichts. Die Leute kaufen Zeitungen.

AA

Aha.

XX

Und lesen sie. Ich nich. Ich sag mir: wozu.

AA

Richtig.

XX

Ich hab daneben gestanden. Pause. Und Schalter. Pause. AA reagiert nicht. Ich sage: Schalter.

AA

Was?

XX

Fahrkartenschalter.

AA

Fahrkarten?

XX

Die Leute kaufen Fahrkarten am Schalter, AA pfeift bewundernd. Ich nich. Ich hab daneben gestanden.

AA

Recht hast du.

XX

Und dann sag ich mir: Ich geh mal auf’n Bahnsteig.

AA

Wozu?

XX

Is umsonst. Bei uns zu Haus muß man ’ne Bahnsteigkarte kaufen – die hier lassen einen umsonst. Schön blöd.

AA

abwesend Wer?

XX

Die hier. Ich also auf’n Bahnsteig.

AA

Aha. Na und?

XX

Nichts. Schienen und Zug.

AA

Was für ein Zug?

XX

Na eben Zug. Vom Wind. Ich sag mir: Geh ich wieder. Und gerade will ich zurück, da geht der Lautsprecher. Ich sag mir: Bleib ich noch. Also – ich bleibe. Wieder Zug – und Schienen … Ich sag mir: Na dann geh ich. Und gerade will ich gehen, da seh ich: Er kommt.

AA

Der Zug.

XX

Woher weißte? Pause. Stimmt. ’n Zug. Elektrisch. Fährt ganz leise. Weil er elektrisch is. Bei uns fahren sie mit Dampf. Hier nur elektrisch. Tut denen das nich leid, die viele Elektrizität?

AA

Nein.

XX

Ein Zug vom Ausland. Nur Schlafwagen, mit lauter Schildern, ’n schöner Zug. Aber ich – ich laß mir nich imponieren. Zünd mir nur ’ne Zigarette an.

AA

Deine eigene?

XX

Ich hatte welche. Ein erstklassiger Zug. Aber ich steh ganz ruhig und sag mir: Bei Fuß, mein Hundchen! Kein Stück weiter, hier is Endstation. Bei Fuß! Hierher! Und er fährt und fährt, bis …

AA

… bis er hält.

XX

Woher weißte? Pause. Also er hält. Und nu steht er. Ich sag mir: siehste? Hab ich dir nich gesagt, daß du nich weiter fährst?

AA

blättert eine Seite um. Und was antwortet er?

XX

Nichts, er steht.

AA

Ist das alles?

XX

Eisenbahner mit Karren. Auf den Karren Bettzeug und Decken. Erstklassige Decken, hundert Prozent Wolle. Hab eine angefaßt. So viel Decken, und alle hundert Prozent Wolle. Aber ich – ich laß mir nich imponieren. Ich steh da, ich rauche, die Leute steigen aus. Da war ein Japaner im Mantel, bestimmt keiner von hier.

AA

Nein.

XX

Hab ich mir gleich gedacht. Aber was geht mich das an, ich laß mir nich imponieren, ich steh da und rauche. Das darf ich ja, oder?

AA

Darfst du.

XX

Mein gutes Recht. Ich sag mir: Wenn ich ausgeraucht hab, geh ich. Jetzt müssen doch alle raus sein. Ich will gerade meine Zigarette ausmachen, da taucht im Fenster vor mir ’ne Dame auf und ruft: »Gepäckträger!«

AA

Du hast verstanden, was sie gesagt hat?

XX

Ich nich, aber der Gepäckträger. Der kam gleich angerannt. Jesus Maria, Haare hatte die! Bis dahin … bestimmt ’ne Schauspielerin. Ich sag mir: Wartest noch, bis die aussteigt. Ich verbrenn mir die Finger, weil der Tabak an der frischen Luft so schnell runterbrennt, und die war keine Filter … Aber ich laß mir nich imponieren, schieb sie von einer Hand in die andere und ärger mich, daß ich keine Spitze dabei hab. Ich sag mir: Mal muß sie ja aussteigen.

AA

Na und?

XX

triumphierend Sie is ausgestiegen.

AA

Das hast du hingekriegt. Eine immer länger werdende Pause. Ist das alles?

XX

Nein. Kichert.

AA

Weshalb lachst du?

XX

kichert weiter.

AA

Was ist daran so lächerlich?

XX

Weil ich sie …

AA

blickt zum ersten Mal von seinem Buch auf und sieht XX an Was?

XX

Na so … kichert.

AA

Hör auf zu lachen.

XX

Ganz ernsthaft … ich hab sie …

AA

Wo?

XX

In der Toilette. Erster Klasse.

AA

Aber da muß man doch zahlen.

XX

Na und?! Sie hat für uns beide gezahlt. AA klappt das Buch zu. Sie wollte noch mal, aber ich nich.

AA

nimmt seine Brille ab und steckt sie in die Tasche seines Morgenrocks. Er dreht sich auf die Seite, stützt sich auf die Ellenbogen und sieht XX an. So? Und was weiter?

XX

Nichts.

AA

Wieso nichts?

XX

Ich sag dir doch, ich wollte nich noch mal. Sie wollte noch mal, aber ich nich.

AA

Gut, aber was war danach?

XX

Danach? Danach bin ich gegangen.

AA

Und sie?

XX

Sie is auch gegangen.

AA

Und du hast dir nicht ihre Adresse geben lassen?

XX

Nein. Sie wollte mir ihre Adresse geben, aber ich sag mir: wozu. Nachher verlier ich sie noch …

AA

Aber sie wollte, daß du dir ihre Adresse aufschreibst?

XX

Ja, wollte sie. Pause. Ein General hat sie abgeholt. Bestimmt ihr Mann. Mit ’ner Limousine.

AA

Aha.

AA holt die Zigaretten hinter seinem Kopfkissen hervor, steckt sich eine in den Mund, sucht Streichhölzer in seiner Morgenrocktasche; steht auf und geht zum Stuhl, wo seine Jacke hängt, sucht in den Jackentaschen, findet keine.

XX

Feuer?

AA geht zu ihm, XX zieht Streichhölzer aus seiner Jackettasche und zündet ihm die Zigarette an. AA wirft die Hosen auf das Bett, setzt sich auf den Stuhl. Er macht einen Zug.

AA

Willst du wissen, wie es war?

