Protector - Brennans Legende - Larry Niven - E-Book

Protector - Brennans Legende E-Book

Larry Niven

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Beschreibung

Die Spezies der Pak erbaute die faszinierende Ringwelt. Doch auch auf der Erde hat sie ihre Spuren hinterlassen ...

John Brennan ist ein Belter, ein rebellischer Schürfer im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Als sich ein einsames Raumschiff nähert, vermutet er reiche Beute. Was er nicht weiß: Darin befindet sich der Pak-Protector Phssthpok - seit Jahrtausenden unterwegs, um in einer noch viel älteren Kolonie seiner Spezies nach dem Rechten zu sehen. An Bord macht John eine Entdeckung, die nicht nur sein Leben für immer verändert - sondern ihm auch eine bestürzende Erkenntnis über den Ursprung der Menschheit beschert ...

"Protector - Brennans Legende" ist ein rasanter, kurzweiliger Roman in Larry Nivens "Known Space"-Universum - ein Klassiker der Science-Fiction. Eine Bereicherung für alle Fans der Hard-SF, unverzichtbar für alle Ringwelt-Liebhaber!

Jetzt erstmals digital verfügbar: als eBook bei beBEYOND - fremde Welten und fantastische Reisen.

Der Roman erschien auf deutsch bereits unter den Titeln "Der Baum des Lebens" und "Brennans Legende".

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Inhalt

Cover

Larry Niven bei Bastei Lübbe

Über dieses Buch

Über den Autor

Titel

Impressum

PHSSTHPOK

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

INTERLUDIUM

VANDERVECKEN

PROTECTOR

Leseprobe

Larry Niven bei Bastei Lübbe

Der Ringwelt-Zyklus:

Ringwelt / Ringwelt Ingenieure. Doppelband, 2016 (Dt. Erstausgabe 1972 / 1982)

Ringwelt Thron / Hüter der Ringwelt. Doppelband, 2017 (Dt. Erstausgabe 1998 / 2006)

Weitere Romane im Known Space:

Die Welt der Ptavv. 2018 (auch als »Das Doppelhirn“ erschienen, Dt. Erstausgabe 1977)

Ein Geschenk der Erde. 2018 (auch als »Planet der Verlorenen“ erschienen, Dt. Erstausgabe 1977)

Protector – Brennans Legende. 2018 (auch als »Der Baum des Lebens“ erschienen, Dt. Erstausgabe 1975)

Der Weltenflotte-Zyklus (Known Space):

Weltenwandler. 2014 (Dt. Erstausgabe 2008)

Die Flotte der Puppenspieler. 2014 (Dt. Erstausgabe 2008)

Der Krieg der Puppenspieler. 2011

Verrat der Welten. 2012

Das Schicksal der Ringwelt. 2014

Über dieses Buch

Die Spezies der Pak erbaute die faszinierende Ringwelt. Doch auch auf der Erde hat sie ihre Spuren hinterlassen …

John Brennan ist ein Belter, ein rebellischer Schürfer im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Als sich ein einsames Raumschiff nähert, vermutet er reiche Beute. Was er nicht weiß: Darin befindet sich der Pak-Protector Phssthpok – seit Jahrtausenden unterwegs, um in einer noch viel älteren Kolonie seiner Spezies nach dem Rechten zu sehen. An Bord macht John eine Entdeckung, die nicht nur sein Leben für immer verändert – sondern ihm auch eine bestürzende Erkenntnis über den Ursprung der Menschheit beschert …

Über den Autor

Larry Niven wurde 1938 in Los Angeles, Kalifornien geboren. 1956 schrieb er sich am Institute of Technology in Kalifornien ein, um es ein Jahr später wieder zu verlassen. Ein halbes Jahr später entdeckte er einen alten Buchladen voll mit bereits gelesenen Science-Fiction Magazinen, die ihn inspirierten, selbst etwas zu schreiben. Nachdem er sein Mathematik-Psychologie-Studium 1962 an der Washburn University, Kansas, beendet hatte, begann Larry Niven nun endgültig sich seiner Leidenschaft hinzugeben. Seine erste veröffentlichte Geschichte »The Coldest Place“ erschien in der Dezember-Ausgabe von 1964 Worlds of If.

Larry Niven gehört zu den großen Altmeistern des Genres. Er hat im Laufe seiner Karriere mehrmals die bedeutendsten Preise der Science Fiction, den Hugo- und den Nebula-Award, gewonnen, unter anderem für den Roman »Ringwelt“, der als ein Meilenstein der modernen fantastischen Literatur gilt. Mit der Romanserie um das »Ringweltuniversum“ hat er wahrscheinlich die populärste SF-Serie aller Zeiten geschaffen.

Larry Niven

ProtectorBrennans Legende

Ein Roman aus dem Ringwelt-Universum

Aus dem amerikanischen Englisch von Axel Merz

beBEYOND

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1973 by Larry Niven

Titel der amerikanischen Originalausgabe: Protector

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Der Roman erschien 1975 unter dem Titel »Der Baum des Lebens“, 1999 unter dem Titel »Brennans Legende“. Für diese Ausgabe wurde er korrigiert und der aktuellen Rechtschreibung angepasst.

Textredaktion: Dietmar Schmidt / Stefan Bauer

Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: Mode-list | 3000ad; © shutterstock: tsuneomp

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-6419-4

Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes »Das Schicksal der Ringwelt“ von Larry Niven und Edward M. Lerner.

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2012 by Larry Niven and Edward M. Lerner

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Fate of Worlds“

Published by arrangement with Larry Niven and Edward M. Lerner

This book was negotiated through Literary Agency Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Übersetzung: Ulf Ritgen

Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: Mode-list | 3000ad; © shutterstock: tsuneomp

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

PHSSTHPOK

Genesis, Kapitel 3, nach King James:

22  Und Gott der Herr sprach: Sehet her, der Mensch ist geworden wie wir; er unterscheidet Gut und Böse. Und jetzt: dass er nicht die Hand ausstreckt und auch vom Baum des Lebens nimmt und isst und auf ewig lebt!

23  Darum schickte Gott der Herr den Menschen hinweg aus dem Garten Eden, um den Ackerboden zu bestellen, aus dem er genommen ward.

24  So jagte er den Menschen hinaus, und er stellte östlich des Gartens Eden seine Cherubim auf, zusammen mit einem flammenden Schwert, das jeden Weg versperrte, um den Lebensbaum zu beschützen.

KAPITEL 1

Er saß vor einem acht Fuß durchmessenden Rund aus durchsichtigem Twing und starrte unablässig hinaus in die alles andere als aufregende Leere.

Noch vor zehn Jahren waren die Sterne bloß eine Wolke aus dunkelroten Punkten in seiner Kielspur gewesen. Wenn er damals nach vorn blickte, hatten sie in einem höllischen Blau geleuchtet, hell genug, um in ihrem Licht zu lesen. Zu den Seiten waren die größten von ihnen sichtbar flachgedrückt gewesen. Doch jetzt waren sie nur noch ganz gewöhnliche Sterne, weiße Punkte, die spärlich über einen größtenteils schwarzen Himmel verteilt funkelten. Es war ein einsamer Himmel. Staubwolken verbargen die strahlende Helligkeit der Heimat.

Das Licht im Zentrum des Ausblicks war kein Stern. Es war so groß wie eine Sonne, dunkel im Mittelpunkt und an den Rändern grell genug, um Löcher in die Netzhaut eines menschlichen Auges zu brennen. Es handelte sich um das Licht eines Staustrahltriebwerks, eines Bussard-Ramjets, der kaum acht Meilen entfernt arbeitete. Alle paar Jahre verbrachte Phssthpok einige Zeit mit der Beobachtung des Antriebs, nur um sicherzugehen, dass er gleichmäßig brannte. Vor langer Zeit hatte er ein langsames, periodisches Flackern bemerkt, gerade rechtzeitig, um zu verhindern, dass sein Schiff sich in eine winzige Nova verwandelte. Doch diesmal hatte sich das blau-weiße Licht des Antriebs in all den Wochen, die er es nun beobachtete, nicht verändert.

