Familie im Glück - Britta Frey - E-Book

Familie im Glück E-Book

Britta Frey

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Beschreibung

Sie ist eine bemerkenswerte, eine wirklich erstaunliche Frau, und sie steht mit beiden Beinen mitten im Leben. Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Alle Kinder, die sie kennen, lieben sie und vertrauen ihr. Denn Dr. Hanna Martens ist die beste Freundin ihrer kleinen Patienten. Der Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Es gibt immer eine Menge Arbeit für sie, denn die lieben Kleinen mit ihrem oft großen Kummer wollen versorgt und umsorgt sein. Für diese Aufgabe gibt es keine bessere Ärztin als Dr. Hanna Martens! Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! »Ich bin froh, daß ich dich habe, Liebling.« Dorothee Gerber legte liebevoll und voller Zärtlichkeit den Arm um Martins Schultern. Seit ihr Mann, der ebenfalls Martin hieß, in Hamburg, wo sie noch wohnten, einem plötzlichen Herzinfarkt erlegen war, fühlte sich Dorothee dort nicht mehr wohl. Es hieß zwar – und viele schworen auch darauf – daß Zeit Wunden heilt, aber bei Dorothee Gerber war davon nichts zu bemerken. Allen voran gab sich ihre ebenso treue wie energische Wirtschafterin Klara Andree jede nur erdenkliche Mühe, die junge Frau abzulenken und aufzuheitern, aber das gelang ihr immer nur stundenweise. Hinterher war es immer, als sinke Dorothee in tiefere Depressionen als vorher. Klara dachte manchmal, daß Dorothee sich ordentlich schämte, wenn sie einmal wirklich gute Laune gehabt und ihren verstorbenen Mann, mit dem sie eine unbeschreiblich gute und glückliche Ehe geführt hatte, vergessen konnte. Selbstverständlich war das nach Klaras Meinung Unsinn, aber sie konnte die immer wiederkehrenden Depressionen der jungen Frau einfach nicht verhindern. Martin mochte die Stimmungen seiner Mutter nicht und lief in den Garten. Klara war ein nüchterner Mensch und erkannte, daß es Dorothees Seelenheil viel besser zuträglich sein könnte, wenn sie einfach aus der gewohnten Umgebung ausbrechen und woanders hinziehen würde. Es würden neue Eindrücke für sie entstehen und sie von dem Kummer um den geliebten Mann ablenken. Martin spielte, wie immer, allein im Garten. Klara betrat das Wohnzimmer und wunderte sich gar nicht, als sie Dorothee dort antraf, mit dem dicken Fotoalbum auf dem Schoß. Energisch nahm sie der jungen Frau das Album aus der Hand und sagte ärgerlich, als sie spürte, wie Dorothee sie fragend anschaute: »Tut mir leid, Frau Gerber, aber einmal müssen wir darüber reden, und dies scheint mir gerade der richtige Zeitpunkt dazu zu sein.« »Wenn Sie eine solche Einleitung machen, Klara, weiß ich gleich, daß ich Ihnen nicht ausweichen kann.« Dorothee zwang sich ein Lächeln ab. Es wirkte, wie Klara fand, wie ein winziger Sonnenstrahl, der aber gleich wieder von schweren grauen Wolken verdeckt wurde. »Ich stamme, wie Sie sich vielleicht erinnern, aus Wismor. Es ist eine herrliche und gesunde Umgebung dort. Außerdem habe ich erfahren, daß in Ögela, das gleich mit Wismor verbunden ist, ein Haus verkauft werden soll.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Kinderärztin Dr. Martens – 85 –Familie im Glück

Für Dorothee und Martin soll die Sonne wieder scheinen

Britta Frey

»Ich bin froh, daß ich dich habe, Liebling.« Dorothee Gerber legte liebevoll und voller Zärtlichkeit den Arm um Martins Schultern. Seit ihr Mann, der ebenfalls Martin hieß, in Hamburg, wo sie noch wohnten, einem plötzlichen Herzinfarkt erlegen war, fühlte sich Dorothee dort nicht mehr wohl.