XX

Hab ich doch gerade erzählt.

AA

Nein. Ich frage dich, ob du wissen willst, wie es wirklich war?

XX

Wenn du’s besser weißt …

AA

Natürlich weiß ich es besser. Also, noch mal von Anfang an. Stimmt, du warst auf dem Bahnhof. Aber nicht gleich. Als du dich heute morgen wie jede Woche vor dem Spiegel rasiert und dich in diesen Anzug und in die spitzen Schuhe gezwängt hast, da hattest du überhaupt nicht die Absicht, dahin zu gehen … Manchmal frage ich mich, warum du diese Ballettschuhchen anziehst, obwohl sie dich zum Krüppel machen. Glaubst du denn, daß deine Haxen darin weniger elefantenhaft aussehen?

XX

beleidigt Das sind sehr teure Schuhe.

AA

Von mir aus. Wohin bist du also gegangen? Auf die Straße. Jeder hat das Recht, auf die Straße zu gehen. Aber die Blicke … Man sieht dir schon kilometerweit an, wer du bist. Du hast das Recht spazierenzugehen, und die andern haben das Recht, dich anzustarren. Und deine ausländische Fresse zu bestaunen. Denn du bist Fleisch und Blut unseres Volkes, der Stolz unserer Ideologen, obwohl du das vielleicht gar nicht weißt. Heiliges Protoplasma für unsere Patrioten, die allerheiligste Hostie in unserer Nationalmesse …

XX

Du sollst nich lästern …

AA

Das sind Metaphern. Aber du weißt ja nicht, was eine Metapher ist, du unschuldiges Opfer des Klerikalismus.

XX

Is mir egal. Aber du sollst nich lästern. Das erlaub ich nich.

AA

Kommen wir zu deinem Spaziergang zurück. Als du am Kino vorbeigehst, sagst du dir: Da könnte ich mal reinschauen.

XX

Ich mag Kino.

AA

Natürlich. Im Kino starrt dich niemand an, weil alle auf die Leinwand starren. Du auch. Irgendwas flimmert und flirrt auf der Leinwand. Du weißt zwar nicht was, weil du nicht verstehst, was sie sagen, aber das ist unwichtig. Das wichtigste ist, hier fühlst du dich in Sicherheit. Aber das Kino hat einen fundamentalen Nachteil: Es kostet Geld.

XX

Ich geh nie ins Kino.

AA

Eben. Aber noch ist nicht alles verloren. Es bleibt dir der Bahnhof.

XX

Der Hauptbahnhof.

AA

Natürlich der Hauptbahnhof. Wenn schon, denn schon. Ich habe keinen Augenblick lang angenommen, daß du dich mit irgendeinem Vorortbahnhof zufrieden gegeben hättest. Du schießt direkt auf den Hauptbahnhof los, auf den Hauptbahnhof aller Hauptbahnhöfe. Da hast du nur Vorteile! Erstens ist der Eintritt frei. Zweitens bist du da kein Fremder. Es gibt keine Fremden dort, weil der Bahnhof eben für Fremde da ist, und darum sind dort alle Einheimische, und die Fremden sind sogar einheimischer als die Einheimischen. Da ist dein fremdländisches Aussehen ganz in Ordnung. Und außerdem ist es auf dem Bahnhof hell und warm … Es gibt Kioske mit Zeitungen, Telefonzellen, Fahrkartenschalter …

XX

verträumt … ein Buffet …

AA

Und ein Buffet. Also hast du am Zeitungskiosk herumgebummelt, an den Telefonzellen, am Fahrkartenschalter …

XX

Ich hab ’n Bier getrunken …

AA

Das bezweifle ich schon. Bier kostet Geld. Aber ich bezweifle nicht, daß du im Pissoir warst.

XX

Und aufm Bahnsteig?

AA

Unterbrich mich nicht. Zu dem komme ich ja gerade.

XX

Zuerst war ich aufm Bahnsteig.

AA

Das stimmt. Physisch warst du zuerst auf dem Bahnsteig und erst danach im Pissoir. Aber intellektuell hast du den Bahnsteig ex post verarbeitet, wobei das Pissoir eine wichtige, sozusagen eine befruchtende Rolle spielt, weil es dich inspirierte.

XX

Willste mir vielleicht erzählen, es gab keinen Bahnsteig?

AA

Aber natürlich, natürlich gab es einen Bahnsteig, ein Zug ist angekommen, du hast vor dem Schlafwagen gestanden, hast deine Zigarette geraucht, die Reisenden sind ausgestiegen, das ist alles in Ordnung. Es stimmt sogar, daß aus dem Schlafwagen eine besonders schöne und elegante Frau ausgestiegen ist.

XX

Siehste!

AA

Das hast du dir alles angesehen und dann bist du ins Pissoir gegangen. Nein, nicht in eine Toilette, nicht in eine saubere Toilette mit Blumen auf dem Tisch, einer Klosettfrau, Weibern, blankgescheuerten Kacheln, wo es nach Deodorant riecht und wo man Geld für die Benutzung zahlt. Du bist in ein gewöhnliches Pissoir gegangen, wo der Eintritt frei ist für jedermann, wo die Zigarettenkippen in dem stinkenden, schaumigen Urin schwimmen und den Abfluß verstopfen, wo niemand sich traut, das Handtuch zu benutzen, das da seit Urzeiten hängt, weil es so dreckig ist. Wo es stinkt. Die Männer grabbeln andächtig und konzentriert in ihren Hosen, jeder in seiner, jeder für sich, jeder aber mit den andern in dieser ausgiebigen Promiskuität verbunden. Aber das schreckt dich nicht ab, ganz im Gegenteil. Ich übergehe deine Unempfindlichkeit, was Gerüche betrifft. Aber wo findest du einen zweiten Ort, an dem der Nachbar in genau der gleichen Lage ist wie du? Wo eine ähnliche Gleichheit herrscht? Nirgendwo. Es schadet nichts, daß es eine vulgäre Gleichheit ist, für dich ist das wichtigste, daß sie authentisch, deutlich und sogar übertrieben, karikaturhaft expressionistisch ist. Um so besser, denn bei deinen unterentwickelten Sensorien nimmst du nur wahr, was gigantische Ausmaße hat. Jede Differenzierung oder Nuance entgeht dir sowieso. Also warst du dort sehr lange. Aber leider konntest du nicht bis in alle Ewigkeit bleiben. Als du deine Sache erledigt und als du aufgehört hattest, so zu tun, als hättest du noch was zu erledigen, als du dich gekämmt hattest – merkwürdig, wie eng bei dir die Urologie mit der Kosmetik verbunden ist –, da tauchtest du wieder aus dem Untergrund auf. Und dann erst hat sich in deinem gekämmten Schädel – merkwürdig, wie bei dir die Kosmetik die Gehirnarbeit anregt … ob das Kratzen des Kamms dabei eine Rolle spielt? –, dann erst hat sich dieser dumme, naive Schwindel über dein Liebesabenteuer mit der Dame aus dem Zug eingenistet.

