Franz Lieber - Ein Bürger zweier Welten - Hugo Preuß - E-Book

Franz Lieber - Ein Bürger zweier Welten E-Book

Hugo Preuß

0,0

Beschreibung

Dieses eBook: "Franz Lieber - Ein Bürger zweier Welten" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Francis Lieber (1800-1872), ursprünglich Franz Lieber, war ein deutsch-amerikanischer Jurist, Publizist und Rechts- und Staatsphilosoph. Er wurde bekannt durch die Erstellung des Lieber Codes, einer Vorschrift zur Kriegsführung, die durch einen Erlass des damaligen US-Präsidenten Abraham Lincoln für die Truppen der Nordstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 bindend war. Francis Lieber gilt als einer der herausragendsten amerikanischen Juristen seiner Zeit und als einer der Wegbereiter der Politikwissenschaft und der Soziologie in den Vereinigten Staaten. Hugo Preuß (1860-1925) war ein deutscher Staatsrechtslehrer und Politiker. Der Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) gilt als "Vater" der Weimarer Reichsverfassung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 56

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hugo Preuß

Franz Lieber - Ein Bürger zweier Welten

e-artnow, 2015 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-4249-1

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titelblatt
Text

„Ein Bürger zweier Welten“ – mit diesem romantischen Beinamen hat man, wie bekannt, zuerst den chevaleresken Soldaten der Freiheit, den Demokraten von altem Adel, Marquis v. Lafayette geehrt. Seit jener Zeit, seit nunmehr einem Jahrhundert hat sich gewaltig die Zahl derjenigen vermehrt, die sich als Bürger zweier Welten bezeichnen können, die diesseits wie jenseits des Oceans Bürgerrecht gewonnen. Und besonders unser deutsches Vaterland ist reich an solchen „Bürgern zweier Welten“; in Berlin, in Dresden und Frankfurt a. M. finden wir sie in ganzen Kolonien; und diese Kolonien bilden einen nicht zu unterschätzenden Bestandtheil unseres nationalen Wohlstandes. Den jungen Lafayette führte einst Mars, der Kriegsgott, über den Ocean, um in dem neu entstehenden Staate die Schlachten der Freiheit mitzuschlagen; die Argonautenzüge, die seitdem, von Jahr zu Jahr anwachsend, von Europa gen Westen gehen, haben einen friedlicheren Charakter; über ihnen waltet Merkur, der Handel und Gewerbe schützt. Nicht allen diesen modernen Argonauten gelingt es, dort „drüben“ das goldene Vließ des Wohlstandes oder gar Reichthums zu erbeuten, und der größte Theil derer, denen es glückt, bleibt in natürlicher Bethätigung des alten Spruches, „ubi bene, ibi patria“, in dem Lande ihrer Wahl zurück. Aber auch sie tragen dazu bei, die ungeheure Menge der Wechselbeziehungen noch zu vermehren, deren Fäden herüber und hinüberlaufend, ein unzerreißbares Netz, heute Europa und Amerika verbinden. Beide geben und empfangen. Nicht viele Familien wird man bei uns in Deutschland finden, von denen nicht ein näheres oder entfernteres Glied „drüben“ ist oder war. Die Zahl deutscher Auswanderer nach Amerika beträgt seit 40 Jahren im Durchschnitt nahezu 100 000 jährlich und viele Millionen Dollars, von Deutschen in Amerika erworben, sind in dieser oder jener Form nach Deutschland zurückgeflossen. Den Begriff räumlicher Entfernung zwischen Europa und Amerika haben die wunderbar entwickelten Verkehrsmittel unserer Tage fast beseitigt; eine Reise nach New-York und selbst S. Francisco ist heute ein weit einfacheres Ding, als es im Anfange des Jahrhunderts eine Reise von einem Ende Deutschlands zum andern war. Der in Amerika lebende Deutsche macht während weniger Wochen statt einer Badereise einen Besuch bei seiner Familie in Deutschland, und zur Einweihung einer amerikanischen Eisenbahn, die den atlantischen mit dem stillen Ocean auf’s Neue verbindet, unternehmen Koryphäen unseres politischen und litterarischen Lebens eine kleine Ferienspritztour nach dem „fernen Westen“.

