Footfall - Die Landung - Larry Niven - E-Book

Footfall - Die Landung E-Book

Larry Niven

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Beschreibung

Wir sind nicht allein Als eines Tages Astronomen seltsame Gebilde in der Nähe des Saturns entdecken, sind nur wenige auf der Erde beunruhigt. Doch die scheinbar harmlosen Himmelskörper stellen sich bald als Vorboten einer grausamen Invasion von Außerirdischen heraus, Aliens wie sie bizarrer kaum sein könnten. Diese absonderlichen Wesen haben nur ein Ziel: den Planeten Erde zu erobern, doch sie haben nicht mit dem erbitterten Widerstand der Menschheit gerechnet… Mit "Footfall" aus dem Jahre 1985 schufen Larry Niven und Jerry Pournelle einen Klassiker der Sci-Fi-Literatur. Der Roman verbirgt gesellschaftskritische Seitenhiebe, bietet aber auch einen einmaligen Einblick in die westliche Weltsicht der 1980er Jahre.

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Titel der englischen Originalausgabe

FOOTFALL

1. Auflage

Veröffentlicht durch denMANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

Frankfurt am Main 2019

www.mantikore-verlag.de

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe

MANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

Copyright der englischen Originalausgabe

© Larry Niven, Jerry Pournelle 1985

Deutschsprachige Übersetzung: Jan Enseling

Lektorat: Andre Piotrowski

Satz: Karl-Heinz Zapf

Covergestaltung: Rossitza Atanassova, Matthias Lück

VP: 258-157-01-04-0819

eISBN: 978-3-96188-092-8

Larry NivenJerry Pournelle

FOOTFALL

Roman

Für Robert Gleason

Inhalt

DRAMATIS PERSONAE

PROLOG

TEIL I Die Einzelgänger

1 ENTDECKUNG

2 BEKANNTMACHUNGEN

3 FLINTRIDGE

4 BLINDE MÄUSE

5 SCHAU NUR, WIE SIE LAUFEN

6 VORBEREITUNGEN

7 GROSSE ERWARTUNGEN

8 START

9 VORAHNUNGEN

TEIL II Die Ankunft

10 ANKUNFT

11 LICHTER AM HIMMEL

12 DIE BOTSCHAFT-BRINGER

13 DER MORGEN DANACH

14 DER DAMM

15 DIE WEIZENFELDER

16 UNTERWERFUNG

17 FARMHÄUSER

18 DER KRIEG DER JAYHAWKS

19 DIE GELEHRTEN

20 RÄNKE

21 KRIEGSPLÄNE

22 ETWAS LIEGT IN DER LUFT

TEIL III Der Fuß

23 AUFRÄUMARBEITEN

24 BEGEGNUNGEN

25 DER GARTEN

26 KONFRONTATION

27 DER SITZKRIEG

28 DIE GEFANGENEN

29 EINSCHLAG

TEIL IV Die Aufstiegs-Fithp

30 FUSSABDRÜCKE

31 MAXIMALE SICHERHEIT

32 SCHLAMMBAD

33 ERZENGEL

34 DIE BARDEN

35 DIE SPEERE SÄUBERN

36 VERRAT

37 DIE EISENKRABBE

38 GEBETE

39 TEUFEL MIT SILBERNER ZUNGE

40 DEINE HEIMTÜCKE HAT EIN ENDE

41 AUSBRUCH

42 DIE MENSCHEN IN DEN WÄNDEN

43 DAMPF

44 EINSCHLAG

45 BEDINGUNGEN DER UNTERWERFUNG

Über den Autor

DRAMATIS PERSONAE

DIE ENTDECKER

Linda Crichton Gillespie – Debütantin aus Washington

Jeanette Crichton – ihre Schwester

Dr. Richard Owen – Astronom

Dr. Mary Alice Mouton – Astronomin

Major General Edmund Gillespie, USAF – Astronaut

WASHINGTON

David Coffey – Präsident der Vereinigten Staaten

Mrs. Jeanne Coffey – First Lady

Der ehrenwerte Wesley T. Dawson – Kongressabgeordneter für Kalifornien

Mrs. Carlotta Trujillo Dawson

Roger Brooks – Sonderreporter, Washington Post

James Frantz – Stabschef im Weißen Haus

Henry Morton – Vizepräsident

Dr. Arthur Hart – Außenminister

Hap Aylesworth – Sonderassistent des Präsidenten für politische Angelegenheiten

Ted Griffin – Verteidigungsminister

Admiral Thorwald Carrell – Nationaler Sicherheitsberater

Peter McCleve – Generalstaatsanwalt

Alan Rosenthal – Finanzminister

Connie Fuller – Handelsministerin

Arnold Biggs – Landwirtschaftsminister

Jack Clybourne – Schutzeinheit des Präsidenten, Secret Service

DIE SOWJETS

Akademik Pawel Alexandrowitsch Bondarew – Direktor des Lenin-Instituts

Lorena Polinowa – seine Sekretärin und Geliebte

Marina Nikolajewna Bondarew – seine Ehefrau

Boris Ogarkow – Parteisekretär am Institut

Andrej Pjatigorski – Stellvertretender Direktor des Lenin-Instituts

General Nikolai Nikolajewitsch Narowtschatow – Dritter Parteisekretär, später Erster Parteisekretär

Vorsitzender Anatoli Wladimirowitsch Petrowski – Vorsitzender des Obersten Sowjets

Ilja Trusow – Vorsitzender des KGB

Dmitri Parfjanowitsch Gruschin – KGB-Beamter

Marschall Leonid Edmundowitsch Schawirin – Marschall der Strategischen Langstreckenraketenstreitkräfte

ÜBERLEBENDE UND ANDERE

Harry Reddington – arbeitsloser Barde

Jeri Wilson – Leitende Redakteurin bei Harris Wickes Press

Melissa Wilson – ihre Tochter

William Adolphos Shakes

Kevin Shakes

Miranda Shakes

Isadore und Clara Leiber

George und Vicky Tate-Evans

Jack und Harriet McCauley

Martin Carnell – Züchter von Schauhunden

Ken Dutton – Buchhändler

Cora Donaldson – Freundin von Ken Dutton

Sarge Harris – Freund von Ken Dutton

Patsy Clevenger – Freundin von Ken Dutton

Anthony Graves – Freund von Ken Dutton

Maximilian Rohrs – Generalunternehmer, Bellingham

Evelyn Rohrs – ehemalige Washingtoner Prominente

Ben Lafferty – Sheriff, Whatcom County, Washington

Leigh Young – Deputy Sheriff

Whitey Lowenthal – Schweißer

Carol North – Bewohnerin von Lauren, Kansas

Rosalee Pinelli – Bewohnerin von Lauren, Kansas

KOSMOGRAD

Oberst Arwid Pawlowitsch Rogatschew – Kommandant der Kosmograd

Nikolai – früherer Feldwebel der Roten Luftwaffe

Aliana Alexandrowna Tuzikowa – Stellvertretende Kommandantin

Dr. Giselle Beaumont – französische Wissenschaftlerin

Der ehrenwerte Giorge N’Brunha – nigerianischer Politiker

Captain John Greeley, USAF – Astronaut

DIE FITHP

Herdenführer Pastempeh-Keph

Berater Fathisteh-Tulk

K’turfukeph – Partnerin des Herdenführers

Tschaupintulk – Partnerin des Beraters

Fukerteh – Sohn des Herdenführers

Angriffsführer Kuthfektil-rusp

Verteidigungsführer Tantarent-Fid

Brecher-zwei Takpusseh (später Takpusseh-Jamp)

Brecher-eins Rastupisp-Mins

Fistarteh-Thuktun – Priester und Historiker

Kulpuleh – Assistent von Fistarteh-Thuktun

Paijkurtank – Assistentin von Fistarteh-Thuktun

Achter-Führer Prethiteh-Damb

Taschajamp – Assistentin von Takpusseh (später seine Partnerin)

Achter-Führer Tschintithpit-Mang (Schläfer)

Schreschlimang – Tschintithpit-Mangs Partnerin

Acht-hoch-drei-Führer Harpanet

Acht-hoch-drei-Führer Siplisteph

Raschinggith – Krieger (Jahr-null-Fithp)

Birithart-Jamp – Krieger in Afrika

Phigorun – Krieger in Afrika, durch einen Speer getötet

Thiparteth-Foft – Wachoffizier

COLORADO SPRINGS

Sergeant Ben Mailey – U.S. Army

Sherry Atkinson – Gefahrenteam

Robert und Virginia Anson – Gefahrenteam

Nat Reynolds – Gefahrenteam

Joe Ransom – Gefahrenteam

Wade und Jane Curtis – Gefahrenteam

Bob Burnham – Gefahrenteam

Lieutenant General Harvey Toland – U.S. Army

Der ehrenwerte Joe Dayton – Sprecher des Repräsentantenhauses

Senator Alexander Haswell – stellvertretender Vorsitzender des Senats

Senator Raymond Carr aus Kansas

JAYHAWKS

Juana Trujillo Morgan

Lieutenant Colonel Joe Halverson

Major David Morgan – Nationalgarde Kansas

Captain Evan Lewis – Nationalgarde Kansas

Corporal Jimmy Lewis – Nationalgarde Kansas

Captain George Mason – Nationalgarde Kansas

KRIEGER UND GEFANGENE

John Woodward – Gefangener

Carrie Woodward – Gefangene

Alice McLennon – Gefangene

Gary Capehart – Gefangener

Fähnrich Jeff Franklin – Crewmitglied der Michael

Hamilton Gamble – Crewmitglied der Michael

Dr. Arthur Grace »Tiny« Pelz – Crewmitglied der Michael

Jason Daniels – Crewmitglied der Michael

Samuel Cohen – Crewmitglied der Michael

Roy Culzer – Shuttlepilot

Jay Hadley – Shuttlepilot

Commander Anton Villars – Kapitän der USNS Ethan Allen

Colonel Julius Carter – U.S. Special Forces

Lieutenant Jack Carruthers – U.S. Special Forces

Leutnant Iwan Semejusow – sowjetisches Expeditionskorps

Brant Chisholm – südafrikanischer Bauer

Mvubi – Zulukrieger

Niklaus van der Stel – Afrikander-Kommandotruppe

PROLOG

Wo sind sie?

