Geheimnisse eines versunkenen Landes - Klaus Behling - E-Book

Geheimnisse eines versunkenen Landes E-Book

Klaus Behling

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Beschreibung

Die DDR existiert seit bald 25 Jahren nicht mehr, aber die Kämpfe um die Interpretation ihrer Geschichte halten unvermindert an. Doch wie war er denn nun wirklich beschaffen, dieser untergegangene deutsche Staat? Welche Bedingungen bestimmten das Leben der DDR-Bürger? Und warum war nach vier Jahrzehnten Schluss? Fernab jeden Anspruchs auf Deutungshoheit oder Vollständigkeit lotet Klaus Behling in einem umfangreich recherchierten und pointiert geschriebenen Kaleidoskop 40 Jahre DDR-Historie aus. 111 interessante, tiefgreifende, brisante, traurige, schaurige, witzige, in jedem Fall aber neugierige Fragen stellt er sich und seinen Lesern, aus deren Beantwortung ein kundiges und im besten Sinne populäres Sachbuch entstanden ist.

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Seitenzahl: 431

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Klaus Behling

Geheimnisse eines versunkenen Landes

Kurzweilige Anekdoten aus dem DDR-Zettelkasten

Bild und Heimat Verlag

eISBN 978-3-86789-594-1

1. Auflage

© 2015 by BEBUG mbH / Bild und Heimat Verlag, Berlin

Umschlaggestaltung: fuxbux, Berlin

Umschlagabbildung: © DNY59, i-stock

Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:

Bild und Heimat Verlag

Alexanderstraße 1

10178 Berlin

Tel. 01805/30 99 99

(0,14 Euro/Min., Mobil max. 0,42 Euro/Min.)

www.bild-und-heimat.de

Vorwort

Die DDR als Fußnote der Geschichte

Die DDR existierte 14 970 Tage. Als sie am 7. Oktober 1949 begann, geschah das mit dem Anspruch, eine Stufe der Geschichte erreicht zu haben, die über allem jemals Stattgefundenen stand. Von hier aus würde es nur noch weiter treppauf gehen, bis der Staat irgendwann gar nicht mehr nötig wäre, weil alle alles ohne Regelwerk im Überfluss hätten. Es war eine paradiesische Vorstellung, ohne daran zu denken, dass auch das Paradies Tücken haben konnte. Friedrich Hölderlins Bedenken: »Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, dass ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte«, hatte die Geschichte wohl beiseite gewischt.

Eine eigenartige Symbiose von Stillstand und Bewegung entstand. Einerseits würde es niemals mehr zurückgehen, andererseits konnte es aber auch nicht so bleiben, wie es war. Ein Weg endloser Erfolge schien vorgezeichnet, es sollte ein Weg ins Glück aller sein. Dass sich dessen materielle Ausgestaltung stets am Imperialismus orientierte, den Lenin nicht nur als monopolistischen, sondern auch als parasitären und faulenden sowie sterbenden Kapitalismus kennzeichnete, schien niemanden zu stören. Viel wichtiger war das Postulat, endlich historische Gerechtigkeit hergestellt und damit einen uralten Menschheitstraum verwirklicht zu haben. Das sollte genügen, um eine neue Form von Macht und Herrschaft zu legitimieren.

Dazu passten keinen Fragen, denn sie bergen stets den Kern des Zweifels. Also wurden die heiklen unter ihnen nicht gestellt. Oder nicht beantwortet. Trotzdem gab es sie. Doch sie hatten gestört, denn der Weg war ja gut und richtig und führte bergauf. Warum ihn also bezweifeln und es so allen Gutwollenden noch schwerer machen?

Jahrhundertelang bewegten Fragen die Geschichte nach vorn. Jetzt schienen sie Bremsen geworden zu sein. Fragen als destruktiver Ansatz. Sie so zu interpretieren, hatte einen Grund. Noch bedurfte die vermeintlich bereits erreichte Gerechtigkeit ja ihrer Vollstrecker. Ausgerechnet diese nach dem Vernünftigen ihres Tuns zu fragen, hätte bedeutet, sie in Frage zu stellen. So gern jegliche Macht die »Machtfrage« stellt, bevor sie diese Macht errungen hat, so sehr unterdrückt sie sie, wenn sie sich etabliert hat.

