Für Pessimismus ist es zu spät - Helga Kromp-Kolb - E-Book

Für Pessimismus ist es zu spät E-Book

Helga Kromp-Kolb

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Beschreibung

Klimaschutz wird nur dann gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen. Wir brauchen die Wirtschaft, die Politik – im Grunde genommen alle. Und das ist gut so: Es schafft Gemeinschaft, wenn wir zusammen an der Lösung eines Problems arbeiten, es bringt uns eine Gesellschaftsform, in der alle ein besseres Leben haben können. Seit über 50 Jahren spricht Helga Kromp-Kolb über die Klimakrise, sodass es möglichst viele verstehen. Vor allem die berechtigten Ängste und Sorgen der Jungen nimmt sie auf und lässt den erhobenen Zeigefinger stecken. Die bekannteste und engagierteste österreichische Klimaforscherin erzählt uns in ihrem zweiten Buch ihre ganz persönliche Geschichte, ihre Beziehung zur Natur und zu den Menschen. Und sie beschreibt den Klimawandel im Schnelldurchlauf.

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Helga Kromp-Kolb

Für Pessimismus ist es zu spät

Wir sind Teil der Lösung

Vorwort

Persönlicher Einstieg

Was treibt sie?

Eine Frage des Blicks

Zurück auf die Bäume?

Ein persönlicher Rückblick

Geschichte(n) und ihre Lehren

1945 – neues Leben blüht aus Ruinen

Vom Wiederaufbau zur Ausbeutung – erwachendes Umweltbewusstsein

Verständnis für Grenzen des Wachstums entsteht

Erste Erfolge

Der Backlash – Thatcher, Reagan und der Neoliberalismus

Klimawandel – erster Akt

Kernenergie

Krisen, Krisen und kein Ende?

Multiple Krisen – multiples Versagen?

Klimakrise: Klimawandel zweiter Akt

Hoffnungsträger oder Kriminelle?

Was hat Corona, das die Klimakrise nicht hat?

Darf man einem Aggressor Energie abkaufen?

Krise der Wissenschaft

Verschwörungstheoretiker, Leugner und andere Missliebige

Transformation statt Fortschritt und Innovation?

Warum ist Transformation nötig?

Klimawandel als Symptom wofür?

Welche Faktoren bestimmen die Umweltwirkung?

Was sagt uns das Treibhausgasbudget?

Inwiefern helfen die Nachhaltigen Entwicklungsziele?

Gibt es keinen anderen Ausweg? Adaptation und Geoengineering

Was bedeutet Transformation? Wie läuft sie ab?

Was lernen wir von vergangenen Zivilisationen?

Wie geht die Kunst mit Transformation um?

Welche möglichen Zukünfte sind zu betrachten?

Warum handeln wir nicht?

Warnungen häufen sich

Warum ich? Untätigkeit hat Gründe

So tun, als ob: Das Handeln verzögern

Endlich hinschauen: Klimapolitik ist Umverteilungspolitik

Das fehlende Kapitel: Machtstrukturen, Missbrauch und Demokratie

Too little, too late – die Apokalypse

Verzögerte Wirkungen

Selbstverstärkende Prozesse

Kipppunkte im Klimasystem

Hothouse earth

Auf dem Weg zum Untergang: Was bedeutet welche Erwärmung?

Weitere Folgen

Exkurs: Ein Ende mit Schrecken

Was dann noch geht

Klimaschutz als Schlüssel zu einer guten Zukunft – meine Vision

Klima bei plus 1,5°C

Hoffnungsschimmer

Wie es weitergegangen sein könnte: Ein Rückblick aus dem Jahr 2050

Schlusswort

Anhang

Anmerkungen

Die Autorin

Vorwort

Der vorliegende Text ist keine wissenschaftliche Abhandlung – er ist ein Experiment, das zur Diskussion anregen soll. Ob er einem definierten Genre entspricht, bezweifle ich. Er stellt persönliche Sichtweisen auf unsere Welt und ihre Entwicklung während etwa der letzten 70 Jahre vor.

Sichtweisen, die gespeist wurden von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Lehren, die ich aus Publikationen, aber auch von Gesprächen und Vorträgen vieler Personen mitgenommen habe; Personen, die mich begleitet haben oder die ich begleiten durfte oder die meinen Weg gekreuzt haben: Menschen aus meinem privaten Umfeld, Lehrer:innen, Berufskolleg:innen, Aktivist:innen, Besucher:innen meiner Vorträge oder Personen, die auf meine Zeitungskolumne reagiert haben. Ihnen allen, den interessanten Menschen, denen ich begegnen durfte und die ihre Gedanken mit mir teilten, bin ich zutiefst dankbar. Sie sind nicht verantwortlich für das, was ich für mich daraus gemacht habe.

Ich setze mich mit diesem Text dem Vorwurf des Dilettierens aus – aber außerhalb des eigenen Fachbereichs dilettieren wir doch alle. Wenn wir uns aber nicht trauen, über unser enges Fachgebiet hinaus zu denken, werden wir für die komplexen Herausforderungen der Gegenwart keine Lösungen finden. Ich hoffe, dass meine Überlegungen Anregung zum Nachdenken, zum Widerspruch oder zur Bestätigung eigener Überlegungen sind, selbst wenn sie manchmal banal erscheinen. Mein Fachbereich ist der Klimawandel, und auch in gewissen Aspekten der Nachhaltigkeit fühle ich mich zu Hause.

Im Bereich der Gesellschafts- oder Wirtschaftswissenschaften habe ich mir mein Bild auf Basis von Beobachtungen und Informationen anderer gemacht. Natürlich sind auch die angegebenen Quellen selektiv. Sie sollen jenen helfen, die meinen Überlegungen nachgehen wollen. Wer sich ein vollständigeres Bild der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion zu einem der angesprochenen Themen machen möchte, muss noch weit darüber hinaus gehen.

Dilettieren mag hingehen, aber muss das publiziert werden? Nein, natürlich nicht. Aber die Diskussionen nach meinen Klimavorträgen drehen sich so oft um die breiteren Zusammenhänge, und ich werde so oft nach den Vorträgen gefragt, ob man, was ich sagte, irgendwo nachlesen könne, ob das verschriftlicht sei; ich spüre solch starkes Interesse und auch Zustimmung, dass ich der Aufforderung des Verlages, eine sehr persönliche Sicht der Entwicklung der letzten Jahrzehnte und einen Ausblick auf Kommendes zu schreiben, gerne nachgekommen bin.

Der Ausblick ist mir wichtig. Wir stehen meines Erachtens an einem Scheideweg: Der eine, bequeme Pfad des Augenverschließens führt nach heutigen Erkenntnissen unvermeidlich Schritt für Schritt in eine zwar in Eckpunkten beschreibbare, aber nicht wirklich vorstellbare Katastrophe. Der andere, sehr herausfordernde, aber auch spannende Weg kann eine bessere Welt herbeiführen. Sie kann ich mir leichter vorstellen. Man muss beide Optionen kennen, um eine gute Entscheidung treffen zu können. Ich bekenne aber freimütig, dass es keine Wahl gibt. Die Katastrophe kann niemand wünschen, daher gibt es nur ein energisches Nach-vorne-Schreiten. Für Pessimismus ist es zu spät. Pessimismus lähmt – das können wir uns nicht mehr leisten. Dieser Ausspruch geht auf den Film „Home“ von Yann Arthus-Bertrand zurück. Er scheint mir die derzeitige Situation am besten zu beschreiben.