– Enrico Fermi

DER FÜNFTE TEIL DES DRITTEN JAHRES

Innerhalb der breiten Anordnung seiner verschachtelten Ringe war der Planet ein siedender Sturm. Es war schon immer so gewesen. In Streifen und Schnörkeln verfolgten die Muster einander über die braun-braune Oberfläche. Der Raum darum herum war vor Aktivität aufgewühlt: Milliarden von Eispartikeln in einer breiten Anordnung verschachtelter Ringe, acht Monde, Bänder aus Staub, die von starken Magnetfeldern umhergepeitscht wurden – alles wirbelte mit erschreckender Geschwindigkeit herum, mit mehreren Makasrupkithp pro Atemzug. Die Botschaft-Bringer manövrierte durch diesen Sturm.

Der Berater des Herdenführers, der andächtig durch die dicken Doppelscheiben blickte, schien nur die Schönheit der Szenerie zu bemerken.

Der Herdenführer fand das irritierend. Seine eigene Domäne umfasste Kollisionen, Industrieoperationen, interne Streitigkeiten und die friedliche Integration von Schläfern mit Sterngeborenen. Er hatte schon genug Probleme ohne … das.

Das Hauptteleskop der Botschaft-Bringer kam jeder astronomischen Installation der Welt gleich, die sie zurückgelassen hatten. Nach astronomischen Standards war die fremde Sonde jetzt nahe, und auf dem Bildschirm war sie in allen Einzelheiten ausgezeichnet zu sehen.

Eine kreisrunde Antenne. Eine Kapsel an der Spitze eines langen Auslegers verströmte Infrarotwärme. Das musste die Energiezufuhr sein. Zwei weitere Ausleger fuhren Instrumente aus. Umschließe deine Zehen mit meinen, auf dass ich deine Herde kenne! An einer Verlängerung hing etwas, was Kameras sein mussten, an der anderen so etwas wie ein elektronisches Abtastgerät.

Vierundsechzig Schläfer, die Gruppe des Brechers, arbeiteten nun daran, was sie konnten, über die Geschöpfe zu schlussfolgern, die diese Maschine gebaut hatten. Sie hatten dem Herdenführer nichts Nützliches mitgeteilt. Als die Kameraplattform sich zu drehen begann, ließ der Herdenführer rastlos seine Zehen spielen.

»Du hast deine Entscheidung vor einem halben Jahr getroffen«, sagte der Berater bedächtig. »Du hast es damals nicht zerstört. Wie kannst du es jetzt zerstören?«

»An dieser Stelle muss ihre schwache Spionagesonde durch Trümmer hindurch, die sich in einer ständigen Umlaufbahn befinden. Sie muss Kollisionen, Strahlung, Orbitalfluktuationen und jegliche schemenhaften Gefahren überstehen, die die Beute sich vielleicht vorstellt. Hier ist es am ehesten möglich, dass sie durch ein Missgeschick zertrümmert wird!«

»Wir sind übereingekommen, dass die Sonde keine Spuren von uns finden wird. Die Botschaft-Bringer ist auf diesem Maßstab winzig. Diese Sonde sucht sicher nicht nach uns: Sie wurde vor unserer Ankunft gestartet. Aber wenn es irgendetwas zu sehen gibt, dann hat die Kamera dort drüben es bereits wahrgenommen. Einige Nachweise unserer Gegenwart, anschaulich in ihren Empfängern … und jetzt kommt es zu einem grellen Blitz, dann Schweigen seitens der Sonde, und zwar für immer. Würde das deine Zweifel wecken?«

»Wenn du Herdenführer wärst, würdest du dir weiterhin Sorgen machen?« Das war grausam. Am Anfang aller Dinge war Fathisteh-Tulk Herdenführer gewesen. Er war in seinen Todesschlaf verfallen und hatte erwartet, erneut Herdenführer zu werden. In seiner derzeitigen untergeordneten Position schienen die Anliegen eines Herdenführers ihn überhaupt nicht zu stören. Manchmal fragte sich Herdenführer Pastempeh-Keph, ob er verspottet wurde.

»Wäre ich Herdenführer«, sagte der Berater ruhig, »würde ich es so gemacht haben wie du. Bleibe still, während die Sonde hindurchfliegt. Versuche nicht, das Schiff zu bewegen, schicke keine Nachrichten an unsere Arbeitskräfte auf dem Fuß. Lasse die Sonde vorbei. Sobald die zweite Sonde eintrifft, werden wir auf dem Fuß etabliert sein. Sollen sie nur versuchen, uns gegen einen unbekannten Hintergrund zu unterscheiden.«

Daraufhin wandte er sich, womöglich demonstrativ, von dem Teleskopschirm ab, um auf die große Welt mit den braunen Mustern und ihren breiten Ringen zu blicken.

Der Herdenführer sagte: »Ich mache mir Sorgen. Die Beutewesen müssen im Verlauf ihrer Geschichte häufig dieses … diesen protzigen Schmuck am Himmel studiert haben. Nach weniger als einem Jahr müssten sie besser wissen, was sie zu erwarten haben, als wir. Was haben wir übersehen?«

Außerhalb des breiten Hauptringsystems strudelte ein schmalerer Ring weiterhin in der Heckwelle des Antriebs der Botschaft-Bringer.

NOVEMBER 1980

Als sie das Tor schloss und, ohne nachzudenken, einen Papierfetzen aufhob, der in den Hof geweht worden war, wurde Linda Gillespie klar, dass sie dieses Haus – ein typisches entwickeltes Terrassenhaus in Kalifornien – allmählich als Heim betrachtete. Es wäre dann nach ihrer Heirat das zweite Heim. Davor hatte es drei andere Häuser gegeben, in denen sie nicht lange genug gewohnt hatten, um sie überhaupt als ein Heim zu betrachten. Fünf Umzüge innerhalb von vier Jahren. Die Air Force war ein mobiler Dienst, insbesondere für angesagte Kampfpiloten. Am besten war es in Texas gewesen, als Edmund beim Astronautenamt gewesen war und sie in El Lago gewohnt hatten.

Aber das hier konnte eigentlich kein Heim sein. Es war nur ein gemietetes Haus, ein Wohnort während Edmunds Tour bei der Space and Missile Systems Organization in Los Angeles. Da er nun als Shuttlepilot eingeteilt worden war, würden sie wieder umziehen. Zurück nach Houston! Das wäre schön. In Houston bekamen Astronauten und ihre Familien wirklich die beste Behandlung.

Es war ein düsterer Novembermorgen in Los Angeles, dessen Kälte sie sogar durch ihren Kaschmirpullover spürte, mit niedrig hängenden Wolken und Nebel. Die Luft roch feucht, mit einer Spur von Rauch. Es gab keinen Sonnenschein, der würde aber mittags kommen. Schön war es draußen nicht.

Innen war es besser. Sie goss sich Kaffee ein und setzte sich an den Küchentisch. Zu früh für einen Anruf von Ed. Er würde sowieso nicht anrufen. Das tat er nie, wenn er nicht in der Stadt war. Es ist ja schön und gut, mit einem Helden und Astronauten verheiratet zu sein, aber es wäre auch gut, gelegentlich einen Ehemann zu Hause zu haben. Die Los Angeles Times lag auf dem Tisch, und sie blätterte darin.

Sie mochte es nicht, alleine daheim zu sein, aber sie wollte auch nirgendwo hingehen. Ed könnte ihr versichern, dass sie vollkommen sicher war, viel sicherer als in Washington, wo sie aufgewachsen war, und sie könnte ihm glauben – aber sie kannte Washington, Los Angeles dagegen war ihr ein Rätsel. Ein Kolumnist aus San Francisco stichelte dauernd, dass Los Angeles unsichtbar wäre.

Dann gab es da den »Hollywood Strangler«, und ein Mann, der angeblich der »Freeway Killer« war, stand wegen der Vergewaltigung und des Mordes an einem Dutzend Jungen vor Gericht. Ein toller Ort, um Kinder großzuziehen. Sie faltete die Zeitung zusammen.

Zeit, den Küchenboden zu bohnern, entschied sie. Ed war es eigentlich egal, aber nächste Woche würde sein vorgesetzter Colonel zum Abendessen kommen, und Colonel McReadys Frau schnüffelte gerne herum. Außerdem war es nicht so schwer, den Boden zu wischen.

Ed würde das nicht gefallen. Nicht jetzt. Sie grinste und blickte auf ihren Bauch hinunter. War kein bisschen zu sehen. Ihr war auch nicht übel, und wären da nicht die übersprungenen Perioden und die Ärzteberichte gewesen, hätte es keinen Grund gegeben zu vermuten, sie wäre schwanger. Ed behandelte sie trotzdem so, als bestünde sie aus Dresdner Porzellan. Er trug den Müll raus, machte alle schweren Arbeiten und machte sich Sorgen, dass er ihr beim Sex wehtat.

Bei diesem Gedanken runzelte sie die Stirn. Ed wurde ganz schnulzig wegen ihrer Schwangerschaft, aber das turnte ihn ab! Vielleicht verliere ich ja in einem Monat oder so das Interesse. Ich hoffe es, so wie er sich benimmt.

Linda goss sich mehr Kaffee ein. Das Telefon klingelte und erschreckte sie dermaßen, dass sie die Tasse fallen ließ. Sie bestand aus Corningware und brach nicht, schlug jedoch laut auf dem Boden auf und verspritzte den Kaffee überallhin.

