Flug der Herzen - Alisa Kevano - E-Book

Flug der Herzen E-Book

Alisa Kevano

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Beschreibung

Drei wundervolle Liebesgeschichten! Zarter Schmetterling Saschas Leben scheint bereits festgelegt: Bald wird er das erfolgreiche Geschäft seines Vaters übernehmen, und seine beste Freundin hegt tiefere Gefühle für ihn. Doch als er Jonas trifft, einen mysteriösen Jungen mit einer undurchsichtigen Vergangenheit, gerät alles ins Wanken. Jonas öffnet Saschas Augen für unbekannte Möglichkeiten und unerforschte Gefühle. Plötzlich steht Sascha vor der Frage: Will er wirklich das Leben führen, das andere für ihn geplant haben? David und Alex: Durch dich bin ich frei David ist ein heterosexueller, erfolgreicher Marketingexperte. Sein geordnetes Leben wird auf den Kopf gestellt, als er Alex kennenlernt. Der charismatische Musiker lebt ein ganz anderes Leben. David fühlt sich wirklich gut, wenn er in Alex' Nähe ist. Als er endlich beschließt, sich auf seine ungewohnten Gefühle einzulassen, ahnt er nicht, was noch alles auf beide zukommen wird... Felix und Lukas: Dein Herz bleibt bei mir Der reservierte Buchhändler Felix lebt sehr zurückgezogen. Als er den weltoffenen Künstler Lukas kennenlernt, ist er fasziniert von dessen Lebendigkeit. Die beiden kommen sich langsam näher. Doch dann bekommt Lukas ein unwiderstehliches Angebot aus Paris. Wird die zarte Bindung, die von beiden gerade aufgebaut wurde, dem Druck standhalten?

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Seitenzahl: 184

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Flug der Herzen

Gay Romance Sammelband

Alisa Kervano

© 2023

likeletters Verlag

Inh. Martina Meister

Legesweg 10

63762 Großostheim

www.likeletters.de

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Autorin: Alisa Kervano Bildquelle: Midjourney

ISBN: 9783946585572

Teilweise kam für dieses Buch künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Dies sind frei erfundene Geschichten. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

Zarter Schmetterling

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

David und Alex:

Durch dich bin ich frei

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Epilog

Felix und Lukas:

Dein Herz bleibt bei mir

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog:

Zarter Schmetterling

Kapitel 1

Der Geruch von süßem Weihnachtsgebäck und abgestandenem Kaffee war selbst an der Pforte noch präsent.

Die heiteren Stimmen der Mitarbeiter und ihrer Familien, die der Weihnachtsfeier zugesagt hatten und sich überwiegend im großen Festsaal der Villa Berberich versammelt hatten, um das vergangene Jahr in Form eines Betriebsfestes gebührend feiern zu können, verstummten zunehmend.

Der Sprössling der Gastgeberfamilie, Sascha Flemming, suchte in der Zwischenzeit die Toilette auf, in der er, entgegen aller Annahmen, lediglich Schutz vor Desiré Flemming suchte, seiner Mutter.

Das LeVin Flemming hatte mit den Jahren einen guten Ruf erworben und durch die wirtschaftliche Expansion in Frankreich, England und vielen deutschen Großstädten, waren nicht nur der Umsatz und die Stellung in der Unternehmer- und Medienwelt gestiegen, sondern auch die Zahl der Mitarbeiter und ihrer Führungskräfte.

Demnach war die Anzahl an Menschen an dem besagten Tag alles andere als bescheiden.

Genau so wie der unterschwellige Konkurrenzkampf, bei dem Sascha jedes Mal Mühe hatte, nicht mit den Augen zu rollen, wenn ihm wieder einer dieser Schlipsträger begegnete. Denn aus irgendeinem Grund glaubten die Leute tatsächlich, dass er einen Einfluss auf die Entscheidungen seines alten Herren hätte.

Das marmorierte Badezimmer betretend beugte er sich heftig ausatmend über das Waschbecken, um zur Ruhe zu kommen. Sascha hasste große Veranstaltungen.

Er war zwar alles andere als schüchtern, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er sich gerne unter diese Leute mischte. Und vergleichen sollte man ihn am besten gar nicht mit ihnen.