Den größten Teil eines langen, langsamen Lebens war der Himmel an Phssthpoks Bullauge vorbeigekrochen. Und doch erinnerte er sich nur schwach an die Reise. Die Zeit des Wartens war zu arm gewesen an Ereignissen, um seinen Verstand zu reizen. Für das Protektor-Stadium der Pak ist es ganz typisch, dass die angenehmen Erinnerungen aus der Vergangenheit stammen, aus der Kindheit oder der Zeit danach, dem Dasein als Brüter, als die Welt noch neu und strahlend und von jeglicher Verantwortung frei war. Nur eine Gefahr, die ihm selbst oder seinen Nachkommen droht, vermag einen Protektor aus seiner normalen verträumten Mattigkeit zu reißen und ihn in eine kämpfende Furie zu verwandeln, die unter denkenden Lebewesen ihresgleichen sucht.

Phssthpok saß träumend auf seiner Desasterliege.

Die Umweltkontrollen der Kabine befanden sich unter seiner linken Hand. Wenn er hungrig wurde, was einmal alle zehn Stunden der Fall war, griff seine knotige Hand, die aussah wie zwei Handvoll zusammengeknüpfter schwarzer Walnüsse, in einen Schlitz zu seiner Rechten und kam mit einer verdrehten, fleischigen gelben Wurzel von der Größe einer Süßkartoffel wieder zum Vorschein.

Einige irdische Wochen waren verstrichen, seit Phssthpok zum letzten Mal die Desasterliege verlassen hatte. In der ganzen Zeit hatte er nichts anderes außer den Händen und den Kiefern bewegt. Seine Augen hatten nicht einmal geblinzelt.

Davor hatte es eine Periode intensiver Körperertüchtigungen gegeben. Ein Protektor verspürt einen unüberwindlichen Zwang, sich fit zu halten.

Sogar dann, wenn es niemanden gibt, den er beschützen könnte.

Der Antrieb brannte stabil, jedenfalls stabil genug, um Phssthpok zufriedenzustellen. Er bewegte die knotigen Finger, und der Himmel drehte sich um ihn. Phssthpok beobachtete, wie ein zweites helles Licht in das Bullauge rückte. Als es genau im Zentrum stand, hielt er die Rotation an.

Sein Ziel war bereits heller als jeder andere Stern ringsum – noch immer zu dunkel, um mehr als das Zentralgestirn zu erkennen, doch heller, als Phssthpok erwartet hatte. Er wusste, dass ihm die Zeit durch die Finger geglitten war. Er hatte zu viel geträumt. Kein Wunder: Er hatte den größten Teil der letzten zwölfhundert Jahre auf dieser Liege verbracht und sich kaum bewegt, um Nahrung zu sparen. Ohne die relativistischen Effekte hätte die Reise dreißigmal länger gedauert.

Obwohl der Protektor aussah wie der schlimmste Fall von Arthritis in der Geschichte der Medizin und obwohl er Wochen wie gelähmt dagesessen hatte, kam ohne jegliche Verzögerung Bewegung in ihn.

Die Antriebsflamme des Schiffes wurde schwächer, expandierte und kühlte sich ab. Das Herunterfahren eines Bussard-Ramjets ist fast so kompliziert wie der Start. Bei Ramjet-Geschwindigkeiten besitzt auftreffender interstellarer Wasserstoff die Energie von Gammastrahlen. Man muss ihn mithilfe magnetischer Felder ableiten, selbst dann, wenn er nicht als Treibstoff verbrannt wird.

Der Protektor hatte die vielversprechendste Region des Weltraums erreicht. Phssthpoks Augenblick der Erfüllung stand unmittelbar bevor. Die, denen zu helfen er gekommen war (falls sie überhaupt existierten, falls sie im Verlauf dieser langen Zeit nicht ausgestorben waren; falls ihre Welt diesen Stern und nicht einen der weniger Wahrscheinlichen umkreiste), würden ihn nicht erwarten. Ihr Verstand würde sich kaum von dem eines Tiers unterscheiden. Vielleicht benutzten sie Feuer, vielleicht aber auch nicht – ganz sicher jedoch würden sie nicht über Teleskope verfügen. Und trotzdem würden sie ihn erwarten ... in gewisser Hinsicht. Falls sie noch existierten, hatten sie die letzten zweieinhalb Millionen Jahre auf jemanden wie ihn gewartet.

Er würde sie nicht enttäuschen.

Er durfte sie nicht enttäuschen.

Ein Protektor ohne Abkömmlinge ist ein Wesen ohne Daseinszweck. Eine derartige Abnormität muss sich einen neuen Lebenssinn suchen, und das schnell, oder sie stirbt.

Die meisten sterben. In ihren Gehirnen oder Drüsen regt sich ein Reflex, und sie verspüren keinen Hunger mehr. Manchmal verfällt eines dieser Wesen auf den Gedanken, die gesamte Pak-Spezies als seine Nachkommenschaft zu adoptieren, aber dann muss es auch einen Weg finden, wie es seiner Spezies dienen kann. Phssthpok gehörte zu diesen wenigen Glücklichen.

Zu scheitern wäre furchtbar.

Nick Sohl befand sich auf dem Weg nach Hause.

Ringsum war nur die Stille des Weltraums. Das Summen des Schiffsantriebs nahmen seine Ohren nicht mehr wahr. Ein zwei Wochen alter, dichtgelockter Flaum bedeckte seine Wangen und den rasierten Schädel rechts und links von seinem Belterkamm. Wenn er genau darauf achtete, konnte er sich selbst riechen. Er war zu den Saturnringen geflogen, um zu schürfen, in einem Einmannschiff und mit einer Schaufel in der Hand (die Magnete, die eingesetzt wurden, um Monopole aus Asteroideneisen zu extrahieren, sahen gewöhnlichen Schaufeln verblüffend ähnlich). Er wäre noch länger geblieben, aber er gefiel sich in der Vorstellung, dass die Belterzivilisation nicht mehr als drei Wochen ohne ihn überleben konnte.

Noch ein Jahrhundert zuvor waren magnetische Monopole reine Theorie gewesen, und noch dazu eine sehr widersprüchliche. Die Magnettheorie besagte, dass ein Nordpol nicht getrennt von einem Südpol existieren konnte und umgekehrt, obwohl schon die Quantentheorie implizierte, dass sie voneinander unabhängig waren.

Die ersten permanenten menschlichen Siedlungen auf den größten Belt-Asteroiden hatten in voller Blüte gestanden, als ein Forscherteam die ersten Monopole entdeckt hatte, verstreut im Nickeleisenkern eines Asteroiden. Heutzutage waren sie keine Theorie mehr, sondern ein florierender Zweig der Beltindustrie. Ein magnetisches Feld, das durch Monopole zustande kommt, reagiert in umgekehrt linearem Verhältnis zur Entfernung, anstatt in umgekehrt quadratischem. Praktisch bedeutet das, dass ein monopolbasierter Motor oder Instrument eine viel größere Reichweite besitzt. Monopole waren wertvoll, wo Gewicht eine Rolle spielte, und im Belt spielte Gewicht stets eine Rolle. Doch war der Abbau von Monopolen noch immer ein Ein-Mann-Unternehmen.

Nick hatte nicht viel Glück gehabt. Die Saturnringe waren ohnehin keine gute Gegend zum Schürfen von Monopolen: zu viel Eis, zu wenig Metall. Die elektromagnetische Blase, die seinen Frachtbehälter umgab, enthielt wahrscheinlich kaum mehr als zwei volle Schaufeln magnetischer Nordpole. Nicht viel Ausbeute für ein paar Wochen Knochenarbeit – und auf Ceres nichtsdestotrotz einiges an Geld wert.