Für die Anregung zu diesem Buch, für die einfühlsame Begleitung des nicht ganz leichten und von Zweifeln begleiteten Entstehungsprozesses und für das Verständnis für die unerwarteten Verzögerungen sei dem Verlag, insbesondere Ulli Steinwender und Matthias Opis herzlich gedankt. Sie fanden stets den richtigen Ton zwischen Ermutigung und Drängen, das richtige Maß zwischen Druckmachen und Nachlassen. Arnold Klaffenböck als Lektor passte sich in dankenswerter Weise flexibel meinem Schreib- und Korrekturtempo an. Das Leiden der Grafikerin ob der knappen Fristen kann ich nachvollziehen. Danke, dass Sie trotzdem dranblieben!

Den Kolleg:innen, die mit mir 2019 an einer Vision für Österreich gebastelt haben, sei Dank – auf unserer gemeinsamen Arbeit baut das letzte Kapitel auf. Für zahlreiche Anregungen danke ich Laura Morawetz, der seit Jahren treuen Begleiterin, konstruktiven Kritikerin und stets hilfsbereiten Stütze meiner Tätigkeiten. Nicht zuletzt gilt mein Dank meinem Mann und meiner Schwester, die immer wieder bereit waren, zurückzustehen oder Zusatzaufgaben zu übernehmen, um mir Zeit zum Schreiben zu lassen.

Einige der Formulierungen sind früheren, eigenen Publikationen entnommen, ohne dass dies speziell ausgewiesen ist. In Beschreibungen der frühen Jahre, als praktisch alle Professoren, Wirtschaftspartner etc. männlich waren, habe ich bewusst nicht gegendert.

Die geneigten Leser:innen bitte ich um Nachsicht für eventuelle Fehler und andere Unzulänglichkeiten – sie sind ausnahmslos mir anzulasten. Ob meine Ausführungen Ihre Zustimmung finden oder Sie zu Widerspruch anregen – mein Wunsch ist, dass sie zur Belebung der dringend benötigten politischen Diskussion beitragen mögen. Wenn sie das tun, haben sie ihren Zweck erfüllt.

Wien, Sommer 2023

Persönlicher Einstieg

Was treibt sie?

Vor 50 Jahren, berichtete Dennis Meadows kürzlich, sei er als junger Wissenschaftler bei der ersten Präsentation der Ergebnisse der Studie „Grenzen des Wachstums“ vor illustrem Publikum sehr besorgt gewesen, dass die Aussage, es könne auf einem begrenzten Planeten kein unbegrenztes Wachstum geben, so selbstverständlich sei, dass seine Ausführungen kein Interesse finden würden. Aber – so stellte er fest – jetzt, ein halbes Jahrhundert später, trotz über zwölf Millionen verkaufter Bücher und Übersetzungen in mehr als 30 Sprachen, haben die Menschen die Botschaft noch immer nicht verstanden.

1972 lag der Ressourcenverbrauch noch unter der Kapazitätsgrenze des Planeten, und systematisch abnehmendes Wachstum hätte eine asymptotische Annäherung an und Einhaltung dieser Grenze ermöglicht. Aber aus Unverständnis und Egoismus wurde und wird zugunsten kurzsichtiger, wirtschaftlicher Ziele das seit den 1950er-Jahren dominante exponentielle Wachstum kaum eingedämmt. Seit mehreren Jahrzehnten liegt der Ressourcenverbrauch nun bereits deutlich jenseits der Kapazitätsgrenze des Planeten, deutlich im „overshoot“. Wie in den „Grenzen des Wachstums“ dargelegt, führt exponentielles Wachstum in einem begrenzten System zunächst zum Überschießen und dann zum Kollaps des Systems. Um dies zu verhindern, genügt jetzt nicht mehr vermindertes Wachstum; reales „Zurückfahren“ ist notwendig – eine wesentlich größere Herausforderung.

Aber warum sollte jetzt plötzlich, nach 50 Jahren, Umdenken einsetzen? Warum weiterkämpfen? Darauf angesprochen, pflegt Dennis Meadows, mit dem mich seit vielen Jahren Freundschaft verbindet, zu antworten, dass er nicht mehr danach trachtet, die Welt zu retten, sondern nur versucht, seiner Heimatgemeinde zu helfen, für den unvermeidlichen „Kollaps“ möglichst gut gerüstet zu sein. Mit dieser Haltung ist er nicht allein – längst gibt es ein internationales „Deep adaptation“-Netzwerk, das Menschen zusammenführt, die davon ausgehen, dass unsere derzeitigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Systeme angesichts des raschen Wandels des Klimas in absehbarer Zeit funktionsuntüchtig werden. Sie denken daher über Bewältigungsstrategien für den Kollaps nach und darüber, wie man trotz der Überzeugung, dass es bald sehr viel schlechter werden wird, ein einigermaßen befriedigendes Leben führen kann.

Doch warum bereist Meadows, der 80-Jährige, immer noch die ganze Welt, um die Botschaft der Grenzen des Wachstums zu verbreiten? Donquichotterie? Vielleicht. Die Frage stellt sich aber für viele Klima-, Umwelt- und auch Menschenrechts-Engagierte – auch für mich. Sie stellt sich, wenn man Einladungen von Freunden zu einer Wanderung zugunsten einer Arbeitssitzung ausschlägt, wenn man nach Mitternacht müde von einem Vortrag heimkehrt und trotzdem noch versucht, mit dem längst überfälligen Testimonial für den Nachhaltigkeitsbericht einer bemühten, aber doch konventionell denkenden Firma oder Institution einen kleinen Stachel als Anreiz zu höherer Ambition zu setzen.

Wahrscheinlich treibt ein manchmal uneingestandener, aber jedenfalls unauslöschlicher Funke von Hoffnung, dass Wunder doch möglich sind, Meadows und uns alle voran. Eine Hoffnung, genährt von anderen überraschenden Wendungen in der Weltgeschichte. Wer hätte gedacht, dass ein barfüßiger Inder, auch wenn er in England studiert hat, eine Weltmacht aus Indien vertreiben kann? Wer hätte gedacht, dass ein einzelnes Mädchen dadurch, dass es unbeirrbar jeden Freitag seinen Protest still vor dem Stockholmer Parlament sitzend zum Ausdruck bringt, eine weltweite Jugendbewegung für den Klimaschutz auslösen würde?

Wir wollen und dürfen die Hoffnung aus Verantwortung für die kommenden Generationen nicht sterben lassen. Wie kann man sich in einen Hörsaal voller junger Menschen stellen und sie mit dem Planck’- schen Strahlungsgesetz oder den Navier-Stokes-Gleichungen vertraut zu machen suchen, wenn man innerlich davon ausgeht, dass die Zukunft dieser jungen Menschen die Klimakatastrophe ist und man die Hoffnung, diese abzuwenden, aufgegeben hat? Antonio Gramsci nennt dies Pessimismus des Verstandes, gepaart mit Optimismus des Willens.