Allein der Gedanke, den Laden eines Tages übernehmen zu müssen, ließ ihn sauer aufstoßen. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass er sich überhaupt darauf eingelassen hatte.

Er war Künstler!

Wie zum Teufel konnte er innerhalb eines halben Jahres auf die Verkäuferschiene rutschen?

Er hasste Wein.

Und das schon seit fast zehn Jahren!

Deshalb konnte er die Hingabe seiner Eltern für diesen vergorenen Saftladen auch überhaupt nicht nachvollziehen.

Jedes ihm aufgedrängte Meeting war ein Grauen. Die Verhaltensweisen der Geschäftspartner wirkten gekünstelt, die Gesprächsthemen waren meist überschaubar und eintönig und jede Sitzung war buchstäblich ein Kampf gegen die Müdigkeit.

Er seufzte, nahm Haltung an und richtete den Kragen seines bordeauxroten Hemdes.

Er trug an die dunkle Krawatte angepasst eine ebenso dunkle Stoffhose. Die kurzen rabenschwarzen, sonst immer sehr voluminösen Haare, waren gegellt und nach hinten gekämmt.

Der junge Mann war eigentlich recht zufrieden mit seinem Aussehen. Nur die Farbe seiner Augen störte ihn ein wenig. Statt die grünen Augen seiner Mutter, hatte er die dominanten zartbitterfarbenen Augen seines Vaters geerbt, genau so wie den dunklen, bronzefarbenen Teint, der einen osmanischen Hintergrund andeutete.

Den kaum erkennbaren Kinn- und Lippenbart, der ihm bereits in den frühen Morgenstunden im Spiegel begegnet war, hatte er nach langem Überlegen nicht abrasiert. Er würde niemanden stören, dachte er. Am wenigsten diese profitgierigen Säcke da draußen.

Im Großen und Ganzen hatte er sich sehr fein herausgeputzt. Nur war der eigentliche Anlass dafür nicht die Weihnachtsfeier gewesen, sondern sein achtzehnter Geburtstag.

Der Tag, der aus dem reservierten Minderjährigen einen stolzen, ernstzunehmenden Erwachsenen machen sollte.

Da die Villa zum geplanten Zeitpunkt jedoch belegt war, hatte man das ‚unausweichliche‘ Event einfach mit seinem Geburtstag übereinandergestapelt.

Als Sascha davon mitbekommen hatte, hätte er platzen können vor Wut.

Er hatte alles geplant gehabt. So viele Leute eingeladen. Und dann kam sowas.

Und als er versucht hatte den Tag zu retten, indem er sich unter seinesgleichen gemischt hatte, musste er von seiner Mutter belagert werden, die ihn seit gut zwei Stunden durch die Villa schleifte, um jedem zu zeigen, was für einen klugen und charmanten Sohn sie doch hatte.

Es war einfach nur zum Fremdschämen.

Dabei war sie gar nicht so stolz auf ihn, wie sie immer behauptete. Die meiste Zeit nörgelte sie nur an ihm herum.

Sie hatte überhaupt keine Ahnung, wer er war, und schon gar nicht, was ihn auszeichnete. Sie hatten sich mit den Jahren spürbar auseinandergelebt und der Weinhandel war mittlerweile das Einzige geworden, was die Familie zusammen hielt.

Und er wünschte, es wäre ihm egal.

Doch das war es nicht.

Als er wieder im Festsaal angekommen war, fiel sein Blick auf den zweiten Büffettisch, der zu einer Weinkosttheke umfunktioniert wurde. Auf dieser standen angefangen von den zwei duzend bauchigen Gläserpaaren für den Rotwein, auch noch einige Sektgläser und, für die besonders Experimentierfreudigen unter den Gästen, auch ein paar kleine Gläschen für exotische Liköre.

Eine kleine Gruppe von gestriegelten Männern in weißen Hemden standen davor und debattierten angeregt die Qualität der einzelnen Jahrgänge. In ihrer Mitte sonnte sich ein großgewachsener Mann in einem schwarzen Anzug.

Marik Flemming war der geborene Gastgeber. In den vielen Stunden des Beisammenseins war er stets bemüht, hier ein Glas nachzufüllen und dort eine Unterhaltung wieder in Gang zu setzen. Dabei hielt er sich weder allzu lange im Zentrum, noch fiel er aus der Reihe.