»Hallo?«

»Linda?«

»Ja?«

»Meine Güte, du bist es wirklich! Hier ist Roger.«

»Oh. Wie geht es dir, Roger?«

»Großartig. Schön, dass du mich nicht vergessen hast.«

»Nein, ich hab dich nicht vergessen.«

Das erste Mal vergisst man nicht, dachte sie. Die erste Liebe, die erste Erfahrung mit Sex, das erste … viele erste Male mit Roger damals in der Highschool und danach. Und was soll ich ihm sagen? Dass er lange nicht angerufen hat, es aber in Ordnung ist, weil ich es nicht wollte? »Roger, woher hast du unsere Nummer?«

»Wir Journalisten haben da unsere Möglichkeiten. He, ich würde dich gerne treffen. Wie wäre es mit einem wirklich ungewöhnlichen Erlebnis?«

Sie kicherte. »Roger, ich bin eine verheiratete Frau.«

»Klar. Glücklich?«

»Ja, natürlich …«

»Gut. Gut für dich und Edmund jedenfalls. Was mir vorschwebt, liegt sowieso auf Eds Linie. JPL. Die Saturn-Begegnung. Die Voyager ist da draußen und macht Bilder, die niemand versteht, und wir können sie aus erster Hand sehen.« Er hielt einen Augenblick inne. »Es ist so. Ich bin hier in Los Angeles wegen der Saturn-Story. Nicht gerade Material für den Pulitzer-Preis, aber ich habe den Auftrag angenommen, um eine Weile aus Washington wegzukommen. Also bin ich hier draußen im Jet Propulsion Laboratory, wo die Bilder reinkommen. Wir kriegen aktuelle Infos von den Wissenschaftlern, hier treiben sich Science-Fiction-Autoren herum, und alles ist eine echt krasse Show. Ich kann dich auf dem Weg hin abholen, du wohnst fast auf der Strecke. Ich bringe dich vor dem Abendessen zurück und verspreche, dass ich nicht versuchen werde, dich zu verführen.«

Und Ed war eine Woche weg. »Klingt verführerisch. Wirklich, aber ich kann nicht.«

»Natürlich kannst du.«

»Roger, meine Schwester ist hier …«

»Na und? Ich bringe dich vor dem Abendessen heim.«

Linda dachte darüber nach. Jenny trieb sich den Tag über irgendwo herum. Bilder vom Saturn. Journalisten. Könnte Spaß machen. »Du hast was von Science-Fiction-Autoren gesagt. Ist Nat Reynolds dort?«

»Ja, glaube schon. Eine Sekunde, es gibt eine Liste … Ja, da ist er. Kennst du ihn?«

»Nein, aber Edmund mag seine Bücher. Ich hab ihm eins zum Geburtstag geschenkt. Glaubst du, ich könnte es signieren lassen?«

»Für die Frau eines Astronauten? Teufel auch, diese Sci-Fi-Typen werden sich darum reißen, dich zu treffen.«

Nat Reynolds hatte einen Kater, und es war viel zu früh, um wach zu sein. Es war ein Wunder, dass er es den Arroyo hinauf, auf den Parkplatz des Jet Propulsion Laboratory und es geschafft hatte, den Porsche in die schmale Lücke zu lenken, die ihm der Wachmann von JPL gezeigt hatte. Eine halbe Meile weit parkten Autos entlang der Straße, die zu der Stelle führte, wo das JPL in dem einst einsamen Arroyo eingebettet war.

Die Straße unmittelbar vor dem Pressezentrum war von Übertragungswagen beinahe versperrt, und ein dickes Netz aus Kabeln überspannte den Bürgersteig und verschwand in den offenen Einbautüren. Das Pressekorps war schlagkräftig aufgefahren und brachte beinahe so viele Kameras und Mitarbeiter mit wie zu einem Tatort, an dem gerade ein Banküberfall im Gange war.

Das Van-Karman-Auditorium war ein Irrenhaus. Auf fast jedem Quadratzentimeter stand jemand: Wissenschaftler, Öffentlichkeitsarbeiter, Pressekorpsmitarbeiter, von denen die meisten Kaffeetassen in der Hand hielten oder wuchtige Gegenstände hielten.

Das Pressekorps war geteilt. Es gab die arbeitenden Journalisten und die Science-Fiction-Autoren, und es bestand kein Zweifel daran, wer nun wer war. Die Presseleute waren da, um zu arbeiten. Manche amüsierten sich, aber alle hatten Fristen. Die SF-Typen waren dort, um zu glotzen, Teil der Szene zu sein und die Atmosphäre in sich aufzunehmen, und vielleicht würde eines Tages eine Geschichte daraus entstehen oder auch nicht. Ihre Welt wurde geschaffen, und sie waren hier, um zuzusehen, wie sie entstand.

Das ist der Saturn!

Große Fernsehbildschirme zeigten Bilder, als sie vor die Voyager kamen. Alle paar Minuten wechselte die Ansicht. Ein nahes Bild des Planeten, schwarz-weiße Strömungslinien und Wirbel. Ringe, Hunderte von ihnen, wie in einer Nahaufnahme einer Schallplatte. Wieder der Saturn, in Farbe, mit seinen Ringen in einem weiten Winkel. Abschnitte der Ringe Großaufnahme. Schnappschüsse der Monde. All das kam gerade herein, sodass die Presseleute es gleichzeitig mit den Wissenschaftlern sahen.

Beim Vorbeiflug am Jupiter waren die Bilder schneller gekommen, in lebhaften Wirbeln und endlosen Stürmen, Gott, der sich mit einem Luftpinsel amüsierte, und vier Monde, die sich als ganz eigene Welten herausstellten. Zum Ausgleich aber sahen sie schon bald den Titan, von dem bekannt war, dass er eine Atmosphäre besaß. Sagan und die anderen Wissenschaftler sagten nicht, dass sie Hoffnung hatten, auf dem Titan Leben zu finden – aber sie waren mit Sicherheit an dem Riesenmond interessiert, der bisher enttäuschend nichtssagend gewesen war.

Die Anzeige veränderte sich, und einen Moment lang versiegte das Gemurmel im Raum. Ein Mond wie ein riesiger Augapfel: ein gigantischer Krater mit den Proportionen einer Iris, mit einem mittig gelegenen Gipfel als Pupille. Etwas Größeres, dachte Nat, hätte den gesamten Mond in Stücke gerissen. Er hörte eine weibliche Stimme sagen: »Tja, wir haben den Todesstern lokalisiert«, und er grinste, ohne sich umzudrehen.

Was denken die Nachrichtenleute wohl über uns? Er konnte sich ausmalen, wie er aussah: das idiotische Grinsen, den Mund leicht geöffnet, wie er die Reihen der Bildschirme entlangging, ohne zu gucken, wo er hintrat, und über die Kabel stolperte … Nat war es ziemlich egal. Ein Bildschirm schaltete um und zeigte etwas wie ein trockenes Flussbett oder drei verflochtene Rauchfahnen oder … F-Ring stand auf dem Ausdruck. Nat sagte: »Was zur Hölle …«

»Das wüsstest du, wenn du gestern Nacht hier gewesen wärst.«

»Muss ja ein bisschen Schlaf kriegen.« Nat musste sich nicht umdrehen. Mit Wade Curtis hatte er zwei Bücher geschrieben und erwartete, dass er diese Stimme in der Hölle wiedererkennen würde, wenn sie ihren Ausbruch planten. Wade Curtis sprach, als hätte er einen hochgedrehten Verstärker in der Kehle. Das lag zum einen an seiner Militärausbildung und zum anderen an seiner Taubheit, die er sich als Artillerieoffizier zugezogen hatte.

Er neigte auch dazu, Vorträge zu halten. »F-Ring«, sagte er. »Du weißt schon: wie A-, B-, C-Ringe, nur dass sie nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung benannt werden, nicht nach dem Abstand vom Planeten, also ist das gesamte System durcheinander. Der F-Ring ist derjenige knapp außerhalb der großen Ansammlung von Ringen. Er ist dünn. Niemand hat ihn bemerkt, bis die Weltraumsonden rausgeflogen sind, und sogar da bekam die Pioneer kein besonders gutes Bild.«

Nat hob die Hand. Ich weiß, ich weiß, besagte die Geste. Curtis zuckte die Achseln und wurde still.

Der F-Ring sah aber nicht gewöhnlich aus. Er zeigte sich als drei verknotete Luftschlangen aus Gas, Staub oder weiß Gott was, die miteinander verflochten waren. »Verflochten«, sagte Nat. »Wie kommt das?«

»Wollte keiner der Astronomen sagen.«

»Okay, ich kann verstehen, warum. Wenn man bei mir einen Fehler findet, kann ich das abtun. Ein Wissenschaftler setzt seine Karriere aufs Spiel.«

»Klar. Nun, ich keine kein physikalisches Gesetz, das so etwas zulassen würde!«

Nat auch nicht. Er fragte: »Was ist los? Hast du noch nie drei Regenwürmern beim Liebesspiel zugesehen?«, und akzeptierte Wades anerkennendes Kichern als Gegenleistung. »Ich hätte Angst, darüber zu schreiben. Jemand hat es bestimmt erklärt, bevor ich die Geschichte in den Druck kriege.«

Die Pressekonferenz würde gleich beginnen. Die Kameramannschaft von JPL machte die Geräte bereit, um die Pressekonferenz über das gesamte Laborgelände zu übertragen, und eine der Damen der Öffentlichkeitsarbeit ging durch den Konferenzsaal und schaltete die Bildschirme ab.

»Hm. Da kommt immer noch interessantes Zeug rein«, sagte Curtis. »Und es gibt keine Plätze mehr. Ich hatte ein paar, hab sie aber der Washington Post gegeben. Und auch in vorderster Reihe.«

»Dumm gelaufen«, sagte Nat. »Ach, zum Teufel, schauen wir uns die Konferenz beim Empfang an. Jilly ist schon draußen.«

Am Morgen des 12. November 1980 war der Presseraum des Jet Propulsion Laboratory ein einziges Gewirr aus Videoausrüstung und stoßenden Ellenbogen. Roger und Linda waren früh da gewesen, aber nicht früh genug, um Plätze zu bekommen. Ein Science-Fiction-Autor in einer Buschjacke gab ihnen seinen Platz, den zweiten von rechts in der vordersten Reihe.

»Sicher, dass das in Ordnung ist?«, fragte Roger.

Der Sci-Fi-Schreiber zuckte die Achseln. »Sie brauchen den Platz eher als ich. Sagen Sie dem Kongress einfach, dass das Weltraumprogramm wichtig ist, mehr verlange ich nicht.«

Roger dankte dem Mann und setzte sich. Linda Gillespie steckte neben dem lebensgroßen Modell des Raumfahrzeugs fest und wehrte einen weiteren Reporter ab, der versuchte, sie zu interviewen: Wie es sich angefühlt habe, auf der Erde zurückgelassen zu werden, während ihr Ehemann an Bord von Skylab sei.

