Faking Christmas 2 - Daniela Felbermayr - E-Book
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Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Brooke Kensington hat den fiesesten, gemeinsten, hinterhältigsten, aber leider auch den heißesten Chef von ganz Manhattan. Sein neuester Coup: er streicht Brookes heißersehnten Familien-Weihnachtsurlaub und zwingt sie, mit ihm auf Geschäftsreise zu gehen. Als Brooke dann aber nicht wie erwartet, als seine Assistentin bei einer Dienstreise gebraucht wird, sondern Stephen sie seiner Familie als seine neue Verlobte vorstellt, fällt sie aus allen Wolken. Stephen Aimes liebt die Frauen und die Frauen lieben Stephen Aimes. Dummerweise ist sein Damengeschmack aber so gar nicht geeignet dazu, die Anteile seines Großvaters am Familienimperium überschrieben zu bekommen, sodass er kurzum seine Assistentin Brooke zum Familienweihnachtsfest nach Dallas mitnimmt und sie als seine neue Verlobte präsentiert. Brooke ist alles, was Stephen nicht will. Sie hat Werte und Moral, ist intelligent und smart. Und sie ist nicht leicht zu haben. Also macht er sich einen Spaß daraus, ihr dieses Weihnachtsfest zu ihrem ganz persönlichen Albtraum werden zu lassen. Bis plötzlich die Fassade auf beiden Seiten zu bröckeln beginnt, sodass nicht nur an Wunderkerzen die Funken sprühen … und Brooke und Stephen erkennen, dass sie sich ähnlicher sind, als sie zunächst angenommen haben.

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Copyright © 2020 Daniela Felbermayr

1. Auflage, 2020

Text & Titel: Daniela Felbermayr

Cover: www.rausch-gold.comCatrin Sommer,

unter der Verwendung von Shutterstock

Korrektorat: S.W. Korrekturen e.U.

All rights reserved.

www.danielafelbermayr.com

[email protected]

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen aus diesem Roman sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit oder Bezüge zu real existieren Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch vorkommen, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Besitzer.

 

 

EINS

 

 

 

Die Weihnachtszeit war einmal mehr über New York und die Welt hereingebrochen, und wie immer zu dieser Zeit hatte diese ganz besondere Stimmung von den Menschen Besitz ergriffen, wie es sie nur in den Wochen rund um den Heiligen Abend gab. Die Menschen wirkten allesamt etwas bedachter. Gingen liebevoller miteinander um und dieser ganz besondere Glanz, dass etwas Besonderes bevorstand, zeichnete sich in ihren Augen ab.

 

Brooke Kensington liebte die Vorweihnachtszeit schon, seit sie denken konnte. Bereits als kleines Kind hatte sie dem Heiligen Abend entgegengefiebert wie kein anderer, die Tage gezählt, bis es endlich so weit war, und nicht selten bereits an regnerischen Nachmittagen im September damit begonnen, ihren Wunschzettel an den Weihnachtsmann zu schreiben. Jetzt, mit vierunddreißig, war es nicht anders. Brooke war der absolute Weihnachtsjunkie und eine der ersten, die ihr Appartement dekorierte, Geschenklisten aufstellte und sich Gedanken über das Weihnachtsmenü machte, das sie in diesem Jahr servieren würde. Auch bei der Arbeit, wo sie als Assistentin des Verkaufsleiters für einen Ölkonzern arbeitete, war sie diejenige, die den gesamten Bürokomplex in ein kleines Weihnachtswunderland verwandelte. Sie organisierte das Wichtelspiel unter den Mitarbeitern, backte Kekse für die einzelnen Abteilungen und opferte sogar ihr Wochenende dafür, den großen Weihnachtsbaum in der Empfangshalle zu schmücken. Sie liebte Weihnachten von Grund auf, und je näher der Heilige Abend rückte, umso mehr lief sie zur Hochform auf. Traditionell würde das Weihnachtsfest in diesem Jahr bei Brookes Eltern in Connecticut stattfinden, wo die ganze Familie bereits in der Woche vor dem Heiligen Abend zusammenkam und sich auf das Fest einstimmte. Brooke würde gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Lisa ein fünfgängiges Weihnachtsmenü zubereiten, den Heiligen Abend mit gutem Essen, gutem Wein und guten Gesprächen verbringen und den ersten Weihnachtstag im Kreise ihrer Lieben verbringen. Es würde einfach großartig werden. Schon im Juli hatte sie deshalb ihren Urlaub eingereicht, und ihr Chef, Dave Carroll, hatte ihn ihr, wie jedes Jahr, genehmigt. Augenzwinkernd hatte er gemeint, dass er den Urlaubsantrag allerdings nur bewilligen könne, wenn Brooke ihm wie jedes Jahr eine Ladung ihrer selbst gebackenen Kekse mitbrachte, was sie liebend gern bestätigte.