Sein ausgeprägtes Fachwissen und sein Charisma hatte selbst in der belanglosesten Situation eine so starke Aussagekraft, dass sie die klügsten Köpfe zum Zweifeln brachten.

Diese Gabe nutzte er nicht selten zu seinen eigenen Gunsten. Und niemand hatte das in den vergangenen Jahren so intensiv zu spüren bekommen wie sein Sohn.

Nichtsahnend erwiderten seine Gäste die Gastfreundschaft ihres Vorgesetzten mit einem ungezwungenen Lächeln und viel ausgesprochenem Verständnis für seine Sichtweisen.

Selbst die verschlossenen Hausfrauen, die ihren Männern lediglich als ästhetischer Ausgleich zu dienen schienen, blühten in seiner Gegenwart auf.

«Sind die Gemälde neu? Ich meinte, hier hing mal das Bild von der Pforte aus dem Jahre 1892.»

Die neugierige Bemerkung weckte schlagartig die Aufmerksamkeit des jungen Mannes und er sah an einem turtelnden Pärchen vorbei und damit direkt auf die beiden großen Männer, die an ihren dunkelblauen Anzügen fummelten, darunter auch sein Vater. Der Wein vom Kostprobenstand hatte seinem faltigen Gesicht eine milde Röte verpasst und mit freudiger Stimmung wandte er sich dem Gemälde über dem Büffettisch zu.

«Meine Frau und ich haben hier einige Bilder unseres Sohnes aufhängen lassen. Der Junge ist heute stolze achtzehn Jahre alt.»

Er strich sich gedankenverloren über den schwarzen Schnurrbart.

«Das Gemälde hatte er im Frühjahr letzten Jahres gemalt. Wenn ich mich noch recht erinnere, hat es sogar einen Preis gewonnen. Auch, wenn er damit nicht viel anfangen konnte». meinte sein Vater lachend und kippte den Restinhalt seines Glases in sich.

«Er war im Herzen schon immer ein kleiner Picasso gewesen. Apropos Sohn. Da ist er auch schon. Sascha!», hörte er den kräftig gebauten 50-Jährigen rufen und verkrampfte sich schlagartig.

Er war immer noch sauer und wollte ihm, als Dank für dieses lieblose Fest, ursprünglich aus dem Weg gehen.

Er zögerte einen Moment, in dem Gedanken den Tauben spielen zu können, setzte sich dann aber doch in Bewegung, als er merkte, wie der Blick seines Vaters sich zunehmend verfinsterte.

Ein zaghaftes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Dunkelhaarigen aus, während er langsam in ihre Mitte trat. Er schüttelte die Hand des Gastes so selbstsicher wie die eines Bekannten. «Erst einmal herzlichen Glückwunsch junger Mann. Ich wünschte, ich hätte die Chance, nochmal so jung zu sein wie Sie», meinte er lachend und erwiderte den Handschlag.

«Sie erinnern sich wahrscheinlich nicht mehr an mich. Mein Name ist Klaus Lindner. Ich bin für die Außenstelle in Hamburg verantwortlich», meinte der Gentleman und reichte dem Sprössling anschließend ein gefülltes Weinglas, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

Er war einen halben Kopf kleiner als sein Vater und hatte eine runde schwarze Brille auf der Nase. Nachdem er mit Sascha angestoßen hatte, nippte er an seinem Château Haut-Brion und neigte seinen Kopf anerkennend in Richtung des Gemäldes. «Ich bin zwar kein Profi, aber ich finde diese abstrakten Farbverläufe einfach nur einmalig. Bei der Pforte hängt so ein ähnliches Bild und ich bin mir fast schon sicher, dass es ebenfalls von Ihnen ist.»

Sascha bedankte sich und musterte, seinen Frust unterdrückend, das Gemälde.

«Ja, die Bilder sind beide von mir.»

Herr Lindner nickte zufrieden. «Und da soll mir doch einer sagen, ich hätte kein Auge für sowas.», meinte er lachend. «Das Bild an der Pforte hat mir so sehr zugesagt, dass ich es gleich meiner Tochter schicken musste. Sie ist auch sowas wie eine Künstlerin, allerdings eher im digitalen Bereich.» Sascha zeigte sich seiner Position entsprechend fast immer sehr bescheiden. Doch jetzt konnte er den Stolz und die Zufriedenheit, die damit einhergingen kaum unterdrücken. «Ich hoffe, die Welt kann auch in Zukunft noch von Ihren künstlerischen Fähigkeiten profitieren.»#

Der junge Mann ließ etwas Luft zwischen seinen Lippen entweichen und senkte einen Moment bedrückt den Blick. «Nein, ich… » Er lächelte bedauernd. «Ich fürchte, meine Tage als Künstler sind vorbei.»