Sie sah großartig aus. Er hatte sie nicht mehr gesehen seit … seit wann? Nur zweimal, seit sie Edmund geheiratet hatte. Und natürlich war er bei ihrer Hochzeit dabei gewesen. Lindas Mutter hatte geweint. Hätte selbst fast geweint, verdammt!, dachte Roger. Wie ist es gekommen, dass ich sie nicht mehr auf dem Schirm hatte? Aber ich war ja nicht bereit, sie selbst zu heiraten. Vielleicht hätte ich es tun sollen …

Und vielleicht bin ich einfach weich geworden wegen der Dinge, die vor vier Jahren passiert sind. Es ist einfach, sich an die guten Zeiten zu erinnern. Sich unbehaglich fühlend, rutschte er hin und her. Die Zeiten waren gut gewesen. Er betrachtete sie aus den Augenwinkeln, aber sie blickte auf das Modell. Es war ohnehin am besten, wenn er die Sache vergaß.

Das Problem war, dass er keine Story bekam, die er verstehen konnte. Die Leute waren aufgeregt, sagten aber nicht, warum. Die üblichen Wissenschaftsjournalisten erzählten nichts. Sie alle kannten einander, und bei Großereignissen wie diesem hatten sie ungern Außenstehende dabei.

Roger kritzelte vor sich hin, blickte auf, als jemand einen Gruß rief, und hoffte, dass niemand seine Aufmerksamkeit wollte. Er hatte nicht um diesen Auftrag gebeten.

Er hörte: »Hast du noch nie drei Regenwürmern beim Liebesspiel zugesehen?«, und blickte in die Richtung. Eine Gruppe aus Science-Fiction-Autoren stand unter einem Bildschirm, der … ja, drei Regenwürmer beim Liebesspiel zeigte oder ein schlechtes Foto von Spaghetti, die ungegessen auf einem Teller lagen, oder einfach Störungen. Er schrieb: »F-Ring: drei verliebte Regenwürmer«, und klopfte Linda auf die Schulter. »Linda? Kannst du mir den Platz freihalten?«

»Wo gehst du hin?«

»Vielleicht kriege ich was aus den Science-Fiction-Schreibern raus.« Niemand sonst versuchte es – möglich, dass er dadurch einen neuen Ansatz bekam. Wenigstens redeten sie Englisch.

»Sieht aus, als wenn’s gleich losgeht.«

Frank Bristow, der Leiter der Nachrichtenabteilung bei JPL, hatte seinen Platz am Podium eingenommen. Roger war ihm kurz begegnet, als er sich eingetragen hatte. Die regulären Mitglieder des Pressekorps schienen ihn ebenso zu kennen wie einander. Roger kannte niemanden.

Bristow würde gleich seine Eröffnungsrede halten. Der Voyager-Projektmanager und vier Astrophysiker nahmen ihre Plätze an einem erhöht stehenden Tisch ein. Brooks setzte sich wieder. Er wünschte, er wäre woanders.

Roger Brooks ging auf die dreißig zu, und es gefiel ihm nicht. Es gab Versuchungen in seinem Job: zu viel Futter und Alk gratis. Er achtete darauf, seinen Muskeltonus beizubehalten, wenn auch nicht seinen Lebensstil. Sein glattes, blondes Haar fing an auszudünnen, und das machte ihm ein wenig Sorgen, aber sein Kinn war immer noch wie gemeißelt und ohne die Aufweichung, die er bei seinen Freunden sah. Er hatte vor drei Jahren das Rauchen aufgegeben, von jetzt auf gleich, und litt nun unter schrecklichen Entzugserscheinungen. Seine Zähne waren wieder weiß, aber die Narben zwischen dem Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand würden niemals verschwinden. In einer Nacht in Vietnam war er betrunken gewesen, und eine Zigarette hatte sich dort eingebrannt.

Roger Brooks war gerade alt genug gewesen, um die letzten hektischen Tage in Vietnam mitzuerleben, aber er war zu spät dran gewesen, um irgendetwas Saftiges zu kriegen. Er hatte Watergate verpasst: Seine Vermutungen waren richtig gewesen, er aber zu grün hinter den Ohren, um ihnen nachzugehen. Andere Journalisten bekamen ihre Pulitzer-Preise.

Danach hatte sich etwas in ihm verändert. Es war, als läge irgendwo ein Geheimnis, das ihn lockte. Kleine Aufträge interessierten ihn kaum.

»Er hat schon eine Chance verpasst, von Robert Redford gespielt zu werden«, hatte er eine seiner Damen sagen hören. »Er wird keine weitere verpassen.«

Dies hier war ein kleiner Auftrag. Er fragte sich, ob er ihn hätte annehmen sollen, selbst für die Möglichkeit, nach Kalifornien zu kommen, auch wenn die Hälfte der Mitarbeiter der Washingtoner Nachrichtenagenturen für diese Chance sich ein Bein ausgerissen hätte. Aber niemand hier hütete irgendwelche Geheimnisse. Was auch immer Voyager 1 ihnen zeigte, sie würden es in die Welt hinausschreien und bis zum Mond, wenn sie könnten. Der Trick war, sie zu verstehen.

Vielleicht keine großartige Story, aber der Trip war es wert. Sein Blick fiel auf Linda und er dachte: Definitiv den Trip wert. Er rutschte unbehaglich hin und her, als die alten Erinnerungen zurückkamen. Sie waren so unerfahren gewesen! Aber sie hatten dazugelernt, und kein Sex war jemals wieder so gut gewesen wie die Erinnerung an das letzte Mal mit Linda. Möglicherweise hatte er die Erinnerung angepasst. Möglicherweise nicht. Ich muss aufhören, darüber nachzudenken! Das fällt auf … Zur Hölle, worüber soll ich denn schreiben?

Eine weitere Gruppe sammelte sich unter dem originalgetreuen Modell des Voyager-Raumschiffs. Das mussten Wissenschaftler sein, denn die meisten waren Männer und alle trugen Anzug. Ein paar Science-Fiction-Autoren standen bei ihnen, eher wie Kollegen als Presse. Kein Journalist tat so etwas. Wäre das ein interessanter Ansatz? Die Sci-Fi-Leute taten nicht so, als wären sie neutral. Sie waren Enthusiasten, und es war ihnen egal, wer davon wusste, während die Reporter versuchten, die selbstgefällige Aura der Unbefangenheit auszustrahlen.

Die Besprechung begann. Der Programmdirektor sprach über das Raumschiff. Details der Mission, das Raumfahrzeug machte seine Sache gut. Ein paar Daten verloren gegangen, weil es in Spanien regnete, wo die Hochleistungsantennen standen … War das ein Witz? Nein, niemand lachte.

»Drei Milliarden Meilen weit weg, und sie bekommen Bilder rein«, sagte jemand rechts von ihm. Eine hübsche junge Frau: lange Beine, schmale Knöchel, kurz geschnittene Haare. Auf dem Namensschild stand Jeri Wilson von irgendeinem Geologie-Magazin. Ehering, aber das musste nichts bedeuten. Konnte sein, dass sie den Rest der Woche hier war. Sie schien allein zu sein.

Die Missionsplaner verließen das Podium, woraufhin die Wissenschaftler, Brad Smith und Ed Stone und Carl Sagan, nach oben gingen, um zu berichten, was sie darüber dachten, was sie gerade erfuhren. Roger hörte zu und versuchte, sich eine interessante Frage auszudenken. In solchen Situationen war es das Wichtigste, sich für spätere Bezugnahme bemerkbar zu machen, und dann zu versuchen, ein Exklusivinterview zu bekommen. Er notierte sich ein paar nützliche Sätze:

»Neue Monde werden schon bald sehr langweilig.«

»Nicht Dutzende Ringe. Hunderte. Wir zählen noch.« Lange Pause. »Manche sind exzentrisch.«

»Was heißt das?«, flüsterte jemand.

Der Sci-Fi-Kollege in der khakifarbenen Buschjacke antwortete mit einem Tonfall, den er wahrscheinlich für ein Flüstern hielt. »Die Ringe sollten vollkommene Kreise sein, mit dem Saturn im Zentrum. Alle Theorien besagen, dass sie es sein müssen. Jetzt haben sie welche gefunden, die keine Kreise sind, sondern Ellipsen.«

Andere Wissenschaftler sprachen:

»… Könnte der größte Krater im Sonnensystem im Verhältnis zu dem Himmelskörper sein, auf dem er liegt …«

»Es gibt keinen Janus. Wo wir dachten, wo Janus ist, gibt es zwei Monde. Sie teilen sich dieselbe Umlaufbahn, und bei jedem Vorbeiflug tauschen sie den Platz. Das ist eine Prüfungsfrage wie aus dem Lehrbuch für Himmelsmechanik. Es ist nur so, dass wir so etwas niemals im echten Universum gefunden haben …«

Brooks notierte sich die Details dazu: Das war definitiv eine Erwähnung wert. Janus war der Mond, der nach dem zweigesichtigen Gott der Anfänge benannt war!

Das flüsterte er Linda zu und erntete ein zustimmendes Nicken. Die Wilson-Frau schrieb auch etwas auf.

»Die Radialspeichen in den Ringen scheinen von winzigen Partikeln herzurühren, die ungefähr die Größe einer Wellenlänge des Lichts haben. Außerdem scheint der Prozess über den Ringen vor sich zu gehen, nicht in ihnen.« Radialspeichen in den Ringen! Sie müssten auftauchen, während die Ringe sich drehten, denn die inneren Ringe bewegten sich schneller als die äußeren. Seltsame Neuigkeiten von überall im Saturn-System. Manche von Brooks’ Kollegen würden die Erklärungen verstehen, wenn diese denn kamen …

Trotzdem bot die Pressekonferenz mehr, als Brooks erwartet hatte. Er hatte bereits Wissenschaftler interviewt. Der Mangel an Antworten war das Interessante hieran.