Dennoch gibt es eine Elle, an der Legitimitätsansprüche gemessen werden können. Immanuel Kant nennt sie »Probierstein der Rechtmäßigen eines jeden öffentlichen Gesetzes«. Kann einem solchen Gesetz ein ganzes Volk zustimmen, »so ist es Pflicht, das Gesetz für Recht zu halten«. Das sieht er auch für den Fall, »dass das Volk in einer solchen Lage, oder Stimmung seiner Denkungsart wäre, dass es, wenn es darum befragt wurde, wahrscheinlicherweise seine Beistimmung verweigern würde.«

Jegliche Politik kann demnach also dann als gerecht gelten, wenn die begründete Annahme besteht, dass sie allein aus der Vernunft der Mitglieder des entsprechenden Gemeinwesens entstanden ist.

Karl Marx hat diesen Gedanken aufgegriffen. Für ihn ging es – der Historie geschuldet – um die Rechtmäßigkeit der Pariser Kommune. Er sah sie nicht aufgrund von historischen Gesetzmäßigkeiten für gerechtfertigt an, sondern allein deshalb, weil sie die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der Gesellschaft reflektierte.

Ob dies auch ab dem ersten der 14 970 DDR-Tage der Fall war, ist ohne Nachweis geblieben, weil die Fragen dazu fehlten. Die wichtigste lautete: Hatte eine Gemeinschaft von Freien und Gleichen den Plan eines sozialistischen Weges gefasst? Sie kann nicht beantwortet werden, weil es diese Gemeinschaft nach dem Absinken des ganzen deutschen Volkes in die Abgründe der Barbarei nicht geben konnte.

Ohne Fragen wird aber auch der Marxismus schnell zur Ersatzreligion. Sein Legitimationsansatz wandelt sich durch das »Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist« seiner Benutzer in ein Rechtfertigungssystem. Diese Interpretation erinnerte an den klassischen »Widerspruch in sich« – die contradictio in adiecto, am unmöglichen »runden Quadrat« simpel zu illustrieren – und wurde zur Projektionsfläche unbeantworteter Fragen. Dass Lenin den Satz 1913 in seiner Agitationsschrift »Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus« formulierte, macht ihn nicht wissenschaftlicher. Trotzdem waren 14 970 Tage lang Fragen dazu nicht erwünscht. Gegen dennoch hier und da auftretende Renitenz half eine Weile das auch umkehrbare, oben benannte Totschlagargument. Dann nicht mehr. Am Ende seines politischen Weges stellte selbst Erich Honecker die zuvor nicht gelittene Frage: »Hatten wir Sozialismus?« Und er antwortet unorthodox: »Wir hatten zumindest ein großes Stück von ihm!« Den Glauben daran, dass dieser Weg irgendwann und irgendwo weitergehen würde, schöpfte er nicht aus der Annahme, dass es irgendein Volk dann so haben will, sondern »weil sich die Gesetzmäßigkeiten der Geschichte nicht außer Kraft setzen lassen«.

Doch wie sehen diese Gesetzmäßigkeiten aus?

Stefan Heym meinte 1989, von der DDR würde nichts weiter bleiben als eine Fußnote in der Geschichte. Dafür bekam er viele wütende Kommentare und vielleicht kam das Wort ja auch aus seinem gerechten Zorn über die vielen offen gebliebenen Fragen. Nur sie können aus der DDR vielleicht doch noch mehr als eine Fußnote machen, denn in seinem historischen Befund hat er zweifellos Recht:

Die kapitalistische Schlange hat das

sozialistische Igelchen geschluckt,

sie wird ihre Verdauungsprobleme haben,

aber das Igelchen ist jedenfalls weg.

I. Grundsätzliches und Politisches

War die DDR mal eine Bundesrepublik?