Der Bericht eines Überlebenden einer Flugzeugkatastrophe hat mich sehr beeindruckt.1 Gemeinsam mit einer Handvoll anderer gelang es ihm, sich an ein aus dem vereisten Fluss herausragendes Flugzeugteil anzuklammern. Unweit der Absturzstelle, aber doch zu weit – eine Brücke voller Menschen, die hilflos zu den Verunfallten hinunterschauten. Hubschrauber konnten wegen der Wetterbedingungen nicht fliegen. Aber ein einzelner Mann, an einer aus Abschleppseilen improvisierten, viel zu kurzen Leine, mühte sich vom Ufer durch das eiskalte Wasser, über Eisschollen kletternd, zu den Verunglückten. Ein völlig unsinniges Unterfangen – selbst wenn er sie erreicht hätte, wie hätte er sie zurückgebracht? Und doch sagte einer der Überlebenden nachher, dass jener Mann ihr Leben gerettet habe, denn er hat ihnen Mut gegeben. Ohne ihn hätten sie sich selbst aufgegeben, hätten nicht in Kälte und Schmerz ausgeharrt, bis ein Hubschrauber sie doch noch herausholen konnte. Der einzige dieser kleinen Gruppe von Überlebenden, der nicht mehr gerettet werden konnte, war ein Mann, der die ganze Zeit über die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage beklagt hatte.

Aber wie sind wir, wie bin ich überhaupt in diese Lage gekommen? Warum muss die Welt gerettet werden, und wovor? Warum glauben wir, warum glaube ich, für eine bessere Welt kämpfen zu müssen? Ist es vielleicht doch mehr als Donquichotterie? Was haben wir falsch gemacht und – noch wichtiger – wie können wir es jetzt besser machen? Diesen Fragen soll im Weiteren nachgegangen werden.

Eine Frage des Blicks

Wenn man auf einen Berg steigt und ständig den in weiter Ferne liegenden Gipfel vor Augen hat, übersieht man leicht, welchen Weg man bereits zurückgelegt hat. Nicht umsonst hat nach den Erzählungen meiner Eltern der Bergführer eine Gruppe von Amerikaner:innen beim Anstieg auf den Mont Blanc immer wieder gemahnt: „Don‘t you look at that bloody top!2“ Man darf zwar das Ziel nicht aus den Augen verlieren, sich aber dennoch an Etappensiegen und Teilerfolgen freuen. Deswegen lohnt es sich, ab und zu zurückzuschauen, das gibt Mut und Hoffnung.

Ähnlich, wenn man mitten in einer Betonwüste eine zarte Blüte entdeckt, eine Pflanze, die, entgegen der Absicht der Betonierer und trotz beträchtlicher Widerstände von minimalem Boden ernährt, sich ihren Weg an die Sonne gebahnt hat, und die dankbar von einer Biene besucht wird. Wenn man nicht nur, wie Dennis Meadows in den Grenzen des Wachstums, auf das Ganze schaut, sondern gleichsam mit einem Vergrößerungsglas auf einzelne Teilbereiche oder Regionen, dann sieht man, dass erstaunliche Verbesserungen zu verzeichnen sind. Auch das gibt Mut und Hoffnung.

Josef Riegler, ehemaliger österreichischer Vizekanzler und Proponent der Ökosozialen Marktwirtschaft, hat seine Sicht in einem Gespräch mit mir einmal so beschrieben: Unter der Wasseroberfläche bilden sich zahlreiche Bläschen der Veränderung – kleine, mittlere, größere, die der Oberfläche zustreben. Irgendwann wird eine große platzen und zuerst einige, dann alle anderen mit sich reißen. Es kommt dadurch zur völligen Durchmischung und Transformation des Wasserkörpers. Das ist ein ermutigendes Bild, denn es bedeutet, dass jede einzelne Blase, das heißt jedes einzelne Experiment, jede Verbesserung als Teil der Veränderung wichtig ist, und dass es jederzeit zum Umbruch und damit zur Transformation kommen kann.

Eine theoretische Stütze findet diese Vorstellung in dem Verständnis komplexer oder, nach Harald Katzmair von FAS Research, „vertrackter“ Systeme: Sie sind in ihren Zusammenhängen so sehr nicht-linear, dass ganz kleine Änderungen sehr große Wirkungen haben können, sodass ihr Verhalten letzten Endes nicht vorhersehbar ist – der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien, der einen Tornado in Texas auslösen könne3. In der Klimadiskussion spielen Kipppunkte eine wichtige Rolle: Grenzen, nach deren Überschreiten sich Wesentliches ändert, manchmal sehr rasch, meist irreversibel. Es gibt Kipppunkte in der Natur und in der Gesellschaft – wünschenswerte und solche, deren Überschreitung vermieden werden muss. Wir wissen nicht genau, wann sie erreicht sind, aber wir können versuchen, unerwünschte zu vermeiden und erwünschte zu beschleunigen.

Schließlich: Pessimismus lähmt, das können wir uns nicht mehr leisten. Für Pessimismus ist es schlicht zu spät. Außerdem ist das Leben mit optimistischer Sicht betrachtet viel schöner – man sieht das Positive, auch wenn es unter Müll verborgen ist. Wenn ich mit meinem Mann spazieren gehe, sieht er hauptsächlich die zahlreichen Zigarettenstummel und ich die wenigen Blumen: Wir machen denselben Spaziergang, aber wer genießt ihn wohl mehr?

Zurück auf die Bäume?

Ich bin privilegiert: Ich habe mein ganzes Leben ein „gutes Leben“ gehabt. Die Umstände meines Lebens waren nie so, dass ich existenzielle Ängste erlebt hätte oder ungewöhnliche, große Verluste. Natürlich gab und gibt es unerfüllte Wünsche und Träume, selbstverständlich habe auch ich manchmal mit dem Schicksal gehadert. Aber ich habe schon als Kind in Frankreich und Luxemburg, verstärkt als Jugendliche in Indien und Pakistan und als Erwachsene gesehen, dass es bei Weitem nicht allen Menschen so gut geht wie mir, dass viele nicht das Glück einer behüteten, aber doch sehr freien, glücklichen Kindheit, einer unbeschwerten Jugend, einer gesicherten Existenz, einer unterstützenden Familie sowie eines befriedigenden Berufs haben. Manche bringen sich selbst um das „gute Leben“ durch übertriebenen Ehrgeiz, durch leichtsinniges Aufsuchen von Gefahren, durch unvernünftige Lebensweise oder ungeschicktes bzw. rücksichtsloses Verhalten der Familie, den Freund:innen oder Arbeitskolleg:innen gegenüber, aber der größte Teil findet sich nicht aus eigener Schuld in schwierigen Verhältnissen. Im Grunde ist mein Leben eines, wie ich es allen wünschen würde. Dazu beizutragen, dies auch zu ermöglichen, halte ich für meine Pflicht – ganz im Sinne der nachhaltigen Entwicklungsziele: Ein gutes Leben für alle unter Einhaltung der ökologischen Grenzen des Planeten.