Es hieß zwar – und viele schworen auch darauf – daß Zeit Wunden heilt, aber bei Dorothee Gerber war davon nichts zu bemerken. Allen voran gab sich ihre ebenso treue wie energische Wirtschafterin Klara Andree jede nur erdenkliche Mühe, die junge Frau abzulenken und aufzuheitern, aber das gelang ihr immer nur stundenweise. Hinterher war es immer, als sinke Dorothee in tiefere Depressionen als vorher. Klara dachte manchmal, daß Dorothee sich ordentlich schämte, wenn sie einmal wirklich gute Laune gehabt und ihren verstorbenen Mann, mit dem sie eine unbeschreiblich gute und glückliche Ehe geführt hatte, vergessen konnte.

Selbstverständlich war das nach Klaras Meinung Unsinn, aber sie konnte die immer wiederkehrenden Depressionen der jungen Frau einfach nicht verhindern. Martin mochte die Stimmungen seiner Mutter nicht und lief in den Garten.

Klara war ein nüchterner Mensch und erkannte, daß es Dorothees Seelenheil viel besser zuträglich sein könnte, wenn sie einfach aus der gewohnten Umgebung ausbrechen und woanders hinziehen würde. Es würden neue Eindrücke für sie entstehen und sie von dem Kummer um den geliebten Mann ablenken.

Martin spielte, wie immer, allein im Garten. Klara betrat das Wohnzimmer und wunderte sich gar nicht, als sie Dorothee dort antraf, mit dem dicken Fotoalbum auf dem Schoß. Energisch nahm sie der jungen Frau das Album aus der Hand und sagte ärgerlich, als sie spürte, wie Dorothee sie fragend anschaute: »Tut mir leid, Frau Gerber, aber einmal müssen wir darüber reden, und dies scheint mir gerade der richtige Zeitpunkt dazu zu sein.«

»Wenn Sie eine solche Einleitung machen, Klara, weiß ich gleich, daß ich Ihnen nicht ausweichen kann.« Dorothee zwang sich ein Lächeln ab. Es wirkte, wie Klara fand, wie ein winziger Sonnenstrahl, der aber gleich wieder von schweren grauen Wolken verdeckt wurde.

»Ich stamme, wie Sie sich vielleicht erinnern, aus Wismor. Es ist eine herrliche und gesunde Umgebung dort. Außerdem habe ich erfahren, daß in Ögela, das gleich mit Wismor verbunden ist, ein Haus verkauft werden soll. Von einer Erbengemeinschaft. Ein Haus, noch gar nicht alt, mit modernem Komfort ausgestattet und vor allen Dingen mit einem riesigen Garten drumherum. Ich meine, daß das das Richtige für uns alle wäre.«

»Klara!« Dorothee sah ganz entsetzt drein. »Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich aus Hamburg fortgehen könnte? Hier bin ich mit meinem Mann sehr glücklich gewesen. Hier kann ich das Andenken an ihn hochhalten und…«

»Das können Sie überall, wenn Sie das wollen. Dazu müssen Sie nicht in dieser Wohnung bleiben, die mit allen möglichen Erinnerungen angefüllt ist, die Sie daran hindern, endlich etwas ruhiger zu werden.«

»Aber wer sagt Ihnen denn, daß ich das überhaupt will? Hier ist alles frisch, bleibt frisch und…«

»… und an Ihren kleinen Sohn denken Sie wohl gar nicht, wie?« unterbrach Klara sie energisch.

»Wie können Sie so etwas sagen, Klara? Natürlich denke ich an Martin. Ich würde alles für ihn tun, wenn ich wüßte, daß es ihn glücklich macht.«

»Na, dann fragen Sie ihn doch mal, ob er sich hier glücklich fühlt. Ich fürchte, Sie werden Ihr blaues Wunder erleben. Sie haben bisher Ihren verstorbenen Mann sozusagen auf einen Altar gestellt und anscheinend völlig vergessen, daß Sie noch einen kleinen Sohn haben, für den das Leben weitergeht – wie für Sie auch, Frau Gerber. Das sage ich, obwohl ich weiß, daß Sie das nicht gern hören. Aber Sie Haben keineswegs die Verpflichtung, Ihr weiteres Leben in Sack und Asche zu gehen und dem Jungen das Leben schwer zu machen.«

»Klara!!!« Dorothee war empört.