 

Brooke war heilfroh, dass sie seinerzeit, als sie bei Aimes Incorporated eingestellt worden war, dem Verkaufsleiter Dave Carroll und nicht dem CEO, Stephen Aimes, zugeteilt worden war, der zur selben Zeit ebenfalls eine Assistentin für sich gesucht hatte. Eigentlich hatte sie sich als Assistentin des CEO beworben, doch sie war über das erste Gespräch bei Stephen Aimes nicht hinausgekommen, der sie von oben herab und wie den letzten Dreck behandelt hatte. Nachdem sie aus dem Vorstellungsgespräch damals gekommen war, war sie sicher gewesen, nie wieder von Aimes Incorporated zu hören. Umso überraschter war sie dann jedoch, als man ihr drei Tage später die Stelle als Assistentin des Verkaufsleiters David Carroll anbot, für die sie sich eigentlich gar nicht beworben hatte. Im Laufe der Zeit hatte es zahlreiche Gelegenheiten gegeben, bei denen sie ein Stoßgebet gen Himmel geschickt hatte und dankbar dafür war, dass Stephen Aimes sich nicht für sie, sondern für Melissa entschieden hatte. Sie und Melissa Davis hatten am selben Tag ihren Dienst bei Aimes Incorporated begonnen, doch Melissa hatte als Stephens Assistentin vom ersten Tag an schwer zu kämpfen. Ihr Boss war zwar so ziemlich der heißeste Typ, der auf diesem Planeten herumlief, und Brooke würde lügen, hätte sie behauptet, ihm niemals einen schmachtenden Blick hinterhergeworfen zu haben, wenn er es nicht bemerkte, aber gleichzeitig war Stephen Aimes auch der größte Mistkerl aller Zeiten. Er piesackte Melissa, wo es nur ging, brummte ihr Überstunden auf und genehmigte ihre freien Tage nur höchst selten und unter ewig langen Vorhaltungen, dass sie die Firma „hängen ließ“, wenn sie einmal einen Tag frei brauchte. Sie musste an den Wochenenden arbeiten, und für Stephen war es völlig selbstverständlich, seine Assistentin auch am Abend oder an Feiertagen ins Büro zu beordern, nur um sie mit völlig lächerlichen Aufgaben zu bedenken, die er allein ebenfalls hätte bewerkstelligen können. Zu allem Überfluss musste sie sich auch noch mit seinen zahlreichen Freundinnen und Affären herumschlagen, die sich praktisch die Tür in die Hand gaben. Stephen Aimes war das, was Brookes Großmutter – Gott hab sie selig – schlichtweg als „Hurenbock“ bezeichnet hätte. Es gab Wochen, da hatte er alle zwei Tage eine andere Frau an seiner Seite, und all diese Frauen waren vom selben Schlag. Blutjunge, strohdumme, naive Mädchen, die nichts weiter zu bieten hatten als ihren künstlichen Körper und ihr stark überschminktes Gesicht. Wenn Stephen hin und wieder eine dieser Frauen ins Büro mitnahm und Brooke eine Unterhaltung mitbekam, fragte sie sich tatsächlich, ob Stephen ein Chromosom fehlte, dass er derart schräge Frauen gut fand. Natürlich waren all diese Frauen nett anzusehen. Aber wenn eine völlig verzückt vor dem Wasserspender stand und rief, dass das eine tolle Erfindung sei, weil man nun keine Wasserleitung mehr brauchte, dann war das schon ziemlich … seltsam. Wenn Stephen wieder einmal eine abserviert hatte, musste Melissa ihr beibringen, dass es vorbei war. Wenn er einer überdrüssig war, musste sie ihr erklären, dass sie sich besser nach einem anderen Mann umsah. Und obwohl Melissa sich auch für Stephens Privatleben ein Bein ausriss, um alles unter einen Hut zu bekommen, gab es niemals auch nur ein einziges Wort des Dankes für sie. Ganz im Gegenteil. Er mäkelte an ihr herum und hatte ständig etwas auszusetzen. Niemals machte sie auch nur irgendetwas richtig. Stephen Aimes war ein richtiges Ekel, ein Mistkerl, jemand, mit dem einfach nicht gut Kirschen essen war. Und den man erst recht nicht als Boss haben wollte.

 

An diesem Morgen hatte er Melissa einmal mehr zu sich ins Büro zitiert, und durch die geschlossene Tür konnte man dumpf hören, wie Stephen, der ganz augenscheinlich wieder einmal einen ziemlich üblen Tag hatte, herumschimpfte. Brooke öffnete eine ihrer Schreibtischschubladen und holte einen Teller selbst gebackener Schoko-Zimtkugeln heraus. Melissa würde Beruhigung in Form von Zucker gut gebrauchen können, wenn Stephen sie aus seinen Fängen entließ. Hoffentlich verzog er sich den restlichen Tag über zu einem Termin, denn so, wie er Melissa gerade bearbeitete, würde sie ihre Zeit brauchen, um sich zu erholen. Wenn sie beide also Glück hatten, verließ er das Büro gegen Mittag und sie konnten den Nachmittag über eine ruhige Kugel schieben.