XX

Ich hab sie …

AA

Quatsch. Einfach horrender Quatsch. Du hast vor dem Schlafwagen gestanden und dir mit deiner armseligen Kippe die Finger versengt. Die Zigarette war deine einzige Sicherheit, sonst warst du nur Erwartung, Neid, Bewunderung, Erniedrigung … Natürlich, du hast von ihr geträumt, und du hast in ihr noch mehr gesehen als nur eine Frau. Im übrigen habe ich den Verdacht, daß du gar nicht weißt, was das heißt: eine Frau. Deine Erotik geht über die Primärfunktion der Sexualität nicht hinaus. Du hast in ihr ein Symbol gesehen, die Welt, die dir so völlig, so absolut und so brutal verschlossen ist. Und da du in der Wirklichkeit diesen Abgrund nicht überwinden kannst, hast du ihn in deiner Phantasie übersprungen. Zugegeben, eine ungewöhnliche geistige Leistung für deine Verhältnisse, wobei dir das Pissoir wesentlich geholfen hat. Du hast das Geschehen auf dem Bahnsteig interpretiert, hast ihm im Pissoir ex post eine endgültige Form gegeben, unter Umständen, die deine Phantasie beflügeln.

XX

Hör auf!

AA

War’s nicht so?

XX

So nicht!

AA

Mach dir nichts draus. Nächste Woche gehst du wieder zum Bahnhof.

XX greift eine leere Bierflasche vom Tisch, schlägt den unteren Teil der Flasche am Tisch ab. In der Hand behält er den ausgezackten Flaschenhals. Beide stehen auf. Pause.

AA

Schon gut, geschenkt! Du hast sie gehabt, du hast sie gehabt. Sie hat sich dir hingegeben, sich dir zu Füßen geworfen, dir die Hände geküßt, die Füße, deine spitzen Schuhe, sie ist dir nachgekrochen, hat dich und deine Schuhe angebetet. Sie und der General und das Auto des Generals! Der General hat salutiert, und sie haben dir zu Ehren ein Feuerwerk abgebrannt, und hinterher haben sie dir ein Eis gekauft. Weil du so schön bist! Alle bewundern dich. Bist du jetzt zufrieden? Ist dir jetzt besser? Genügt dir das?

XX setzt sich und legt die Bierflaschenscherbe auf den Tisch. Pause.

AA

Möchtest du Tee? Versöhnlich, will einlenken Ich kann dir ja einen Tee machen.

XX

Immer mußte alles verderben.

AA

Bist du beleidigt?

XX

Was hast’n du gegen mich?

AA

Du bist beleidigt, weil ich dir die Wahrheit gesagt habe.

XX

Immer haste was gegen mich. Was hab ich dir getan?

AA

Schicksal, mein Lieber. Ich will dir nur helfen, deine Situation zu begreifen. Allein kannst du es doch nicht …

XX

Was für ’ne Situation? Ich bin zum Bahnhof gegangen …

AA

Eben. Das erklärt ja schon deine Situation.

XX

… wollt mich amüsieren.

AA

Bei uns ist das immer so: Die Tatsachen werden verbrämt, Träume und fromme Wünsche hält man für Wirklichkeit … Eine verfälschte Gegenwart wird eine kranke Zukunft gebären. Die Geschichte rächt sich …

XX

Was für ’ne Geschichte …

AA

Unsere, die Geschichte unseres Volkes.

XX

Was für ’ne Geschichte? Die Geschichte kann mich mal … Ich war aufm Bahnhof.

AA

Das gerade ist ein Element der Geschichte. Ein kleines, aber unstreitiges Element. Du warst auf dem Bahnhof: Vergangenheitsform, also Geschichte. Die allgemeine Geschichte setzt sich aus der Geschichte einzelner Individuen zusammen. Es gibt keine Geschichte in abstracto, mein Lieber, das glauben nur Idealisten, die die Geschichte wie einen neuen Gott behandeln, als entité. Nein, ich bin kein Hegelianer. Alles hängt davon ab, wie wir deine kleine Geschichte auf dem Bahnhof interpretieren. Ob wir sie im Licht der Tatsachen sehen? Oder umgekehrt, die Tatsachen im Licht der Geschichte? Ich meine deine zusammengeschwindelte Geschichte, die du mir erzählt hast. Deine mythenschaffende Interpretation, deine interpretatorische Mythomanie …

Ein lautstarkes Getöse in einem der Rohre übertönt seine Worte. AA winkt mit der Hand ab und setzt sich nachdenklich auf sein Bett.

XX

streckt sich und gähnt. Ich hab Hunger.

AA

Dann iß was und laß mich in Ruhe.

XX

Hab nichts zu essen.

AA

Es sind doch Dosen da.

XX

Meine sind alle.

AA

Hast du wieder alles aufgefressen?

XX

Hast du keine mehr?

AA

Doch, aber ich geb sie dir nicht.

XX

Warum nich?

AA

Aus pädagogischen Gründen.

XX

Aha. Pause. Was heißt das?

AA

Das heißt, daß du dauernd meine Konserven frißt.

XX

Is nich wahr. Meine auch.

AA

Deine und meine. Wann wirst du endlich Ordnung, Disziplin und Loyalität lernen …

XX

Mach ich. Aber erst möcht ich was essen.

AA

Nichts kriegst du.

XX

Nein?

AA

Nein.

XX

Dann eben nich. Pause. Haste was von Tee gesagt?

AA

Mach ihn dir selber.

XX steht auf zieht sich das Jackett aus, hängt es über die Stuhllehne. Er klopft es sorgfältig ab und streicht es glatt. Er geht hinter den Wandschirm. Man hört, wie er da rumhantiert, Wasser aufstellt usw. Dann kommt er zurück und setzt sich wieder auf den Stuhl. Pause.

