Freitisch - Uwe Timm - E-Book

Freitisch E-Book

Uwe Timm

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Beschreibung

Freitisch: Zwei Lebensentwürfe prallen aufeinander - eine geistreiche Novelle über Jugendträume und Lebenswege In Uwe Timms glänzend geschriebener Novelle Freitisch treffen sich zwei Männer nach langer Zeit wieder, die in den frühen Sechzigern als Studenten in München ihren Weg suchten. Am Freitisch in der Kantine einer spendablen Versicherung kreisten ihre Gespräche um Gott und die Welt und einen gemeinsamen Bezugspunkt: Arno Schmidt. Nun prallen in Anklam zwei Lebensentwürfe aufeinander: Der Erzähler, ein pensionierter Lehrer, der ein Antiquariat führt, und Euler, einst Mathematiker mit literarischen Ambitionen, heute Investor auf der Suche nach einem Terrain für eine Mülldeponie. Anekdoten werden ausgetauscht, Lektüren zitiert und Erinnerungen an den Dritten im Bunde wachgerufen: Falkner, der damals schrieb, ohne je einen Text zu zeigen, und heute ein bekannter Schriftsteller ist. Geistreich und gewitzt erzählt Timm von den Wünschen und Hoffnungen der Jugend und der existenziellen Frage, was sich davon im Leben umsetzen lässt. Eine Novelle voller Anspielungen, die zum Nachdenken über den eigenen Lebensweg anregt.

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Seitenzahl: 117

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Uwe Timm

Freitisch

Novelle

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Über Uwe Timm

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

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Über Uwe Timm

Uwe Timm, geboren 1940, freier Schriftsteller seit 1971. Sein literarisches Werk erscheint im Verlag Kiepenheuer & Witsch, zuletzt »Am Beispiel meines Bruders«, 2003, mittlerweile in 17 Sprachen übersetzt, »Der Freund und der Fremde«, 2005, »Halbschatten«, 2008, »Am Beispiel eines Lebens«, 2010, »Freitisch«, 2011 und »Vogelweide«, 2013.

Uwe Timm wurde 2006 mit dem Premio Napoli sowie dem Premio Mondello ausgezeichnet, erhielt 2009 den Heinrich-Böll-Preis und 2012 die Carl-Zuckmayer-Medaille.

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Über dieses Buch

Sind wir die geworden, die wir sein wollten?

»Damit hatte er nicht rechnen können, ausgerechnet hier, am Mare Balticum, von seinem Vorleben eingeholt zu werden.« Uwe Timm erzählt vom späten Wiedersehen zweier Männer, die in den frühen Sechzigern, noch vor dem großen Aufbruch, als Studenten in München ihren Weg suchten.

Am Freitisch saßen sie mittags beieinander, in der Kantine einer spendablen Versicherung, und ihre Gespräche kreisten um Gott und die Welt und einen gemeinsamen Bezugspunkt: Arno Schmidt. Als sie sich in Anklam wiedertreffen, prallen zwei Lebensentwürfe aufeinander. Der Erzähler hat hier als Lehrer gearbeitet, Deutsch und Geschichte, und führt seit seiner Pensionierung ein Antiquariat. Der andere, Euler, damals Mathematiker mit literarischen Ambitionen, kommt als Investor und sondiert das Terrain, um eine Mülldeponie zu bauen.

Beide helfen sich und der Erinnerung auf die Sprünge, geben Anekdoten zum Besten, zitieren ihre Lektüren und landen immer wieder bei dem Dritten im Bunde: Falkner, der damals schrieb, ohne jemals einen Text vorzuzeigen, und mittlerweile ein bekannter Schriftsteller ist. Und bei jener merkwürdigen Reise, die sie in die Heide, zu Arno Schmidts Grundstück führte.

Wie man wurde, was man ist, und was man vielleicht hätte werden können – davon handelt Uwe Timms geistreiche, gewitzte, glänzend geschriebene Novelle, die voller Anspielungen steckt und der existenziellen Frage nachgeht: Was lässt sich umsetzen von den Wünschen und Hoffnungen, mit denen man angetreten ist?

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Impressum

Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KGBahnhofsvorplatz 150667 Köln

© 2011, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln

eBook © 2013, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln

Covergestaltung: Rudolf Linn, Köln

Covermotiv: © Rudolf Linn, Köln

 

ISBN978-3-462-30762-7

 

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Inhaltsverzeichnis

Motto

Freitisch

›warum &/ab wann beginnt ein Dichter, Bilder als Vorlagen zu verwendn?‹; (anstatt auf ›wirkliche Erlebnisse‹ zurückzugreifn) – ist das eine reine AltersFrage?; oder aber eine von Temperament?/Constitution?; (dh ›ist‹ Einer so; oder ›wird‹ Jeder so?).