 

Gerade als Brooke sich wieder auf die Mail konzentrieren wollte, an der sie eben noch geschrieben hatte, hörte sie, wie etwas auf den Boden geworfen wurde und zersprang. Sie blickte auf. Hatte Stephen etwas nach Melissa geschmissen? Nein. Das würde selbst einer wie er nicht wagen. Oder etwa doch? Brooke hätte die Hand nicht für ihn ins Feuer gelegt und konnte sich gut vorstellen, dass Stephen in seinem unermesslichen Jähzorn die Kontrolle vollends verlor. Im nächsten Moment wurde die Tür zu seinem Büro aufgerissen und Melissa stürmte heraus. Mit feuchten Augen, hochrotem Kopf und mit einer Miene auf dem Gesicht, die Brooke nicht deuten konnte. Melissa eilte auf ihren Schreibtisch zu, zog ihre Handtasche darunter hervor und begann, ihre persönlichen Dinge in einen Karton zu stellen.

„Mel … ist … ist alles in Ordnung?“, fragte Brooke. Ihr schwante Böses. „Was tust du da?“

„Es tut mir so leid, Brooke“, sagte Melissa mit Tränen in den Augen. „So, so leid.“ Dann nahm sie ihren Karton und die Handtasche und verschwand ohne ein weiteres Wort aus dem Büro. Brooke sah ihr nach. Die ganze Aktion hatte gerade einmal dreißig Sekunden gedauert.

 

Durch den Lärm war David Carroll aufmerksam geworden, der in just dem Moment seinen Kopf aus dem Büro steckte, als auch Stephen aus seinem herausgepoltert kam.

„Großer Gott, was war denn da eben los?“, fragte David.

„Diese … dumme Kuh hat ihren Job hingeschmissen“, rief Stephen aufgebracht. „Ich wusste von Anfang an, dass sie die Falsche für die Stelle war, aber Heather von der Personalabteilung meinte, sie wäre perfekt. All die Jahre musste ich ihre Fehler schlucken und hatte mehr Umstände mit ihr, als dass sie mir genutzt hätte. Ich habe in den letzten drei Jahren praktisch ihren Job mitgemacht.“ Brooke riss die Augen auf. Melissa hatte gekündigt? War Stephen nun tatsächlich einen Schritt zu weit gegangen? Und war er so dumm, dass er glaubte, ER habe Melissa den Rücken freihalten müssen? Brooke hatte sich oft gefragt, wie lange sie sich Stephens Schikanen noch gefallen lassen würde. Offenbar hatte er an diesem Tag das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.

„Was? Wieso das denn?“, fragte David und Brooke schüttelte unmerklich den Kopf. Dass es überhaupt eine Assistentin länger als zwei Tage mit Stephen Aimes aushielt, war ein Wunder. Dieser Mann hätte vermutlich sogar einen tibetanischen Mönch so zur Weißglut getrieben, dass er ihn windelweich hätte prügeln wollen.

„Sie hat sich dagegen verweigert, mich auf eine Geschäftsreise nach Chicago zu begleiten. Andere Assistentinnen würden sich einen Arm dafür absägen, solche Geschäftsreisen mitmachen zu dürfen, anstatt ständig nur in ihrem Büro zu hocken. Aber Miss Davis hält sich für etwas Besseres und denkt, Jobs wie der hier wachsen an den Bäumen.“„Tut mir sehr leid, Steve“, sagte David, „aber … ich bin mir sicher, dass du bald eine neue Assistentin hast, es gibt viele gute Leute da draußen. Bis dahin kann Brooke dir ja etwas den Rücken freihalten.“Stephen sah Brooke an. Wenn sie ganz ehrlich war, dann hatte sie ein kleines bisschen Angst vor ihm. Zunächst einmal … war er fast zu schön. Er war groß und sportlich, hatte dunkles, gestyltes Haar und grüne Augen, die einen in ihren Bann zogen, wenn man es wagte, hineinzusehen. Und dann … strahlte er etwas aus, was sie auf der einen Seite unglaublich anzog, ihr auf der anderen aber unsagbaren Respekt einflößte. In der Nähe von Stephen Aimes fühlte Brooke sich klein und wertlos und nichtig und nicht gut genug. Die Frauen, die er für gewöhnlich datete, wirkten alle unglaublich makellos und perfekt. Sie konnte sich nicht vorstellen, was diese Frauen für einen Aufwand trieben, um so perfekt anzumuten, wie sie es taten. Und hin und wieder dachte sie darüber nach, wie unfair die Welt eigentlich war, dass es Frauen gab, die so mit Schönheit gesegnet waren. Doch jetzt, wo Stephen wie ein aufgebrachter Tiger im Büro auf und ab lief, war nichts von seiner sexy Ausstrahlung übrig. Er wirkte böse und gefährlich. Einmal mehr dankte sie der Personalleiterin, dass sie seinerzeit David Carroll zugewiesen worden war, einem Mittfünfziger mit Übergewicht und Geheimratsecken, der seit über dreißig Jahren glücklich verheiratet war und ungefähr so viel Sexappeal besaß wie ein Backstein.