»Aber – aber verstehen Sie denn nicht, daß Sie ihm das Leben vergiften? Sie merken ja schon nicht einmal mehr, daß Sie ihn in eine Schablone pressen, die verdächtig nach seinem Vater aussieht.«

»Na und? Wäre denn das so schlimm? Immerhin war sein Vater ein ganz besonderer Mensch.«

»Das mag ja alles stimmen, und ich glaube es ebenfalls. Aber haben Sie schon einmal daran gedacht, daß jeder Mensch, auch dann, wenn er erst acht Jahre alt ist, ein eigenständiger Mensch ist, der seine eigene Persönlichkeit entwickeln muß? Das alles unterbinden Sie und machen ihn zum Abklatsch seines Vaters. Manches mag ihm liegen – aber manches entspricht vielleicht gar nicht seinem wirklichen Wesen. Haben Sie daran schon einmal gedacht? Er ist nicht nur der Sohn Ihres Mannes, sondern auch der Ihre und wird also auch von Ihnen einiges mitbekommen haben, oder?«

Ehe Dorothee sie zurückhalten konnte, war Klara Andree schon davon. Dorothee sah ihr unsicher nach. Das, was Klara da gesagt hatte, hatte sie nachdenklich gemacht. Hatte sie wirklich versucht, ihren Sohn so wie seinen Vater zu machen, ohne Rücksicht auf ihn zu nehmen?

Nein, wehrte sie sich in Gedanken dagegen. Nein, das habe ich nie beabsichtigt. Aber Klara Andree hatte sie, wie sie heimlich zugeben mußte, aufgeschreckt, und nun wollte sie von Martin wissen, ob er lieber in Hamburg bleiben oder in die Heide umziehen würde. Dorothee war entschlossen, sich nach dem zu richten, was Martin lieber mochte.

Der Junge sah seine Mutter unsicher an, als er mit Klara bei ihr im Wohnzimmer erschien. Unwillkürlich breitete Dorothee die Arme aus. Martin ging auf sie zu und schmiegte sich an sie. Dann nahm er sie fest in die Arme und fragte leise: »Geht es dir nicht gut, Mami? Du siehst so blaß aus.«

»Es geht mir gut, wirklich, Martin. Ich – nun, Klara hat dich nur gebeten, zu mir zu kommen, weil ich gern etwas mit dir besprechen möchte.« Er sah sie neugierig an. Und dann wollte er wissen: »Um was kann es sich da handeln?«

»Klara meint, es wäre für dich und mich besser, wenn wir ganz aus Hamburg fortgingen, Liebling. Hier würde uns alles nur an Vati erinnern und…«

»Dich vielleicht, Mami, mich nicht. Ich vergesse ihn nicht, ganz gleich, wo ich auch bin. Aber ich würde mich freuen, wenn wir von hier fortgehen würden. Vielleicht könntest du dann auch wieder so richtig froh sein, was meinst du?«

»Ich weiß nicht, mein Sohn.« Beinahe hätte sie zu weinen begonnen vor Hilflosigkeit. Mit aller Macht nahm sie sich zusammen. »Wer kann schon etwas beurteilen, das er noch gar nicht ausprobiert hat?«

»Möchtest du es tun, Mami?« fragte Martin. Dorothee sah, daß er lebhafter wurde. Das machte sie glücklich und unglücklich zugleich. Aber ehe sie sich überlegte, welche Stimmung in ihr überwog, sah sie Martin eindringlich an.