Diese Betrachtung zeigt aber auch etwas anderes: Man braucht nicht die Fülle der Dinge, die ich jetzt besitze oder nutze, um glücklich zu sein. Bei völligem Umstieg auf erneuerbare Energien, wie dies zur Einhaltung des 1,5°C-Zieles notwendig ist, wird uns global nur etwa halb so viel Energie pro Kopf zur Verfügung stehen wie derzeit – so näherungsweise Berechnungen. Das bedeutet, dass weniger Güter, weniger Mobilität, andere Ernährung verfügbar sein werden, wie heute. Ein Blick zurück kann uns eine Ahnung davon geben, was das bedeutet. Global betrachtet wurde 1978 halb so viel Energie pro Person genutzt wie 2019, der Spitzenwert vor der Corona-Krise. 1978 war ich berufstätig, bin gereist, war voll Optimismus – mir ist nicht bewusst, dass mir Wesentliches abgegangen wäre. Es gab noch keinen Laptop und kein Mobiltelephon, dafür war Urlaub noch wirklich Urlaub, Akten und Rechenanlagen konnte man nicht auf Bergurlaube mitnehmen. Erst einige Jahre später erstand ich einen übertragenen Compaq Portable, aus heutiger Sicht ein Monster, größer und viel schwerer als eine Nähmaschine. Er stand vornehmlich zu Hause. Mit ihm konnte ich Listen von Büchern und Publikationen führen, Statistiken auswerten und Ähnliches. Wie die Daten in den Computer kamen und die Ergebnisse zu einem Drucker, weiß ich nicht mehr – vermutlich über Floppy Disks, die auch der „große“ Computer an der Zentralanstalt für Meteorologie beschreiben und lesen konnte. Zurück zu 1978 hält für mich keinen Schrecken bereit. Natürlich wird man nicht auf alles verzichten müssen, was seither entwickelt wurde – die Waschmaschine etwa, die das Leben der Frauen merklich erleichtert hat. Und natürlich werden wir auch nicht die Telefone und Laptops verbrennen. Wir werden aber nicht mehr jedes Gericht, das uns im Urlaub vorgesetzt wird, gleich bildlich mit 20 Freund:innen in aller Welt teilen noch stundenlang am Handy oder Computer Live-Übertragungen oder Netflix-Filme verfolgen. Die vertrauten und lieb gewonnenen Geräte werden uns mehr als zwei Jahre treue Dienste leisten, wir werden uns nicht ständig mit neuem Design und neuen Funktionen herumschlagen müssen, die zur Unzeit auftauchen und wir ohnehin nicht nutzen.

Richtiger ist es aber wahrscheinlich, nicht auf jenes Jahr zurückzuschauen, in dem die Welt pro Kopf halb so viel Energie verbraucht hat, sondern die österreichischen Zahlen heranzuziehen. Dann komme ich auf das Jahr 1965, ein Jahr vor meiner Matura. Die Jugend erkundete mit Autostopp ganz Europa, ab 1972 vorwiegend mit Interrail. Man übernachtete in Jugendherbergen – Schlafsäle und Gemeinschaftsduschen – man lernte viele Menschen aus aller Herren Länder kennen. Mich zog es eher in die Berge, mit Rucksack, eventuell Kletterseil, und im Winter auch mit Skiern und Fellen. Wir reisten mit dem Zug an, schliefen in Hütten auf dem Matratzenlager und aßen Mitgebrachtes oder „Bergsteigeressen“; es schmeckte und sättigte. Es gab Theater, Kino und Konzerte, man musizierte selbst, betrieb Sport – mit oder ohne Verein. Ich entdeckte kurze Zeit später den Orientierungslauf – eine Sportart, bei der man mit Karte und Kompass auf der Karte markierte „Posten“ (Rinnenenden, Fuchsbauten, Felsblöcke etc.) in unbekanntem Gelände finden muss – und hatte große Freude an der Herausforderung, die kognitive Leistung des Interpretierens von Karte und Gelände mit der physischen Leistung des Laufens in unwegsamem Gelände in Einklang zu bringen. Bei Wettkämpfen kam die emotionale Komponente hinzu: Zeitverlust durch Suchaktionen verkraften zu müssen oder das Gleichgewicht zu bewahren, wenn eine später gestartete Läuferin offenbar schneller war. Als Orientierungsläufer:innen bereisten wir ganz Europa und freundeten uns auch mit Läufer:innen hinter dem Eisernen Vorhang4 an, da der Sport in der Tschechoslowakei und Ungarn sehr beliebt war. Es ist schon richtig, der Sport kann uns fürs Leben erziehen.

→ Manchmal kommt mir unser ganzes Leben wie ein Orientierungslauf vor: Manche Zwischenziele erreicht man mühelos und schnell, bei anderen will man schier verzweifeln, bis man innehält, sich neu orientiert und dann mit neuem Mut weiterläuft, denn ins Ziel muss man – aufzugeben ist keine Option.

Die 1960er-Jahre waren eine gute Zeit, nicht nur für uns Jugendliche. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs waren weitgehend beseitigt und das deutsche Wirtschaftswunder und ähnliche Entwicklungen in anderen Staaten hatten unter der Führung konservativer Volkparteien in Deutschland und Österreich bescheidenen Wohlstand für viele gebracht. In den darauffolgenden, von den Sozialdemokraten Willi Brandt, Bruno Kreisky und Olof Palme geprägten Jahren wurde die soziale Absicherung der Arbeitenden und der Frauen verbessert, vor allem aber Bildung für alle zugänglich gemacht. Flugreisen machten in den 1960ern nur Wenige – geschäftliche Beziehungen konnten auch per Post angebahnt und aufrechterhalten werden und die Urlaube waren trotzdem schön. Auch ein Zurück zu 1965 erscheint mir nicht bedrohlich. Es ist wichtig, dies festzuhalten, denn ein wesentliches Hindernis im Klimaschutz dürfte die Angst vor Verlust sein – vor allem vor undefiniertem Verlust.

Ein persönlicher Rückblick

Wandern, Bergsteigen, leichte Klettereien, Skifahren im Winter, später Orientierungslauf haben die Liebe zur Natur in mir geweckt. Gleichzeitig haben sie mir vor Augen geführt, welchen Schaden sorgloser Umgang mit der Natur anrichtet: Zubetonierte Wiesen, von Straßen angeschnittene Hügel, in Betonwannen verbannte Bäche, riesige Staudämme, die ganze Täler und Dörfer unter Wasser setzen, Monokulturen in Wäldern und auf Feldern, so weit das Auge reicht, und so weiter.

