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„In der Natur gibt es eine aufsteigende Evolution vom Stein zur Pflanze, von der Pflanze zum Tier, vom Tier zum Menschen. Da der Mensch zur Zeit die letzte Sprosse am Gipfel der aufsteigenden Evolution ist, betrachtet er sich als die letzte Phase in diesem Anstieg und ist der Meinung, es kann auf Erden nichts geben, was über ihm stünde. Hierin hat er unrecht. In seiner physischen Natur ist er beinahe noch ein Tier, ein denkendes und sprechendes Tier zwar, doch in seinen körperlichen Gewohnheiten und Instinkten nichtsdestoweniger ein Tier. Zweifellos kann die Natur mit einem so unvollkommenen Ergebnis nicht zufrieden sein; sie strebt danach, ein Wesen hervorzubringen, welches für den Menschen das sein wird, was der Mensch für das Tier ist, ein Wesen, das seiner äußeren Form nach ein Mensch bleiben wird, dessen Bewusstsein sich jedoch weit über das Mental und seine Versklavung an die Unwissenheit erhebt. Sri Aurobindo kam auf die Erde, um den Menschen diese Wahrheit zu lehren. Er sagte ihnen, der Mensch sei nur ein vergängliches Geschöpf, das in einem mentalen Bewusstsein lebe, jedoch die Möglichkeit besitze, ein neues Bewusstsein zu erlangen, das Wahrheitsbewusstsein, und dass er ein Leben zu leben vermag, das vollkommen harmonisch sei, gut und schön, glücklich und voll bewusst. Während seines ganzen Lebens auf Erden widmete sich Sri Aurobindo der Gewinnung jenes Bewusstseins in sich, das er supramental nannte, sowie der Aufgabe, den um ihn versammelten Menschen dabei zu helfen, es zu verwirklichen.“ (Die Mutter)
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Omsriaurobindomira
ALLES
LEBEN
IST
YOGA
All life is Yoga. – Sri Aurobindo
Sri Aurobindo
SRI AUROBINDO
DIGITAL EDITION
BERCHTESGADENER LAND
www.sriaurobindo.center
© Copyright 2025
Herausgeber
AURO MEDIA
Verlag und Fachbuchhandel
Wilfried Schuh
Deutschland
www.auro.media
eBook Design
SRI AUROBINDO DIGITAL EDITION
Deutschland, Berchtesgaden
Gedenken an Sri Aurobindo (2)
– Sri Aurobindos Botschaft
Auszüge aus den Werken von
Sri Aurobindo
Zweite Auflage 2025
ISBN 978-3-96387-093-4
© Fotos und Textauszüge
Sri Aurobindos und der Mutter:
Sri Aurobindo Ashram Trust
Puducherry, Indien
Blume auf dem Cover:
Nymphaea caerulea (Egyptian blue Lotus). Blau.
Die von der Mutter gegebene spirituelle Bedeutung:
Die Mutter gab dem blauen Lotus anlässlich des hundertsten Geburtstages von Sri Aurobindo im Jahr 1972 eine besondere Bedeutung:
Der rote Lotus ist die Blume Sri Aurobindos. Aber eigens für die Hundertjahrfeier [1972] sollten wir den blauen Lotus wählen, die Farbe seiner physischen Aura, um den hundertsten Jahrestag der Manifestation des Höchsten auf Erden zu versinnbildlichen.
Überall auf der Welt wächst das Interesse an Spiritualität und Yoga. Man kann eine zunehmende Suche nach dem wahren Sinn und Zweck des Lebens erkennen, eine Suche nach tieferen Lösungen für die Probleme, mit denen wir alle konfrontiert sind, und man kann eine zunehmende Bemühung beobachten, am evolutionären Wandel und Fortschritt der Menschheit beitragen zu wollen.