Nick wäre auch mit gar nichts zufrieden gewesen. Schürfen war für den Ersten Sprecher der Autonomem Belt-Region eine Ausrede, um seinem überfüllten Büro tief im Felsgestein von Ceres zu entfliehen, den ewigen Streitereien zwischen Vereinten Nationen und Asteroidenbelt, seiner Frau und den Kindern, Freunden und Bekannten, Feinden und Fremden. Und im nächsten Jahr, nach Wochen voller hektischer Arbeit, um wieder auf den neusten Stand der Dinge zu kommen, nach weiteren zehn Monaten, in denen er sich nach Kräften bemühte, die Politik des Sonnensystems zu manipulieren, würde er wieder hierher zurückkehren.

Nick beschleunigte für den Trip nach Ceres. Hinter ihm leuchtete der Saturn wie ein fantastischer Talmi, als Nick plötzlich bemerkte, wie der Schürfmagnet langsam von der Frachtbox wegschwang. Irgendwo zu seiner Linken befand sich ein neues, gewaltiges Vorkommen an Monopolen.

Ein Grinsen huschte über sein Gesicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Besser spät als nie! Zu schade, dass er das Vorkommen nicht schon auf dem Weg nach draußen entdeckt hatte; andererseits konnte er es auch verkaufen, nachdem er die genauen Koordinaten festgestellt hatte – was gar nicht so einfach war. Die Nadel schwankte zwischen zwei Anziehungspunkten, einer davon seine Frachtbox.

Er investierte zwanzig Minuten, um einen Kom-Laser auf Ceres zu richten.

»Hier spricht Nick Sohl, ich wiederhole, hier spricht Nicholas Brewster Sohl. Ich möchte einen Besitztitel magnetischer Monopole registrieren. Er liegt in der groben Richtung von ...« Nick versuchte zu raten, wie stark seine Fracht die Nadel ablenkte. »... Sagittarius. Ich möchte das Vorkommen der Beltregierung zum Verkauf anbieten. Einzelheiten folgen in einer halben Stunde.«

Dann schaltete er den Fusionsmotor ab, kletterte schwerfällig in den Raumanzug, schnallte den Rückentornister um und verließ das Schiff mit einem Teleskop und seinem Schürfmagneten.

Die Sterne sind alles andere als ewig, doch für den Menschen bedeutete das keinen Unterschied. Nick schwebte scheinbar bewegungslos zwischen den ewigen Sternen, obwohl er eigentlich mit Zehntausenden von Kilometern pro Stunde auf die winzige Sonne zustürzte. Das war der Grund, aus dem er so gerne schürfte. Das Firmament strahlte wie Diamanten auf schwarzem Samt, ein unvergesslicher Hintergrund für den goldenen Saturn. Die Milchstraße war ein juwelenbesetztes Band, das sich über das gesamte Universum zog. Nick liebte seinen Belt, von den ausgehöhlten Felsen und den Oberflächenkuppeln bis hin zu den sich drehenden künstlichen, umgestülpten Habitatblasen, doch am meisten von allem liebte er den Weltraum selbst.

Eine Meile von seinem Schiff entfernt benutzte er das Teleskop und den Schürfmagneten, um das neue Vorkommen anzupeilen. Er glitt zum Schiff zurück, um die Werte durchzugeben. In einigen Stunden würde er eine dritte Peilung vornehmen und die Position des Vorkommens genau triangulieren.

Als er wieder ins Schiff kam, war der Bildschirm des Kommunikators schon hell. Das hagere Gesicht des Dritten Sprechers Martin Shaeffer unterhielt sich mit einer leeren Beschleunigungsliege.

»... dich unverzüglich melden, Nick! Warte nicht, bis du die zweite Peilung fertig hast. Es geht um eine dringende Belt-Angelegenheit! Ich wiederhole: Martin Shaeffer ruft Nick Sohl an Bord des Einmannschiffes Hummingbird ...«

Nick fokussierte den Laser neu. »Lit, ich fühle mich wirklich geehrt. Ein einfacher Angestellter hätte durchaus gereicht, um meinen armseligen Fund zu registrieren. Ich wiederhole ...« Er stellte den Sender auf Wiederholung, dann machte er sich daran, seine Werkzeuge zu verstauen. Ceres war Lichtminuten entfernt.

Er dachte nicht darüber nach, welche Art von Notfall seine persönliche Aufmerksamkeit erfordern mochte, doch er war beunruhigt.

Schließlich erfolgte die Antwort. Lit Shaeffers Gesichtsausdruck wirkte besorgt, doch in seiner Stimme lag Spott. »Nick, du bist viel zu bescheiden, was deinen Fund angeht. Eine Schande, dass wir ihn dir nicht zusprechen können. Bis jetzt haben sich bereits hundertvier Schürfer gemeldet, alle wollten einen Besitztitel auf dein Vorkommen an Monopolen anmelden.«

Nick starrte mit offenem Mund auf den Schirm. Einhundertvier Schürfer? Aber ... aber er befand sich im äußeren System! Außerdem bevorzugten es die meisten Schürfer, in ihren eigenen Minen zu bleiben! Wie viele hatten sich erst gar nicht gemeldet?

»Ihre Positionen sind im gesamten System verteilt«, fuhr Lit fort. »Das muss ein verdammt gewaltiges Vorkommen sein! Und tatsächlich haben wir es bereits durch Parallaxe lokalisiert. Die Monopole entstammen allesamt einer Quelle, vierzig Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt – womit sie ein wenig weiter draußen liegt als Pluto – und achtzehn Grad oberhalb der Ebene der Ekliptik. Mitchikov meint, die Menge an magnetischen Südpolen in diesem Vorkommen sei genauso groß wie alles, was wir im gesamten letzten Jahrhundert abgebaut haben!«

Outsider! lautete Nicks erster Gedanke. Und der zweite: Eine Schande, dass sie meinen Besitztitel nicht anerkennen wollen.

»Mitchikov meint, dass ein so großes Vorkommen ausreicht, um einen wirklich gewaltigen Bussard-Ramjet aufzubauen – einen bemannten Ramrobot.« Nick nickte zustimmend. Ramrobots waren Sonden zu den nächstgelegenen Sternen und gehörten zu den wenigen Dingen, bei denen Vereinte Nationen und Belt kooperierten. »Wir haben das Vorkommen seit einer halben Stunde auf den Schirmen. Es dringt mit knapp über viertausend Meilen die Sekunde ins Sonnensystem ein, und zwar im freien Fall. Das ist ein gutes Stück schneller als interstellare Geschwindigkeiten. Wir sind alle überzeugt, dass es sich um einen Outsider handelt.

Irgendwelche Kommentare oder Vorschläge?

... Ich wiederhole ...«

Nick schaltete die Übertragung ab und setzte sich für einen Augenblick hin, um sich an die Vorstellung zu gewöhnen. Ein Outsider!

Outsider, Außenseiter, gehörte zum Belter-Slang und bedeutete Außerirdischer, doch das Wort meinte mehr. Der Outsider wäre das erste fremde intelligente Lebewesen, das je mit der menschlichen Rasse Kontakt aufgenommen hätte. Es (Singular!) würde selbstverständlich mit dem Belt und nicht mit der Erde in Kontakt treten – nicht nur, weil der Belt den größten Teil des Sonnensystems in Besitz genommen hatte, sondern auch, weil die Menschen, die den Weltraum kolonisiert hatten, eindeutig intelligenter waren als die auf der Erde verbliebenen. Die Aussage enthielt zahlreiche unausgesprochene Prämissen, und nicht jeder Belter glaubte alle davon.