»Wir haben keine Ahnung, was das bedeutet.«

»Wir können noch keine Aussage treffen.«

»Je mehr wir durch Voyager erfahren, desto weniger wissen wir über Ringe.«

»Wenn wir die Zahlen ein bisschen drehen, können wir ziemlich gut erklären, warum die Cassinische Teilung so viel größer ist, als sie sein sollte.« Dramatische Pause. »Natürlich erklärt das nicht, warum sich darin fünf undeutliche Ringe befinden!«

»Wenn ich eine Liste von den Dingen machen müsste, die wir nicht zu sehen erwarten, dann stünden exzentrischen Ringe ganz oben.«

»Brad, was ist mit geflochtenen Ringen?«

»Die würden weit über dem Papier stehen.«

Alle Anwesenden sahen glücklich aus, wie Brooks bemerkte. Hier ging etwas Amüsantes vor. Wenn Brooks nicht den Hintergrund hatte, es zu genießen, wer dann?

Ein Journalist fragte: »Haben Sie noch mehr über die Radialspeichen? Ich dachte, die würden gegen die Gesetze der Physik verstoßen?«

David Morrison aus Hawaii antwortete: »Ich bin sicher, dass die Ringe alles richtig machen. Wir verstehen es nur noch nicht.« Brooks schrieb es auf.

»Wo ich sein will«, sagte Roger, »ist in einem Hotelzimmer mit dir.« Sie machten einen Spaziergang über das Gelände: Rasen, Springbrunnen, vage orientalisch anmutende Steingärten, eine Brücke, alles sehr hübsch.

»Das ist Jahre her«, sagte Linda. »Und das alles ist vorbei.«

»Sicher?«

»Ja, Roger, ich bin sicher. Jetzt sei brav. Du hast es versprochen. Ich will nicht, dass es mir leidtut, dass ich mit dir mitgegangen bin.«

»Nein, natürlich wird es das nicht«, sagte Roger. »Es ist wirklich schön, dich wiederzusehen. Und ich bin froh, dass du mit Edmund glücklich bist.«

Bist du das?, fragte sich Linda. Und bin ich es? Natürlich bin ich es. Ich bin sehr glücklich mit Edmund. Nur wenn er weggeht und es mir überlässt, mich um alles zu kümmern, und ich die ganze Zeit alleine bin und diese gottverdammten romantische Parfumwerbungen und so was sehe, dass ich wegen Major Edmund Gillespie unglücklich werde. Ich frage mich, ob die Feministinnen uns damit einen Gefallen getan haben, dass wir zugeben können, dass wir ebenso geil werden wie Männer.

Sie grinste breit.

»Was?«, wollte Roger wissen.

»Nichts.« Nichts, was ich dir erzählen würde. Aber es ist gut zu wissen, dass ich etwas Gesellschaft haben könnte, wenn ich wollte …

Das Mittagessen fand in der Cafeteria des JPL statt. Roger und Linda wurden an den Tisch der Science-Fiction-Autoren eingeladen, aber die Schriftsteller wussten auch nicht mehr als Roger. Sie amüsierten sich damit, keine Ahnung zu haben.

Jemand schob einen Cartoon über den Tisch. Er zeigte, wie entweder der Todesstern aus Star Wars oder der Saturn-Mond Mimas auf einer Seite hing, mit dem riesigen Saturn im Hintergrund. Im Vordergrund benutzte ein Raumfahrzeug seine mechanischen Arme, um in den F-Ring zu einem Zopf zu flechten. Die Bildunterschrift lautete: »Sie haben einen üblen Sinn für Humor, Darth Vader.«

Ein weiterer Autor blickte auf und gähnte. »Ach, nur ein weiteres, gottverdammt spektakuläres Bild vom Saturn.« Das brachte ihm anerkennendes Gelächter ein. Aber niemand wusste etwas, was das Mittagessen zu einer frustrierenden Angelegenheit machte. Der Saturn hatte vielleicht seine Geheimnisse, aber er verriet sie nicht, und die Schriftsteller konnten sich keinen logischen Reim auf die merkwürdigen Bilder machen.

Als das Mittagessen halb herum war, rief Linda jemanden. »Wes. Wir haben nicht erwartet, dich hier zu sehen …«

Er war ein schlanker, athletischer Mann, der eine ausgeblichene Baseballmütze trug. Linda stellte ihn den Anwesenden am Tisch vor. »Wes hat Carlotta geheiratet«, sagte sie zu Roger. »Du erinnerst dich doch an Carlotta. In der Schule war sie meine beste Freundin …«

»Sicher doch«, sagte Roger. »Wie geht es Ihnen?«

Einer der Autoren sah nachdenklich drein. »Wes Dawson … Sie kandidieren für Craig Hosmers alten Sitz.«

»Richtig.«

»Wes war immer für das Weltraumprogramm«, sagte Linda. »Vielleicht wollt ihr ihm ja eure Stimme geben …«

»Nicht unser Bezirk«, sagte Wade Curtis. »Wir wohnen nördlich von hier. Aber möglicherweise können wir helfen. Wir sind immer an Leuten interessiert, die Weltraumreisen vorantreiben.«

Als sie zum Haus zurückkamen, war es später Nachmittag. Roger parkte in der Einfahrt.

»Du kannst auch reinkommen und Jenny Hallo sagen«, sagte Linda. »Erinnerst du dich an sie?«

»Na klar erinnere ich mich an die Göre. Ich musste sie bestechen, damit sie uns alleine lässt …«

»Na ja, sie ist etwas erwachsener geworden.« Linda führte ihn zum Haus und schloss die Tür auf. Im Inneren war es ungewöhnlich still. Sie ging in die Küche und fand einen Zettel, der mit einem tomatenförmigen Magneten am Kühlschrank haftete. Roger stand hinter ihr und blickte über ihre Schulter, während sie den Zettel las.

Schwesterchen: Musste runter nach San Diego. Strandparty. Charlene ist bei mir. Bin morgen zurück. Jenny.

Linda runzelte wegen der Nachricht die Stirn.

»Strandparty?«, fragte Roger.

»Sie ist Studienanfängerin an der Long Beach State. Anthropologie. Hat sich aber stark aufs Sporttauchen verlegt. Ihr derzeitiger Freund ist an der Scripps.« Linda schüttelte entgeistert den Kopf. »Mutter wird mich umbringen, wenn sie erfährt, dass ich sie zu einer Party gelassen haben, die die ganze Nacht dauert.«

Roger schüttelte den Kopf. »Die Göre geht aufs College? Mensch, Linda, sie kann doch nicht älter sein als … was, fünfzehn?«

»Siebzehn.«

Roger seufzte. »Sieht aus, als wäre es länger her, als ich dachte.«

»Ja, stimmt. Möchtest du Kaffee?«

»Sicher.«

Sie holte die Filter heraus und setzte Wasser auf. Roger hatte nichts gesagt, hatte nichts getan, aber sie spürte die Schwingungen. Hatte Jenny das geplant? Aber nein, sie wusste nicht, dass Roger in der Stadt war, und wenn, wäre sie nicht gegangen. Sie hatte Roger immer gemocht, aber sie mochte Edmund noch mehr.

Nein, Jenny hätte es nicht absichtlich so eingerichtet, dass Linda mit einem Verflossenen alleine war …

Es war lange her, aber sie erinnerte sich an jede Kleinigkeit. Eine verwöhnte Studienanfängerin an der Georgetown University ging mit einem Reporter der Washington Post aus. Sie hatte es geplant: ein gemeinsames Wochenende in der Hütte ihrer Eltern in den Appalachen. Es war Sommer gewesen und niemand gerade dort. Das Wetter in den Bergen war perfekt gewesen. Sie hatten einen wohligen Schauer der Vorfreude verspürt, während sie den gewundenen Highway hinaufgefahren waren. Das hatte sie seitdem nicht mehr gefühlt.

Edmund war anders. Edmund war auch älter und glanzvoller. Kampfpilot. Astronaut. Alles, was ein Held sein sollte. Alles, nur kein guter Liebhaber … Das ist nicht fair, überhaupt nicht fair.

Als sie Edmund kennenlernte, war Vorfreude da gewesen. Sie hielt durch das gesamte Liebeswerben hindurch – und starb in der Hochzeitsnacht.

Ich habe das alles vergessen, aber jetzt fühle ich es. Genau wie damals. Aber …

Die Kaffeemaschine war bestückt, und es gab keinen Grund, ihr länger zuzuschauen. Roger stand ganz nahe bei ihr. Sie musste nicht weit gehen, damit er sie umarmte.

TEIL I

Die Einzelgänger

– 1 –

ENTDECKUNG

»Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, so unwahrscheinlich es auch ist, die Wahrheit sein.«

– Sherlock Holmes in Das Zeichen der Vier

COUNTDOWN: H MINUS SECHS WOCHEN

Der üppige tropische Bewuchs der Kana-Küste endete abrupt. Plötzlich verschwanden die Ranken der Passionsblumen und Palmen, und Jenny fuhr durch karge Lavafelder. »Sieht aus wie die Rückseite des Mondes«, sagte sie.

Ihr Begleiter nickte und deutete auf die Abhänge zu ihrer Rechten. »Mauna Loa. Man sagt, es bringt Unglück, wenn man etwas von der Lava mit nach Hause nimmt.«

»Wer sagt das?«

»Die Alten Hawaiianer, natürlich. Aber auch überraschend viele Touristen. Sie nehmen das Zeug mit heim und schicken es später per Post zurück.« Er zuckte die Achseln. »Unglück oder nicht, soweit man weiß, hat sie – für die Alten war Mauna Loa immer eine sie –, hat sie noch niemanden umgebracht.«

Geübt schaltete Captain Jeanette Crichton den geliehenen TR-7 herunter, als die Straße ihren steilen Aufstieg begann. Das Gelände war trügerisch. Vom Strand aus wirkten die Berge wie sanfte Anhöhen, bis man versuchte, sie hinaufzusteigen. Dann erst bemerkte man, wie hoch die Zwillingsvulkane eigentlich waren. Mauna Kea erhob sich fast 14.000 Fuß über den Meeresspiegel – und tauchte 20.000 Fuß tief bis zum Meeresgrund, sodass der Berg insgesamt größer war als der Everest.