So lebhaft nun dieser Verkehr der Menschen herüber und hinüber, so gewaltig der Austausch materieller Güter geworden ist, – der Verkehr im geistigen Leben, der Austausch ideeller Güter hat damit nicht gleichen Schritt gehalten. Man hat, um die vollzogene Annäherung auszudrücken, gesagt, Europa und Amerika seien heut zu Tage nur durch einen Graben voll Salzwasser getrennt. Wohl, aber in mancher Hinsicht scheidet dieser Graben voll Salzwasser noch immer zwei getrennte Welten; vor Allem auf den Gebieten, wo die neue Welt ein eigenes, selbstständig entwickeltes Wesen dem des alten Europa entgegensetzen kann, auf dem Gebiete staatlichen und socialen Lebens. Die Erklärung dieses Mangels liegt nahe. Der lebendige Strom, der die alte und die neue Welt verbindet, das ist die beständig sich erneuende Auswanderung. Die große Menge der Auswanderer aber wird von materiellen Sorgen über den Ocean getrieben, sie sucht in dem neuen Lande zunächst des Lebens Nothdurft zu erwerben, und dann sich zur Wohlhabenheit durchzuringen; in allgemeinen Dingen, in Staat und Gesellschaft fügt sie sich ohne weiteres, meist willig und gern, den vorhandenen Zuständen und geht in ihnen auf. Zu Abstraktionen, zu Vergleichen der heimischen und der neuen Verhältnisse fehlt dieser Menge Zeit, Lust, geistige Fähigkeit, und vor Allem auch die nöthige Vorbildung. Zu theoretischen Beobachtern sind diese Leute nicht geschaffen, und das ist für ihre Zwecke auch ein Glück.

Freilich, trotz alledem und so wenig auch der Einzelne in dieser Hinsicht that und thun konnte, völlig konnte bei der kolossalen Massenhaftigkeit der europäischen Einwanderung die Rückwirkung europäischer Verhältnisse auch in staatlicher und socialer Beziehung auf die amerikanischen nicht ausbleiben. Ja, es hat auch nicht gänzlich, an Männern gefehlt, welche eine solche Wechselbeziehung bewußt anstrebten und hüben und drüben durch ihr Wirken herbeizuführen suchten. Und hier nimmt denn gerade das deutsche Element eine hervorragende Stellung ein.

Die deutsche Einwanderung nach Amerika ist numerisch erst im 19. Jahrhundert von großer Bedeutung geworden, und die statistischen Nachweise lassen erkennen, daß dieselbe wesentlich beeinflußt worden ist von den jeweiligen politischen Zuständen Deutschlands. So wanderten im Jahre 1816/17 unter der Nachwirkung der großen Kriege über 20 000 Deutsche nach Amerika aus; 1821/22 fiel die Zahl auf 148, um sich nach den revolutionären Bewegungen der 30 er Jahre, auf über 10 000 im Jahre 1832 und 23 000 im Jahre 1837 zu heben. Von ungeheurem Einflusse aber war vor allem die Bewegung des Jahres 1848. Die Zahl der deutschen Einwanderer in dem Jahrzehnt von 1845 bis 1854 beträgt 1 226 392, also im Durchschnitt über 120 000 jährlich. Die Masseneinwanderung der 48 er bildet einen wesentlichen Abschnitt in der Geschichte der deutsch-amerikanischen Emigration. Die schon früher Eingewanderten nannte man im Gegensatz zu diesen massenhaften neu angekommenen „Grünen“, die „grauen Deutschen“.

Jene Hunderttausende waren freilich auch nur zum kleineren Theil politische Flüchtlinge im eigentlichen Sinne, Leute höherer Bildung, welche ein entwickeltes politisches Auffassungs- und Denkvermögen mitbrachten, und deren Thätigkeit nicht lediglich im wirthschaftlichen und Erwerbsleben aufging. Männer dieser Art haben denn auch wirksam auf einen geistigen Austausch zwischen Deutschland und Amerika hingearbeitet. Theils haben sie, dauernd in Amerika seßhaft geworden, thätig in das politische Leben des großen transatlantischen Gemeinwesens eingegriffen; theils kehrten sie, nachdem sie in langjährigem Aufenthalt die dortigen Zustände gründlich kennen gelernt, bei dem großartigen Aufschwünge der deutschen Politik von 1866 und 1870 zu uns zurück, im hiesigen staatlichen und socialen Leben für ein besseres Verständniß der neuen Welt wirkend. Repräsentirt werden diese beiden Kategorien von Vermittlern deutschen und amerikanischen Geistes durch die diesseits wie jenseits des Oceans hochverehrten Namen von Karl Schurz und Friedrich Kapp.

Kein so glückliches Loos war einem Manne beschieden, der doch durch die hohe Begabung seines Geistes wie durch die reiche Erfahrung seines wechselvollen Lebens so recht zu einem geistigen Vermittler zwischen beiden Welten berufen war. Und er hat diesen Beruf auch segensreich und wirksam ausgeübt, freilich nicht im lauten Getümmel des praktischen Lebens, sondern im stillen Schaffen wissenschaftlichen Denkens. In seiner Natur war zu viel vom deutschen Gelehrten, als daß er praktisch in die nur allzu praktische amerikanische Tagespolitik hätte eingreifen können; und nach Deutschland, wo er unter den neuen Verhältnissen hätte politisch wirken können, kehrte er nicht zurück; da er zur Zeit, als der nationale Aufschwung sich vollzog, bereits ein Greis war und seit mehr als 40 Jahren in Amerika eingelebt. Denn er gehörte nicht zu der glücklicheren Generation von Schurz und Kapp