Das Lächeln des Mitarbeiters kippte schlagartig. «Das ist wirklich sehr schade. Sie haben Talent.»

Marik Flemming, der ursprünglich vorhatte sich aus der Unterhaltung herauszuhalten, winkte schließlich abwertend mit der Hand ab und klopfte seinem Sohn mehrmals aufmunternd auf die Schulter. «Mag sein, dass er Talent hat, aber er ist der Sohn eines Geschäftsmannes und keine Prinzessin, die ein Studium der freien Künste absolvieren muss, um sich im Leben positionieren zu können.

Außerdem leben Künstler von der Hand im Mund und mein Sohn weiß das. Deshalb hat er die Sache auch wieder aufgegeben. Er ist eben ein Realist. Genau wie sein Vater», sagte er lachend, während Sascha bemüht war sein Lächeln nicht zu verlieren. «Zum Glück ist er ja nicht nur Künstler, sondern auch ein besonders charmanter Verkäufer. Erinnern Sie sich noch an die Wein-Style-Messe in Stuttgart?

Die Idee kam von Sascha. Er hat sogar die Verköstigung geleitet und das Resultat war wirklich ‚einmalig‘»,, meinte der Unternehmer stolz und zog den Dunkelhaarigen so ruckartig an seine Seite, dass Sascha beinahe das Gleichgewicht verlor.

«Er wird ein guter Nachfolger, das weiß ich genau.»

Herr Lindner lächelte auf seine Worte hin und musterte Sascha mit einem Hauch von Bewunderung. «Schön zu hören, dass ein so pfiffiger junger Mann wie Sie Teil unseres Teams werden möchte. Sie müssen sehr zufrieden sein, schließlich bekommt nicht jeder so eine zukunftsreiche Arbeitsstelle geboten. Vor allem nicht so einfach.»

Sascha zog die Stirn kraus und unterdrückte die respektlose Bemerkung, die langsam in ihm hochstieg. Die starre Miene wahrend hob er das Weinglas, nickte einmal lächelnd und trank. «Ja», sagte er schließlich, während er die schwere glühende Feuerkugel in seiner Magengegend ignorierte, die mit jedem weiteren Schluck seinen Magen zu verätzen schien.

«Ich bin ein richtiger Glückspilz. Mir wird es hier langsam ein wenig zu warm. Ich werde etwas frische Luft schnappen.»

Sascha leerte sein Glas, stellte es auf den Servierwagen und nickte seinem Vater und Herr Lindner noch einmal kurz zu, bevor er den Herrschaften den Rücken kehrte.

Die verglaste Schiebetür, die zum Balkon hinaus führte, war einen Spalt breit geöffnet. Er trat auf den Balkon hinaus und warf erleichtert den Kopf in den Nacken.

Sascha war ziemlich erschöpft.

Er hatte tagsüber den Saal geschmückt und wurde anschließend von seiner Mutter von einer öden Unterhaltung in die nächste gehetzt. Nicht mal das Büffet konnte er genießen.

Das war eindeutig der schlimmste Geburtstag, den er je erleben durfte!

Er seufzte verbittert und beugte sich über die halbkreisförmige Balustrade aus weißem Marmor. Seine ausdruckslose Miene starrte auf den gewaltigen Park vor sich.

Die gemischten Gefühle in ihm machten ihn fertig. Einerseits freute es ihn, dass sein Vater so viel Vertrauen in ihn hatte und andererseits nervte ihn die offensichtliche Ignoranz seiner Eltern in Hinsicht auf dieses ganze Erbthema.

Klar war er der Einzige, der das LeVin auf familiärer Ebene übernehmen konnte, aber warum musste das Unternehmen überhaupt von einem Flemming aufrecht erhalten werden?

Wieso musste man heutzutage immer noch jede noch so alberne Tradition übernehmen?