Bei dieser Suche und Bemühung wenden sich immer mehr Menschen an Sri Aurobindo und die Mutter, um Führung und Kraft zu finden. Aber in den umfangreichen Werken Sri Aurobindos und der Mutter wissen wir oft nicht, wo wir Antworten auf unsere Fragen finden können. Aus diesem Grund haben wir zu bestimmten Themen des alltäglichen Lebens einfache Auszüge aus ihren Werken zusammengetragen, die für die Sadhana eine praktische Orientierung im Alltag geben sollen, denn wahre Spiritualität bedeutet nicht, sich vom Leben abzukehren, sondern das Leben mit einer Göttlichen Vollkommenheit zu vollenden.
Diesbezüglich sagte die Mutter:
„Sri Aurobindo sollte nicht nach Büchern studiert werden, sondern nach Themen – was er über das Göttliche, die Einheit, die Religion, die Evolution, die Erziehung, die Selbstvervollkommnung, das Supramental, usw. gesagt hat.“ (CWM Vol. 12, p. 206)
Bei einer anderen Gelegenheit sagte sie:
„Wenn du wissen willst, was Sri Aurobindo zu einem bestimmten Thema gesagt hat, musst du zumindest alles lesen, was er zu diesem Thema geschrieben hat. Man wird dann sehen, dass er die widersprüchlichsten Dinge gesagt zu haben scheint. Aber wenn man alles gelesen und ein wenig verstanden hat, sieht man, dass all die Widersprüche sich ergänzen und in einer integralen Synthese geordnet und geeint sind.“ (CWM Vol. 16, pp. 309-10)
Unsere Titel aus der Reihe ALLES LEBEN IST YOGA sind ein Versuch, etwas mehr Klarheit über ein bestimmtes Thema zu gewinnen und so vielleicht unsere persönlichen Bemühungen in die richtige Richtung zu lenken. Denn Sri Aurobindo sagt:
„Es ist stets wünschenswert, sich in die richtige Richtung zu bemühen; selbst wenn man scheitert, bringt das Bemühen ein bestimmtes Ergebnis und ist niemals verloren.“ (CWSA Vol. 29, p. 87)
Die Übersetzung der Textstellen von Sri Aurobindo erfolgte aus dem ursprünglichen Englisch, während die meisten Passagen der Mutter bereits Übersetzungen aus dem Französischen waren. Fast alle Texte der Mutter wurden ihren Gesprächen, die sie mit Kindern und Erwachsenen führte, entnommen, einige ihren Schriften. Wir müssen außerdem berücksichtigen, dass die Auszüge ihrem ursprünglichen Zusammenhang entnommen wurden und dass jede Zusammenstellung ihrer Natur nach möglicherweise einen persönlichen und subjektiven Charakter hat. Es wurde jedoch der aufrichtige Versuch unternommen, der Vision Sri Aurobindos und der Mutter treu zu bleiben.
Die Textauszüge sind vom Verlag zum Teil mit Kapiteln und Überschriften versehen worden, um ihre Themen hervorzuheben. Sofern es möglich war, wurden sie in Anlehnung eines Satzes aus dem Text selbst gewählt.
Sri Aurobindo und die Mutter machen von der in der englischen Sprache gegebenen Möglichkeit, Wörter groß zu schreiben, um ihre Bedeutung hervorzuheben, häufig Gebrauch. Mit dieser Großschreibung bezeichnen sie meist Begriffe aus übergeordneten Daseinsbereichen, doch auch allgemeine wie Licht, Friede, Kraft usw., wenn sie ihnen einen vom üblichen Gebrauch abweichenden Sinn zuordnen. Diese Begriffe wurden in diesem Buch kursiv hervorgehoben, um dem Leser zu einer leichteren Einfühlung in diese subtilen Unterscheidungen zu verhelfen.