Der Notfall hatte Nick in seiner freien Zeit überrascht. Zensiertes verdammt und zugenäht! Er würde mit dem Nachrichtenlaser arbeiten müssen.

»Nick Sohl ruft Martin Shaeffer auf der Ceres-Basis! Ja, ich habe ein paar Kommentare und Vorschläge! Erstens: Klingt, als sei eure Annahme korrekt. Zweitens: Hört endlich auf, die Botschaft im ganzen System zu verbreiten! Irgendein Flatlanderschiff könnte zufällig einen Nachrichtenstrahl auffangen. Wir müssen sie früher oder später sowieso einweihen, aber noch nicht jetzt. Drittens: Ich bin in fünf Tagen zu Hause. Konzentriert euch darauf, weitere Informationen zusammenzutragen. Wir haben noch eine Weile Zeit, bevor wir grundlegende Entscheidungen fällen müssen.« Nicht, bevor der Outsider im Sonnensystem angelangt war oder selbst Nachrichten abzusetzen versuchte. »Viertens: ...« Findet heraus, ob der Hurensohn seine Geschwindigkeit drosselt! Findet heraus, wo er Halt machen will! Aber das durfte er nicht sagen. Es war eine zu spezifische Anweisung für die Übertragung mit dem Maser. Shaeffer würde wissen, was er zu tun hatte. »... es gibt kein Viertens. Nick Sohl Ende.«

Das Sonnensystem ist groß, und in den äußeren Regionen gibt es kaum etwas. Im eigentlichen Belt, der Region knapp innerhalb der Marsbahn bis knapp außerhalb der Jupiterbahn, kann ein entschlossener Mann leicht einhundert Felsen im Monat untersuchen. Weiter draußen verbringt er wahrscheinlich mehrere Wochen allein mit An- und Abreise und muss hoffen, etwas zu finden, das bis dato noch niemandem aufgefallen ist.

Der Asteroidenbelt ist noch längst nicht ausgebeutet, obwohl die meisten großen Brocken inzwischen in Privatbesitz stehen. Die meisten Schürfer ziehen es vor, den Belt abzusuchen. Im Belt wissen sie, dass sie jederzeit die Zivilisation mitsamt ihren Annehmlichkeiten erreichen können: Vorräte an Luft und Wasser, Treibstoff, Frauen, andere Schürfer, einen neuen Luftregenerator, Autodocs und therapeutische psychomimetische Medikamente oder Drogen.

Brennan benötigte weder Drogen noch Gesellschaft, um bei geistiger Gesundheit zu bleiben. Er bevorzugte die äußeren Regionen. Er befand sich im nachlaufenden trojanischen Punkt des Uranus und folgte dem Eisriesen auf dessen Bahn in einem Abstand von sechzig Grad. In den trojanischen Punkten, wo ein stabiles Gleichgewicht von Anziehungskräften herrscht, sammeln sich Staub und größere Objekte. Hier gab es eine große Menge Staub, jedenfalls für den tiefen Raum, und eine Handvoll Felsen, die es wert waren, erkundet zu werden.

Wäre seine Suche ergebnislos verlaufen, hätte sich Brennan zu den Monden aufgemacht, um von dort aus weiter zum vorauslaufenden trojanischen Punkt zu ziehen. Dann auf eine kurze Ruhepause und einen Besuch bei Charlotte nach Hause – und weil seine Mittel bis dahin knapp geworden wären, hätte er anschließend eine bezahlte Arbeit auf dem Merkur angenommen. Allein der Gedanke daran widerstrebte ihm zutiefst.

Wenn er Pechblende fand, wäre er auf Monate aus dem Schneider.

Keiner der Felsen enthielt genügend radioaktives Material, um sein Interesse zu wecken, doch in der Nähe glänzte etwas metallisch wie ein Artefakt. Brennan steuerte darauf zu, in der Erwartung, den abgeworfenen Treibstofftank eines Schürfers zu finden. Er würde trotzdem nachsehen. Brennan war der geborene Optimist.

Er stieß auf die ausgebrannte Hülle eines Feststoffraketenmotors. Nach dem Schriftzug darauf zu urteilen, ein Teil von Mariner XX.

Mariner XX – eine der alten Pluto-Sonden. Vor langer Zeit musste die Treibstoffhülle von der fernen Sonne angezogen worden und im Staub des trojanischen Punktes gestrandet sein. Der Rumpf war von Meteoritenlöchern übersät und rotierte noch immer mit dem stabilisierenden Impuls, den er drei Generationen zuvor erhalten hatte.

Als Sammlerstück war das Ding fast unbezahlbar. Brennan fertigte ein paar Bilder in situ an, bevor er heranschwebte, um sich an der flachen Nase zu verankern. Mit dem Schub seines Jetpacks stoppte er die Rotation, danach band er das Relikt unterhalb der Kabine mit dem Lebenserhaltungssystem an das Fusionsrohr seines Schiffes. Die Kreisel waren stark genug, um das Ungleichgewicht auszubalancieren.

Die sperrige Masse stellte ihn jedoch vor ein anderes Problem. Er stand direkt neben ihr auf der schlanken Hülle des Fusionsrohrs. Die Antiquität war nahezu halb so lang wie Brennans Einmannschiff, allerdings sehr leicht und kaum mehr als eine metallene Hülse für die einstige konische Treibstoffladung. Hätte Brennan Pechblende gefunden, wäre sein Schiff unter dem Treibstoffring mit Netzen behangen gewesen und hätte seine eigene Masse an radioaktivem Erz befördert. Er wäre mit einem halben g Beschleunigung zum Belt zurückgekehrt. Mit dem Mariner-Relikt als Fracht konnte er mit einem vollen g beschleunigen, was für unbeladene Einmannschiffe Standard war.

Und ihm vielleicht den Vorteil verschaffte, den er brauchen würde.

Falls er den Tank im Belt verkaufte, würden dreißig Prozent Steuern plus Agentengebühren anfallen. Falls er ihn jedoch auf dem Mond verkaufte, würde das Raumfahrtmuseum der Erde überhaupt keine Steuern erheben.

Brennan befand sich in einer aussichtsreichen Position zum Schmuggeln. Hier draußen warteten keine Goldhäute. Seine Geschwindigkeit wäre über den größten Teil der Distanz gewaltig. Sie würden erst dann aufholen können, wenn er sich dem Mond näherte. Er hatte keine magnetischen Monopole und keine radioaktiven Erze an Bord; die Magnetfeld- und die Strahlungsdetektoren würden geradewegs durch ihn hindurchsehen. Er konnte über der Ekliptik des Systems hereinsteuern und eine Begegnung mit Felsbrocken und anderen Schiffen vermeiden.

Wenn man ihn aber erwischte, würde man hundert Prozent von seinem Fund kassieren. Alles.

Brennan grinste in sich hinein. Der Gewinn war das Risiko wert.

Phssthpoks Mund öffnete und schloss sich einmal, zweimal, dreimal. Eine gelbe Lebensbaumwurzel zerfiel in vier große, ausgefranste Bissen: Die Ränder von Phssthpoks Schnabel waren nicht scharf. Sie waren stumpf und uneben wie die Mahlfläche eines Backenzahns. Phssthpok schluckte viermal.

Er bemerkte die Nahrungsaufnahme kaum, als führten Hand, Mund und Magen ein Eigenleben, während Phssthpok unablässig den Schirm beobachtete.

Unter zehn hoch vierfacher Vergrößerung waren darauf drei winzige violette Punkte zu sehen.

Wenn Phssthpok am Rand seines Schirms vorbei nach vorn spähte, sah er bloß den hellen gelben Stern, dem er den Namen GO Target #1 gegeben hatte. Er hatte nach Planeten Ausschau gehalten. Er hatte nur einen einzigen gefunden, eine Schönheit von genau der richtigen Größe und Durchschnittstemperatur, mit einer wassergesättigten Atmosphäre und einem überdimensionierten Mond. Allerdings hatte Phssthpok auch Myriaden violetter Punkte gefunden, so klein, dass er im ersten Augenblick geglaubt hatte, es wären nur Blitze auf seiner Retina.