XX

Du, weshalb gibt’s keine Fliegen hier?

AA

aus seinen Überlegungen gerissen Was?

XX

Weshalb gibt’s keine Fliegen hier?

AA

Wo?

XX

Hier, im Zimmer.

AA

immer noch geistesabwesend Weiß ich nicht.

XX

Auf’m Flur auch nich. Pause … Und sonst auch nirgendwo … Ganz aufgeregt über seine Entdeckung. Du, haste hier irgendwo Fliegen gesehen?

AA

Ich glaube nicht.

XX

Ich sag dir, es gibt keine. Weder hier noch sonstwo. Sie haben hier keine Fliegen. Du, weshalb haben die hier keine Fliegen?

AA

Weiß ich nicht. Vielleicht ausgerottet, aus Hygienegründen.

XX

Zu Haus gibt’s Fliegen. Pause. – XX seufzt. Schade.

AA

Wozu brauchst du denn Fliegen?

XX

Is gemütlicher. Man könnte sie fangen … Oder einfach zugucken … Die Zeit vergeht schneller. Zu Hause gab’s Fliegen. Im Sommer. Pause. Fliegen und Fliegenfänger … Ich weiß noch, die wurden an die Lampe gehängt und mit so was wie Honig beschmiert, es war aber gar kein Honig. Und die Fliegen klebten an und summten. Wenn der Fliegenfänger lange da hing, war’s wie richtige Musik. Manche summten tief, manche hoch, und wenn ’ne Wespe oder ’ne Bremse hängenblieb … Nein, Bremsen nich, die sind zu stark, die reißen sich los … Oder wir hatten so kleine schwarze Scheiben mit Gift. Die legte man auf’n Teller. Da mußte man aber aufpassen, daß die Kinder nich dran leckten. Ich erinner mich …

AA

Ich erinnere mich, ich erinnere mich, ich erinnere mich! Und ich erinnere mich an gar nichts!

XX

ehrlich erstaunt Wieso, du erinnerst dich nich?

AA

steht vom Bett auf und geht im Zimmer herum. Nein, ich erinnere mich nicht, und ich will mich nicht erinnern! Dauernd höre ich nur dein »Erinnerst du dich an dies, erinnerst du dich an jenes …« Immer, dauernd, ewig, seit Jahren! Und jetzt die Fliegen, du mit deinen albernen Fliegen …

XX

Aber’s gab Fliegen!

AA

Hör auf!

XX

Soll ich denn sagen, es gab keine, wenn’s welche gab?

AA

Es gab Fliegen, ja, es gab Fliegen, und was hast du davon? Muß ich mich bis an mein Lebensende an irgendwelche idiotischen Fliegen erinnern? Ich habe was Besseres zu tun.

XX

Siehste! Jetzt sagste selber, daß es Fliegen gab.

AA

O Jesus Maria! Hab ich denn behauptet, daß es keine gab? Nein, nein, langsam, ruhig, das ist doch idiotisch. Hör zu, es geht nicht darum, ob es Fliegen gab oder nicht. Es gab sie, es hat sie gegeben und es wird sie … nun nicht mehr geben. Das ist kein Grund, um dauernd darüber zu reden. Es gab sie mal, es gibt sie nicht mehr. Schluß, aus. Jetzt gibt es was anderes.

XX

Was, zum Beispiel?

AA

Wieso, was …

XX

Ja eben, was … vielleicht sagste’s mir …

AA

Nun … alles … die Welt, ihre Probleme …

XX

Was?

AA

Ideen, Phänomene, Ereignisse …

XX

geringschätzig Phhh! …

AA

Gesellschaftliche, ökonomische und politische Entwicklungen, kulturelle Strömungen, dieses ganze herrliche Gewirr einer Zivilisation, die im Wandel begriffen ist, einer Menschheit, die am Kreuzweg steht. Universelle Probleme …

XX

Aber keine Fliegen.

AA

Gott sei Dank. Das ist sogar eine gute Metapher. Ein Symbol für die Probleme, mit denen wir uns zu Hause herumschlagen mußten: Fliegendreck. Kleine Lokalkonflikte, Konfliktchen … Kleine Chauvinismen, kleine Reformismen, kleine Portiönchen … Kleine Leute in einem kleinen Land. Hier kann man endlich seine Flügel ausbreiten.

XX

Wie ’ne Fliege … Bzzzzz!

AA

Und den großen Problemen die Stirn bieten, nur in großen Auseinandersetzungen entsteht Größe. Große Maße … alles im großen Maßstab. Nein, für mich gibt es keine Fliegen mehr, Gott sei Dank.

XX

Aber für mich.

AA

Wo denn? Hier?

XX

triumphierend Nein, aber zu Hause. Erinnerste dich nich?

AA

O Gott, nun geht das wieder von vorn los.

Hinter dem Wandschirm hört man den Kessel pfeifen.

XX

Wasser kocht.

XX steht auf, geht hinter den Wandschirm, kommt mit einem Aluminiumkessel zurück, gießt Wasser in seinen Plastikbecher. Er taucht einen Teebeutel in den Becher.

AA

Für mich hättest du auch einen machen können.

XX

Gibste mir dann Zucker?

AA

Ich hab doch schon den Tee gekauft.

XX

Aber es is kein Zucker da.

AA zieht unter seinem Bett einen Lederkoffer hervor, holt einen Schlüssel aus seiner Tasche, öffnet den Koffer mit dem Schlüssel, nimmt ein Paket Zucker heraus, schließt den Koffer mit dem Schlüssel, steckt den Schlüssel in seine Tasche und schiebt den Koffer unter das Bett. Er legt den Zucker auf den Tisch und setzt sich.

XX

hält den Teekessel schräg über den Becher. Nichts mehr drin.

AA

Dann stell was auf.

XX

schlurft widerwillig zum Wasserhahn. Er dreht ihn auf, ohne jedes Resultat. Auch nichts.

AA

Ohne mich geht’s wohl nicht? Er geht zum Ausguß, dreht den Wasserhahn bis zum Anschlag auf. Tatsächlich.

XX

Da is kein Wasser, weil’s nich fließt.

AA

Es fließt nicht, weil kein Wasser da ist, du Idiot.