Eckige Klammern bezeichnen Einfügungen des Übersetzers, die um des besseren Verständnisses willen angebracht erschienen. Einige wenige Sanskritwörter wie Sadhana, Sadhaka, Yoga usw. wurden eingedeutscht, da sie durch ihren häufigen Gebrauch bereits als Bestandteil der deutschen Sprache angesehen werden können. Alle anderen Sanskritwörter sind kursiv hervorgehoben, wobei auf diakritische Transkriptionszeichen verzichtet wurde.
Die kursiv geschriebenen Textpassagen vor den Worten Sri Aurobindos und der Mutter sind Fragen bzw. Antworten von Schülern oder sonstige erläuternde Texte.
Titelseite
Impressum
Anmerkung des Herausgebers
Zitat
1. ÜBER SCHÖPFUNG
1. Dasein ist keine Illusion
2. Das Wunder der Geburt
3. Das Schlüsselwort des Rätsels der Erde
4. Der nächste Schritt in der Evolution der Erde
5. Das Schicksal unseres geplagten menschlichen Daseins
6. Erhebe dich, überschreite dich, werde du selbst
2. ÜBER YOGA
1. Der alte Yoga und das neue Ziel
2. Der Integrale Yoga
3. Selbsthingabe – das Schlüsselwort des Yoga
4. Die Göttliche Mutter und ihre Verkörperung
3. ÜBER SOZIOLOGIE
1. Sri Aurobindo über Religion
2. Wie die Gesellschaft das Individuum betrachten sollte
3. Der Schlüssel zu menschlicher Einheit
4. Sri Aurobindos Botschaft an das freie Indien
5. Die Renaissance in Indien
6. Sri Aurobindos Botschaft an die Sadhaks
4. SRI AUROBINDOS BOTSCHAFT
1. Die glorreiche Zukunft
2. Das einzig Wesentliche
Bibliographie
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titelseite
Copyright
Vorwort
Quellenangaben
In der Natur gibt es eine aufsteigende Evolution vom Stein zur Pflanze, von der Pflanze zum Tier, vom Tier zum Menschen. Da der Mensch zur Zeit die letzte Sprosse am Gipfel der aufsteigenden Evolution ist, betrachtet er sich als die letzte Phase in diesem Anstieg und ist der Meinung, es kann auf Erden nichts geben, was über ihm stünde. Hierin hat er unrecht. In seiner physischen Natur ist er beinahe noch ein Tier, ein denkendes und sprechendes Tier zwar, doch in seinen körperlichen Gewohnheiten und Instinkten nichtsdestoweniger ein Tier. Zweifellos kann die Natur mit einem so unvollkommenen Ergebnis nicht zufrieden sein; sie strebt danach, ein Wesen hervorzubringen, welches für den Menschen das sein wird, was der Mensch für das Tier ist, ein Wesen, das seiner äußeren Form nach ein Mensch bleiben wird, dessen Bewusstsein sich jedoch weit über das Mental und seine Versklavung an die Unwissenheit erhebt.
Sri Aurobindo kam auf die Erde, um den Menschen diese Wahrheit zu lehren. Er sagte ihnen, der Mensch sei nur ein vergängliches Geschöpf, das in einem mentalen Bewusstsein lebe, jedoch die Möglichkeit besitze, ein neues Bewusstsein zu erlangen, das Wahrheitsbewusstsein, und dass er ein Leben zu leben vermag, das vollkommen harmonisch sei, gut und schön, glücklich und voll bewusst. Während seines ganzen Lebens auf Erden widmete sich Sri Aurobindo der Gewinnung jenes Bewusstseins in sich, das er supramental nannte, sowie der Aufgabe, den um ihn versammelten Menschen dabei zu helfen, es zu verwirklichen.
– Die Mutter
Das Dasein ist kein Glücksfall, keine zufällige Schöpfung von irgendjemandem, ein Ding, das unerklärlicherweise entstanden ist. Es trägt das WortGottes in sich, es ist erfüllt von einer verborgenen Göttlichen Gegenwart.