 

„Okay, Sie werden mich begleiten“, sagte Stephen plötzlich und Brooke blieb die Luft weg. Hilflos blickte sie zu David, der mit Sicherheit gemeint hatte, dass sie ein paar von Steves Mails beantworten und seine Telefongespräche entgegennehmen konnte. Aber doch nicht, dass sie ihn auf eine mehrtägige Geschäftsreise begleiten sollte, noch dazu, wo sie überhaupt keine Ahnung von den Projekten hatte, mit denen Melissa sich beschäftigte. Es war immer Stephens absolutes Credo gewesen, dass es für seine Assistentin keine Vertretung geben durfte. Sie hatte sogar eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen müssen, dass sie mit niemandem – noch nicht einmal mit Kollegen oder Abteilungsleitern – über die Dinge sprach, die Stephen ihr anvertraute. Jetzt hatte er den Salat. Er konnte doch nicht wirklich erwarten, dass Brooke Melissas Aufgaben nahtlos übernahm, wenn sie doch gar nicht wusste, was genau Melissas Aufgaben waren. Erst recht nicht in der Vorweihnachtszeit, wo sie ohnehin noch eine Million Dinge zu tun hatte.

„Ich … Mr. Aimes, es tut mir sehr leid, aber ich … kann jetzt kurzfristig wirklich nicht für einige Tage wegfahren, weil …“ Sie stockte. Sie hatte keinen Grund, warum sie nicht wegfahren konnte. Sie war Single, hatte keine Kinder und lebte ganz allein in einem Häuschen in Queens. Es gab niemanden, um den sie sich kümmern oder für den sie sorgen musste. Wer, wenn nicht sie, war bestens dazu geeignet, spontan auf Geschäftsreise zu gehen? Wenn sie ehrlich mit sich war, hatte sie schlichtweg keine Lust … und viel zu große Angst vor Stephen. Der sah sie an. Ein breites Grinsen, das alles andere als nett wirkte, zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Stephen wirkte wie eine Schlange, die sich gleich auf ihr Opfer stürzte.

„Sie sind die Weihnachtsprinzessin, richtig?“

Brooke sah ihn an. „Wie bitte?“

„Sie sind die, die so weihnachtsverrückt ist. Sie schmücken hier alles, backen Kekse für die Mitarbeiter und organisieren das Wichtelspiel. Sie kommen am Wochenende in die Firma, um den Weihnachtsbaum zu schmücken. Das sind doch Sie, oder?“

Brooke lief rot an. „Ähm … ja, das bin ich.“„Dann habe ich eine gute Nachricht für Sie, Weihnachtsprinzessin“, fuhr Stephen fort. „Sie haben noch fast die ganze Vorweihnachtszeit, um sich vorzubereiten. Wir fahren nächsten Sonntag und bleiben eine Woche.“

Für den Bruchteil einer Sekunde fiel Brooke ein Stein vom Herzen, ehe ihr bewusst wurde, was Stephen ihr soeben mitgeteilt hatte … Sonntag war der 18. Wenn sie eine ganze Woche wegblieben, dann würde sie nicht nur die letzte Vorweihnachtswoche nicht zu Hause verbringen können, sie würde … über die Feiertage weg sein.

„Und jetzt rufen Sie in der IT an. Die sollen Ihnen sämtliche Zugänge von Miss Davis geben. Ab sofort sind Sie für meine Agenden zuständig. Der gute alte Dave schiebt hier ja eine ruhige Kugel, und wenn Sie Zeit finden, das Büro zu schmücken und die Weihnachtsparty vorzubereiten, können Sie arbeitstechnisch ohnehin nicht sehr ausgelastet sein. Sobald die IT verständigt ist, kommen Sie in mein Büro, ich habe einige Briefe zu diktieren. Und ich will noch einen Kaffee.“ Mit diesen Worten verschwand Stephen in seinem Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Brooke war wie paralysiert. Sie hatte in den vergangenen drei Jahren nicht viel mit Stephen Aimes zu tun gehabt. Noch nicht einmal, wenn Melissa in den Ferien war, hatte sie sie vertreten müssen, denn in diesem Fall hatte die Personalabteilung eine eigens für ihn bereitgestellte Assistentin geschickt, die immer in genau jenen überaus seltenen Fällen einsprang, wenn Melissa verhindert war. Eine Assistentin, die offenbar nur dafür abgestellt war, ein paar Tage im Jahr für Stephen Aimes zu arbeiten.

„Tut mir wirklich leid, Brooke“, sagte David kleinlaut. „Als ich ihm vorgeschlagen hatte, dass du ihn in der Zwischenzeit etwas unterstützt, bin ich davon ausgegangen, dass du seine Termine machst und seine Anrufe entgegennimmst.“„Das weiß ich doch, Dave“, sagte Brooke. Sie hatte keine Ahnung, wie sie aus dieser Bredouille wieder herauskommen sollte. Dass Stephen Aimes keine Widerrede duldete, wusste sie. Aber sie konnte doch nicht einfach so Weihnachten ausfallen lassen. Die ganze Familie freute sich auf die Zusammenkunft. Es war immerhin Weihnachten und nicht irgendein Wochenende mitten im Jahr. Gleichzeitig war ihr bewusst, dass sie ihren Job nicht nur aufs Spiel setzte, wenn sie jetzt wagte, Stephen zu widersprechen, sondern dass sie ihn mit Sicherheit an den Nagel hängen konnte. Sie musste ja schon froh sein, dass er sie nicht hochkant gefeuert hatte, weil sie es gewagt hatte, zu widersprechen, als er sie zu der Geschäftsreise verdonnert hatte.