»An der nächsten echten Straße biegst du links ab«, sagte Richard Owen. »Da ist ein Weg. Was dagegen, wenn ich etwas döse? Ist gestern Nacht spät geworden.«

»Von mir aus«, sagte sie. Sie fuhr weiter.

Nicht sehr schmeichelhaft, dachte sie. Holt mich in Kona ab, bringt mich dazu, ihn den Vulkan raufzufahren, und schläft ein. Romantisch …

Sie strich mit den Fingern durch ihr schulterlanges Haar. Es war dunkelbraun mit rötlichen Spuren und konnte im Moment nicht sehr anziehend sein, denn es war immer noch feucht, seit sie heute Morgen schwimmen gegangen war. Sie war auch nicht sehr braun geworden. Manchmal liefen ihre Sommersprossen zusammen und gaben den Anschein von Sonnenbräune, aber dafür war es noch zu früh im Frühling. Feuchte Haare, keine Bräune. Nicht wirklich das gängige Bild eines Mädchens aus Kalifornien.

Ihr Figur war ganz passabel, wenn auch etwas athletisch: Die Army ermutigte ihre Offiziere, vier Meilen pro Tag zu laufen, und das tat sie auch, obwohl sie das Erfordernis ignorieren konnte, wenn sie wollte. Der mittellange Rock und das T-Shirt brachten sie ziemlich gut zur Geltung. Trotzdem konnte es nicht ihr Aussehen sein, was sie für diesen Astronomen so attraktiv machte, nicht so sehr, wie sie von seinem Erscheinungsbild überwältigt war. Ganz gleich, vorhin hatte es schon gefunkt. Jetzt war das Gefühl fast weg.

Er war die ganze Nacht auf, dachte sie. Und heute Nacht wieder. Lass ihn schlafen. Damit sollte er in Schwung kommen. Weiß Gott, wie es bei mir wäre, wenn ich einen Zeitplan wie ein Vampir hätte.

Sie fuhren durch die sich abwechselnden Streifen aus Grasland und Lavafeldern. In unregelmäßigen Abständen hatte jemand grobe Haufen aus Lavagestein aufgeschichtet. Drei oder vier aufgestapelte Steine, jeder kleiner als der darunter, wobei der unterste vielleicht zwei Fuß durchmaß: Man hatte ihr gesagt, dies seien religiöse Gaben durch die Alten Hawaiianer. Wenn ja, dann konnten sie nicht sehr alt sein. Der Mauna Loa brach recht häufig aus, und im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts war dieses Feld bestimmt mehrfach überflutet worden.

An der Kreuzung bog sie nach links ab, und der Weg wurde noch steiler. Der TR-7 hatte alle Mühe beim Aufstieg. Hier gab es weniger frische Lavafelder. Jetzt fuhren sie an der Seite des Mauna Kea entlang. »Sie« sollte eigentlich durchgehend inaktiv sein.

Sie fuhren über endlose Meilen Viehzuchtgelände, das König Kamehameha einem britischen Seemann geschenkt hatte, der zum Freund des Königs geworden war.

Richard Owen wachte auf, als sie gerade die »vorläufige« astronomische Basisstation aus Holz erreichten. »Wir machen hier eine Pause«, sagte er. »Essen was zu Mittag.«

Viel gab es dort nicht. Eine lange, einstöckige Holzkaserne in einem Meer aus Lava und Matsch, dazu ein paar wuchernde Bäume, die versuchten, im Lavafeld zu überleben. Sie parkte neben mehreren GMC-Jimmy-Allradfahrzeugen.

»Wir könnten weiter rauffahren«, sagte sie. »Ich brauch wirklich kein Mittagessen …«

»Vorschriften. Akklimatisierung. Ganz oben sind es fast 14.000 Fuß. Ziemlich dünne Luft. Dünn genug hier auf zehntausend. Ist nicht einfach, irgendetwas zu tun, einschließlich gehen, bis man sich daran gewöhnt.«

Als sie die Kaserne aus Holzschindeln erreichten, war sie bereit, ihm zuzustimmen.

Auf dem Rand des Vulkans standen mehr als ein Dutzend Observatorien. Richard parkte den Jimmy vor dem NASA-Gebäude. Es sah aus wie ein Observatorium aus einem Bugs-Bunny-Trickfilm: ein quadratischer Betonbau unter einer glänzenden Metallkuppel.

»Kann ich durch das Teleskop schauen?«, fragte sie.

Er lachte nicht. Er hatte diese Frage womöglich schon zu oft beantwortet. »Niemand schaut mehr durch Teleskope. Wir machen einfach nur Bilder.« Er führte sie hinein, durch Korridore mit nackten Wänden und eine Eisentreppe hinunter in einen Aufenthaltsraum, der mit Bürotischen und -stühlen aus verchromten Stahl ausgestattet war.

Eine Frau war im Aufenthaltsraum. Sie war ungefähr in Jeanettes Alter, und sie wäre hübsch, wenn sie ihr Gesicht waschen und etwas Lippenstift auftragen würde. Sie runzelte stark die Stirn, während sie Kaffee trank.

»Mary Alice«, sagte Owen, »das hier ist Jeanette Crichton. Captain Crichton, Army Intelligence. Keine Spionin, sie sammelt Fotos und dergleichen. Dr. Mary Alice Mouton. Sie ist Spezialistin für Asteroiden.«

»Hi!«, sagte Mary Alice. Sie runzelte weiter die Stirn.

»Problem?«, fragte Owen.

»Irgendwie.« Sie schien Jeanette überhaupt nicht zu bemerken. »Rick, ich möchte, dass du dir das hier mal ansiehst …«

»Sicher.«

Dr. Mouton ging vor, und Rick Owen folgte ihr. Jeanette schüttelte den Kopf und schloss sich ihnen an; sie gingen durch einen weiteren Korridor und eine Treppe hinauf, vorbei an einem unaufgeräumten Computerraum.

Alle irre, dachte sie. Aber was hab ich denn erwartet?

Sie hatte überhaupt nicht gewusst, was sie erwarten sollte. Dies war ihre erste Reise nach Hawaii, und die verdankte sie der Versammlung einer Technikervereinigung, von der sie eingeladen worden war, einen Vortrag über Satellitenbeobachtung zu halten. Diese Konferenz war vorbei, und sie nahm sich ein paar Tage frei, schwamm über die Riffe von Big Island und genoss die Sonne. Sie kannte niemanden auf Hawaii, und es war ziemlich öde gewesen. Jeanette überlegte, Linda und Edmund zu besuchen, bevor sie nach Fort Bragg zurückkehrte.

Dann hatte Richard Owen sie beim Riff getroffen. Nach dem Schwimmen hatten sie gefrühstückt, und er hatte sie eingeladen, mit nach oben zum Observatorium zu kommen. Sie hatte einen Schlafsack mitgebracht; sie wusste nicht, ob Owen erwartete, ihn mit ihr zu teilen, aber nach den Kleinigkeiten, die er beim Mittagessen und nach dem Mittagessen auf der Fahrt nach oben gesagt hatte, war sie ziemlich sicher, dass er das Angebot machen würde. Sie versuchte die ganze Zeit zu entscheiden, was sie tun sollte, wenn er es anbot.

Jetzt war es so, als wäre sie überhaupt nicht da.

Sie folgte ihnen in einen kleinen, unaufgeräumten Raum. In einer Ecke stand ein großer Beobachtungsbildschirm. Dr. Mouton machte etwas an der Bedienung, und ein Sternenfeld blinkte auf und verschwand wieder; währenddessen schien ein Stern hin- und herzuspringen.

»Neuer Asteroid?«, fragte Owen.

»Das dachte ich auch«, sagte Dr. Mouton. »Außer … Sieh dir das an, Rick. Und mach dir Gedanken darüber, was du siehst.«

Er starrte auf den Bildschirm. Jeanette ging näher heran. Sie konnte nichts Ungewöhnliches erkennen. Man nimmt in zwei unterschiedlichen Nächten ein Bild auf und macht einen Blinkvergleich. Die normalen Sterne bewegen sich nur unmerklich, aber alles, was sich vor dem Hintergrund der »festen Sterne«, wie ein Planet oder ein Asteroid, bewegt, befindet sich auf zwei verschiedenen Fotos an zwei verschiedenen Stellen. Hin- und herwechseln zwischen den beiden Platten: Es würde so aussehen, als würde der »bewegliche« Himmelskörper hin- und herspringen. So hatte Clyde Tombaugh den Pluto entdeckt.

Es war außerdem die übliche Fotoerkundungstechnik, um zu prüfen, was sich im Intervall zwischen zwei Satellitenaufnahmen verändert hatte.

»Wo ist das Problem?«, fragte Owen.

»Es bewegt sich zu schnell während der Intervalle.«

»Es ist nahe dran …«

»Nicht so nahe«, sagte sie. »Ich habe die Platten von vor ein paar Wochen. Rick, ich musste es fast Nacht für Nacht nachverfolgen, verdammt, so schnell, wie es sich bewegt! Es befindet sich in einem hyperbolischen Orbit.«

»Komm schon, das kann nicht sein!«

»Ist es aber«, sagte Dr. Mouton.

»Entschuldigung«, sagte Jeanette. Beide drehten sich zu ihr um. Sie hatten offensichtlich vergessen, dass sie da war. »Was ist ein hyperbolischer Orbit?«

»Schnell«, antwortete Owen. »Bewegt sich zu schnell für die Anziehungskraft der Sonne. Objekte in einem hyperbolischen Orbit können auch ganz aus dem Sonnensystem hinausfliegen.«

Sie runzelte die Stirn. »Wie kann sich etwas so schnell bewegen?«

»Große Planeten können dafür sorgen«, sagte Richard. »Die Umlaufbahn stören …«

»Es wird angetrieben«, sagte Mary Alice Mouton.