Im Zuge meines Meteorologiestudiums und meiner frühen beruflichen Tätigkeit wurde mir klar, dass mindestens so problematisch wie die unmittelbaren Eingriffe in die Natur, die jedem, der sehen will, offenkundig sind, die Schäden durch Luftschadstoffe sind. Unsichtbar, teils aus weiter Ferne angeweht, setzten sie Natur und Mensch zu: Eine unsichtbare Gefahr, nur in extremen Ausnahmefällen mit unseren Sinnen wahrnehmbar, vernichten sie Wälder, lassen Seen versauern, machen Menschen das Atmen schwer und richten in vielfacher Weise, oft gar nicht als Ursache erkannt, Schaden an. Luftschadstoffe, ozonzerstörende und radioaktive Substanzen sowie Treibhausgase, sie alle sollten mich später beschäftigen. Sie können – wenn ihre Erzeugung nicht eingeschränkt oder verhindert wird – tödlich enden für Mensch und Natur. Sie sind aber integraler Teil eben jenes Wirtschaftswunders, das den Wohlstand brachte, eben jener billigen Energie, die das Leben so viel leichter und bequemer macht. Kein Wunder, dass der Ruf nach ihrer Beseitigung als Forderung nach Verzicht verstanden wird.

Wissen verbreiten

Da ich selbst diese Zusammenhänge erst langsam begriff – ohne damit zu behaupten, dass ich sie jetzt vollständig verstehe –, dachte ich lange Zeit, dass nicht gehandelt wird, weil es an Wissen fehlt; dass Forschung, Publikationen, Vorträge, Interviews dazu beitragen würden, dass immer mehr Menschen die Probleme erkennen und sich daher für strengere gesetzliche Bestimmungen einsetzen oder diese wenigstens gutheißen würden; dass Politiker die Wichtigkeit von Umweltschutzmaßnahmen wahrnehmen und – getragen von der öffentlichen Unterstützung – sie auch durchsetzen würden. Dass Wissen wichtig ist, davon bin ich zwar nach wie vor überzeugt – erschreckend viele Menschen und auch Politiker haben die ungeheure Bedeutung, die das Ökosystem für unser Überleben hat, noch nicht erfasst –, aber ich sehe, dass vom Erkennen zum Handeln ein weiter Weg ist. Es geht also nicht nur um Wissen! Außerdem ist der Handlungsspielraum auch gut informierter und wohlmeinender Politiker:innen begrenzt.

Natur und Mensch – beides sollte in meinem Beruf eine wichtige Rolle spielen, das wusste ich, als die Matura näher rückte und sich die Frage nach dem künftigen Beruf stellte; auch dass ich keine Lehrerin werden wollte. Dass ich Meteorologin wurde, hatte weniger mit einem konkreten Interesse an der Lufthülle der Erde zu tun als damit, dass es kein Massenstudium war, sondern nur ein knappes Dutzend Komiliton:innen im Hörsaal saß. Aber die Wissenschaft von der Lufthülle der Erde zog mich bald in ihren Bann: Das System selbst, die Geschichte ihrer Erforschung, die traditionellen und die aufkeimenden Forschungsmethoden, einschließlich der ungeheuren Möglichkeiten, die die elektronische Datenverarbeitung eröffnete. Die Atmosphäre ist ein faszinierendes System, das mit allen anderen globalen Systemen interagiert – der Hydrosphäre, Kryosphäre, Biosphäre, Lithosphäre und nicht zuletzt der Anthroposphäre, also den Menschen. Wie mein Mann, ein Risikoforscher, zu sagen pflegt: Ähnlich wie Risikoforscher:innen haben Meteorolog:innen Anknüpfungspunkte für Gespräche mit jedem Menschen in jedem Beruf; wenn alle Stricke reißen, spricht man über das Wetter und ist doch wieder in seinem Metier.

Es war Zufall, dass mir von einem meiner Lehrer, Universitätsprofessor Dr. Heinz Reuter, eine Assistent:innenstelle angeboten wurde, gerade als ich mein Studium abschloss. Wäre sein bisheriger Assistent ein Jahr früher oder ein Jahr später weggegangen, hätte jemand anderer die Stelle bekommen. Als Assistentin beschäftigte ich mich mit dem Transport von Schadstoffen in der Atmosphäre, mit sogenannten Ausbreitungsmodellen: Wohin werden die von einem Fabriksschlot abgegebenen Schadstoffe (Emissionen) vertragen und wie sehr werden sie dabei verdünnt, bevor sie von Menschen oder Tieren eingeatmet oder von Pflanzen durch die Stomata aufgenommen werden? Oder umgekehrt: Woher kommen die an einer Luftgütemessstelle erfassten Schadstoffe? Anders als bei Flüssen, wo es klar ist, dass man Schadstoffquellen stromaufwärts suchen muss, kommt in der Atmosphäre jede Richtung infrage. Die theoretischen Grundlagen dieser Modelle waren weitgehend bekannt, aber die neu entwickelten Computer ermöglichten nun Berechnungen, die vorher nur in sehr vereinfachter Form möglich waren. Zugleich machte die Messtechnik durch die digitale Erfassung von Daten ungeheure Fortschritte, sodass auch sehr kurzlebige Turbulenz – ein wesentlicher Faktor bei der Schadstoffverdünnung – systematisch untersucht werden konnte.

Das neue Wissen, von Steuergeldern bezahlt, musste auch der Allgemeinheit zugutekommen – daran bestand für mich kein Zweifel. Daher beteiligte ich mich an den Gesprächen, Diskussionen und Verhandlungen zum Umweltschutz, zu denen Univ.-Prof. Reuter eingeladen wurde, obwohl ich nur eine kleine Assistentin war. Dass die universitären Kollegen des Chefs sich mit ihrer Antwort auf meine Einwände meist nur an ihn wandten, belustigte mich eher, als dass es mich gekränkt hätte; half mir doch auch mein Chef erst nach meiner Habilitation als Kavalier in den Mantel – bis dahin durfte ich allein und unbehindert in Mantel oder Jacke schlüpfen. Aber die Frage nach meiner Verantwortung als Wissenschaftlerin beschäftigte mich schon damals, und jetzt im Lichte der akuten Versäumnisse der Politik mehr denn je.

In vielen Bereichen zeitigten unsere Aktivitäten sichtbare Erfolge – es war eine Zeit zunehmenden Umweltbewusstseins. Doch dann kam der Rückschlag. Zunächst nicht als allgemeine Entwicklung erkannt, wurde der Gegenwind stärker; eingeläutet durch das andere Gesellschaftsund Wirtschaftsverständnis von Margaret Thatcher und Ronald Reagan. Der Schwung erfolgreicher Jahre trug uns noch eine Weile weiter, danach wurde es immer härtere Arbeit. Die schlimmsten Auswüchse waren abgeschafft, für die Lösung der verbliebenen Probleme wollte niemand mehr kämpfen. So ähnlich wie ich beim Orientierungslauf auf der Strecke um jede Minute kämpfte, mich aber im Zieleinlauf nie so recht zu besonderer Anstrengung motivieren konnte, schienen frühere Unterstützer:innen – Bürgerbewegungen, Umweltorganisationen, umweltbewusste Beamte – den Biss verloren zu haben. Zuletzt ging es nicht mehr um Fortschritte im Umweltschutz, es ging um das Sichern des Erreichten.