XX

Is das meine Schuld?

Sie gehen zum Tisch zurück und setzen sich auf ihre Plätze. XX kippt sich Zucker in den Tee.

AA

Willst du den Tee trinken? XX nickt zustimmend mit dem Kopf Allein? XX nickt wieder Und so was nennt sich Solidarität. Ich dachte, wenn dein Kumpel nicht trinkt … XX nimmt sich noch mehr Zucker Das wird zu süß.

XX

Ich mag ihn süß. Er probiert mit einem Löffel den Tee, nimmt noch mehr Zucker, rührt um.

AA

Er wird kalt.

XX

Ich mag ihn nich heiß.

AA

holt ein Geldstück aus der Tasche Wollen wir losen?

XX

Um was?

AA

Wer den Tee trinkt.

XX

Wieso?

AA

Weil nur ein Tee da ist, und wir sind zwei.

XX

Aber es is mein Tee.

AA

Aber ich habe ihn gekauft.

XX

Und ich hab ihn gekocht.

AA

Also haben wir den gleichen Anspruch. Das Los entscheidet. Kopf oder Zahl?

XX

Kopf … AA wirft das Geldstück hoch in die Luft. … Zahl.

Das Geldstück fällt zu Boden und rollt unter das rechte Bett. Beide suchen es und schauen unter das Bett, gleichgültig, wohin das Geldstück in Wirklichkeit gerollt ist. Die Schauspieler spielen so, als sei es wirklich unter das Bett gefallen.

XX

Hastes?

AA

Zu dunkel … Er streckt eine Hand unter das Bett.

XX

stößt ihn weg Laß mich mal.

AA

Warte. Er holt eine Konservendose unter dem Bett hervor. Was ist das?

XX

Das? … Zeig mal … ’ne Dose.

AA

Deine? Du hast doch gerade gesagt, du hättest keine mehr. XX reagiert nicht Na, wenn sie niemandem gehört, nehme ich sie mir.

XX

Nein! Er entreißt ihm die Dose.

AA

Du solltest dich schämen, mich so zu betrügen. Er setzt sich an den Tisch auf den rechten Stuhl. Er schiebt den Becher mit dem Tee zu sich. Hattest du Angst, du müßtest sie teilen? Dein Geiz ist noch größer als deine Freßsucht. Als wenn ich auf deine Konserven angewiesen wäre, XX versteckt die Dose wieder unter dem Bett. Jetzt brauchst du sie doch nicht mehr zu verstecken, ich weiß es ja. Du kannst dich in Ruhe deiner Völlerei hingeben und deinen wilden, tierischen Appetit befriedigen. Nein, tierisch nicht, Tiere fressen nur so viel, wie sie brauchen. Aber du frißt auf Vorrat, maßlos, endlos. Du hast einen monströsen Appetit, der ist schon pathologisch.

XX

Und du willst nichts?

AA

Nein, ich bin nicht scharf auf deine Leckerbissen. Er trinkt einen Schluck Tee und spuckt ihn sofort wieder aus. Pfui Teufel, ist das süß.

XX

Dann ess ich vielleicht ’n Happen.

AA

Bravo! Der Geiz ist besiegt! Meine Methode hat Erfolg. Obwohl man bei soviel Geiz nicht weiß, ob deine Freßgier eine Tugend ist oder ein Laster. In diesem Kampf zwischen Schwäche und Laster ist der Sieger das kleinere Übel, also so etwas wie eine Qualität. Relativ, natürlich.

XX

Ich ess jetzt.

AA

Iß, iß, möge es dir wohl bekommen.

XX

Wo is’n der Büchsenöffner … Er sucht den Öffner.

AA

Erklär mir mal, warum du so viel ißt.

XX

Haste nich irgendwo den Öffner gesehen?

AA

Wir wollen mal versuchen, das zu ergründen. Hedonistische Motive kommen hier mit Sicherheit nicht in Frage. Was also dann?

XX

Er is weg. Er geht hinter den Wandschirm.

AA

Wahrscheinlich geht es um das Verschlingen an sich. Es ist anzunehmen, daß das Verschlingen von Nahrung einen symbolischen Charakter hat, es ist eine Ersatzhandlung. Wenn du Nahrung verschlingst, dann verschlingst du die Wirklichkeit, die dich umgibt. Du verschlingst die Welt …

XX kommt hinter dem Wandschirm hervor. Er hat ein Beil in der Hand. Er setzt sich an die linke Tischseite, AA gegenüber, und versucht, die Dose mit dem Beil zu öffnen.

AA

Ja, das ist eine bestechende Hypothese. Eine Ersatzhandlung, oder besser … eine magische Handlung. Natürlich. Daß ich darauf nicht früher gekommen bin. Eine magische Handlung, das heißt eine Handlung, in der sich auf willkürliche Art und Weise eine reale Identität zwischen den Elementen herstellt, die, wissenschaftlich gesehen, natürlich nicht identisch sind. Das Essen ersetzt dir nicht nur die gesamte übrige Realität, es ist vielmehr für dich die Realität an sich. Es würde sich lohnen, meine Beobachtungen mit den Untersuchungen der modernen Anthropologie zu vergleichen, die primitive Kulturen erforscht. Ich befürchte allerdings, daß die Ergebnisse dieser Vergleiche eine peinliche Parallele von rituellem Kannibalismus und …

XX

haut die Dose mit ganzer Kraft vor AA auf den Tisch. Da, nimm!

AA

Was hast du denn …

XX

Na nimm, iß!

AA

Warum?

XX

Damit du nich soviel redest.

AA

Du hast mich falsch verstanden. Außerdem habe ich dir von vornherein gesagt, daß ich nichts essen will … Ich ernähre mich mäßig und rational …

XX

Wenn du nich willst, wozu redeste dann? Er streckt die Hand nach der Dose aus.

AA

nimmt die Dose in die Hand Warte mal. Was ist denn das?

XX

Hackfleisch, extra.

AA

Wo hast du das gekauft?

XX

Im Laden.

AA

In was für einem Laden?

XX

In ’nem ganz normalen. Gib her.

AA

setzt sich die Brille auf. Das ist für Hunde.