Das Dasein ist keine blinde Maschine, die irgendwie daherkam und eine planlose Bewegung ohne Ziel, Sinn und Zweck in Gang setzte. Das Dasein ist eine Wahrheit der Dinge, die sich durch einen allmählichen Prozess der Manifestation entfaltet, eine Evolution ihrer eigenen innewohnenden Wirklichkeit.
Das Dasein ist keine Illusion, eine Maya, die keinen Grund, keine Bestimmung hat zu existieren, nicht existieren kann, nicht existiert, sondern nur zu sein scheint. Eine mächtige Wirklichkeit manifestiert in sich selbst dieses wunderbare Universum.
Die Manifestation ist keine Episode des Ewigen. Sie ist sein Antlitz und sein Körper der Glorie, der unvergänglich ist, sie ist die Bewegung seiner Freude und seiner Macht...
Das Göttliche, das wir verehren, ist nicht nur eine ferne außerkosmische Wirklichkeit sondern eine halbverhüllte Manifestation, die uns hier im Universum gegenwärtig und nahe ist. Das Leben ist das Feld für eine noch nicht vollendete göttliche Offenbarung: wir sollen hier im Leben, auf der Erde, im Körper, – ihniva1, wie die Upanishaden betonen –, die Gottheit enthüllen; hier müssen wir ihre transzendente Größe, ihr Licht und ihre wunderbare Lieblichkeit unserem Bewusstsein zu etwas Wirklichem machen, es hier besitzen und, soweit das möglich ist, zum Ausdruck bringen.
...der Mensch ist ein sich entwickelnder Geist, der hier versucht, sich in den Formen von Mental, Leben und Körper zu finden und zu verwirklichen...
1 selbst hier.
Ich sah meine Seele als Reisende durch die Zeit
Von Leben zu Leben kosmische Wege gehen,
Dunkel in den Tiefen, erhaben auf den Höhen,
Vom Wurm empor sich entfaltend in den Gott.
Eine Funke des ewigen Feuers, kam sie her
In Materie ein Haus für den Ungeborenen zu bauen.
Die nichtbewusste sonnenlose Nacht empfing die Flamme,
In stumm verlorener Dinge roher Saat
Rührte sich Leben, umriss sich schimmernd Denken
Bis auf der unbeseelten starren Erde erschien,
Geboren aus nachtwandlerischer Natur im Schlaf,
Ein denkend Geschöpf, das hoffen und lieben kann.
Weiter geht das Wunder, die schrittweise
Geburt des Unsterblichen zwischen Schlamm und Stein.
O Du, der du stiegst zum Mental aus dem dumpfen Stein,
Wende dich den unerklommenen Wundern zu!
(Ein Auszug aus einem persönlichen Brief von Sri Aurobindo an seinen Bruder Barin. Original in Bengali, geschrieben um 1920).
Womit ich anfing, was Lele mir gab, was ich im Gefängnis tat – all das war eine Suche nach dem Weg, ein Umherkreisen, um hier und dort zu suchen, zu ertasten, aufzunehmen, anzuwenden, dieses und jenes von all den alten partiellen Yogawegen auszuprobieren, eine mehr oder weniger vollständige Erfahrung mit einem Weg zu machen und dann einem anderen nachzugehen. Danach, als ich nach Pondicherry kam, hörte dieser unstete Zustand auf. Der innewohnende Guru der Welt zeigte mir meinen Weg in seiner Gesamtheit, seine vollständige Theorie...