»Diesmal will ich nicht bestimmen, Liebling. Diesmal werde ich genau das tun, was dir am liebsten ist.«

Der Junge warf Klara einen unsicheren Blick zu und sagte dann: »Aber wie kann ich etwas dazu sagen, Mami? Ich kenne doch gar nichts, ich habe auch nie damit gerechnet, daß wir von hier fortgehen könnten und…«

»Würdest du denn zustimmen?« wollte Dorothee fast ängstlich wissen. Wollte sie überhaupt die schöne, geräumige Altbauwohnung verlassen? Sie hätte es nicht zu sagen vermocht.

Klara setzte sich in einen Sessel. Das durfte sie, denn sie war schließlich nicht nur die Wirtschafterin hier, sondern auch die Vertraute von Mutter und Sohn.

»Also, paß auf, mein Lieber«, begann sie ruhig. »Ich bekomme immer noch die Zeitung aus meiner Heimat. Wie du weißt, komme ich aus der Lüneburger Heide. Na, und gerade eben habe ich gelesen, daß in Ögela von einer Erbengemeinschaft zwei Einfamilienhäuser verkauft werden sollen. Keiner der Erben möchte in Ögela wohnen, weil sie alle irgendwo anders ihr Geld verdienen. Und da dachte ich, es wäre gut, wenn deine Mami eines dieser Häuser kaufen würde. Beide haben einen unheimlich großen Garten, beide sind völlig in Ordnung und gleich beziehbar, weil sie Leerstehen. In Ögela gibt es eine Schule, und wenn man die ersten vier Klassen hinter sich hat, dann fährt man mit dem Schulbus nach Celle, wo es ein gutes Gymnasium gibt, eine Realschule und was weiß ich sonst noch. In der Heide kann man wunderschöne Spaziergänge mit Picknick und so etwas machen und…«

»Würdest du das denn mitmachen, Mami?« fragte Martin lebhaft. Man merkte ihm deutlich an, daß er mehr als nur interessiert war. Dorothee nickte ihm zu. Irgendwie steckte das Interesse ihres Jungen sie auch an. Und so sagte sie einfach: »Warum fahren wir nicht einfach nach Ögela und sehen uns die beiden Häuser an? Schaden kann es nicht, und wir könnten uns dann viel leichter entscheiden. Was meint ihr dazu?«

»Was ich dazu meine, ist schnell gesagt, Frau Gerber. Ich finde, das ist die beste Idee, die Sie seit langer Zeit haben.« Klara pflegte niemals aus ihrem Herzen eine Mördergrube zu machen. Martin sah seine Mutter ungläubig an, ehe er wissen wollte: »Meinst du das wirklich ernst?«

»Natürlich tue ich das«, beteuerte sie.

*

In Ögela war nichts von Hektik zu spüren. Hier saßen die älteren Leute noch draußen vor ihren Häusern in der Sonne und plauderten, die meisten der Frauen strickten. Man fühlte sich wie in ein anderes Jahrhundert versetzt. »Hier könnte es mir tatsächlich gefallen!« stellte Dorothee fest und lä­chelte, als sie spürte, daß Klara sie überrascht ansah und daß Martin anscheinend sprachlos war. Jedenfalls, das spürte sie, hatte sie ganz anders reagiert, als die beiden erwartet hatten.

Irgendwie bereitete ihr das diebische Freude.

Bald hatten sie den Heidekrug erreicht. Und kaum hatten sie den Wagen, den Dorothee gefahren hatte, verlassen, als auch schon Rita Berger, eine kleine, mollige und sehr gemütlich wirkende Frau, erschien und Klara Andree einfach um den Hals fiel.

»Wenn man jemanden lange Zeit nicht gesehen hat und ihm dann plötzlich gegenübersteht, so wie wir beide jetzt, Klara, dann merkt man erst, daß man einander doch vermißt hat. Unglaublich, was?«

»Komm, ich möchte dich mit Frau Gerber und ihrem kleinen Sohn Martin bekannt machen. Hoffentlich hast du dich mit dem Makler in Celle in Verbindung gesetzt.«

»Klar habe ich das, gleich nach deinem Anruf. Er ist heute nachmittag hier. Aber eines der Häuser, die auf nebeneinanderliegenden Grundstük­ken gebaut sind, ist schon verkauft, das kleinere. Wie er sagt, an einen Witwer mit kleiner Tochter und Haushälterin.«