Sascha war für gewöhnlich nicht der Typ, der sich von Anderen vorschreiben ließ, wie er sein Leben zu führen hatte, und er hätte sich dem Beschluss seines Vaters sicher widersetzt, wenn der alte Mann nicht so verdammt stolz gewesen wäre, als Sascha ihn bei der Verköstigung auf der Messe vertreten hatte.

Seit dem Event hatte sich der Kontakt zu seinen Eltern auch schlagartig verbessert und er fühlte sich bei seiner Familie so willkommen wie schon lange nicht mehr.

Ein Gefühl, dass er längst aufgegeben hatte. Spätestens nachdem ihm zufällig zu Ohren gekommen war, dass er von Anfang an nicht erwünscht war.

Kapitel 2

In den vergangenen Jahren hatte er dann viel dazu gelernt. Vom Feldanbau über Weinetiketten bis hin zum Kundenservice vor Ort. Und je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass sein Vater immer Recht gehabt hatte. Mit Kunst konnte man kein Geld machen. Und ohne Geld war man in dieser Welt ein niemand.

Erschöpft rieb er sich die müden Augen. Er machte gerade sein Abitur und befand sich bereits im letzten Halbjahr vor den Abschlussprüfungen. Seine Noten waren ganz passabel, weshalb er mit dem Gedanken spielte den Master of Science an der Universität in Stuttgart zu machen.

Betriebswirtschaftslehre machte ihn jetzt nicht unbedingt an, aber mit der richtigen Motivation würde er sich da schon irgendwie durchkämpfen können.

Seine Augen wanderten wieder über das gewaltige Grundstück des Anwesens. Verglichen zu dem stickigen Saal war es auf dem Balkon deutlich angenehmer. Es war ein wenig dunkel, denn die Beleuchtung bestand großteils aus historischen Wand- und Wegleuchten, die einen eher bescheidenen Durchmesser ihrer Umgebung einfingen.

Im Winter wirkte die Villa, äußerlich betrachtet, eher trostlos.

Doch im Frühling, wenn alles blühte, erwachten Anwesen und Park zum Leben und erinnerte an ein kleines, farbenfrohes Märchenschloss.

Das war auch der Grund, warum Sascha es im Laufe seiner jungen Jahre so oft gemalt hatte. Hinzu kam, dass viele seiner Vorfahren an diesem Ort geheiratet hatten, unter anderem auch seine Eltern.

Und wahrscheinlich würde er das auch irgendwann mal tun. Als sich plötzlich zwei Hände auf seine Augen legten, hob er überrascht den Kopf. «Wer bin ich?» hörte er eine weibliche Stimme hinter ihm kichern und er grinste. «Lia?!»

Kaum hatte er sich umgedreht, nahm er das zierliche Mädchen auch schon in den Arm und wirbelte sie einmal um sich.

Die rothaarige Prinzessin mit den winzigen Sommersprossen im Gesicht war seine Sandkastenfreundin, die vor einem Jahr mit ihren Eltern nach London gezogen war. Seitdem pflegten sie nur noch telefonischen Kontakt. Also wenn man das ‚Kontakt pflegen‘ nennen konnte. Meistens war sie viel zu beschäftigt.

Die Sprache lag ihr nicht, weshalb sie viel Zeit in das Lernen investieren musste, um mithalten zu können.

Dadurch ging die Verbindung zunehmend unter und das Telefonieren verwandelte sich rasch in ein paar bescheidene monatliche Grußnachrichten. «Wie kommt es, dass du hier bist? Ich dachte, deine Eltern wollten nach Madeira?» Sie lachte.

«Da sind sie auch hin. Aber deine Eltern hatten uns vor ein paar Wochen angerufen und gefragt, ob ich über die Ferien nicht Lust hätte, euch zu besuchen. So zu Ehren deines achtzehnten Geburtstags.»

Sie zwinkerte. «Und weil du mich doch sooo sehr vermissen würdest.»

Sascha verdrehte die Augen und ließ wieder von ihr ab. «Klar hab‘ ich dich vermisst. Seit du weg bist, habe ich kein Model mehr. Jetzt musste ich mich auf Landschaften und Stillleben spezialisieren», gab er überspitzt zur Antwort und simulierte einen Schwindelanfall.