Sie waren real. Sie waren real, und sie bewegten sich. Einige bewegten sich nicht schneller als planetare Objekte; andere mit dem Hundertfachen der erforderlichen Fluchtgeschwindigkeit für das System. Sie schimmerten intensiv und heiß, die Farben eines Neutronensterns in seiner vierten Lebenswoche, wenn seine Temperatur noch in Millionen Kelvin gemessen wird.

Offensichtlich handelte es sich um Raumschiffe. Bei diesen Geschwindigkeiten wären natürliche Objekte binnen weniger Monate in den interstellaren Raum entkommen. Wahrscheinlich benutzten sie Fusionsantriebe. Wenn das der Fall war, dann brannten sie, nach ihrer Farbe zu urteilen, heißer und mit einem höheren Wirkungsgrad als Phssthpoks Triebwerk.

Sie schienen den größten Teil ihrer Zeit im Raum zu verbringen. Zuerst hatte Phssthpok gehofft, es würde sich um eine Form raumgeborenen Lebens handeln, vielleicht verwandt mit den Sternsamen im galaktischen Zentrum, doch als er der gelben Sonne näher kam, musste er diesen Gedanken aufgeben.

All die Lichtpunkte bewegten sich auf Zielobjekte zu, angefangen von den Myriaden umlaufender Felsbrocken bis hin zu den Monden und Planeten des inneren Systems. Ein häufiges Ziel war die Welt mit der Wasseratmosphäre, die Welt, die Phssthpok als für Pak-Brüter geeignet klassifiziert hatte. Keine raumgeborene Lebensform hätte das Eintauchen in die Schwerkraft oder die Atmosphäre überlebt.

Dieser Planet, GO Target #1 – 3, war das größte aller Zielobjekte, obwohl die Raumfahrzeuge unzählige kleinere Himmelskörper ansteuerten. Interessant. Falls die Piloten der Fusionsraumschiffe sich auf GO Target #1 – 3 entwickelt hatten, dann würden sie geringere Gravitation naturgemäß der höheren vorziehen.

Aber die, die Phssthpok suchte, besaßen nicht den Verstand, um solche Raumschiffe zu konstruieren. Waren sie vielleicht von einer Fremdspezies verdrängt worden, die ihren Platz eingenommen hatte?

Dann hatten er und Tausende seinesgleichen ihr langes Leben für nichts und wieder nichts verschwendet.

Phssthpok spürte, wie Zorn in ihm hochwallte. Er unterdrückte die Regung. Vielleicht gab es doch eine andere Antwort. GO Target #1 war nicht das einzige mögliche Sonnensystem. Die Wahrscheinlichkeit lag bei lediglich achtundzwanzig Prozent. Ihm blieb die Hoffnung, dass die, denen zu helfen er gekommen war, einen anderen Stern umkreisten.

Allerdings würde er nachsehen müssen.

Es gibt eine Mindestgeschwindigkeit, unterhalb der ein Bussard-Ramjet zu funktionieren aufhört, und Phssthpok lag nicht mehr weit darüber. Er hatte ursprünglich vorgehabt, durch das System zu kreuzen, bis er etwas Eindeutiges fand. Jetzt würde er seinen Reservetreibstoff anbrechen müssen. Er hatte bereits einen blau-weißen Funken ausgemacht, der mit großer Geschwindigkeit auf das innere System zuraste. Es würde kein Problem sein, den Kurs anzugleichen.

Nick landete die Hummingbird, erteilte hastig Befehle für das Entladen und den Verkauf der mitgeführten Fracht und begab sich nach unten. Sein Büro lag gut zwei Meilen unter der mit Wohnkuppeln übersäten Oberfläche von Ceres, tief vergraben im Substrat aus Nickeleisen.

Er hängte seinen Anzug und den Helm ins Vorzimmer seines Büros. Die Vorderseite des Raumanzugs zierte ein Gemälde, und er tätschelte es liebevoll, bevor er das Büro betrat. Das tat er jedes Mal.

Die meisten Belter dekorierten ihre Anzüge. Warum auch nicht? Das Innere des Raumanzugs war für zahlreiche Belter der einzige Ort, den sie wirklich ihr Zuhause nennen konnten, und außerdem der einzige Besitz, den sie in perfektem Zustand halten mussten. Doch selbst für einen Belter war Nick Sohls Anzug einzigartig.

Auf einem orangefarbenen Hintergrund war eine Frau abgebildet. Sie war klein; ihr Kopf reichte kaum bis zum Halsring. Ihre Haut schimmerte in weichem Grün. Auf der Vorderseite des Anzugs war nur ihr wohlgeformter Rücken zu sehen. Sie besaß einen feuerroten Lockenkopf, flackernde Orangetöne mit Spuren von Gelb und Weiß, die mehr und mehr dunklem, rauchigem Rot wichen, wo das Haar über die linke Schulter fiel. Die Frau war nackt. Sie hatte die Arme um den Torso des Anzugs geschlungen, und ihre Hände berührten den Lufttank auf der Rückseite. Ihre Beine waren um die Oberschenkel geschlungen, ihre Fersen in die Kniekehlen gehakt. Es war ein wunderschönes Bild, so schön, dass es beinahe nicht vulgär wirkte. Eine Schande, dass das Sanitärventil des Anzugs nicht woanders saß.

In einem der Besuchersessel von Nicks Büro lümmelte sich Lit. Er hatte die langen Beine weit von sich auf den Teppich gestreckt. Lit war eher schlaksig als breit; er hatte den größten Teil seiner Kindheit im freien Fall verbracht. Heute passte er in keinen Standard-Druckanzug und in keine normale Fahrzeugkabine, und wann immer er irgendwo saß, erweckte er den Anschein, als wolle er im nächsten Augenblick vornübersinken.

Nick ließ sich in seinen eigenen Stuhl fallen und schloss für ein paar Sekunden die Augen, um sich an das Gefühl zu gewöhnen, wieder der Erste Sprecher zu sein. Mit noch immer geschlossenen Augen sagte er:

»Dann schieß mal los, Lit. Was ist passiert?«

»Steht alles hier drin.« Papierrascheln. »Jepp. Die Monopolquelle kommt von oberhalb der Ekliptik herein, mit ungefährem Kurs auf die Sonne. Vor einer Stunde war sie noch zwo Komma zwo Milliarden Meilen weit draußen. In der ersten Woche, nachdem wir sie entdeckt hatten, zeigte sie eine Beschleunigung von 0,92 g, im Großen und Ganzen seitwärts und nach vorn gerichtet, als wolle sie einen Kurs um die Sonne einschlagen. Inzwischen bremst sie fast nur noch, und die Beschleunigung hat sich auf 0,14 g verringert. Damit durchquert sie die Erdbahn.«

»Und wo wird die Erde sein, wenn das passiert?«

»Haben wir überprüft. Wenn das Schiff wieder auf null Komma neun zwo beschleunigt – hier –, dann kommt es von heute an in acht Tagen zur Ruhe. Und zwar genau an der Stelle, wo die Erde sein wird.« Lit blickte ernst drein. »Natürlich ist alles nur eine erste Schätzung. Mit Bestimmtheit können wir lediglich sagen, dass das fremde Schiff auf das innere System zielt.«

»Aber die Erde ist das offensichtliche Ziel. Das ist wohl kaum fair. Der Outsider soll mit uns Kontakt aufnehmen, nicht mit den Flatlandern. Was habt ihr von hier aus unternommen?«

»Größtenteils nur Beobachtungen. Wir haben Bilder von etwas, das wie eine Fusionsflamme aussieht, wenngleich ein wenig kälter als unsere.«