»Ach, hört doch auf!«

»Ich weiß, dass es dämlich klingt, aber es ist die einzige Erklärung, die ich mir vorstellen kann. Rick, ich habe das Ding wochenlang zurückverfolgt, und für den Großteil der Strecke hat es entschleunigt.«

»Aber …«

»Jupiter kann das nicht. Nichts kann das.«

»Nein, natürlich hat es … Mary Alice?«

»Die Computeraufzeichnung passt perfekt, wenn man von einem angetriebenen Raumfahrzeug ausgeht.« Dr. Moutons Stimme hatte einen flachen, trockenen Tonfall angenommen. »Und alles andere ergibt keinen Sinn.«

Eine Stunde später. Zwei weitere Astronomen waren hereingekommen, hatten sich die Platten angesehen und waren kopfschüttelnd wieder gegangen. Einer hatte darauf bestanden, dass die frühen Platten, was sie auch sonst noch fanden, authentisch waren: Er hatte sie selber aufgenommen. Der andere hatte nicht einmal zugegeben, dass er irgendetwas gesehen hatte.

Owen rief über das Telefon in Arizona an. »Laura? Rick Owen. Wir haben hier etwas Komisches entdeckt. Haben Ihre Leute in den letzten Wochen zufällig Bilder gemacht, die den Bereich südlich vom Löwen zeigen?« Er las eine Reihe von Koordinaten vor und wartete einige Augenblicke.

»Gut! Schon angesehen? Könnten Sie sie sich bitte ansehen? Ja, jetzt. Ich weiß, dass es gerade nicht passt, aber glauben Sie mir, es ist wichtig.«

»Sie glauben doch nicht wirklich, dass das ein angetriebenes Schiff ist, oder?«, fragte Jeanette.

Mary Alice betrachtete sie mit einem gehetzten Blick. »Ich habe alles andere durchprobiert, und nichts anderes passt zu den Daten. Und ja, ich denke auch an Pulsare!«, was Jeanette gar nichts sagte.

Sie tranken Kaffee, während Owen redete. Schließlich stellte er das Telefon hin. Er sah bestürzt aus. »Kitt Peak hat es gesehen«, verkündete er. »Ein Bursche namens Tom Duff, ein Computerbastler, hat es bemerkt. Sie konnten es nicht glauben. Es ist genau da, wo wir es gesehen haben. Mary Alice, kann sein, dass du keine Lorbeeren für die Entdeckung erntest.«

»Pfeif auf die Lorbeeren: Was ist es?«, wollte Dr. Mouton wissen. »Rick, es ist groß, und es wird angetrieben und kommt auf uns zu.«

In Kalifornien wäre es jetzt drei Uhr morgens. Jeanette hörte das Telefon dreimal klingeln, dann die verschlafene Stimme. »Ja?«

»Linda, hier ist Jenny.«

»Jenny? Aber … Nun, hallo, ist was vorgefallen?«

»Schon irgendwie, Schwesterchen. Ich muss mit deinem Mann sprechen. Schnell.«

»Was?« Eine Pause folgte. »Na gut.«

»Und mach ihm Kaffee«, sagte Jenny. »Den wird er brauchen.«

Kurz darauf hörte sie die Stimme des gerade geweckten Major General Edmund Gillespie. »Jenny? Was ist los?«

»General, ich muss etwas Merkwürdiges melden …«

»General. Wirst du jetzt offiziell?«

»Nun … formell. Ja, Sir. Ich habe bereits meinen vorgesetzten Colonel angerufen, und er meinte auch, dass es eine gute Idee wäre, dich anzurufen.«

»Eine Sekunde, Jenny. Linda, wo ist der Kaffee? Ah. Danke. Okay, leg los.«

»Ja, Sir.« Während sie sprach, versuchte sie, sich die Szene vorzustellen. General Gillespie, der auf dem Rand des Bettes saß und immer wacher wurde. Sein Haar sah vermutlich so aus, als würde ihm gleich der Kopf explodieren. Linda lief auf und ab und fragte sich, was in aller Welt vor sich ging. Joel war vielleicht auch aufgewacht. Nun, da konnte man nichts machen. Eine Menge Leute würden bald nicht mehr viel Schlaf bekommen.

»Jenny, willst du ernsthaft andeuten, dass es ein … außerirdisches Schiff ist? Marsmenschen und all das?«

»Sir, wir beide wissen, dass es auf dem Mars keine Menschen geben kann. Oder sonst irgendwo im Sonnensystem. Aber es ist ein großes Objekt, es bewegt sich schneller als irgendetwas, was innerhalb des Sonnensystems bleiben könnte, seit Wochen entschleunigt es, und es sieht aus, als würde es auf uns zukommen. Das sind die Fakten, bestätigt durch drei verschiedene Observatorien.«

Sie kicherte plötzlich. »Ed, du bist Astronaut. Was glaubst du denn, was es ist?«

»Ich will verdammt sein, wenn ich das wüsste«, sagte Gillespie. »Russisch?«

»Nein«, sagte Jeanette.

Am anderen Ende folgte langes Schweigen. »Sie müsste es ja wissen, oder? Aber bist du dir so sicher?«

»Ja, Sir. Ich bin so sicher. Es ist kein Sowjetschiff. Es ist mein Job, so etwas zu wissen. Ich beobachte das sowjetische Weltraumprogramm seit zehn Jahren, und so etwas können sie dort nicht bauen. Wir auch nicht …«

»Jenn… Captain, wenn das ein Scherz ist, dann kriegen wir alle Ärger.«

»Um Gottes willen! General, warum sollte ich darüber scherzen?«, wollte sie wissen. »Ich hab dir gesagt, ich habe bereits meinen Colonel aus dem Bett geklingelt! Er durchläuft die Kanäle, aber du kannst dir vorstellen, was mit einem UFO-Bericht passiert …«

»Ich weiß, welche Leute ich anrufen soll«, sagte Gillespie. »Ich habe nur Schwierigkeiten, es zu glauben.«

»Ja, Sir«, sagte Jenny trocken.

»Klar, ich weiß, du auch«, sagte Ed Gillespie. »Aber ich verstehe, was du meinst. Wenn es ein außerirdisches Schiff ist, müssen wir Vorbereitungen treffen. Jenny, wer ist dein vorgesetzter Offizier?«

»Colonel Robert Hartley, G-2 Strategic Army Command, Fort Bragg. Ich gebe dir seine Nummer.«

Linda sah zu, wie ihr Ehemann das Telefon auflegte. Er wirkte besorgt. »Was hat meine kleine Schwester jetzt wieder angestellt?«

»Hat sich vielleicht gerade einen Orden verdient«, sagte Edmund. Er nahm den Hörer ab und wählte.

»Wen rufst du jetzt an?«, fragte Linda. »Das ist Irrsinn …«

»Hallo, Colonel Hartley? General Ed Gillespie hier. Captain Crichton sagte, Sie würden meinen Anruf erwarten. … Ja. Stimmt, sie war schon immer sehr vernünftig. Ja, Genau, ich glaube ihr auch. Okay, also was unternehmen wir deswegen?«

Das ist Irrsinn, dachte Linda. Absoluter Irrsinn. Meine kleine Schwester entdeckt fliegende Untertassen. Ich glaube das nicht. Ich kann es nicht glauben. Nur … Nur dass Jenny in ihrem ganzen Leben noch keinen Streich gespielt hat. Sie trinkt nicht, sie nimmt keine Drogen und …

Außerirdische? Ein außerirdisches Schiff, das sich der Erde nähert?

Sie bemerkte, dass Edmund aufgelegt hatte. »Also, was jetzt?«, fragte sie.

»Keine Ahnung. Denken fällt schwer. Muss Leute informieren. Muss den Präsidenten informieren. Bin nicht sicher, wie ich das anstellen soll.«

»Wes Dawson könnte es tun«, sagte Linda.

»Lieber Gott!« Er sah auf seine Uhr. »In Washington ist es nach sechs. Wes könnte auf sein. Ich wecke ihn auf. Hast du seine Privatnummer da?«

David Coffey hatte sich selbst immer als Nachtmensch gesehen, aber das war jetzt nicht mehr möglich. Der Präsident der Vereinigten Staaten konnte nicht lange ausschlafen. Es ging einfach nicht.

Er konnte nicht einmal darauf bestehen, dass man ihn beim Frühstück alleine ließ, obwohl er es versucht hatte. Als er sich auf die Terrasse setzte, um einen herrlichen Frühlingstag in Washington zu genießen, sagte der Stabschef: »Wes Dawson. Kalifornien …«

»Ich weiß, wer er ist.«

»Er besteht darauf, Ihnen beim Frühstück Gesellschaft zu leisten.«

»Er besteht darauf?«

»Das hat er so nicht gesagt, aber ja. Sagte, er würde seine Gefallen einfordern, die man ihm schuldet. Äußerst wichtig, meinte er.«

David Coffey seufzte. Er spürte, wie sein Gürtel drückte. Um elf war eine Kabinettssitzung anberaumt, und er hatte gehofft, davor noch eine halbe Stunde schwimmen gehen zu können. Den Bauch ein wenig schmaler kriegen. »Sagen Sie dem Kongressabgeordneten Dawson, dass ich mich geschmeichelt fühle«, sagte er. »Und bitten Sie die Haushälterin, ein weiteres Gedeck aufzutragen.«

Fliegende Untertassen. Raumschiffe. Blödsinn!, dachte der Präsident. Das Zeug, das immer die Zeitungen im mittleren Westen brachten, wenn es nichts anderes zu berichten gab. Eine Fälschung. Oder Wahnsinn. Nur war Wes Dawson nicht verrückt, war niemals verrückt gewesen, und auch wenn er sich manisch benahm, war er gerade jetzt nicht verrückt.