Lia lachte. «Entschuldigung, ich kann doch nichts dafür, dass meine Eltern plötzlich Reisefieber bekommen mussten. Ich wäre auch viel lieber hier bei dir geblieben. London ist total doof und teuer! Keine Ahnung warum da alle immer hin wollen», maulte sie kopfschüttelnd und verschränkte die Arme vor der Brust. «Das glaube ich dir.» Sascha schmunzelte und nahm etwas Abstand, um seine Freundin von Kopf bis Fuß zu mustern. «Du siehst toll aus! Das Ballkleid steht dir richtig gut. Du hattest auf jeden Fall einen besseren Berater als meine Mutter.»

Sie blinzelte ein paar Mal, als hätte sie sich plötzlich an etwas erinnert. «Stimmt ja, die habe ich heute noch gar nicht gesehen. Wieso? Wer hat sie denn beraten?», fragte sie neugierig und Sascha rieb sich verlegen den Nacken. «Ich, aber pscht…» Lia lachte so laut, dass der Hall den gesamten Park einzufangen schien. «Das hätte ich nur zu gerne miterlebt. Wenn wir deine Mutter heute noch abgefangen kriegen, muss ich sie mir unbedingt mal anschauen.» Lia zückte ihr Handy hervor. «Wir haben noch eine halbe Stunde bevor wir Feierabend machen können», bemerkte sie und tippte an ihrem Handy herum.

Sascha warf einen trüben Blick auf das Geschehen im großen Saal vor ihm. «Ich habe nicht wirklich Lust, mich von der Meute da drinnen ausquetschen zu lassen. Lass uns spazieren gehen oder so.» 

Sie steckte ihr Handy weg und grinste aufgeregt. «Dasselbe wollte ich dir auch gerade vorschlagen.» Vor dem Eingang stand eine kleine Gruppe von Leuten, die gelangweilt an der Wand lehnte und die Asche ihrer Zigarren auf den gepflasterten Boden rieseln ließen.

Sie schenkten Lia und Sascha kaum Beachtung und so umwickelte sich das Duo mit ihren Wintermänteln und marschierte tuschelnd auf den Kiesweg zu.

Während sie in ihr Gespräch vertieft die einzelnen Pfade durchwanderten, wichen sie immer wieder einigen vertrauten Gesichtern aus der Villa aus, die dieselbe Idee zum Ausnüchtern zu nutzen schienen.

Irgendwann mündete einer der Pfade in den Wald hinein und als die beiden an einer Lichtung angekommen waren, hielt der junge Mann abrupt an. «Ich glaube, wir sind viel zu weit weg. Wir sollten zurückgehen.»

Er wollte sich gerade umdrehen, als seine Freundin ihn plötzlich am Arm packte. «Warte! Hörst du das?» flüsterte sie und starrte auf den linken Pfad vor sich. «Was meinst du?» Sascha spähte in die Dunkelheit hinein, als er plötzlich Stimmen hörte. Lia kräuselte die Stirn und sah besorgt zu Sascha hoch. «Ich glaube, da hat jemand Beef», meinte sie, als Sascha ihr prompt signalisierte, still zu sein. Er schirmte sie mit einer Hand hinter sich ab und schritt langsam den Waldpfad entlang bis sie kurz vor einer Laterne mit einer abgenutzten Bank zum Stillstand kamen.

Zwei junge Männer hatten sich aneinander vergriffen und versuchten, den jeweils anderen umzuwerfen.

Der eine trug eine Kappe, über die er eine Kapuze geworfen hatte, während den Kopf des anderen lediglich eine helle auffällig zerzauste Haarpracht zierte.

Als es dem Jungen mit der Kopfbedeckung endlich gelang seinen Gegner umzuwerfen, realisierte Sascha plötzlich, dass sie wie zwei schamlose Gaffer aussehen mussten, und drehte sich zu seiner Freundin um. «Ich glaube, wir sollten gehen. Die Sache geht uns doch gar nichts an», flüsterte der Dunkelhaarige und wollte erneut die Flucht ergreifen, als Lia wieder seine Hand drückte. «Warte!», raunte sie und zog ihn zurück. «Ich glaube, der eine hat ein Messer. Was ist, wenn er ihn umbringt?», flüsterte sie besorgt.

Er warf den Kopf in den Nacken und seufzte. Wieso musste er immer so nett sein? «In Ordnung. Bleib genau hier stehen. Ich schaue mal, ob ich die beiden auseinanderkriege.»