 

Das Telefon auf ihrem Tisch klingelte. Stephen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus, als sie den Hörer abnahm und ihn zum Ohr führte. „Ja bitte?“, fragte sie und erschrak, als sie hörte, wie zaghaft sie klang.

„Sind Sie da draußen eingeschlafen, oder was? Wie lange muss ich noch auf meinen Kaffee warten? Oder wollen Sie erst nach Kolumbien reisen und die Bohnen dafür selber pflücken?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, knallte er den Hörer auf.

 

Wenige Augenblicke später öffnete sie Stephens Bürotür und trat ein. Sie war erst ganz wenige Male in seinem Büro gewesen, obwohl sie schon seit drei Jahren hier arbeitete, und hatte meist nur einen kurzen Blick von außen darauf erhaschen können. Es war ein großer Raum mit bodentiefen Fensterfronten, von denen aus man über die ganze Stadt blicken konnte. Das Büro war geschmackvoll und in gedämpften, dunklen Farben eingerichtet. Es war clean und aufgeräumt, und man fühlte sich wie in einer anderen Welt, wenn man von dem Winterwunderland da draußen hier eintrat. Brooke wunderte sich, dass Stephen sich noch nie darüber beschwert hatte, dass draußen alles so … menschlich … aussah. Aber vermutlich war er ohnehin immer nur mit sich selbst beschäftigt, wenn er durchs Vorzimmer ging, sodass ihm all die Deko gar nicht auffiel. Völlig automatisch stellte sie sich einen großen, geschmückten Baum in der Ecke vor, mit Geschenken darunter, Tannengirlanden vor den Fenstern und weihnachtlichen Ornamenten überall im Raum. Dann schüttelte sie den Kopf. Mr. Aimes würde sie für völlig verrückt halten, wenn sie ihm vorschlug, sein Büro zu dekorieren. Brooke warf einen Blick auf die Kaffeetasse in ihrer Hand. Das Herz sank ihr in die Hose. In alter Gewohnheit hatte sie genau den Kaffee gemacht, den sie für David immer machte, wenn Weihnachten bevorstand. Sie hatte einen der großen Weihnachtsbecher aus dem Küchenschrank genommen, ihn mit Kaffee gefüllt, etwas Vanillezucker hinzugegeben und eine Zimtstange hineingesteckt. Dave liebte diesen Kaffee und schmunzelte immer, dass er seiner Frau nichts davon erzählen durfte, weil die ihn auf strengste Zuckerdiät gesetzt hatte. Dave war schon auf strenger Zuckerdiät, seit Brooke bei ihm als Assistentin angefangen hatte, was ihn nicht davon abhielt, sich all jene Dinge zu gönnen, die bei einer Zuckerdiät verboten waren. Stephen würde sie für völlig verrückt halten, wenn sie ihm diesen Kaffee jetzt vor die Nase setzte. Sie fragte sich, ob er sie noch nicht bemerkt hatte, so konzentriert, wie er vor seinem Rechner saß, und ob sie noch Zeit hatte, umzudrehen, aus dem Büro zu huschen und ihm schwarzen Espresso in diesen unendlich edlen Steingut-Tassen zu bringen, so wie er ihn gerne trank. Doch er hatte schon aufgeblickt und sah die Tasse in ihren Händen an. Sie war so quietschend bunt, dass sie selbst einem Blinden mit dem Krückstock aufgefallen wäre. Die Tasse hatte die Form einer Weihnachtsszene, mit reliefartigem Weihnachtsbaum, einem dicken, rotbäckigen Weihnachtsmann, Rentieren und Geschenken.

„Was soll das, Miss Kensington?“, fragte er in scharfem Ton. „Finden Sie das etwa witzig?“

„Ich … Es tut mir leid, Sie trinken Ihren Kaffee schwarz, richtig?“, versuchte sie, professionell zu bleiben, obwohl ihr zum Heulen war. Sie spürte, wie sie rot anlief und zu zittern begann. Wäre sie an diesem Morgen doch bloß im Bett geblieben und hätte sich krankgemeldet. Manchmal gab es wirklich Tage, an denen es das Beste war, einfach liegen zu bleiben. Stephen stand auf, kam um seinen Tisch herum und so dicht vor ihr zu stehen, dass sie die Wärme fühlen konnte, die von ihm ausging. Und den betörenden Duft, den er verströmte. Irrwitzigerweise rechnete sie fast damit, dass er ihr eine Ohrfeige gab dafür, dass sie ihm den falschen Kaffee gebracht hatte. Natürlich war das völliger Blödsinn, aber Stephen Aimes war ein Mann, bei dem man schon mal auf solche Gedanken kommen konnte. Obwohl es die denkbar unpassendste Situation war, die sie sich vorstellen konnte, überkamen sie Gedanken, die man seinem neuen Boss gegenüber nicht haben sollte. Schon gar nicht, wenn es sich dabei um Stephen Aimes handelte. Er nahm ihr die Tasse aus der Hand, kippte sie und goss den Inhalt auf den dunkelgrauen Fliesenboden. Dann drückte er ihr die Tasse wieder in die Hand.