Arno Schmidt, Die Schule der Atheisten

 

 

 

 

 

Vor dem Rathaus hatte ich auf ihn gewartet.

Entschuldigung, sagte ich, wir kennen uns. Er sah mich an, suchte in meinem Gesicht und sagte dann: Hm.

Ist schon ’ne ganze Weile her, die Zeit, als Noah bei der Marine war.

Rührend ratlos stand er da, und man sah, innen lief der Gedächtnisspeicher auf Hochtouren, sortierte Gesichter und Zeiten. Nochmals sagte er: Hm, aber diesmal länger auf dem M ausruhend. Nein, weiß nicht. Helfen Sie mir.

Serves him right.

Die Stirnfalte vertiefte sich.

Wissen Sie, woher das Wort Mondamin stammt?

Das Suchen verschwand aus seinem Gesicht, wich einem Staunen, dann kam ein unwilliges Was-denn? Vermutlich dachte er, einer der Stadtalkoholiker wolle ein Bier schnorren.

Die Rentner auf den Parkbänken beobachteten uns. Am Fenster oben im Rathaus erschienen Gesichter – auch das des Dezernenten für Wirtschaft. Er hatte ein Fernglas in der Hand. Hielt es jetzt ganz ungeniert vor die Augen und auf uns gerichtet. Wollte wohl sehen, ob ihm da einer aus der Nachbarstadt den dicken Fisch wegzufangen versuchte.

Es war in unserer kleinen Stadt mit dem Epitheton ornans »sterbend« schnell durchgesickert, dass ein Investor kommt. Und ich hatte auf ihn gewartet, hier vor dem Rathaus, errichtet in den Fünfzigerjahren aus entmörtelten Trümmerziegeln. Realsozialistische Neoklassik. Die Stadt war kurz vor Kriegsende erst von den Amerikanern und dann, nachdem die Rote Armee sie erobert hatte, noch einmal von der Deutschen Luftwaffe bombardiert worden. Die Einwohner sagen mit grimmem Ostseehumor: Dat heft se all platt mokt. Aber damit meinen sie dann doch nur die Amis, die Bomben der Deutschen Luftwaffe haben sie vergessen.

Das Kennerauge sieht sofort, einer aus dem Westen mit seiner schwarzen, knapp geschnittenen Windjacke aus irgendeinem atmungsaktiven Technostoff und einem leuchtend roten Reißverschlusszipp, dem einzigen Farbfleck, denn auch die weich fallende Hose war schwarz. Und das Saab-Cabrio, in einem dezenten Mittelgrau, hatte er rechts am Markt geparkt und das Verdeck offen gelassen.

Auch hatte sich schnell herumgesprochen, wann er kommt. So was bleibt hier nicht verborgen. Unser Briefträger meldet uns schon am Gartenzaun die Herkunftsländer der Briefe. Argentinien, Portugal, Norwegen – und, mit starkem Tremolo: Sönsterud. Die Eltern Ihrer Frau haben geschrieben, ruft er mir von der Gartentür aus zu.

Und jetzt jemand aus Berlin, der Investitionen versprach, und sei es nur für eine Mülldeponie. Auch die bringt Arbeitsplätze, hoffte man. Übrigens nicht irgendein normaler Müll, nein, ein ganz besonderer Müll, hochkontaminiert, erzählte uns die Eierfrau.

Den konnte man inzwischen nicht mal mehr den Afrikanern billig andrehen.

Gut sah er aus, graublondes, kurzstruppiges Haar, wettergebräunt, nicht die gelbliche Solarbräune. Es hieß, er habe im Haff ein Segelboot liegen, darum sei sein Blick auf die vergessene Stadt gefallen. Auch auf der Straße, zufällig, hätte ich ihn wiedererkannt, er aber, wie sich zeigte, nicht mich, der graue Bart, das kurze und, man muss es so sagen, schüttere Haar, die schlabberigen Kordhosen, das karierte Hemd, die runde Nickelbrille lassen vielleicht an einen Provinzkünstler denken. Oder an einen Penner. Nein, dafür fehlt dann doch das gewisse Odeur.

Ist es wirksam, gegen diebische Elstern in die Kirschbäume Salzheringe zu hängen, fragte ich ihn.

An Stirn und Augen krauste Vorsicht.

Ja, damals hätte ich betonter Vor-Sicht gesagt. Sie erinnern sich nicht?

Sein sehr energisches Nein war schon im Ab- und Umdrehen gesprochen.