XX

Wieso für Hunde …

AA

liest die Aufschrift auf der Dose vor »Non plus ultra.« Die Universalnahrung für Haustiere. Schmackhaft und gesund, zubereitet nach Rezepten, die das Ergebnis langjähriger Laborforschungen und bewährter Veterinärerfahrung sind. Eine hervorragend ausgeglichene Diät, die alle lebensnotwendigen Vitamine, Proteine und Mineralsalze enthält. Schädliche Nebenwirkungen durch Konservierungsstoffe sind ausgeschlossen. Ein Naturprodukt in Naturfarbe. Ein reichliches, aber ausgewogenes Mahl. Nahrhaft, aber ohne Nebenwirkungen wie Dickleibigkeit, Verdauungsstörungen oder Appetitlosigkeit. Das ideale Geschenk für Ihren Freund. Versuchen Sie »Non plus ultra« und Sie werden in seinen Augen den Ausdruck seiner treuen Liebe finden. Machen Sie ihm die Freude, und er wird Ihnen dankbar sein. »Non plus ultra« – Freude und Glück für Ihre vierbeinigen Freunde.

XX

Na also.

AA

Was »na also«?

XX

Na also, sie schreiben doch, es ist gut.

AA

Gut – für Hunde.

XX

Die schreiben nichts von Hunden, sondern von Freunden.

AA

»Vierbeinige Freunde« – das heißt Hunde. Eventuell Katzen.

XX

Das gibt’s nich.

AA

Warum nicht?

XX

Weil es Fleisch is. Fleisch soll für Hunde sein?

AA

Ich sehe darin keinen Widerspruch. Hunde sind Fleischfresser par excellence.

XX

Muß ’n Irrtum sein.

AA

Aber hier steht ganz deutlich: »… Nahrung für Haustiere«… und hier, sieh her, bitte, Veterinärerfahrung … überzeugt dich das nicht?

XX

Zeig mal. Er nimmt die Dose in die Hand und dreht sie nach allen Seiten. AA setzt seine Brille ab und steckt sie in die Morgenrocktasche. Glaub ich dir nicht.

AA

Wer von uns kann denn Fremdsprachen: du oder ich?

XX

Das sagste absichtlich, um mich zu ärgern.

AA

Dann guck es dir doch an, da ist ja auch ein Bild. Ein fröhlicher Hund vor einer aufgehenden Sonne. Der Inbegriff von Wohlstand und Zufriedenheit.

XX

Na und?

AA

Wieso »na und«? Dieser Hund ist fröhlich, weil er gerade den Inhalt dieser Dose gefressen hat. Bildersprache verstehen sogar Analphabeten.

XX

Bild is Bild. Es gibt viele Bilder. Bei uns zu Hause hatten wir auch ’n Bild mit’m Hirsch auf dem Brunftplatz bei Abendröte; der sah zufrieden aus. Na und? Sollte das vielleicht heißen, er hatte Gras gefressen?

AA

Schon möglich.

XX

Nein, ’n Bild allein bedeutet nichts. Das Bild is hier drauf, damit es hübsch aussieht, als Verzierung. Das is eben ein besonders feines Essen. Mit ’nem Bild …

AA

Meinetwegen. Ich kann mir denken, daß du dieses Produkt gekauft hast, weil es billig war. Du hast die billigste Fleischdose im ganzen Geschäft gekauft.

XX

Erstklassige Qualität.

AA

Für Hunde.

XX

Super.

AA

Hunde sind sicher sehr zufrieden.

XX

Und ich – ess das jetzt! Pause.

AA

Hab ich es dir etwa verboten?

XX

Soll ich?

AA

Warum nicht. Wenn es dir bis jetzt noch nicht geschadet hat? Pause. Na, warum ißt du denn nicht …

XX

wirfl die Dose wütend in die Ecke. Er sitzt mißgelaunt da. Pause. Weil ich kein Hund bin.

AA

Nein?

XX

Nein!

AA

Wie du meinst. Pause.

XX

steht auf und hebt die Dose auf Du … du hast gesagt, vielleicht is es auch für Katzen?

AA

Kann sein. Unsere vierbeinigen Lieblinge, das können auch Katzen sein.

XX

Bestimmt?

AA

Bestimmt. Aber was ändert das …

XX

Weil, wenn es für Katzen is, kann ich’s essen, aber wenn es für Hunde is, dann nicht … Was das betrifft, das nich! Bin ich denn ein Hund, daß ich Hundefutter esse!!?

AA

Du hast dir ja gerade selber die Antwort darauf gegeben.

XX

Aber du sollst mir sagen, ob ich ’n Hund bin? He? Bin ich ’n Hund?

AA

Nein, du bist kein Hund. Kein Mensch ist ein Hund. Jedenfalls … sollte er keiner sein.

XX

Siehste! Wenn das für Katzen ist, kann ich’s essen. Katzen sind was anders. Katzen sind keine Hunde. Du, sag doch, dann kann ich vielleicht, oder?

AA

Du könntest, eventuell …

XX

Bestimmt?

AA

Du kannst, du kannst … Schreit plötzlich Außerdem friß doch, was du willst! Was geht mich das an!

XX

Das heißt, ich kann. Er macht sich daran, die Dose mit dem Beil zu öffnen.

AA

Laß das.

XX

Aber du hast doch selber gesagt, ich kann.

AA zieht den Koffer unter seinem Bett hervor. Er schließt auf und nimmt eine Konservendose heraus, stößt den Koffer wieder unter das Bett, aber schließt ihn nicht mehr zu. Er stellt eine Dose vor XX auf den Tisch.

XX

Für Menschen?

AA

Für Menschen,

XX

Na, das is was anders.

XX beginnt, die Dose zu öffnen. Über ihren Köpfen hört man das Trampeln einer angeheiterten Gesellschaft, die die Treppe hinaufgeht. Laute Männerstimmen, das Gelächter von Frauen. AA geht zu einem der senkrechten Rohre und hält sein Ohr daran.

AA

Sie gehen in den ersten Stock. Er geht wieder weg von der Wand. Es gibt nichts Schöneres, als unter einer Treppe zu wohnen. Durch die Rohre kann man alles hören. Jedes leiseste Geräusch, selbst das allerintimste. Abflußrohre, Wasserrohre, Heizungsrohre, Müllschächte, Lüftungsschächte … Ich höre, wann sie Weggehen, wann sie zurückkommen, wann sie sich ins Bett legen und wann sie wieder aufstehen. Ich höre, wenn sie sich berieseln lassen und wenn sie spülen. Wenn sie lüften, sich entleeren und sich vermehren. Ich habe nur noch nicht gehört, wie sie sterben.