„Wischen Sie das auf“, sagte er in scharfem Ton, ehe er sich wieder an seinen Tisch setzte. Brooke war wie paralysiert. Das hier … war doch nicht gerade wirklich passiert, oder? Wenn sie diesen Job nicht so dringend gebraucht hätte, dann hätte sie diesem selbstverliebten Mistkerl da vorn die Tasse an den Kopf geknallt und ihm gesagt, dass er dies als ihre Kündigung betrachten konnte. Doch sie durfte ihren Job nicht verlieren. Sie wusste, wie schwer Jobs in New York zu bekommen waren, erst recht um die Weihnachtszeit. Und dann noch mit der Bezahlung, die Aimes Incorporated ihr bot, samt Krankenversicherung, Sonderzahlungen und Weihnachtsbonus. Und … für Dave zu arbeiten war ja toll. Er war der netteste Chef, den man sich vorstellen konnte. Sie musste durchhalten. Und wer wusste schon, was morgen war? Vielleicht wurde Stephen ja auch bewusst, dass sie eigentlich Davids Assistentin war, der ebenfalls Unterstützung brauchte. Und dass er sie ohnehin von Grund auf hasste und bestimmt nicht wollte, dass sie seine Assistentin spielte. Vielleicht beauftragte er die Personalabteilung ja noch, ihm einen Ersatz für Melissa zu besorgen, sodass die ganze Geschichte gar nicht so heiß gegessen wurde, wie sie gekocht worden war. Ja. Es war immerhin Weihnachten. Da passierte alles aus einem bestimmten Grund und alles wendete sich zum Guten. Erst recht bei jemandem wie Brooke, die Weihnachten förmlich zelebrierte. Bei diesem Gedanken fühlte sie sich etwas besser. Sie straffte ihre Schultern und es gelang ihr sogar ein kleines Lächeln. Bevor sie Stephens Büro verließ, vernahm sie noch einmal seine sonore Stimme.

„Miss Kensington?“

Brooke drehte sich um. „Ja bitte?“

„Betrachten Sie das mit dem Kaffee als Ihre erste Verwarnung. Wenn Sie noch einmal etwas verbocken, fliegen Sie raus, ist das klar?“

 

ZWEI

 

„Wie konntest du mir das nur antun?“, fragte Brooke am nächsten Abend, als sie mit Melissa im „57“, einer Bar in Uptown, saß. Aus den Lautsprechern der Musikanlage kam Weihnachtsmusik, sie teilten sich mit Käse überbackene Nachos und Brooke war bereits bei ihrer zweiten Margaritha.

„Es tut mir wirklich so leid für dich, Brooke“, sagte Melissa. „Aber … einmal ist es dann auch gut. Stephen hat mit dieser völlig überstürzten Reise über Weihnachten das Fass einfach zum Überlaufen gebracht. Seine ewigen unterschwelligen Beleidigungen. Und dann dieser Geschäftstrip. Ich meine … über Weihnachten. Ich habe ja nicht damit gerechnet, dass er dich dann dazu verpflichtet, ihn zu begleiten. Ich wollte einmal am längeren Ast sitzen. Es tut mir so leid.“

„Damit habe ich auch nicht gerechnet. Und hör auf, dich ständig zu entschuldigen, du kannst ja nichts dafür, dass Stephen Aimes ein Arsch ist. Dave meinte, ich könnte in der Zeit, in der er eine neue Assistentin sucht, seine Mails abrufen und seine Telefonate entgegennehmen. Ich glaube ja, er macht das alles aus Bosheit. Keine Ahnung, wieso dieser Mensch so abgrundtief gehässig und gemein ist.“

„Soll ich ihn anrufen und fragen, ob ich meinen Job wiederhaben kann? Damit du vom Haken bist?“, fragte Melissa. Brooke riss die Augen auf. „Auf gar keinen Fall. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dich einiges an Überwindung gekostet hat, diesen Schritt zu tun. Wenn du ihn jetzt bittest, dich erneut einzustellen, würdest du dich ihm völlig ausliefern. Ich werde das schon irgendwie durchziehen. Ich meine, für mich ist es so etwas wie ein GAU dass ich die Feiertage nicht mit meiner Familie verbringen kann, aber … ich kann es mir nicht leisten, den Job zu verlieren. Und vielleicht geschieht ja noch ein Wunder. Vielleicht stellt er eine andere Assistentin ein. Oder … er lässt mich ein, zwei Tage eher zurückfahren, wenn die Meetings in Chicago gut laufen?“

Melissa sah Brooke mitleidig an. Sie wusste, dass eher die Hölle zufrieren würde, als dass Stephen Aimes seine Assistentin verfrüht von einer Geschäftsreise zurückschicken würde. Erst recht, wenn er wusste, dass sie darauf aus war und er ihr damit einen Gefallen tun würde.

„Ich weiß, dass das wohl eher ein Wunschtraum bleibt“, sagte Brooke, die Melissas Gesichtsausdruck absolut richtig interpretierte. „Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.“

„Weißt du was? Als kleine Entschädigung lade ich dich auf einen Eggnogg ein“, sagte Melissa und wollte aufstehen, um die Drinks an der Bar zu ordern, als ihr Handy, das mit dem Display nach oben auf dem Tisch lag, zu vibrieren begann. „Oh. Das ist meine Mum, da muss ich rangehen“, sagte sie und hob ihr Telefon ans Ohr. Brooke bedeutete ihr, dass sie die Drinks holen ging, und machte sich auf an die Bar.