Vor gut vierzig Jahren, da haben Sie uns mit den »Kühen in Halbtrauer« traktiert. In München. Am Freitisch. Mit Blick auf den Englischen Garten.

Er blieb mit einem überraschten Ach stehen.

Sie. Oder sollte ich angesichts der Erinnerung, die jetzt sein Gesicht aufhellte, du sagen? Nein, erst mal beim Sie bleiben. Sie haben Arno Schmidt, wie soll ich sagen, geradezu gepredigt. Erfüllt von der Botschaft, eine Art literarisches Pfingstwunder, damals.

Und da kam mit einem Ah und einem Ja die Erinnerung aus seinem Mund und ließ ihn heftig grinsen.

Was machen Sie – auch er zögerte bei dem Sie einen Moment – hier?

Lehrer, pensioniert, wohne zwischen Rosen und Porree, mit Kaufmanns-Und, versteht sich.

Und wieder lachte er.

Ist so ’ne Art Frimmersen und zeichnet sich wohltuend durch einen Mangel an Sehenswürdigkeiten aus.

Sein Blick richtete sich auf die Marienkirche.

Ja, etwas Backsteingotik ist stehen geblieben, auch ’ne holländische Dachwindmühle gibt’s.

Ich lud ihn ein. Zur Auswahl am Markt: Landbäckerei Grützmann. Oder das Stadtcafé Junge mit Blick auf die Rathausfront und die zerstörte Nikolaikirche?

Grützmann, sagte er, das klingt doch gut.

Ja, wenn die Provinz ihre Fantasie spielen lässt. Landbäckerei, riecht man doch das Brot. Dagegen dieses dröge HO in der Zeit des realen Sozialismus – die Deutsche Demokratische Republik – man muss sich diese verzweifelte Dopplung auf der Zunge zergehen lassen, um zu ahnen, wie weit entfernt der Name von der Wirklichkeit war. Aber immerhin – es gab hier mal das interessanteste Theater der Republik. Frank Castorf. Muss eine wunderbare Chaostruppe gewesen sein. Die Leute kamen sogar aus Berlin. Dafür sah man nur wenige Anklamer, aber die, die hingingen, schwärmen noch heute. Ein Ensemble aus Alkoholikern, Abgemahnten, Vorbestraften, Leuten, die aus der Partei ausgeschlossen worden waren. Eine tolle Mannschaft.

Nun ja, sagte er bemüht verbindlich, immerhin, die Stadt hat ja auch einen Hafen, und die Peene ist bis hierher schiffbar, sogar für Kümos. Und ein Bootshafen, der nicht völlig überlaufen ist.

Damit verriet er sich als Segler. Als wir das erste Mal hierhergekommen waren und durch die sommerliche Stadt streiften, staunten wir, Kinder schwammen im Fluss, in dieser grünen, langsam fließenden Pommern-Peene, im Hafen sprangen sie von der Kaimauer ins Wasser. Eine Erinnerung an die eigene Kindheit, die mir diese von der Geschichte geschundene Stadt nahebrachte – die Erinnerung an das Schwimmen in der Pinnau, bevor sie begradigt wurde. Kam man aus dem Wasser, hatte man Entengrütze im Haar. Die Peene fließt dann doch etwas schneller und ist zumindest hier breiter und tiefer. Am Ufer sitzen die Angler, in sich versunken und auf das Glück hoffend. Wenn schon nicht sechs Richtige, dann wenigstens einen Hecht.

An den Cafés wurden, kaum war die Sonne herausgekommen, sofort die Stühle rausgestellt. Man musste sich nicht schämen, gutes Design, Alurahmen mit beigem Bast beflochten. Ein Mädchen kam schnellen Schritts, die Bedienung, das Haar glänzend tiefschwarz gefärbt, die Ohren mit vier Goldringlein gepierct und auf dem braunen Busen ein Tattoo, passend zum Ort ein kleiner Greif, felix pomerania. Sie brachte zwei übergroße, in Kunststoff gebundene Karten: Strammer Max, Kartoffelsalat, heute, Hawaii-Toast, Torten, Hefegebäck.

Er wollte nur einen Cappuccino.

Wir können auch zu Mittag essen, schlug ich vor, ist zwar kein Witzigmann, Gasthof »Am Steintor«, aber es gibt gute Hausmannskost, Flunder, Bratkartoffeln, Rotkohl, Rinderrouladen, Königsberger Klopse. Wir haben auch einen mutigen Italiener und zwei bedürfnislose Chinesen am Ort. Kanton-Küche. Ente auf Vorbestellung. Der drehen sie hinterm Haus den Hals um. Ich redete wie der Tourismusbeauftragte.