»Nur dass ich das richtig verstehe, Wes«, sagte Coffey. »Die Astronomen haben beobachtet, wie sich ein Raumschiff der Erde nähert. Nächsten Monat wird es hier sein. Sie wollen ihm entgegenkommen.«

»Richtig, Mr. President.«

»Wes, wissen Sie … vergessen Sie’s. Natürlich wissen Sie, wie albern sich das anhört. Na schön, mal angenommen, all das ist wahr. Warum Sie?«

»Jemand muss es tun«, antwortete Dawson. »Und die Tatsache, dass ich alle meine Gefallen aufgebraucht habe, um der Erste zu sein, der es Ihnen erzählt, sollte Ihnen zeigen, dass ich daran interessiert bin.«

»Klar, das streite ich nicht ab.«

»Ich sitze im Ausschuss fürs All als auch für Auswärtige Beziehungen. Sie sollten jemanden aus dem Kongress dabeihaben, wenn wir rausfliegen, um denen entgegenzukommen.«

»Warum überhaupt da rausfliegen, um sie zu treffen?«

»Weil … es standesgemäßer ist, Sir«, sagte Dawson. »Überlegen Sie, Mr. President: Sie kommen von weit her. Von einem anderen Stern …«

»Sind Sie da sicher?«, fragte der Stabschef. »Warum nicht von einem anderen Planeten?«

»Weil wir alle möglichen Planeten aus der Nähe gesehen haben, und für eine Zivilisation ist da kein Platz«, antwortete Dawson geduldig. »Wie auch immer. Mr. President, die haben einen langen Weg hinter sich. Trotzdem werden sie verstehen, dass der erste Schritt schwierig ist. Wir wollen sie im Orbit treffen, nicht darauf warten, dass sie hierherkommen. Lassen Sie es mich ins rechte Licht rücken«, sagte er. »Wäre die Geschichte der Pazifikinseln eine andere, wenn die Polynesier bereits in hochseetüchtigen Booten auf dem Meer unterwegs gewesen wären, als die Europäer das erste Mal Hawaiianern begegneten? Hätten diese sie nicht mit mehr Respekt behandelt?«

»Verstehe«, sagte der Präsident. »Wissen Sie, Wes, da könnten Sie recht haben. Mal angenommen, dass da etwas dran ist.«

»Wenn ja, kann ich mich auf den Weg machen?«, fragte Dawson.

David Coffey lachte. »Wir werden sehen«, sagte er. Er wandte sich an den Stabschef. »Jim, holen Sie General Gillespie ans Telefon. Setzen Sie ihn in einen Flieger nach Washington. Und den Army-Captain, der das Ding entdeckt hat.« Er seufzte. »Und setzten Sie es für die heutige Kabinettssitzung auf die Tagesordnung. Sehen wir mal, was der Außenminister dazu sagt, dass wir Marsmenschen willkommen heißen …«

Wes Dawson ging vom Weißen Haus zu Fuß zurück zu seinem Büro im Rayburn-Gebäude. Er hatte nicht wirklich Zeit dafür, aber der Morgen war schön, und der Spaziergang würde ihm guttun, außerdem war er ohnehin zu aufgeregt, um zu arbeiten. Der Präsident hatte nicht Nein gesagt! Wes ging zügig durch das Federal Triangle und die Independence Avenue entlang. Er war oft dort entlanggegangen, glotzte aber immer noch auf die großen Bundesgebäude, die auf dem Weg lagen. Alles war da. Regierungsgranit, herrliche Gebäude im klassischen Stil, die für die Ewigkeit gebaut wurden, als es in Amerika noch Handwerker gab, die sich mit den großartigen Baumeistern des antiken Griechenland und Roms messen konnten.

Und mehr noch: die Archive, in denen die Originale der Verfassung und der Unabhängigkeitserklärung lagen. Bei ihrem Anblick bekam man feuchte Augen, schwieg unwillkürlich und wurde daran erinnert, dass sie etwas geschafft hatten, wozu nicht einmal die alten Römer imstande gewesen waren Sie hatten eine stabile Regierung freier Bürger geschaffen. Dahinter lag das Smithsonian, die alte Burg mit neuen Erweiterungen.

Der Präsident hat nicht Nein gesagt! Ich fliege ins All! Aber … Aber würde Präsident Coffey daran denken? Es ist kein felsenfestes Versprechen gewesen. Niemand hat es gehört außer Jim Frantz. Wenn der Präsident es vergisst, dann auch der Stabschef, weil Coffey vielleicht einen Grund hat, es zu vergessen. Oder …

Der Morgen ist zu schön, um darüber nachzugrübeln. Coffey hat nicht Nein gesagt! Ich könnte wirklich ins All fliegen!

Vor ihm lag das Raumfahrtmuseum, wo immer Betrieb herrschte, das einzige Gebäude, das auch während Schneestürmen am Wochenende großen Zulauf hatte. Wes wollte hineinschauen. Nur für einen Augenblick. Es gab Arbeit, und Carlotta würde im Büro darauf warten zu hören, wie das Treffen mit dem Präsidenten gelaufen war, und er sollte sich beeilen, aber verdammt noch mal …

Gegenüber vom Museum lag die NASA selbst.

Wes grinste von einem Ohr zum anderen und überraschte die Passanten, die es nicht gewohnt waren, dass Leute glücklich aussahen. Zwei Jogger liefen vorbei und erwiderten das Grinsen, obwohl sie nicht wissen konnten, was ihn derart glücklich machte.

»Ich kenne ein Geheimnis«, sagte er laut, während er zum Eckbüro des siebten Stocks der Behörde hinaufblickte. Haben sie es ihm schon mitgeteilt? Vielleicht nimmt er sogar an der Kabinettssitzung teil. Aber ich bin der Einzige, der es dem Präsidenten erzählt hat, und ich habe schon Ansprüche angemeldet … Und ich bin der Richtige. Ich habe mein ganzes Leben lang auf diesen Tag gewartet. Ich bin gut in Form … nun, einigermaßen gut. Bald werde ich in besserer sein. Ich gehe jeden Tag laufen …

Er lief ein paar Stufen nach oben, bemerkte, dass es nicht praktisch für einen Mann war, der einen gestreiften Dreiteiler trug, und grinste erneut. Ich fange heute Nachmittag an, dachte er. Und zum Training gehe ich nach Houston. Echtes Training. Ich war ja schon da. Gute Sache, im Ausschuss für Raumfahrt zu sitzen …

Außerirdische! Er spürte die volle Wucht, als er das Kapitol erreichte, das sich im Becken widerspiegelte. Sie sind wirklich hier. Außerirdische. Hier bricht die Geschichte der Menschheit entzwei. Die Suche nach außerirdischer Intelligenz ist vorbei, die Außerirdischen kommen … Nimm das, Bill Proxmire!

Er ging den Hügel zum Rayburn-Gebäude hinauf und zwischen den beiden monströsen Statuen hinauf, die zu beiden Seiten der Granittreppe einander zugewandt waren. Sie waren die hässlichsten Statuen in Washington, grobe Versuche, die Herrlichkeit und Barmherzigkeit des Rechts im klassisch griechischem Stil abzubilden, aber von einem sehr schlechten Bildhauer geschaffen, der nicht verstanden hatte, was die Griechen da versuchten – und der auch keine Ahnung von menschlicher Anatomie gehabt hatte. Wes grinste, als er an ihnen vorbeiging. Es war offensichtlich, was vorgefallen war. Jemand hatte auf Statuen bestanden, und irgendein vergessener Kongressabgeordneter hatte gesagt: »Al, meine Cousine Cidy Lou hat einen Kerl geheiratet, der Statuen baut …«

Seine Assistenten kamen ihm entgegen, als er die Bürosuite betrat. Wes wusste, dass er spät dran war, aber verdammt noch mal! Jetzt kam Larry mit einer Handvoll Nachrichten an. Wes machte eine Geste, er solle zur Seite gehen, ging an der Rezeptionistin vorbei und in sein Büro, wobei er schwungvoll die Tür öffnete, um Carlotta zu sagen …

Sie saß in seinem Stuhl. Ein Dutzend Pfadfinder aus seinem Bezirk saßen auf den übrigen Stühlen und Sofas.

Oh, verdammt!, dachte Wes und setzte sein bestes Lächeln auf.

Carlotta bemerkte das feste Politikergrinsen auf dem Gesicht ihres Ehemanns, aber sie konnte dahinter den glühenden Enthusiasmus in Wes’ Augen sehen. Er musste nichts sagen. Schließlich lebten sie bereits seit fünfundzwanzig Jahren zusammen und waren zweiundzwanzig Jahre verheiratet. Sie wusste, was los war.

Wes hatte eine Chance. Eine Chance, zum Botschafter der Menschheit zu werden. Nein, eher Konsul oder wie auch immer der Stellvertreter einer Botschaft genannt wurde. Die Russen würden sicher einen Botschafter stellen. Gott sei Dank hatte sie Wes dazu gebracht, etwas Russisch zu lernen. Ihr Bett wäre jetzt leer, und das wäre nicht so gut, aber er sah auf jeden Fall glücklich aus. Konnte es nicht abwarten, ihr davon zu erzählen.

Aber die Pfadfinder waren da. Schlechtes Timing, doch der Termin war vor zwei Wochen festgelegt worden. Wer hätte denn ahnen können, dass der Kongressabgeordnete Dawson sein Frühstück im Weißen Haus einnehmen würde?

Die Jungs drängten sich um Wes. Er wirkte einigermaßen freundlich. Nicht zu freundlich. Bei diesem Besuch sprang politisch nichts für ihn heraus. Warum konnten die verdammten Blagen nicht einfach verschwinden?

Das war nicht wirklich fair. Sie selbst hatte sie ermutigt herzukommen. Carlotta mochte Jungs. Alle Kongressabgeordneten begrüßten die Pfadfinder, die zu einem Besuch kamen, aber Wes und Carlotta waren froher als die meisten, wenn sie nach Washington kamen. Nicht nur die Pfadfinder. Alle Jungs.

Wenn Simon überlebt hätte …, dachte Carlotta. Aber das hatte er nicht. Simon Dawson, drei Monate alt, gestorben an dem, was auch immer Babys in ihrem ersten Jahr tötete: der schleichende Killer, Krippentod.

Die Ärzte hatten ihr gesagt, sie könnte keine weiteren Kinder bekommen. Sie ließ es trotzdem darauf ankommen und starb beinahe bei der Geburt. Es dauerte einen Monat, bis sie ihre Tochter in den Armen halten konnte, und einen weiteren, bis sie sich erholt hatte, und es war offensichtlich, das Sharon das einzige Kind der Familie Dawson bleiben würde, die einzige Erbin zweier langer und anständiger Blutlinien. Das war fast zwanzig Jahre her. Sharon war inzwischen in Redcliffe eingeschrieben und dachte nicht viel über die Karriere ihres Vaters nach. Carlotta hatte den Grund dafür nie ganz verstanden.

Ist doch egal. In allen Colleges bringen sie einem Unsinn bei. Sie wird da rauswachsen