Der Fehler des alten Yoga bestand darin, dass er sich mit der spirituellen Erfahrung im Mental zufrieden gab, da er das Mental und die Vernunft kannte und den Geist kannte. Aber das Mental kann nur das Fragmentarische erfassen; es kann das Unendliche, das Ungeteilte nicht vollständig erfassen. Der Weg des Mentals, es zu erfassen, führt über die Trance des Samadhi, über die Befreiung des Moksha, das Erlöschen des Nirvana und so weiter. Es gibt keinen anderen Weg. Vielleicht erlangt jemand hier oder dort diese eigenschaftslose Befreiung, aber was ist der Gewinn? Der Geist, das Selbst, das Göttliche ist immer da. Was Gott will, ist, dass der Mensch Ihn hier verkörpert, im Individuum und in der Gemeinschaft – um Gott im Leben zu verwirklichen. Das alte Yogasystem konnte den Geist und das Leben nicht zusammenführen oder vereinen; es tat die Welt als eine Illusion oder ein vergängliches Spiel Gottes ab. Das Ergebnis war eine Schwächung der Lebenskraft und der Niedergang Indiens. ... Was für eine Art von spiritueller Vollkommenheit ist es, wenn einige wenige Asketen, Entsagende, Heilige und verwirklichte Wesen die Befreiung erlangen, wenn einige wenige Gottgeweihte in einem Rausch der Liebe, des Gottesrausches und der Glückseligkeit tanzen und eine ganze Menschheit, ohne Leben und Intelligenz, in die Tiefen der Dunkelheit und Trägheit sinkt? Zuerst muss man alle möglichen Teilerfahrungen auf der mentalen Ebene machen, die das Mental mit spiritueller Freude überfluten und es mit spirituellem Licht erleuchten; danach steigt man aufwärts. Solange man diesen Aufstieg, diesen Aufstieg zur supramentalen Ebene nicht vollzieht, ist es nicht möglich, das letzte Geheimnis des Weltdaseins zu erkennen; das Rätsel der Welt ist nicht gelöst....
Die Überlieferungen der Vergangenheit bedeuten viel für ihre Zeit in der Vergangenheit, doch ich sehe nicht ein, warum wir sie lediglich nachahmen und nicht über sie hinausgehen sollten. In der spirituellen Entwicklung des Erdbewusstseins sollte der großen Vergangenheit eine größere Zukunft folgen...
Jeder andere Yoga betrachtet dieses Leben als Illusion oder als vorübergehenden Zustand; allein der supramentale Yoga betrachtet es als etwas, das vom Göttlichen für eine progressive Manifestation geschaffen wurde und die Vollendung von Leben und Körper zum Ziel hat. Das Supramental ist das Wahrheitsbewusstsein und bringt mit seiner Herabkunft die volle Wahrheit des Lebens, die volle Wahrheit des Bewusstseins in der Materie mit sich. Man hat tatsächlich zu hohen Gipfeln aufzusteigen, um es zu erreichen, doch je höher man aufsteigt, desto mehr kann man herabbringen. Kein Zweifel, Leben und Körper dürfen nicht die unwissenden, unvollkommenen und unfähigen Instrumente bleiben, die sie jetzt noch sind; doch warum sollte eine Wandlung in vollere Lebensmacht, in vollere Körpermacht als etwas Fernes, Kaltes und Unerwünschtes erscheinen? Der äußerste Ananda, deren Körper und Leben jetzt fähig sind, ist eine kurze Erregung des vitalen Mentals, der Nerven oder Zellen, unvollkommen und schnell vergänglich; mit der supramentalen Wandlung können sich alle Zellen, Nerven, vitalen Kräfte, alle verkörperten mentalen Kräfte mit tausendfachem Ananda füllen, können einer intensiven Wonne fähig werden, die jede Beschreibung übersteigt und nicht zu verblassen braucht...
Was ist der Integrale Yoga?
Es ist der Weg einer vollständigen Gottverwirklichung, einer vollständigen Selbstverwirklichung, einer vollständigen Erfüllung unseres Wesens und Bewusstseins, einer vollständigen Transformation unserer Natur – und das bedeutet eine vollständige Vollkommenheit des Lebens hier und nicht nur eine Rückkehr zu einer ewigen Vollkommenheit anderswo.