Neu orientieren

Wie die Pflanzen im Winter die Säfte einziehen und Energie sparen, um im Frühling wieder voll aufzublühen, so begann auch ich abzuwägen: Welcher Einsatz lohnt sich? Was kommt jetzt zur Unzeit? Wo öffnet sich ein Fenster? Was kann erreicht werden? Fragen, die sich Wissenschaftler:innen immer wieder stellen, aber eher in Bezug auf Forschungsvorhaben – wer könnte wann willig sein, bestimmte Forschungsthemen zu finanzieren? Das politische Parkett in Hinblick auf Durchsetzbarkeit von Umweltthemen beobachteten wenige Kolleg:innen und hatten auch wenig Verständnis für derartige Überlegungen. Die universitäre Ausbildung und eventuelle Vorbilder drängen auf immer tieferes Eindringen in immer engere Fachbereiche, da bleibt für systemische, gesamthafte Betrachtungen kaum Platz. Aber bei meinem Vater hatte ich diese systemische Betrachtungsweise gesehen – sein Handeln hatte er, wo immer möglich, in Hinblick auf den größeren Kontext ausgerichtet. Das hatte ihn durch die schwere Zwischenkriegszeit mit Arbeitslosigkeit und Faschismus getragen5 und durch die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und die Internierungslager in Indien6. Auch in der Zeit des Wiederaufbaus und des wachsenden Wohlstands begnügte er sich nie mit dem persönlichen Wohlergehen. Er wollte und hat, in dem ihm jeweils möglichen Rahmen, Entwicklungen mitgesteuert. Ich konnte auch nicht anders.

In dieser für Luftqualitätsthemen wenig empfänglichen Zeit wurde plötzlich die Problematik der Kernenergie akut: Grenznahe Kernkraftwerke traten aus verschiedenen Gründen in Österreich in den politischen Vordergrund. Mit der Ausbreitung radioaktiver Gase im Falle eines Kernkraftwerksunfalles hatte ich mich schon flüchtig befasst, daher wurde auch ich in die Diskussionen einbezogen. Sie sollten mich über Jahre intensiv beschäftigen und letztlich auch mein Privatleben verändern. Ich heiratete meinen Physikerkollegen und Mitstreiter in Sachen Kernenergie, Wolfgang Kromp, und wurde zugleich Ersatzmutter für drei Jugendliche, Kinder seiner verstorbenen ersten Frau. Von meinem Mann lernte ich Beharrlichkeit. Im Kampf gegen die riskanten Kernkraftwerke suchte er unermüdlich nach anderen Ansätzen, wenn einer sich als nicht gangbar erwies. Als Materialwissenschaftler wusste er, dass das Versagen technischer Geräte letztlich immer auf Materialversagen zurück ging, und den Materialien wurde in der Kernenergie viel zu wenig Augenmerk gewidmet.

Auch in der universitären Selbstverwaltung arbeiteten wir Seite an Seite: So manchen begabten, aber nicht hinreichend submissiven Kolleg:innen haben wir als Vertreter:innen des Mittelbaus in der Personalkommission gegen den Wunsch des jeweils Vorgesetzten die Fortsetzung der wissenschaftlichen Karriere ermöglicht und so nicht nur persönliche Schicksale beeinflusst, sondern vor allem die Gedanken- und Meinungsvielfalt an der Universität gefördert.

Strukturen schaffen

Zeitlich parallel wurde in wissenschaftlichen Kreisen dem Klimawandel immer mehr Beachtung geschenkt. Medien blendeten gelegentlich Berichte dazu ein und zu meinen Vorträgen über die nukleare Gefahr traten immer häufiger solche über den Klimawandel. Die Kolleg:innenschaft betrachtete meine Aktivitäten mit Skepsis: Seriöse Wissenschaftler:innen forschen und publizieren ihre Ergebnisse in Fachzeitschriften; der seriöse Wissenschaftler, und gar die Wissenschaftlerin, hält keine öffentlichen Vorträge für Gemeinden oder Vereine und gibt Interviews; schon gar nicht, wenn es nicht nur um eigene Forschungsergebnisse geht, sondern um ein breites Thema, bei dem auch die Ergebnisse von Kolleg:innen einfließen müssen. Aber da ich Klimabildung für notwendig hielt und halte, ließ ich mich nicht beirren. Außerdem macht Vortragen mir Freude, ich erkläre gerne. Auch das ein Erbe meines Vaters, der seinerzeit regelmäßig den Saal in der Wiener Urania füllte, wenn er über seine Bergfahrten berichtete?

Getrieben von der allmählich gewonnenen Erkenntnis, dass meteorologisches Wissen nicht genügt, um das Klimaproblem sinnvoll behandeln zu können, wurde es mir immer wichtiger, Strukturen zu schaffen, die Wissenschafter:innen verschiedener Disziplinen zusammenbrachten, um gemeinsam zu forschen, zu publizieren und auch das Wissen nach außen zu tragen. Ein intuitives Bemühen, nicht entstanden aus dem Wissen um die theoretischen Erkenntnisse eines Niklas Lumann zur Überwindung einer fraktionierten Gesellschaft. Meine Bemühungen lockten Kolleg:innen an, die ähnlich dachten wie ich, Rektoren konnten überzeugt werden, und gemeinsam wurde das Climate Change Center Austria und, etwas später, die Allianz Nachhaltiger Universitäten in Österreich gegründet.

Jetzt ging es darum, gemeinsam Möglichkeiten aufzuspüren, Ideen aufzugreifen, das größere Potenzial der Gemeinschaft und der Strukturen zu nützen. Obwohl alle wegen des Aufwands und des Zeitdrucks stöhnten, führte kurz darauf der erste Sachstandsbericht zum Klimawandel in Österreich die Wissenschaftler:innen noch näher zusammen. Den 2014 erschienenen, sechs Zentimeter dicken Endbericht findet man heute noch in vielen Büros – allerdings meistens als Unterlage, zur Anhebung des Bildschirms. Das von der Allianz entwickelte Programm zur Erstellung einer CO2-Bilanz von Universitäten wird mittlerweile auch in Bayern angewandt und hat seinen Weg in die österreichischen Schulen gefunden. Die Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsministerium trug Früchte: Die Vorlagen für die Entwicklungspläne und Leistungsvereinbarungen der Universitäten forderten Nachhaltigkeit ein. Vieles wurde erreicht, aber dennoch – es ging zu langsam. An den einzelnen Universitäten gab es kleine Gruppen von Nachhaltigkeitsbewegten, der Großteil der Kolleg:innenschaft blieb in Forschung und Lehre von unseren Bemühungen unberührt.

Und dann kamen „Fridays for Future“, die sich auf die Wissenschaft beriefen – daher musste die Wissenschaft auch, was sie sonst in Fachzeitschriften publizierte, öffentlich vertreten. Und plötzlich waren alle froh, dass es die Strukturen gab, dass Vorarbeit geleistet worden war, dass man sagen konnte: Wir tun eh! Eine neue Struktur, die „Scientists for Future“, entstand, die Individuen, nicht Organisationen, offenstand. Angst vor Konkurrenz hatte ich nie: Es gibt so viel zu tun! Aber abstimmen muss man sich, denn gemeinsam erreicht man mehr.

Als „Extinction Rebellion“ und „Letzte Generation“, getragen auch von Studierenden der eigenen Lehrveranstaltungen, auf den Plan traten und von Politiker:innen und Medien unzulässig kriminalisiert wurden, erfolgte für viele Kolleg:innen der nächste Schritt, sich von tradiertem Wissenschaftsverständnis zu lösen.