»Wenn das zweite Haus noch frei ist, werden wir uns eben das anschauen«, sagte Dorothee verträglich, als sie sich mit Rita Berger bekannt gemacht und ihre Hand geschüttelt hatte. »Und wenn es uns gefällt, wenn wir uns vorstellen können, uns darin wohl zu fühlen, werden wir auch nicht lange überlegen und zugreifen.«

Sie holten ihre Koffer aus dem Kofferraum, der junge Mann, der als Hausbursche und Mädchen für alles hier arbeitete, hob sie auf, als hätten sie absolut kein Gewicht, und brachte sie in den Gasthof, in dem es ganz leer war.

Eine halbe Stunde später saßen sie an einem gemütlichen Tisch in einer Nische zusammen und ließen sich das Mittagessen schmecken.

Sie waren eben bei dem ausgezeichneten Kaffee angelangt und Martin bei seinem Eis, als der Makler eintraf, sich ihnen vorstellte und ihnen verschlug, der Einfachheit halber mit ihnen in seinem Wagen zu dem zum Verkauf anstehenden Haus zu fahren.

Das Haus war wirklich geräumig, wie man schon von außen erkennen konnte. Große Platanen umgaben es von drei Seiten. Es sah aus, als wollten sie sogar das mit roten Ziegeln gedeckte Dach verstecken hinter ihren Zweigen und Ästen.

»Die Erben, von denen keiner hier wohnen kann, legen keinen großen Wert auf hohen Gewinn. Sie möchten die Häuser abstoßen und wissen, daß sie nicht durch zu langes Leerstehen verkommen.«

Während dieser Worte hatte er die solide Haustür, die zwischen zwei meterbreiten Streifen von Glasbausteinen eingebettet war, aufgeschlossen, stieß sie nun auf und machte eine einladende Handbewegung.

Sie standen in einem geräumigen Windfang, in dem sich eine eingebaute Garderobe befand, praktisch und kaum sichtbar, weil man sie mit einer Schiebetür verdecken konnte.

Durch eine breite Glastür kam man in die eigentliche Wohndiele mit einem riesigen Kamin, dem man ansah, daß er oft und gern benutzt worden war. Dorothee war begeistert. Sie konnte sich gut vorstellen, daß man sich hier im Winter und an kalten Herbst- und Frühlingstagen sehr wohl fühlen konnte.

Die Küche war fertig eingerichtet und fest integriert, modern und sehr praktisch, wie Klara zufrieden betonte.

Oben war es ebenso schön und zweckmäßig wie unten. Für Klara war da ein richtiger kleiner eigener Wohntrakt mit Wohnzimmer und Schlafzimmer, mit eigenem Bad und Dusche und sogar einer kleinen Kochnische, die geradezu dazu einlud, hier die neuesten Kochrezepte auszuprobieren.

Das gleiche war für Martin vorhanden. Ein großes Zimmer, das man als Spielzimmer einrichten konnte, ein etwas kleineres, das man als Schlafzimmer benutzen könnte. Und auch hier ein Bad und Dusche.

Das große Zimmer könnte sich Dorothee als ihr eigenes Schlafzimmer einrichten, es hatte ebenfalls ein Bad mit Dusche. Und einen großen Balkon, der auch in den Park hinausging. Eine Tapetentür führte in ein Ankleidezimmer, dessen Fenster zur Seite gingen und den Blick auf die geräumige Garage freigaben.

Dorothee schaute die eben mit dem Makler eintretende Klara fragend an. Und dann lächelte sie und sagte dem Makler zugewandt: »Ich kaufe dieses Haus.«

Martin tat einen Freudenjuchzer, Klara atmete erfreut auf, und Dorothee selbst hatte ganz plötzlich das Gefühl, als hätte sich ihr Leben mit einem Schlage verändert. Nun, vielleicht hatte es das auch, aber das würde sich erst später herausstellen.