 

Das 57 war gut besucht an jenem Abend, und Brooke musste sich an der Bar anstellen, ehe sie die beiden Eggnoggs bestellen konnte. Vor ihr stand ein Teller mit Weihnachtskeksen, von denen sie sich einen griff und ihn verspeiste. Sie dachte daran, dass ihre Mutter ihr immer davon abgeraten hatte, Kekse und Nüsse zu essen, die zur freien Entnahme an der Bar standen, weil viele Gäste es mit der Hygiene nicht so genau nahmen, aber der Zucker, den die Kekse enthielten, war jetzt genau das Richtige für sie. Und wenn sie Glück hatte, bekam sie vielleicht eine Vergiftung und Stephen konnte seine blöde Geschäftsreise allein antreten.

„Hey, Brooke, was kann ich dir Gutes tun?“, fragte Abby, die Kellnerin, die schon im 57 arbeitete, seit Brooke das erste Mal hier hereingeschneit war.

„Zwei Eggnogg bitte“, bestellte sie und sah der Kellnerin dabei zu, wie sie aus einem Eisschrank einen großen Krug holte, die Plastikabdeckung abnahm und zwei große Becher – ebenfalls mit Weihnachtsmotiv, genau wie jene, die Brooke am Vortag ihrem Boss unterjubeln wollte – voll goss. Dann öffnete sie einen Glasbehälter mit Zimtstangen und einen mit bunten Zuckerstangen und ließ jeweils eine in die Becher gleiten. Abby stellte die beiden Becher auf ein Tablett, nachdem sie Zimt über die Sahnehaube gestreut hatte, und reichte es Brooke. „Was ist denn mit dir los? Üblicherweise bekommst du doch zwischen Thanksgiving und Neujahr dein Weihnachtslächeln nicht aus dem Gesicht.“

„Stress im Büro“, sagte Brooke und verzog das Gesicht. Wenn sie Pech hatte, versaute Stephen Aimes ihr das Weihnachtsfest. Das war in etwa die schlimmste Sache, die ihr überhaupt passieren konnte.

„Willst du drüber reden?“, fragte Abby. Brooke drehte sich um. Melissa war immer noch am Telefonieren.

„Ach, es ist kein Weltuntergang. Meine Kollegin hat ihren Job geschmissen und jetzt muss ich für sie einspringen. Was an sich kein großes Drama wäre, wenn mein neuer Boss nur nicht der größte Mistkerl unter der Sonne wäre. So wie es aussieht, zwingt er mich, ihn die Feiertage über auf eine Geschäftsreise zu begleiten. Das heißt, während die ganze Welt Weihnachten feiert, kann ich mit dem Grinch höchstpersönlich und seinem Gefolge in irgendwelchen Konferenzräumen hocken und langweilige Protokolle führen oder Kopien machen, nur weil Mr. Oberwichtig sich zu gut dafür ist, das selbst zu tun. Ich meine, wir leben im Jahr 2020. Heutzutage werden Protokolle diktiert und Kopien online verschickt. Weihnachten wird dieses Jahr dank Stephen Aimes, dieses armseligen Sklaventreibers, der vermutlich nur seine zu kurz geratene Männlichkeit damit kompensieren muss, dass er so ein Ekel ist, an mir vorübergehen. Dabei hatte ich schon alles so schön durchgeplant. Ich hasse diesen Typen. Ich hasse ihn wirklich.“ Brooke redete sich förmlich in Rage und zwang sich, sich wieder zu beruhigen.

„Tut mir echt leid für dich, Brooke“, sagte Abby und legte einige Weihnachtskekse auf einen Teller. „Die werden dir dein Weihnachtsfest zwar nicht unbedingt zurückbringen, aber vielleicht bessern sie ja deine Laune.“

Im nächsten Moment wurde Brooke rüde zur Seite gedrängt. Eine aufgebretzelte Tussi mit Haar-Extensions, angeklebten Wimpern, einem Atombusen, den sie durch einen Riesen-Ausschnitt ziemlich plakativ in Szene setzte, und einer Taille, die ungefähr so schmal war wie der Umfang von Brookes Oberschenkel, drängte sich mit erstaunlicher Kraft neben sie. Ihre Aufmerksamkeit galt einem Mann in Anzug, der die ganze Zeit über schon mit dem Rücken zu ihr gestanden und an einem Drink genippt hatte.