→ Die eigene Komfortzone verlassen, immer etwas mehr sagen, als anderen angenehm ist, etwas mehr tun als unbedingt notwendig – ein spannender Prozess, der noch im Gang ist.

Und jetzt?

Ich bin längst emeritiert; sollte ich den Kampf Jüngeren überlassen? Deutlich sind mir noch die Ausführungen von Klaus Wiegandt in Erinnerung, der sich mit 60 als Vorstandssprecher des Großkonzerns Metro AG zurückgezogen hat, um sich der nachhaltigen Entwicklung zu widmen: Die Pensionisten und Rentner stellten ein ungeheures, weitgehend ungenutztes Potenzial im Kampf um eine bessere Zukunft dar. Keine andere Gesellschaftsgruppe genieße so viel Freiheit wie diese: Sie muss keine Rücksichten auf Vorgesetzte und Arbeitgeber mehr nehmen, hat Zeit und die meisten sind finanziell abgesichert.

Ich sehe meine Rolle jetzt darin, Verbindungen herzustellen und Türen zu öffnen, zu ermutigen, einen Schritt weiter zu gehen als beabsichtigt und den Blick immer wieder auf das eigentliche Ziel zu lenken, wenn die Gefahr besteht, dass man sich mit Standardaktivitäten zufrieden gibt – wie Institutionen das so an sich haben. Ich weiß, dass das manchen lästig ist, aber solange das Ziel eines guten Lebens für alle innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten nicht erreicht ist und solange es meine physische und geistige Gesundheit zulässt, werde ich weiterkämpfen. Für die Zuschauertribüne bin ich offenbar nicht gemacht.

Geschichte(n) und ihre Lehren

In diesem Kapitel geht es um Zeitgeschichte, um die Entwicklung des Umwelt- und Klimaschutzes, allerdings aus meiner sehr subjektiven und naturgemäß begrenzten Sicht. Ich spreche auch nur ausgewählte Ereignisse und Themen an, solche, aus denen ich gelernt habe und die mich auch geprägt haben.

1945 – neues Leben blüht aus Ruinen

Die politischen Auseinandersetzungen Europas hatten die ganze Welt in Mitleidenschaft gezogen. Die zuletzt eingesetzten Atomwaffen ließen erkennen, dass es beim nächsten großen Krieg nur Verlierer geben konnte. Später sollten wissenschaftliche Modellrechnungen zeigen, dass Atomwaffen nicht nur aufgrund der Druckwelle, Hitze und Radioaktivität im Umkreis mehrerer zehn Kilometer tödlich sind, sondern dass sie darüber hinaus durch die freigesetzten, die Sonnenstrahlung reflektierenden Teilchen den ganzen Globus über längere Zeit vielleicht in einen Winter, jedenfalls aber in einen klimatischen Herbst versetzen und so Hungersnöte globalen Ausmaßes auslösen können.

Kaum schwiegen die Waffen, begann eine Phase ungeheuren Aufschwunges. „Nie wieder Krieg!“ – dieses Bekenntnis war ernst gemeint und schien umsetzbar. In Wien stehen die Trümmerfrauen als Sinnbild für diese Kraft der Menschen, immer wieder Hoffnung zu schöpfen, die Trümmer beiseitezuräumen und neu anzufangen.

Die Wissenschaft wird später diese Zeit als „Die große Beschleunigung“ bezeichnen1. Praktisch alle Größen, die man betrachtet, nehmen nach dem Zweiten Weltkrieg rasant zu: Die Zahl der Menschen, der Brücken, der Telefone und auch die Emissionen – Schwefeldioxid (SO2), Stickstoff, Schwermetalle und auch Kohlendioxid (CO2). In Deutschland spricht man von einem Wirtschaftswunder. Die Menschen erfreuen sich wachsenden materiellen Wohlstandes: Waschmaschinen erleichtern Frauen das Leben, Fernsehen, Auto, eigenes Häuschen, Urlaub in Übersee – alles folgt Schlag auf Schlag. Auch die Arbeitswelt verändert sich: Körperlich schwere Arbeit wird durch Maschinen erleichtert, in der Landwirtschaft ersetzen Traktoren die Pferde und Chemie die Handarbeit. Alles erscheint technologisch möglich. Ich erinnere mich noch an den Aufwand, mit dem „Waschtage“ in meiner Kindheit verbunden waren: Wäsche in großen Töpfen einseifen und kochen, auf einer Waschrumpel schrubben, wieder und wieder in kaltem Wasser spülen, bevor sie zum Trocknen aufgehängt wurde. Staunend stand ich als etwa Zwölfjährige beim Besuch einer begüterten Familie in Wien vor einer weißglänzenden Waschmaschine, auf einem Betonsockel platziert, die diese Plage überflüssig machte.

Auch in meiner Familie spiegelt sich der Aufschwung wider: Die Großeltern hatten noch schwer gearbeitet, die Großväter als Briefträger und als Fabriksmechaniker, die eine Großmutter als Weißnäherin zu Hause, um die Kinderschar gleichzeitig beaufsichtigen zu können, und die andere als Zigarettendreherin in einer Tabakfabrik. In beiden Familien wurde auf eine gute Schulbildung der Kinder Wert gelegt, denn „die Kinder sollen es einmal besser haben“. Die Zeit der großen Arbeitslosigkeit war eine Durststrecke, in der mein Vater nach seinem Schulabschluss die Zeit zwischen Gelegenheitsjobs zur Weiterbildung nutzte. Nach schwierigen Kriegsjahren, in denen meine Eltern sieben Jahre getrennt waren, konnten beide dank ihrer Ausbildung, ihres Einsatzes und ihrer Genügsamkeit Fuß fassen und ihre Situation systematisch verbessern. Von der Zwei-Zimmer-Mietwohnung für die sechsköpfige Familie des Vaters, führte der Weg über eine Ein-Zimmer-Mietwohnung zu zweit in eine 2,5-Zimmer-Mietwohnung zu viert und schließlich zu einem eigenen kleinen Haus mit Garten. Meine Schwester und ich, als Nachkriegskinder, haben keine Erinnerung an die Entbehrungen der Nachkriegszeit, nur der sparsame Umgang mit allem – Lebensmittel, Kleidung, Geräte, Energie – war uns eine Selbstverständlichkeit.

In dieser Phase des „Miteinanders“ konnten in Österreich Ideen wie Sozialpartnerschaft Fuß fassen und dazu beitragen, dass praktisch alle am zunehmenden Wohlstand teilhatten. Aus einem Land, von dem die Alliierten glaubten, es werde nicht lebensfähig sein, entwickelte sich ein Musterland, das bald nicht mehr auf fremde Hilfe angewiesen war.

In der Alpenrepublik wurde das Speicherkraftwerk Kaprun, ein in gebirgigem Gelände gebauter Staudamm mit Kraftwerk, zum Sinnbild für österreichische Ingenieursleistung und Fortschritt. Es ging 1952 ans Netz und war das erste einer Vielzahl nach dem Zweiten Weltkrieg gebauter Wasserkraftwerke, die Österreich mit Strom versorgen. Einer meiner Onkel war in Kaprun als Ingenieur tätig, und dass ich gerade das, sonst aber wenig von ihm weiß, liegt wohl daran, dass das Projekt auch unsere Familie mit Stolz erfüllte.