XX

hat inzwischen die Dose aufgemacht und beginnt zu essen. Die sind eben gesund.

AA

Manchmal habe ich das Gefühl, wir wohnen in ihrem Bauch. Wie Mikroben. Sieh dir nur die Rohre an, erinnern sie dich nicht an Gedärme? Sehen die nicht wie Gedärme aus?

XX

Rohre sind Rohre.

AA

Und mich erinnern sie an Eingeweide. Wir leben hier wie zwei Bakterien im Innern eines großen Organismus. Zwei Fremdkörper. Parasiten oder noch was Schlimmeres. Vielleicht zwei Krankheitserreger, zwei Bakterien? Trichinen, Tuberkelbazillen, Viren, Gonokokken. Ich – ein Gonokokkus, ich, der ich mich immer für die wertvolle Zelle einer hochentwickelten Gehirnsubstanz gehalten habe. Damals, zu Hause, früher … Für ein edles Neuron, für ein Elementarteilchen, das an der äußersten Grenze der Materie angelangt ist, das nicht nur Materie ist, sondern bereits über der Materie steht … Und jetzt ein Gonokokkus. In irgendwelchen Eingeweiden. Ein Gonokokkus in der Gesellschaft eines Urviechs.

XX

mißtrauisch Redste von mir?

AA

Und zu allem Unglück kann ich Keller nicht ausstehen! Ich hasse sie. Überhaupt alles unter der Erde. Keller gehen mir auf die Nerven. Auf die Seele. Ich brauche Sonne, Luft, Raum. Ich bin ein Kopfmensch, und den Kopf sollte man hoch halten, damit er normal funktionieren kann. Als fortgeschrittenes Glied der Evolution eigne ich mich nicht für Höhlen. Ich habe immer im obersten Stockwerk gewohnt. Ich hatte immer einen weiten Blick aus meinem Fenster. Und hier gibt es noch nicht einmal Fenster.

XX

Is auch besser. Wenn Fenster da sind, zieht’s nur.

AA

Überall Mauern, Mauern, Mauern!

XX

Dafür is es warm, weil’s nich zieht.

AA

Kellermief!

XX

Davon is noch niemand gestorben, aber an der frischen Luft kann man sich erkälten. Mein seliger Vater hat immer im Keller gewohnt und is sehr alt geworden.

AA

Und woran ist er gestorben?

XX

An frischer Luft. Er kam besoffen nach Haus und is aufm Weg erfroren.

AA

Also du kannst es hier aushalten?

XX

Warum nich? Die Bude is in Ordnung. Warm, billig …

AA

Besonders weil ich die Miete zahle. Apropos, gestern habe ich wieder für zwei Monate bezahlt. Für Dezember und November. Und du schuldest mir noch für September und Oktober. Insgesamt für vier Monate.

XX

Hab kein Geld.

AA

Du hast doch gerade erst Zahltag gehabt.

XX

Aber ich hab kein Geld.

Oben klingelt es, lautstarke, stürmische Begrüßung, Stimmengewirr, Türenschlagen.

AA

Ich verstehe nicht, was du mit deinem Geld machst. Du müßtest durchschnittlich wenigstens soviel verdienen wie jeder andere Gastarbeiter in diesem Lande. Aber du verdienst anderthalbmal soviel, weil du zweimal soviel arbeitest. Selbst wenn sie dich ausbeuten, bleibt dir das Geld von den Überstunden. Obendrein bekommst du die Zulage für gesundheitsschädigende Arbeit. Selbst wenn sie dir nur die Hälfte der Zulage auszahlen, sind deine Einnahmen immer noch höher als durchschnittlich, also insgesamt nicht schlecht. Dagegen wohnst du in dem schlimmsten Loch, das überhaupt zu finden ist, und zahlst, da du mit mir zusammen wohnst, nur die Hälfte der sowieso minimalen Miete. Und selbst die zahlst du nicht, denn wenn ich dich daran erinnere, daß ich noch Geld von dir bekomme, sagst du, du hast keins.

XX

Dafür hast du welches.

AA

Was?

XX

Du hast immer Geld.

AA

nach einer Pause; kalt Bist du dir darüber im klaren, was du da eben gesagt hast?

XX

Wieso, haste keins?

AA

Bist du dir darüber im klaren, daß ich auch mal die Geduld verlieren könnte?

XX

Na, wenn du zahlst, heißt das doch, du hast Geld.

AA

Bist du dir darüber im klaren, daß ich bereits die Geduld verloren habe?

XX

beunruhigt Wann?

AA

In diesem Augenblick. Er zieht sich die Hosen an.

XX

hört auf zu essen. Du ziehst dich an? AA zieht den Morgenmantel aus und das Jackett an. Wohin gehst du?

AA

Ich ziehe aus.

XX

erleichtert Ach so … Is ja nich ’s erste Mal.

Beruhigt wendet sich XX wieder seinem Essen zu. AA bindet sich das Halstuch um, steht vor dem Spiegel.

AA

Bis jetzt hast du mir leid getan, aber nun bist du zu weit gegangen. Das ist nicht mehr deine normale Schummelei, sondern eine Unverschämtheit, die schon anormal ist. Das reicht jetzt. Ich wundere mich wirklich, wie ich es so lange mit dir ausgehalten habe. Wie ich deine flegelhaften Manieren, deinen Egoismus, deine Unsauberkeit ertragen konnte … Du gehst mir sogar auf die Nerven, wenn du schläfst! Dein Kohlendioxyd macht mir Kopfschmerzen, bei deiner Schnarcherei kann ich nicht schlafen. Ich hatte Mitleid mit dir, aber jetzt hält mich nicht einmal das, weil ich keins mehr habe. Dagegen habe ich die Nase voll von deiner Gesellschaft. Du stehst mir bis hier! Bis über beide Ohren! Bis dahin! Ich gehe!

XX

Den Schlüssel leg ich unter die Fußmatte.

AA

Hast du was gesagt?

XX

Ich sag, der Schlüssel liegt unter der Fußmatte. Falls du spät zurückkommst …

AA

Ich rede nicht mehr mit dir. Er zieht den Mantel an, bleibt neben XX stehen und wendet sich direkt an ihn, während er sich den Mantel zuknöpft. Du glaubst also, daß ich zurückkomme?