Das ist das Ziel, aber auch in der Methode gibt es dieselbe Vollständigkeit, denn die Ganzheit des Ziels kann nicht ohne eine Ganzheit in der Methode erreicht werden; eine vollständige Hinwendung, Öffnung, Selbsthingabe unseres Wesens und unserer Natur in allen Teilen, Seinsweisen, Regungen zu dem, was wir verwirklichen.
Unser Mental, unser Wille, unser Herz, unser Leben, unser Körper, unsere äußere und innere und innerste Existenz, unser Über- und Unterbewusstsein sowie unsere bewussten Wesensteile, müssen alle so hingegeben werden, müssen alle ein Mittel, ein Feld dieser Verwirklichung und Transformation werden und an der Erleuchtung und dem Wandel von einem menschlichen in ein göttliches Bewusstsein und eine göttliche Natur teilhaben.
Dies ist der Wesenskern des Integralen Yoga.
Dies ist ein Yoga der Transformation des Wesens, nicht nur ein Yoga der Erlangung des inneren Selbstes oder des Göttlichen, obwohl diese Verwirklichung seine Grundlage ist, ohne die keine Transformation möglich ist. In dieser Transformation gibt es vier Elemente: die seelische Öffnung, den Durchgang durch das Okkulte, die spirituelle Befreiung und die supramentale Vollkommenheit. Wenn eines dieser vier Elemente nicht erreicht wird, bleibt der Yoga unvollständig.
Das spirituelle Leben (adhyatma jivana), das religiöse Leben (dharma jivana) und das gewöhnliche menschliche Leben, zu dem die Moral gehört, sind drei grundverschiedene Dinge, und man muss wissen, was man will, und darf diese drei nicht miteinander verwechseln. Das gewöhnliche Leben ist das des durchschnittlichen menschlichen Bewusstseins, von seinem wahren Selbst und vom Göttlichen getrennt und gelenkt von den üblichen Gewohnheiten des Mentals, Lebens und Körpers, von den Gesetzen der Unwissenheit. Das religiöse Leben ist eine Bewegung des gleichen unwissenden menschlichen Bewusstseins, das sich von der Erde abwendet oder abzuwenden versucht, dem Göttlichen zu, doch bislang ohne Erkenntnis und von den dogmatischen Lehren und Regeln einer Sekte oder eines Glaubensbekenntnisses gelenkt, die Anspruch darauf erheben, den Weg aus den Banden des Erdbewusstseins in irgendein glückseliges Jenseits gefunden zu haben. Das religiöse Leben mag die erste Annäherung an das spirituelle sein, doch sehr häufig ist es nur ein auswegloses Umherwandern in einem Kreis von Riten, Zeremonien und Praktiken oder von starren Ideen und Formen. Das spirituelle Leben hingegen schreitet direkt durch eine Bewusstseinsveränderung fort, eine Veränderung des gewöhnlichen Bewusstseins, das unwissend und von seinem wahren Selbst und Gott getrennt ist, in ein größeres Bewusstsein, in dem man sein wahres Wesen findet und zuerst mit dem Göttlichen in einen direkten und lebendigen Kontakt tritt und dann zu einer Einung mit ihm gelangt. Für den spirituellen Sucher ist diese Bewusstseinsveränderung das eine, das er sucht, und nichts anderes zählt für ihn.
Moral ist ein Teil des gewöhnlichen Lebens. Sie ist ein Versuch, das äußere Verhalten durch gewisse mentale Regeln zu lenken oder den menschlichen Charakter mit Hilfe dieser Regeln dem Vorbild eines gewissen mentalen Ideals anzupassen. Das spirituelle Leben überschreitet das Mental. Es tritt in das tiefere Bewusstsein des Geistes ein und handelt aus der Wahrheit des Geistes. Was die Frage des ethischen Lebens anbelangt und das Erfordernis, Gott zu erkennen, hängt das davon ab, was mit der Erfüllung der Lebensziele gemeint ist. Wenn das Erlangen des spirituellen Bewusstseins dazugehört, wird dir das die bloße Moral nicht geben.