Umweltfragen spielten in dieser Phase keine Rolle. Die Wiener waren froh, dass der Wienerwald nicht im harten, kalten Winter der Jahre 1946/47 verheizt worden war, und ganz Österreich warb mit sozialem Frieden, dem Reichtum an Kultur sowie einer unvergleichlich schönen und vielfältigen Natur um internationale Touristen. Sogar die Nationalhymne beginnt damit: „Land der Berge, Land am Strome …“

Wille zum Neustart, Zukunftsoptimismus, Offenheit für Neues kennzeichnen diese Periode. Eine Gesellschaft kann, wenn sie will und zusammenarbeitet, Unglaubliches leisten. Es war zugleich eine Periode, in der Technikgläubigkeit entstand, und das Gefühl, alle Probleme durch Technik meistern zu können. Eine sehr dynamische, von Optimismus getragene Periode, in der aber auch der Keim für unsere heutigen Schwierigkeiten gelegt wurde.

Vom Wiederaufbau zur Ausbeutung – erwachendes Umweltbewusstsein

Die Phase des Wiederaufbaus in dem vom Krieg zerstörten Europa ging nahtlos und fast unbemerkt über in eine der Ausbeutung von Natur und Mensch. Das so erfolgreiche Miteinander wandelte sich allmählich in ein Gegeneinander, vor allem aber in ein „Gegen die Natur“.

Weltweit verteilte Arbeitsschritte – wo’s am billigsten ist, wird es hergestellt – und daraus folgend weltweiter Handel sollen nicht nur Gewinne maximieren, sondern auch künftige Kriege unmöglich machen, weil jeder Weltteil von jedem anderen abhängig wird und man voneinander profitiert. Aber die rasante Produktionssteigerung und das bequeme Leben in den Industriestaaten gehen einher mit enormem Ressourcenverbrauch – Wasser, Metalle, Baustoffe, Fläche usw. –, mit Vergiftung der Umwelt durch Abgase, Abwasser, Pestizide und Müll sowie mit einem Umbau der Gesellschaft, vor allem im globalen Süden, zum Wohle weniger und Verelendung vieler. Wenn die Umweltschäden oder die Produktionsbedingungen daheim nicht mehr akzeptiert werden, weicht man auf Entwicklungsländer aus, sodass auch die Probleme globalisiert werden.

Physik und Technologie sind Trumpf. Leider neigen sie zu Vereinfachungen. Der Physiker etwa berechnet, dass sich eine Tonne Gift im Ozean so verdünnt, dass sie keinem Lebewesen schaden kann. Tatsächlich wird das Gift aber einerseits nicht gleichmäßig über die Wassermassen verteilt andererseits reichert es sich zusätzlich in der Nahrungskette an, wenn es sich um biologisch nicht oder schwer abbaubare Substanzen wie DDT, Strontium oder Nanopartikeln aus Plastik handelt. Vereinzelt werden Warnungen laut: In den USA sticht 1962 die Biologin Rachel Carson mit ihrem Buch „Stummer Frühling“2 in ein Wespennest und wird wütend von der chemischen Industrie bekämpft. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, erfährt das Buch ungeheure Verbreitung und wird heute zu den einflussreichsten Wissenschaftsbüchern gezählt. Es war der Beginn des langsamen Umdenkens im Pestizideinsatz und mittelfristig der Anlass für die Einrichtung von Umweltbehörden in den USA.

Nebenbei sei erwähnt, dass die US-Botschaft in Wien noch in den 1970er-Jahren alljährlich vor den Feiern zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli Pestizide zur Vernichtung von Gelsen sprühen ließ, damit die Besucher:innen nicht belästigt würden. Die Folge war, dass die Singvögel in der Nachbarschaft über längere Zeit ausblieben. Das Ersuchen der Nachbarn, die Besprühung zu unterlassen, fruchtete nichts. Erst als es gelang, den ORF zu interessieren, und dieser ankündigte, die Aktion filmen zu wollen, sagte man die Vergiftungsaktion hastig ab.

In Deutschland entlarvt in liebenswürdiger Weise Günther Schwab 1956 im „Tanz mit dem Teufel“3 eine diabolische Verschwörung gegen die Menschheit: Der Teufel ist darauf aus, den Menschen das Leben schwer und sie so Gott abtrünnig zu machen und bedient sich dazu menschlicher Helfershelfer. Diese machen den Menschen zur Lösung ihrer Probleme typischerweise Vorschläge, die sie nur weiter in Schwierigkeiten bringen. Bodennahe Kinderwagen, damit die Kinder sich möglichst in Höhe der Abgase befinden, immer mehr Chemikalien gegen Qualitätsverlust der Böden, Studien zur Gefährlichkeit von Pestiziden, finanziert von der Agro-chemischen Industrie, oder Speisung eines unmäßigen Wasserbedarfs aus nur sehr langsam regenerierendem Grundwasser.

Es scheint, dass die Menschen bis heute noch den teuflischen Helfershelfern auf den Leim gehen – nur geht es jetzt nicht mehr um Kinderwagen, sondern gleich um Eingriffe globalen Ausmaßes: Heute sind es „teuflische“ Lösungen wie etwa Sulfatpartikel ins Weltall sprühen, damit die auf der Erde eintreffende Sonnenstrahlung gemindert und so die Temperaturen niedrig gehalten werden. „Umweltfreundliches“ Fracking, das doch wieder klimazerstörendes, fossiles Erdgas liefert, aber eben heimisches und etwas umweltfreundlicher gewonnen. Oder Kernkraftwerke der Generation IV bzw. Small Modular Reactors (SMR) – billig, sicher, ohne Atommüll; aber leider alles nur auf dem Papier, ungetestet – ähnliche Versprechen gab’s schon zu Beginn der Kernenergie.

Die Umweltprobleme werden lokal spürbar, lokal beginnen sich Menschen zu wehren. Diese sind noch vereinzelt und gelten als fortschrittsfeindlich; im heutigen Sprachgebrauch würde man sie vermutlich als Verschwörungstheoretiker verschreien, weil doch niemand bewusst Gesundheit oder Umwelt schädigen würde? Das Systemische des Problems wird nur von wenigen erkannt - noch sind wirtschaftlicher Erfolg, Effizienz und kurzfristiges Denken Trumpf.

Warnende Stimmen, die wirtschaftlichen Interessen in die Quere kommen, haben es immer schwer, unabhängig davon, wie solide die Evidenz und die wissenschaftliche Basis ist. Hätte man damals die Mahnrufe etwa von Meadows ernst genommen oder wenigstens ein Beobachtungssystem entwickelt, das frühzeitig erkennen lässt, ob an den Warnungen etwas dran ist, wäre es nie so weit gekommen, dass wir innerhalb eines Jahrzehnts alles auf den Kopf stellen müssen.

Verständnis für Grenzen des Wachstums entsteht