»Das heißt, ein geringerer Wirkungsgrad – andererseits, wenn der Outsider einen Bussard-Ramjet benutzt, bekommt er seinen Treibstoff gratis. Gehe ich richtig in der Annahme, dass er inzwischen unter Ramjet-Geschwindigkeit gefallen ist?«

»Korrekt.«

»Das Schiff muss gewaltig sein, Lit. Könnte es sich vielleicht um ein Kriegsschiff handeln? Bei dieser riesigen Monopolquelle?«

»Nicht unbedingt. Du weißt, wie ein Ramrobot funktioniert? Ein Magnetfeld sammelt interstellares Wasserstoffplasma auf, lenkt es von der eigentlichen Frachtzelle weg und verdichtet es zugleich, bis der Wasserstoff fusioniert. Das Problem dabei ist, dass kein Mensch auf einem Ramrobot mitreisen kann, weil immer noch viel zu viel Wasserstoff mit der Energie von Gammastrahlung durch das Magnetfeld gelangt. Für ein bemanntes Schiff benötigt man eine um ein Vielfaches exaktere Kontrolle über die Plasmafelder.«

»Wirklich so viel mehr?«

»Mitchikov sagt ja. Wenn das Schiff von weit genug herkommt. Je weiter seine Heimat entfernt liegt, desto länger muss es mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs gewesen sein.«

»Hm.«

»Du leidest an Verfolgungswahn, Nick. Warum sollte uns irgendeine Spezies ein interstellares Kriegsschiff schicken?«

»Warum sollte überhaupt jemand ein Schiff zu uns schicken? Ich meine, wenn du überlegst, wie unbedeutend wir sind ... Können wir Kontakt zu ihm aufnehmen, bevor er die Erde erreicht?«

»Merkwürdigerweise habe ich auch daran gedacht. Mitchikov hat mehrere mögliche Kurse berechnet. Unsere beste Chance besteht darin, irgendwann im Verlauf der nächsten sechs Tage eine Flotte von den nachlaufenden Trojanern des Jupiter auszusenden.«

»Keine Flotte! Wir wollen dem Outsider zeigen, dass wir harmlos sind. Haben wir denn überhaupt größere Schiffe bei den Trojanern?«

»Die Blue Ox. Sie stand im Begriff, nach Juno zu fliegen, aber ich habe sie beschlagnahmen und ihre Tanks leeren lassen.«

»Sehr gut. Das gefällt mir.« Die Blue Ox war ein Mammuttanker, so groß wie die Luxusliner der Titan-Hotelkette, wenn auch nicht so schön. »Wir brauchen einen Computer. Einen richtig guten, nicht den normalen Autopiloten. Und einen Techniker, der das Ding bedienen kann, sowie zusätzliche Sensoren für die Maschine. Ich möchte sie als Translator einsetzen. Der Outsider kommuniziert vielleicht durch Augenblinzeln oder über Radiowellen oder modulierten Strom. Können wir ein Einmannschiff im Tank der Blue Ox unterbringen?«

»Wozu denn das?«

»Nur für den Fall. Wir geben der Ox ein Rettungsboot mit. Wenn es hart auf hart kommt, kann vielleicht jemand entkommen.«

Lit sagte nicht Paranoia, aber er musste sich sichtbar beherrschen.

»Sein Schiff ist groß«, fuhr Nick geduldig fort. »Er besitzt eine Technologie, die weit genug fortgeschritten ist, um Reisen durch den interstellaren Raum zu ermöglichen. Er kann so freundlich sein wie ein junger Hund, und trotzdem könnte jemand ein falsches Wort sagen.« Er nahm den Hörer auf und sagte: »Verbinde mich mit Achilles. Die Schaltzentrale.«

Es würde eine Weile dauern, bis der Operator einen Laser auf Achilles fokussiert hatte. Nick legte auf, um zu warten, und das Telefon schrillte noch in seiner Hand.

»Ja?«

»Verkehrsleitzentrale hier«, schallte es aus dem Hörer. »Cutter am Apparat. Ihr Büro wollte alles über das große Monopolvorkommen wissen.«

Nick schaltete auf den Lautsprecher, sodass Lit mithören konnte. »Richtig. Was gibt’s?«

»Es passt seinen Kurs einem unserer Belterschiffe an. Der Pilot scheint keine Anstrengungen zu unternehmen, einem Kontakt auszuweichen.«

Sohl presste die Lippen aufeinander. »Was für ein Schiff?«

»Können wir auf diese Entfernung hin nicht sagen. Wahrscheinlich ein Einmannschiff. Ein Schürfer. Wenn’s sich keiner von beiden anders überlegt, erreichen sie in siebenunddreißig Stunden und zwanzig Minuten den gleichen Orbit.«

»Halten Sie mich auf dem Laufenden. Richten Sie alle in der Nähe befindlichen Teleskope auf das Objekt. Ich möchte nichts übersehen.« Nick legte auf. »Hast du alles mitgekriegt?«

»Jepp. Finagles Erstes Gesetz.«

»Können wir diesen Belter nicht aufhalten?«

»Das wage ich zu bezweifeln.«

Es hätte jeder sein können.

Aber es war Jack Brennan.

Er befand sich auf dem Kurs zum Erdmond und war noch mehrere Stunden vom Wendepunkt für das Bremsmanöver entfernt. Der alte Raketenmotor der Mariner XX ritt auf der Hülle seines Schiffes wie ein unterernährter siamesischer Zwilling. Noch immer saß die Pfeife in der flachen Nase: die Überschallpfeife, deren Neigung die Verbrennung des Feststoffkerns kontrolliert hatte. Brennan war hineingekrochen, um nachzusehen, weil er wusste, dass jede Beschädigung den Wert des Relikts mindern konnte.

Für eine ausgebrannte Raketenstufe war sie in wunderbarem Zustand. Die Mündung war ein wenig ungleichmäßig verbrannt, was aber nicht weiter schlimm war: Selbstverständlich nicht, denn die Sonde hatte schließlich ihr Ziel erreicht. Das Raumfahrtmuseum auf dem Mond würde eine hübsche Summe dafür zahlen.

Im Belt ist das Schmuggeln illegal, aber nicht unmoralisch. Für Brennan war das Schmuggeln nicht unmoralischer, als wenn ein Flatlander vergaß, die Parkuhr zu füttern. Wenn man erwischt wurde, zahlte man die Strafe, und damit hatte es sich.

Brennan war ein Optimist. Er rechnete nicht damit, erwischt zu werden.

Vier Tage lang hatte er mit Werten dicht unterhalb von 1 g beschleunigt. Die Umlaufbahn des Uranus lag inzwischen weit hinter ihm, doch bis zum inneren Sonnensystem war es noch eine gewaltige Strecke. Sein Schiff machte eine höllische Fahrt. Zwar gab es noch keine ausgeprägten relativistischen Effekte – so schnell war er nun auch wieder nicht –, doch er würde die Uhr neu stellen müssen, wenn er am Ziel angekommen war.

Brennan der Schürfer. Bei 1 g wog er knapp achtzig Kilo. Er war nicht ganz hundertneunzig Zentimeter groß und sah – wie alle Belter – wie ein zu dünn geratener Basketballspieler aus. Und weil er den größten Teil der letzten vier Tage in seinem Pilotensitz verbracht hatte, fühlte er sich allmählich verschrumpelt und krumm und müde.

Doch seine braunen Augen blickten klar und wachsam, nachdem seine Sehstärke im Alter von achtzehn Jahren mikrochirurgisch behandelt worden war. Sein glattes dunkles Haar verlief in einem zollbreiten Streifen von der Stirn bis in den Nacken, rechts und links von glatter, polierter Kopfhaut gesäumt. Seine Hautfarbe war weiß, was lediglich hieß, dass seine typische Belterbräune nicht dunkler war als Cordobaleder. Und wie üblich war sie nur an Händen, im Gesicht, auf der Kopfhaut und am Hals zu sehen. Überall sonst war er so käsig weiß wie ein Vanille-Milchshake.