Nein, er könne nicht länger bleiben. Wollte, musste, wie er betonte, nach Berlin zurück. Ein Termin warte dort. Und das Wort bleiben löste bei ihm die Frage aus, was mich an diesem Ort hält. Er war taktvoll genug, nicht Kaff zu sa-gen.

Sagen Sie ruhig Kaff, auch Mare Crisium genannt, sagte ich, ist doch nichts anderes.

Alles sehr weit weg, murmelte er, und auf meine Frage, ob er noch schreibe, nein, schon lange nicht mehr. Jugendsünden. Damals schrieben doch alle. Konnten allerdings auch noch die meisten schreiben und lesen. Allein an unserem Tisch schrieben doch drei von vier, genau drei Viertel, also nicht nur geschätzt.

Nein, nur die Hälfte, sagte ich, Falkner und Sie, ich habe nie geschrieben, gelesen ja. Einer muss das ja übernehmen.

Dieser Falkner, sagte er sinnend, hat weiter und weiter geschrieben, und irgendwann ist man dann wohl Schriftsteller. Manchmal lese ich über ihn in der Zeitung.

Mit Falkner hatte ich damals zusammengewohnt. Eine Wohngemeinschaft. Nichts Ideologisches, von wegen Türen ausheben, offene Beziehungen und so. Vier Studenten und ein Kühlschrankvertreter hatten eine Dachwohnung gemietet. Falkner schrieb, er sprach nicht darüber, und gelesen hatte auch niemand etwas, aber man wusste, er schrieb Gedichte, er schrieb Prosa, er schrieb Hörspiele. Er hatte bis dahin nichts veröffentlicht, und niemand konnte sagen, woher die Kunde kam, dass er schrieb. Vielleicht hatte er es irgendwann irgendjemandem einmal verraten. Vielleicht reichte auch nur die Vermutung. Ungewöhnlich war, wie er Prosa kritisierte, die Sprache sei ungenau, spannungslos, schlicht, habe keinen Rhythmus, das war noch die gängige Kritik, aber dann kam sein verräterisches Das-bringt-nichts-Neues.

Ich aber konnte mit Sicherheit sagen, er schrieb. Unsere Zimmer lagen nebeneinander. Ich hörte ihn auf und ab gehen, die Wände in diesem Fünfzigerjahre-Neubau waren dünn, und ich hörte ihn tippen, ein stotterndes, nachdenkliches, metallenes Picken. Er bekam oft Besuch. Manchmal traf ich ihn mit einer Frau auf dem Flur der Wohnung, er ging voran, die Frau hinterher, meist Frauen, die älter waren, um die dreißig, also schon in Lohn oder Ehe, hin und wieder Studentinnen.

Das ist vielleicht einer, sagte die vom Vermieter bezahlte Putzfrau. Sie schüttelte den Kopf mit betonierter Dauerwelle, schnaufte anerkennend und keineswegs verächtlich durch die Nase. Wäre froh, wenn der Sohn, der nun schon dreiundzwanzig ist, endlich mal mit ’nem Mädel antanzt. So ganz anders die Tochter, Friseuse, einundzwanzig, verheiratet und schon zwei Kinder.

Das Tack Tack der hohen Absätze auf dem Gang. Nebenan Gemurmel, Lachen, Stille. Dann ein aufseufzendes Bett. Ich stopfte mir Ohropax in den Gehörgang.

Und Sie? Freiwillig hier?, fragte Euler.

Durchaus. Dienstverpflichtung gibt’s ja nicht. Er schien wirklich ahnungslos, was des deutschen Beamten Rechte und Pflichten sind.

Lehrer, Deutsch, Geschichte. Wie gesagt, jetzt pensioniert. Rosen und Porree. Und so nebenher ein Antiquariat, nichts Großes und mehr als Tarnung vor Frau und Familie. Ich sammle Erstausgaben. Verkaufe aber praktisch nichts. Kann mich einfach nicht trennen. Höchstens mal, wenn ich was doppelt oder dreifach habe. Bin wie ein Wirt, der sich selbst der beste Gast ist. Spezialisiert auf Achtundsechzig und Arno Schmidt.

Ich sah ihn an, intensiv, ja ich fixierte ihn. Damit hat er nicht rechnen können, ausgerechnet hier, am Mare Balticum, mit seinem Vorleben konfrontiert zu werden.

Er hatte an unserem Vierertisch die Schmidt-Lektüre eingeführt. Auch der Jurist, der außer der Zeitung und seinen Kompendien kaum etwas las,