„Ich bin zurück, Boo. Können wir jetzt weiter in den Club?“

Der Mann drehte sich zu der Plastikbarbie um und Brookes Blut gefror in ihren Adern. Das hier … war Stephen Aimes. Ihr Herz sank in die Hose. Sie hatte die vergangenen fünf Minuten nicht nur damit zugebracht, sich über ihren Chef zu beklagen, sie hatte sogar noch seine Männlichkeit ins Lächerliche gezogen und ihn mit so ziemlich jedem Schimpfwort belegt, das ihr Wortschatz umfasste. Ihr wurde übel. Vielleicht … hatte Stephen sie gar nicht gehört, grübelte sie. Immerhin war die Musik hier in der Bar ziemlich laut und er hatte mit dem Rücken zu ihr gestanden. Bestimmt war er keiner dieser Typen, die jede Unterhaltung um sich herum wahrnahmen und mithörten, wo er doch von Haus aus nur mit sich selbst beschäftigt war. Nein. Stephen Aimes hatte sicherlich andere Dinge im Kopf, als die Gespräche der Gäste hier zu belauschen. Und wenn es nur der Gedanke war, wie er seine Plastikbarbie später verführte. Brooke nahm das Tablett und wollte das Weite suchen. Hatte sie Abby gegenüber eigentlich seinen Namen erwähnt? Ja, hatte sie. Aber … es arbeiteten über eintausend Menschen für Aimes Incorporated, es wäre gut und gerne möglich, dass eine andere Angestellte sich über ihn beklagt hatte. Brooke wusste, dass sie sich an Strohhalme klammerte. Sie musste hier weg. Stephen durfte sie nicht auch noch sehen. Melissa hatte soeben aufgelegt, und Brooke machte einen Schritt von der Bar weg, als Stephen sich vor sie schob. „Hallo, Miss Kensington“, sagte er und sah sie an. Brooke wünschte sich ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum herbei, in das sie sich stürzen konnte. Vermutlich würde Stephen sie jetzt sofort mitten in der Bar feuern. Das wars dann. Sie konnte nun zwar Weihnachten mit ihrer Familie feiern, würde aber ihre Existenz verlieren. Das hübsche Häuschen in Queens, das sie gemietet hatte, würde sie sich nicht länger leisten können. Das nächste Weihnachtsfest würde sie dann vermutlich unter einer Brücke verbringen. Und nur, weil sie ihre große Klappe nicht halten konnte.

„Mr. … Aimes. Ich …“

„Na, genießen Sie Ihren Feierabend, Brooke?“, fragte Stephen. Er spielte mit ihr, das wusste sie. Er hatte jedes Wort, das sie gesagt hatte, mit angehört, das war ihr bewusst.

„Ähm … ja … Sie … auch, Mr. Aimes?“

„Natürlich tue ich das.“ Steve drückte die Plastikbarbie an sich. „Wie könnte ich nicht bei dieser Begleitung.“

Brooke sah ihn verständnislos an. Wieso sagte Stephen so etwas?

„Na ja … dann … wünsche ich noch einen schönen Abend“, sagte sie, „ich muss zurück zu meiner Freundin.“ Mit hochrotem Kopf ging sie an Stephen vorbei und zurück zu Melissa. Als sie sich noch einmal nach ihm umwandte, war er bereits verschwunden.

 

„Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen?“, fragte Melissa, als Brooke das Tablett mit den Eggnoggs und den Keksen auf dem Tisch abstellte.

„Ein Geist wäre mir lieber gewesen, glaub mir“, sagte sie. „Stephen Aimes ist direkt neben mir gestanden, als ich Abby mein Leid über ihn geklagt und erwähnt habe, dass seine Männlichkeit wohl unterdurchschnittlich ausgestattet sein muss.“

„Was? O mein Gott. Warum hast du das gemacht? Hat er dich gehört?“

„Ich weiß es nicht. Ich hoffe nicht. Aber ich glaube irgendwie schon. Er hat mich ganz komisch angesehen. Als würde sein Blick mich durchbohren. Aber … wenn er gehört hätte, was ich gesagt habe, hätte er mich doch gleich gefeuert. Oder etwa nicht? Er ist so hitzig und jähzornig, so etwas hätte er doch niemals auf sich sitzen lassen.“

Melissa überlegte eine Weile. „An und für sich schon. Aber … er könnte das natürlich aus taktischen Gründen nicht getan haben. Vielleicht … will er die Gelegenheit nutzen, um dich noch mehr zu triezen als er es ohnehin bereits tut. Das würde zu ihm passen. Du hast keine Ahnung, was für Abgründe sich hinter Stephen Aimes auftun.“

Brooke wurde übel. „Vielleicht sollte ich auch einfach kündigen“, grübelte sie und für den Moment schien ihr diese Idee als die beste. Sie würde die Feiertage wie geplant mit ihrer Familie verbringen und sich dann so schnell wie möglich nach einem neuen Job umsehen. Immerhin hatte sie einige Rücklagen. Es war also nicht so, dass sie von heute auf morgen mittellos sein würde. Andererseits … mochte sie ihren Job. Dave war ein äußerst angenehmer Vorgesetzter. Manchmal brachte seine Frau Kate Brownies vorbei und sie unterhielten sich. Der Job brachte viele Benefits, die andere Unternehmen ihren Mitarbeitern nicht boten. Und eigentlich war sie doch verrückt, wenn sie einen festen Job aufgab, ohne dass ein Grund vorlag. Okay, Stephen Aimes war ein Arschloch, aber sie würde ja nicht für den Rest ihres Lebens seine Assistentin sein.

---ENDE DER LESEPROBE---