Man muss wohl zwei Aspekte der Religion unterscheiden: wahre Religion und Religiosität. Wahre Religion ist spirituelle Religion. Sie sucht im Geist zu leben, jenseits des Verstandes, der Ästhetik, des ethischen und praktischen Seins des Menschen, und sie erstrebt, diese Glieder unseres Seins mit dem höheren Licht und Gesetz des Geistes zu erfüllen und zu lenken. Religiosität dagegen verschanzt sich hinter enger, pietistischer Erhöhung der niederen Glieder oder misst intellektuellen Dogmen, Formen und Zeremonien, einem festgelegten und strengen Moralkodex, einem religiös-politischen oder religiös-sozialen System übertriebenen Wert bei. Wohl sollten alle diese Dinge keineswegs vernachlässigt werden, da sie nicht im Geringsten wertlos oder unnötig sind. Auch sollte eine spirituelle Religion die Hilfe von Formen, Zeremonien, Glaubenssätzen oder Systemen nicht missachten. Im Gegenteil, die Menschheit bedarf ihrer, da ihre niederen Glieder erschüttert und erhoben werden müssen, ehe sie spiritualisiert werden, ehe sie den Geist unmittelbar fühlen und seinem Gesetz gehorchen können. Der denkende und überlegende Verstand bedarf oft einer intellektuellen Formel, einer Form oder Zeremonie für das ästhetische Temperament oder für andere Teile des vorrationalen Seins, eines Moralkodex für die vitale Natur des Menschen in ihrer Hinwendung zum inneren Leben. Aber all dies kann nur Hilfe und Stütze sein, ist nicht das Wesen selbst. Eben weil es den rationalen und vorrationalen Teilen zugehört, kann es nichts anderes sein. Stützt man sich allzu sehr auf diese Formen, können sie sogar das überrationale Licht verdunkeln. So wie sie sind, müssen sie dem Menschen angeboten und von ihm benutzt, nicht aber dürfen sie ihm mit unbeugsamem Willen als einziges Gesetz aufgezwungen werden. In ihrer Anwendung sind Toleranz und die Freiheit der Veränderung die oberste Regel. Der spirituelle Gehalt der Religion ist das einzige und höchst Notwendige, an dem wir festhalten müssen und dem wir jedes andere Element oder Motiv unterordnen sollten.
Das wahre, vollkommene spirituelle Ziel der Gesellschaft wird den Menschen nicht als Mental, als Leben und Körper betrachten, sondern als Seele, die sich zu göttlicher Erfüllung auf der Erde, nicht nur im jenseitigen Himmel verkörpert. Sie hätte ja den Himmel nicht zu verlassen brauchen, hätte sie nicht eine göttliche Aufgabe hier in der Welt der physischen, vitalen und mentalen Natur zu vollbringen. Das spirituelle Ideal wird deshalb Leben, Mental und Körper nicht an sich als Ziel der eigenen Befriedigung ansehen, auch nicht als sterbliche Glieder, anfällig für Krankheiten, die man nur abzustreifen braucht, um den geretteten Geist in seine eigenen, reinen Bereiche auffliegen zu lassen; sondern sie sind die wichtigsten Werkzeuge der Seele, im Augenblick noch unvollkommene Werkzeuge für noch nicht erkannte göttliche Zwecke. Das spirituelle Ziel aber glaubt an ihre Bestimmung und wird ihnen helfen, an sich selbst zu glauben, eben um dieser ihrer höheren und nicht wegen der niedersten oder niederen Möglichkeiten willen. Seiner Auffassung nach ist es ihre Bestimmung, sich zu spiritualisieren und