XX antwortet nichts. Er kaut gelassen, ohne AA weiter zu beachten. AA wartet die Antwort nicht ab, zuckt mit den Schultern und geht zur Tür. Er legt eine Hand auf die Klinke.

XX

Schuhe!

AA

Was?

XX

Du hast vergessen, Schuhe anzuziehen. Wirst ja nich in Socken auf die Straße gehn.

AA

Ich kann auf deine Ratschläge verzichten. Er geht zurück, zieht seine Schuhe an, geht wieder zur Tür, legt die Hand auf die Klinke. Pause. Willst du mir gütigst erklären, worauf du deine Annahme stützt, daß ich zurückkomme? …

XX

Koffer.

AA

Wie bitte?

XX

’n Koffer läßte hier.

AA

Na und?

XX

Is doch klar. Wenn man wirklich auszieht, packt man seine Sachen.

AA

Ich bewundere deine Intelligenz. Aber du irrst dich. Ich nehme nichts mit.

XX

Na eben. Also ziehste nich aus.

AA

Soo? Also – ich gehe. Aber ich nehme nichts mit. Ich gehe zwar weg, aber ich nehme nichts mit. Ich nehme nichts mit, obwohl ich weggehe. Obwohl ich weggehe, nehme ich nichts. Ich gehe weg, ohne alles. Ist das jetzt klar?

XX

Und die Wäsche, das Bettzeug, die Anzüge …

AA

… die Bücher, die Manuskripte, die Fotos … Die kannst du behalten …

XX

Die läßte hier?

AA

Du weißt genau, daß dieser ganze Plunder keine Bedeutung für mich hat. Ich kann ohne das auskommen. Ich gehöre bereits der Nach-Konsum-Gesellschaft an, während du gerade bis zu der Phase gediehen bist, in der Glasperlen und Kieselsteine getauscht wurden. Und was meine Papiere betrifft … Na, lassen wir das.

XX

Die läßte hier? Du läßt alles hier?!

AA

Na, vielleicht nicht alles. Irgendeine Kleinigkeit würde ich schon gern als Andenken mitnehmen … Nein, nicht alles. Ich nehme einen Gegenstand mit, nur einen kleinen, wertlosen Gegenstand. Er tut so, als ob er überlege. Warte, was könnte ich denn … Ach ja, ich weiß schon. Er geht zum Bett rechts und nimmt sich das Maskottchen, den Plüschhund Pluto.

XX

Nein!! Er stürzt auf AA zu.

AA

Wieso denn nicht? Dieses unschuldige Maskottchen wird mich an die Zeit erinnern, die wir miteinander verbracht haben. Es wird mein Heimweh lindern …

XX

Gib her!!

AA

Du bist ungerecht. Ich lasse dir all mein Hab und Gut hier und will dafür nur dieses kleine Andenken, und du …

XX

Gib das her!

AA

Komm, mein Hundchen, wir gehen, wir gehen weg, Herrchen ist böse. Herrchen ist gemein, Herrchen mag uns nicht!

XX

Gibste das jetzt her!

AA

Komm, mein Hundchen, wir lassen Herrchen einfach hier. Und wir gehen weit weg, ganz weit, weit weg von hier …

XX versucht, ihm das Maskottchen zu entreißen, aber AA entwischt ihm und flieht hinter den Tisch. Verfolgungsjagd um den Tisch.

AA

Wau, Wau! Sieh mal, wie wütend Herrchen ist! Wau-Wau! Wau, Wau! Er imitiert das Bellen eines Hundes. Die Jagd geht weiter. Laß dich nicht kriegen! Nicht kriegen lassen!

In dem Moment, als XX sich auf der linken Seite des Tisches befindet und AA auf der rechten, springt XX auf den Tisch und packt AA an der Kehle. Aber er hat nur das Halstuch in der Hand. AA flieht seitwärts, stolpert aber über den Stuhl und fällt mit dem Stuhl um. XX wirft sich auf ihn. AA streckt die Hand, in der er den Hund Pluto hält, hoch über seinen Kopf. XX versucht, den Hund Pluto zu erreichen. AA nimmt den Hund in die andere Hand und wirft ihn weit weg. Beide springen auf und laufen auf das Maskottchen zu, wie zwei Rugbyspieler dem Ball nachrennen. Sie stoßen über dem Hund Pluto hart zusammen. In diesem Augenblick beginnt aus dem Wasserhahn, der offen geblieben war, das Wasser zu laufen.

AA

Wasser!!

AA läßt seinen Partner stehen, der gierig den Hund Pluto an seine Brust drückt, geht zum Ausguß und dreht den Hahn zu.

AA

Endlich! Jetzt kann ich mir einen anständigen Tee machen.

AA nimmt den Teekessel vom Tisch, füllt ihn am Wasserhahn voll Wasser und geht hinter den Wandschirm. XX läßt ihn nicht aus den Augen. Er kniet immer noch in Verteidigungsstellung und drückt den Hund Pluto fest an sich. AA kommt hinter dem Wandschirm hervor.

AA

Was machst du denn da noch … Betest du, oder was? Er zieht den Mantel aus und hängt ihn an einen Nagel. Na, ist schon gut! Schluß. Steh endlich auf!

XX

Bleibste?

AA

Nur wegen des Tees. Wo kann man einen guten Tee trinken, wenn nicht zu Hause. Ach, zu Hause. Zu Hause …

XX erhebt sich von den Knien und versteckt den Hund Pluto unter seinem Kopfkissen auf dem Bett rechts. Er setzt sich aufs Bett. AA hebt das Halstuch vom Boden auf und hängt es über die Stuhllehne des linken Stuhls. Er trägt den umgestoßenen Stuhl auf die rechte Seite.

XX

Ich geb sie dir, sobald ich sie habe.

AA

Du meinst die Miete?

XX

Ehrenwort.

AA

Kleinigkeit. Darüber brauchen wir nicht zu reden.

XX

Nächsten Monat.

AA

Es brennt nicht.

XX

In ’ner Woche.

AA

Mach dir keine Sorgen, ich bitte dich.

XX

Oder übermorgen.

AA

Oh!

XX

Willste sie übermorgen? … Oder morgen … Willste sie morgen?

AA

Ich sag dir doch, es ist wirklich nicht so wichtig. Unter Freunden …

XX