Als plötzlich ein gedämpfter Aufschrei folgte, schoss Sascha ein regelrechter Schauer über den Rücken. Der blonde Bursche zupfte an seiner abgenutzten Collegejacke und entfernte sich abrupt von seinem Gegner, der sich krümmend den Bauch hielt und fluchend Richtung Boden sackte. «Hey!»

Während Lia erstarrte, war Sascha aus Reflex auf die Lichtung gesprungen.

Der Angreifer zuckte auf und richtete ein blutiges Klappmesser auf den Dunkelhaarigen, der langsam die Hände anhob, während er Lia hinter sich abschirmend in den Hintergrund drängte.

Mit der abgenutzten viel zu großen Kleidung und dem wüsten schulterlangen, blonden Haar sah er auf den ersten Blick aus wie ein obdachloses Mädchen.

Die weit aufgerissenen Augen und die tiefliegenden Brauen verströmten pure Verachtung, während das Zittern der Hände eine heruntergespielte Panik signalisierte.

Er mochte zwar bewaffnet sein aber die Bedrohung, die von ihm ausging, erinnerte Sascha eher an einen fauchenden Hauskater.

Für einen Moment hielten die beiden einfach nur Blickkontakt, bis Sascha realisierte, dass er sich in dem ausdrucksstarken Blick des Jungen verloren zu haben schien. Dabei war es noch nicht mal der Blick selbst, sondern eher die Farbe seiner Augen.

Noch nie war ihm so ein klares Indigoblau begegnet. Und bis vor ein paar Minuten hätte noch jedem den Vogel gezeigt, der ihm erzählt hätte, dass diese Augenfarbe überhaupt existierte.

Ursprünglich wollte er den Burschen zurechtweisen. Oder zumindest beruhigen. Doch sein surrealer Anblick schien Sascha nach jedem Anlauf den Atem zu rauben. Dabei schien Sascha selbst nicht der Einzige zu sein, der meinte sich seltsam zu verhalten. Auch der Blonde konnte seinem Blick nicht länger standhalten.

Seine blassen teilweise mit Erde verschmierten Wangen bekamen eine rötliche Färbung, während die Augen verlegen Richtung Boden glitten. «Verschwindet!» zischte er plötzlich kaum hörbar, ohne das Messer auch nur einen Millimeter zu senken. Seine Stimme holte Sascha schlagartig wieder in die Realität zurück. «Beruhig dich erst mal!», stolperten ihm die ersten Worte über die Lippen, während er den Blick nicht vom Messer ließ. «Was für ein Problem ihr beide auch miteinander hattet, dein Kumpel braucht jetzt ganz klar Hilfe.» «Das mach ich selber!», zischte er wieder und Saschas Brauen zogen sich ungläubig zusammen. «Sei nicht albern! Was garantiert uns, dass du ihn nicht umbringst?» «Wieso sollte ich das tun? Ich hab‘ mich doch nur verteidigt!» rief er fast schon verzweifelt und hob das Messer noch weiter an, als Sascha einen Schritt in seine Richtung wagte. «Bleib stehen!», rief er mit zittriger Stimme und wich vor ihm zurück. Dabei war nicht ganz klar, ob er vor Unsicherheit oder vor Kälte zitterte. Schließlich war er nicht gerade wettergerecht gekleidet. «Sascha sei vorsichtig!» Lia sah besorgt zwischen den beiden jungen Männern hin und her, doch entgegen ihrer Bitte schien Sascha überraschend furchtlos. «Steck das Messer weg!», forderte der Dunkelhaarige ihn mit ruhiger Stimme auf und kam ihm zunehmend näher, woraufhin der Blonde plötzlich die ungewöhnlich vollen Lippen zu einem schmalen Strich formte.

Er wechselte ein paar hastige Blicke zwischen dem Opfer und dem Duo und ergriff schließlich die Flucht.

Sascha sah ihm wie gebannt hinterher und rannte ihm keine zwei Sekunden später auch schon hinterher. «Ruf den Notarzt… und die Polizei»,, rief er Lia in Eile zu, ohne den Jungen aus den Augen zu lassen.

Ein gedämpftes «pass auf dich auf» hallte durch die Nacht, während er in der Dunkelheit des Waldes verschwand.