damit sichtbare Glieder des Geistes zu werden, erleuchtete Mittel seiner Offenbarung, selbst spirituell, erleuchtet, immer bewusster und vollkommener. Denn wenn die Gesellschaft die menschliche Seele als etwas vollkommen Göttliches, als Wahrheit annimmt, wird sie auch die Möglichkeit bejahen, dass das ganze menschliche Wesen trotz der zunächst bestehenden offensichtlichen Widersprüche der Natur gegen diese Möglichkeit, trotz ihrer Leugnung dieser höchsten Gewissheit göttlich zu werden vermag, sogar mit diesen Hemmnissen als dem notwendigen irdischen Ausgangspunkt. Und so wie sie den Menschen als Individuum betrachtet, wird sie ihn auch im Kollektiv als eine Seelenform des Unendlichen, als eine in Millionenzahl auf Erden verkörperte Kollektivseele ansehen, bestimmt zur Erfüllung des Göttlichen in seinen mannigfachen Beziehungen und Handlungen. Darum wird sie all die verschiedenen Teile des menschlichen Lebens, die den Teilen seines Wesens entsprechen, all seine physische, vitale, dynamische, gefühlsmäßige, ästhetische, ethische, intellektuelle und seelische Entfaltung heilig halten und in ihnen Werkzeuge zum Wachstum des göttlicheren Lebens sehen. Vom gleichen Standpunkt aus werden für sie jede menschliche Gesellschaft, Nation, Volk oder jedes andere organische Gefüge sozusagen Unter-Seelen bedeuten, Mittel zu einer Gesamtoffenbarung und Selbsterfüllung des Geistes, göttliche Wirklichkeit, das bewusste Unendliche im irdischen Menschen. Da der Mensch innerlich eins ist mit Gott, wird die Möglichkeit seiner Göttlichkeit sein einziger Glaube, sein einziges Dogma sein.
1 Als die Mutter gefragt wurde, wie man den notwendigen Zusammenhalt und den Glauben im Lande herstellen könne, antwortete sie: Indem man Sri Aurobindos Lehren folgt. Seine Botschaft zum Unabhängigkeitstag am 15. August 1947 muss immer wieder gelesen und ihre Bedeutung Millionen von Landsleuten erklärt werden. Indien braucht die Überzeugung und den Glauben von Sri Aurobindo.
CWM Vol. 12, p. 116
CWSA Vol. 12, p. 218
CWSA Vol. 12, p. 219
CWSA Vol. 23, p. 74
CWSA Vol. 25, p. 125
CWSA Vol. 2, p. 615
CWSA Vol. 2, p. 595
CWSA Vol. 12, p. 161
CWSA Vol. 12, p. 334
CWSA Vol. 12, p. 166
CWSA Vol. 36, p. 547
CWSA Vol. 12, pp. 157-160
CWSA Vol. 12, p. 97
CWSA Vol. 12, pp. 150-52
Bengali Writings (SAA 1991): 359-61
SABCL Vol. 26, pp. 122-124-125
CWSA Vol. 12, p. 358
CWSA Vol. 12, pp. 367-68
Dies ist einer von mehreren Essays, die um 1930 über den supramentalen Yoga verfasst wurden. Davon wurden dieser und zwei weitere gemeinsam unter der redaktionellen Überschrift „The Supramental Yoga“ [„Der Supramentale Yoga“; in "Die Stunde Gottes" (1961) enthalten] in "The Advent" vom November 1955 veröffentlicht. Der vorliegende Essay ist der am weitesten ausgearbeitete der drei und der einzige, der im Manuskript eine Überschrift trägt.
SABCL Vol. 25, p. 65
SABCL Vol. 25, pp. 20-21
SABCL Vol. 25, p. 49
SABCL Vol. 22, pp. 137-38
CWSA Vol. 25, pp. 177-78
CWSA Vol. 25, pp. 227-28
CWSA Vol. 25, pp. 621-62
CWSA Vol. 25, p. 611
CWSA Vol. 36, pp. 478-80
CWSA Vol. 20, pp. 38-40
CWSA Vol. 20, p. 15
SABCL Vol. 25, pp. 1-8
CWSA Vol. 13, pp. 532-34
CWSA Vol. 25, pp. 265-67