Brennan war fünfundvierzig Jahre alt, sah aber aus wie dreißig. Die Gravitation hatte es gut gemeint mit den Muskeln in seinem Gesicht, und Haarwuchsmittel hatte die drohende kahle Stelle auf seinem Hinterkopf beseitigt. Doch jetzt waren die ersten feinen Linien rings um die Augen nicht mehr zu übersehen, nachdem er die letzten zwanzig Stunden ein verwirrtes Gesicht geschnitten hatte. Brennan hatte entdeckt, dass ihm jemand folgte.

Zuerst hatte er geglaubt, es wäre eine Goldhaut, ein Polizist von Ceres. Aber was hatte eine Goldhaut so weit von der Sonne entfernt zu suchen?

Und nach genauerem Hinsehen konnte es sich unmöglich um eine Goldhaut handeln. Die Antriebsflamme war zu unscharf, zu groß und nicht hell genug.

Beim dritten Hinsehen hatte er ein paar Instrumente abgelesen. Brennan beschleunigte, und der Fremde bremste, doch er besaß noch immer einen gewaltigen Geschwindigkeitsüberschuss. Entweder kam er von jenseits des Pluto, oder sein Antrieb erzeugte Dutzende von g an Beschleunigung. Was letztendlich beides zur gleichen Antwort führte.

Das merkwürdige Licht stammte von einem Outsider.

Wie lange hatte der Belt auf ein Ereignis wie dieses gewartet? Jeder Mensch, der einige Zeit zwischen den Sternen verbrachte, sogar ein Flatlander, der nur zwischen Erde und Mond Fährdienst leistete, erkannte eines Tages, wie gewaltig das Universum tatsächlich war. Milliarden von Lichtjahren weit, mit genügend Raum für wirklich alles, was man sich vorstellen konnte. Ganz ohne Zweifel gab es irgendwo dort draußen Outsider; und die ersten Aliens, die eines Tages mit der Menschheit in Kontakt treten würden, gingen irgendwo außerhalb der Reichweite der Belter-Teleskope ihren Beschäftigungen nach.

Und jetzt war der Outsider da und passte seinen Kurs an den von Jack Brennan an.

Brennan war nicht einmal überrascht. Misstrauisch, das war er, aber nicht überrascht. Nicht einmal darüber, dass der Outsider ausgerechnet sein Schiff ausgesucht hatte. Das war reiner Zufall. Schicksal. Was auch immer. Sie kamen beide aus ungefähr der gleichen Richtung und waren zum inneren System unterwegs.

Den Belt informieren? Dort hätte man es inzwischen sicher bemerkt. Das Teleskopnetz des Belts verfolgte jede Schiffsbewegung im System; mit hoher Wahrscheinlichkeit fanden sie jeden falschfarbenen Lichtpunkt, der sich mit ungewohnter Geschwindigkeit bewegte. Brennan hatte fest damit gerechnet, dass sie sein Schiff entdeckten, und nur darauf spekuliert, dass sie es nicht früh genug entdeckten. Ganz bestimmt hatten sie den Outsider auf ihren Schirmen, und ganz bestimmt beobachteten sie ihn inzwischen. Und allein diese Tatsache reichte, um Brennans Position und Kurs zu verraten.

Gleichwohl durfte Brennan nicht nach Ceres masern. Ein Flatlanderschiff konnte den Nachrichtenstrahl abfangen. Und Brennan hatte keine Ahnung, welche Politik der Belt bezüglich Outsiderkontakten zur Erde verfolgte.

Der Belt musste ohne ihn reagieren.

Womit Brennan nur zwei Entscheidungen blieben.

Die eine war schnell gefällt. Er hatte nicht mehr die geringste Chance, unbemerkt zu schmuggeln. Er musste den Kurs ändern, um einen der äußeren Asteroiden zu erreichen, und er musste den Belt bei der ersten sich bietenden Gelegenheit rufen, um seinen Kurs und seine Fracht durchzugeben.

Aber was sollte er mit dem Outsider anfangen?

Flucht- oder Ausweichmanöver? Kein Problem. Es war per Definition unmöglich, ein feindliches Schiff im Weltraum zu stoppen. Ein Cop konnte zwar seinen Kurs dem eines Schmugglers anpassen, aber so lange der Schmuggler nicht kooperierte, konnte die Goldhaut ihn nicht festnehmen – jedenfalls nicht, bevor dem Schmuggler der Treibstoff ausging. Der Cop konnte den Schmuggler aus dem Weltraum blasen oder ihn mit einem guten Autopiloten sogar rammen – aber wie sollte er die Luftschleusen koppeln, wenn das andere Schiff willkürlich die Antriebe zündete? Brennan konnte jeden Kurs einschlagen, den er wollte, und dem Outsider blieb nichts anderes übrig, als ihm entweder zu folgen oder ihn zu zerstören.

Davonlaufen schien vernünftig. Brennan hatte eine Familie zu beschützen. Charlotte konnte auf sich selbst achtgeben. Sie war eine erwachsene Belterin, mindestens ebenso kompetent wie Brennan selbst, obwohl sie niemals genügend Ehrgeiz entwickelt hatte, ihren Pilotenschein zu machen. Und Brennan hatte die üblichen Abgaben für Estelle und Jennifer an den Treuhänder gezahlt. Seine beiden Töchter würden großgezogen werden und eine Ausbildung erhalten.

Doch er konnte mehr für sie tun. Er konnte vielleicht sogar noch einmal Vater werden – wahrscheinlich mit Charlotte. An seiner Schiffshülle war bares Geld festgezurrt, und Geld bedeutete Macht. Wie politische oder wirtschaftliche Macht, so konnte Geld alles Mögliche bewirken.

Wenn er mit dem Alien Kontakt aufnahm, würde er Charlotte vielleicht niemals wiedersehen. Es war nicht ungefährlich, als erster Mensch einer fremden Lebensform zu begegnen.

Aber es war auch eine einmalige Chance, berühmt zu werden.

Würde die Geschichte jemals den Menschen vergessen, der als erster dem Outsider begegnet war?

Für einen kurzen Augenblick fühlte sich Brennan in der Zwickmühle. Als spielte das Schicksal seine launischen Spiele mit ihm – doch er durfte sich diese Chance nicht entgehen lassen. Sollte der Outsider nur kommen. Brennan behielt seinen Kurs bei.

Der Belt ist von einem Netz aus Teleskopen überzogen. Hunderttausenden von ihnen.

Es geht gar nicht anders. Jedes Schiff führt ein Teleskop mit. Jeder Asteroid muss konstant unter Beobachtung bleiben, weil Asteroiden leicht aus der Bahn geworfen werden und die Karte des Sonnensystems bei Bedarf innerhalb von Sekunden aktualisiert werden muss. Das Licht eines jeden Fusionsantriebs muss überwacht werden. In überfüllten Sektoren kann es geschehen, dass ein Schiff die Antriebsflamme eines anderen durchquert, wenn niemand rechtzeitig eine Warnung ausstößt – und die Antriebsflamme eines Fusionsmotors ist tödlich.

Nick Sohl starrte auf den Schirm, dann wieder auf den Stapel von Dossiers auf seinem Schreibtisch, auf den Schirm ... Der Schirm zeigte zwei violett-weiße Punkte, der eine größer und verschwommener als der andere. Sie passten bereits auf den gleichen Schirm, weil der Asteroid, von dem das Bild stammte, sich beinahe auf einer Linie mit ihnen befand.