Sie gab sich gelöst, als sie noch einen kleinen Spaziergang machten und dann zum Heidekrug zurückkehrten. Klara und Rita sprachen miteinander und zeigten, wie froh sie waren, daß es mit dem Hauskauf so gut geklappt hatte. Wenn es nach Klara gegangen wäre, hätten sie die Wohnung in Hamburg so schnell wie möglich verlassen, um in Ögela einzuziehen, wo es viel schöner war als in der Stadt. Aber Klara war der Meinung, schon so viel erreicht zu haben bei Dorothee, daß sie jetzt auf gar keinen Fall den Fehler machen durfte, sie zu drängen und damit zu überfordern. Dorothee sollte sich auf ihre neue Heimat freuen können. Und das würde sie ganz sicher auch tun, wenn sie erst einmal ihren Einzug gehalten hatte.

»Weißt du, wer im Nebenhaus einziehen wird?« wollte Klara endlich wissen.

Rita Berger war keineswegs das, was man unter einer Klatschtante verstand – aber sie war ganz zwangsläufig immer über das orientiert, was sich in Ögela und seiner Umgebung ereignete. Und so reagierte sie auch ganz gelassen und natürlich, als sie erwiderte: »Doch, ein Steuerberater. Witwer, noch jung und auch recht attraktiv, mit einem kleinen siebenjährigen Mädchen, das ganz reizend ist. Sie sind hier abgestiegen, genau wie du mit deiner Familie auch. Und ich glaube, ihr werdet eine gute Nachbarschaft haben, denn die kleine Tanja – so heißt das Mäuerchen – geht ja auch zu Arthur Siewers in die Schule. Über die Kinder kann man sich immer noch am besten kennenlernen, findest du nicht auch?«

Doch, das fand Klara ganz logisch, und so machte sie sich ihre eigenen Gedanken. Er war Witwer und, wie Rita sagte, attraktiv – sie Witwe und eine Schönheit. Ihre Kinder würden in dieselbe Schule gehen. Da müßte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn sie einander nicht näher kennenlernen würden. Na, und wer weiß… aus einer anfänglichen zweckgebundenen Bekanntschaft wurde sicher, wenn man sich gut verstand, auch ein bißchen mehr! Aber daran durfte man noch nicht denken. Es war zwar schon zwei Jahre her – aber Dorothee schien immer noch nicht die Fähigkeit entwickelt zu haben, ohne ihren geliebten Mann leben zu können. Der Kauf des Hauses in Ögela war ein vielversprechender Anfang, und Klara nahm sich fest vor, nicht ungeduldig zu sein, sondern in Ruhe darauf zu warten, daß sich die junge Frau ihr mitteilen würde, wie sie das bisher auch getan hatte. Schließlich war die erste Hürde, die man überwinden mußte, auch die schwerste. Hatte man sie erst einmal hinter sich, war die nächste schon nicht mehr so schwer zu überwinden. Und schließlich nahm man die folgenden später mit wahrer Bravour, weil man sie schon gar nicht mehr so recht als echte Hürden ansehen konnte…

So würde es, wie sich Klara von ganzem Herzen wünschte, auch bei Dorothee sein, und dann konnte man erst weitersehen, fand sie.

An diesem Abend zog Dorothee sich schon früh zurück. Martin lag schon im Bett, als sie kam, blinzelte ihr schlaftrunken zu und murmelte: »Wenn du dich nur halb so wohl fühlst wie ich, Mami, dann werden wir ein feines Leben hier haben.«

»Ja, mein Kleiner, ja, das glaube ich auch«, sagte Dorothee zufrieden, kuschelte sich in die herrlich frisch duftenden Kissen und war bald eingeschlafen. Und im Schlaf erlebte sie alles, was sie beinahe völlig aus der Bahn geworfen hatte, noch einmal. Nur – diesmal war es nicht so grausam, wie die Träume sonst zu sein pflegten, wenn sie sie heimsuchten. Und sie hatten sie oft heimgesucht und mehr gequält, als Dorothee zugeben mochte.

Es war auch grausam gewesen!