Nick hatte die Dossiers immer wieder gelesen. Es waren zehn Stück, und hinter jedem konnte sich der unbekannte Belter verbergen, der sich nun dem Schiff des Outsiders näherte. Anfangs waren es ein Dutzend Dossiers gewesen. In den Vorzimmern bemühten sich Sohls Leute, die verbliebenen zehn eines nach dem anderen zu eliminieren, genauso, wie sie die ersten beiden durch Telefonanrufe, Kom-Laser und Rasterfahndung gefunden hatten.

Da das Belterschiff nicht zu flüchten schien, hatte Nick insgeheim sechs der zehn Dossiers ausgeklammert. Zwei von ihnen waren nie beim Schmuggeln erwischt worden: ein Hinweis auf übergroße Vorsicht, sei es, dass sie nie geschmuggelt hatten oder sich nie ertappen ließen. Eine kannte Nick persönlich; sie war xenophob. Und drei waren Veteranen; man wurde nicht alt im Belt, indem man sein Glück aufs Spiel setzte. Im Belt waren Finagles Gesetze wirklich nicht besonders lustig.

Einer der vier verbliebenen Schürfer besaß die kolossale Arroganz, sich selbst zum Botschafter der Menschheit zu berufen. Geschieht dem Mistkerl recht, wenn er es versaut, dachte Nick. Wer von ihnen mag es sein?

Eine Million Meilen vor dem Orbit Jupiters und noch immer ein gutes Stück oberhalb der Ebene des Sonnensystems passte Phssthpok die Geschwindigkeit seines Schiffs der des Eingeborenen an und begann mit der Annäherung.

Es gab Tausende und Abertausende intelligenter Spezies in der Galaxis, doch Phssthpok und seine Rasse hatten nur ihre eigene studiert. Wenn Phssthpoks Art auf eine andere Spezies traf, was hin und wieder geschah, zum Beispiel, wenn die Pak in nahegelegenen Systemen Mineralien abbauten, dann wurden die Fremden so rasch und vollständig ausgelöscht wie nur irgend möglich. Aliens waren gefährlich – oder konnten es zumindest werden, und Pak waren an nichts anderem außer Pak interessiert. Protektoren waren hochintelligent, doch Intelligenz ist eine Gabe, die auf ein Ziel gerichtet ist, und Ziele ... Ziele werden nicht immer intelligent ausgewählt.

Phssthpok agierte vollkommen ohne Wissensgrundlage. Er konnte lediglich Vermutungen anstellen, weiter nichts.

Er vermutete zum Beispiel, dass der Alien nicht viel größer oder kleiner war als Phssthpok selbst, wenn man annahm, dass die ovale Rille im Rumpf des Eingeborenenschiffes den Umriss einer Luftschleuse darstellte. Also drei bis sieben Fuß, je nachdem, wie viel Ellbogenfreiheit das Wesen benötigte. Selbstverständlich war es möglich, dass das Oval nicht für die Höchstgröße des Aliens ausgelegt war, wie es für das Schiff des zweibeinigen Phssthpok galt. Doch das Gefährt war klein, und es würde keinen Raum für ein Wesen bieten, das viel größer war als Phssthpok.

Ein Blick auf den Eingeborenen würde es ihm verraten. Falls es kein Pak war, würde Phssthpok ihm Fragen stellen müssen. Wenn doch ...

Wenn doch, würde es noch immer Fragen geben, und zwar eine ganze Menge. Wenigstens aber wäre seine Suche dann vorüber. Ein paar Schiffstage noch, bis er GO Target #1 – 3 erreicht hätte, eine kurze Zeit, bis er ihre Sprache gelernt hätte und ihnen erklären konnte, was er mitgebracht hatte, dann konnte er aufhören zu essen.

Das andere Schiff verriet durch nichts, dass es Phssthpok entdeckt hatte. Ein paar Minuten noch, und er käme längsseits, und noch immer machte der Fremde keine Anstalten ... Halt. Der Eingeborene hatte den Antrieb abgeschaltet. Eine unmissverständliche Einladung an Phssthpok, den Kurs anzugleichen.

Der Pak ging längsseits. Er verschwendete keinen Treibstoff, und das Schiff machte keine unnötige Bewegung – fast, als hätte Phssthpok sein ganzes Leben lang für dieses eine Manöver geübt. Seine Lebenserhaltungszelle glitt neben das Schiff des Eingeborenen und kam zu einem relativen Stillstand.

Phssthpok trug seinen Druckanzug, doch er wartete noch. Er wagte nicht, sein Leben zu riskieren, nicht so dicht vor dem Sieg. Wenn nur der Eingeborene endlich aus der Schleuse käme ...

Brennan beobachtete, wie das fremde Schiff langsam längsseits kam.

Drei Sektionen, jeweils acht Meilen auseinander. Brennan sah keine Kabel, die sie verbanden, aber auf die Entfernung mochten sie unsichtbar dünn sein. Die größte, massivste Sektion war sicher der Antrieb: ein Zylinder mit drei kleinen Konussen, die hinten herausragten. So groß er auch sein mochte – der Zylinder war definitiv zu klein, um genügend Treibstoff für eine interstellare Reise aufzunehmen. Entweder der Outsider hatte unterwegs leere Tanks abgeworfen, oder ... ein bemannter Ramrobot?

Die zweite Sektion durchmaß vielleicht zwanzig Meter. Als das Schiff schließlich hielt, lag sie direkt vor Brennan. Ein kreisförmiges Fenster starrte in den Raum hinaus und verlieh der Kugel das Aussehen eines gigantischen Augapfels. Das Bullauge drehte sich und blieb unnachgiebig auf Brennan gerichtet, während das Schiff langsam vorüberglitt. Nur mit Mühe gelang es Brennan, den Blick nicht abzuwenden.

Jetzt kamen ihm Bedenken. Sicher hätte die Beltregierung ein besseres Treffen als das hier organisieren können ...

Die dritte Sektion befand sich am gegenwärtig hinteren Ende – Brennan hatte einen Blick darauf werfen können, als sie vorbeigeglitten war. Sie war eiförmig, vielleicht zwanzig Meter lang und zehn im Durchmesser. Das breitere Ende, das vom Antrieb weg zeigte, war so einheitlich mit von Staubkörnern hervorgerufenen Kratern übersät, dass es wie gesandstrahlt aussah. Das schmale Ende lief spitz aus und war glatt, fast glänzte es. Brennan nickte. Ein Ramjetfeld würde das vordere Ende während der Beschleunigungsphasen vor Mikrometeoriten schützen. Während der Bremsmanöver bewirkte die hintere Position das gleiche.

Risse gab es in dem Ei keine.

Brennan bemerkte hinter der vorgewölbten Iris der Mittelsektion eine Bewegung. Er strengte sich an, um mehr zu erkennen ... doch alles blieb ruhig.

Eine merkwürdige Art, ein Schiff zu bauen, dachte Brennan. Die zentrale Sektion schien das Lebenserhaltungssystem aufzunehmen, denn sie besaß eine Schleuse und die hintere nicht. Und der Antrieb schien gefährlich radioaktiv zu sein – warum sonst hätte der Outsider das Schiff derart in die Länge ziehen sollen? Was auch immer sich im hinteren Ei befand, es musste wertvoller sein als der Pilot selbst – jedenfalls nach Meinung des Piloten.

Entweder das, oder sowohl Pilot als auch Konstrukteur waren töricht oder verrückt.

Das Outsiderschiff lag jetzt reglos neben Brennan, und der Antrieb erkaltete. Die Mittelsektion befand sich kaum ein paar Hundert Fuß entfernt. Brennan wartete.

Ich bin chauvinistisch, sagte er sich. Ich kann doch wohl nicht den Geisteszustand eines Alien nach Beltermaßstäben beurteilen, oder?

Er schürzte die Lippen. Selbstverständlich kann ich das: Dieses Schiff ist schlecht durchdacht. Der Alien trat auf den Rumpf hinaus.