Thüringer lieben Klöße, Sachsen sind Reiseweltmeister und Mecklenburger ein bisschen stur – als nach der Deutschen Einheit die ostdeutschen Länder auferstanden, galt die unterschiedliche regionale Identifikation als wichtiges Bindemittel. Daran hatte die sowjetische Besatzungsmacht auch schon nach dem Krieg gedacht. Mit Befehl vom 9. Juli 1945 bestimmte die Sowjetische Militäradministration (SMAD) die Wiederherstellung einer Struktur im Osten Deutschlands, die sich an die früheren historischen Grenzen anlehnte. So entstanden zunächst die Länder Mecklenburg, Sachsen und Thüringen. Den Rest der sowjetischen Besatzungszone bildeten Teile preußischer Provinzen. Nach der offiziellen Auflösung des »Staates Preußen« mit Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 entstanden Sachsen-Anhalt und Brandenburg als Länder. Zwischen Dezember 1946 und Juli 1947 gaben sich diese Länder ihre eigenen Verfassungen. Berlin hatte als Viersektoren-Stadt einen besonderen Status und bildete kein eigenes Land.

Die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges hatten die Struktur der neuen Verwaltung wesentlich beeinflusst. Mit der Festlegung der Ostgrenze auf die Oder-Neiße-Linie verlor die ehemalige preußische Provinz Brandenburg alle Gebiete östlich der Oder. Im Entwurf der Verfassung für Mecklenburg, das aus den früheren Großherzogtümern Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und dem westlichen Vorpommern gebildet wurde, plante man zunächst den Namen Mecklenburg-Vorpommern. Das verboten die Sowjets, um nicht an die verlorenen deutschen Ostgebiete zu erinnern.

Auch der niederschlesische Landzipfel um Görlitz tauchte in keinem Namen mehr auf und ging an Sachsen. Das Land Sachsen-Anhalt entstand aus der preußischen Provinz Sachsen – nicht mit dem Königreich Sachsen zu verwechseln – und dem ehemaligen Freistaat Anhalt.

Damit war die Sowjetische Besatzungszone strukturell als Bundesrepublik angelegt. Deshalb definierte sich die DDR in ihrer ersten Verfassung auch als dezentralisierter Einheitsstaat. Mit ihrer Gründung am 7. Oktober 1949, die auf dem Staatsgründungsgesetz beruhte, entstand neben der Abgeordnetenkammer – wegen des weiterhin gültigen Besatzungsrechtes »Provisorische Volkskammer« genannt – auch eine »Provisorische Länderkammer« – so wie es im Westen Bundestag und Bundesrat gab.

Die 50 Abgeordneten der DDR-Länderkammer kamen aus den Landtagen entsprechend der Fraktionsstärke der dort vertretenen Parteien. Sachsen schickte 13, Sachsen-Anhalt 11, Thüringen 10, Brandenburg 9 und Mecklenburg 7 Parlamentarier. Die 13 Berliner Abgesandten verfügten nur über eine beratende Stimme.

Bereits bei den Landtagswahlen vom 20. Oktober 1946 zeigte sich, dass diese Struktur die Macht der ein halbes Jahr zuvor aus KPD und SPD gebildeten SED gefährdete. Trotz erheblicher Behinderung der bürgerlichen Parteien (Nationaldemokraten, Liberale und Christen) und der Bauern-Partei, verfehlte sie die angestrebte absolute Mehrheit. In Sachsen-Anhalt entstand eine Regierung aus Christdemokraten und Liberalen. Deshalb änderte die Besatzungsmacht das Wahlrecht, künftig war nur noch die Einheitsliste der »Nationalen Front« zugelassen. Sie erhielt am 15. Oktober 1950 bei einer Wahlbeteiligung von über 98 Prozent mehr als 99 Prozent aller Stimmen – etwas anderes zu Wählen gab es nicht mehr. Da es auf dieser Einheitsliste außer der SED und den »Blockparteien«, Christlich Demokratische Partei, Liberaldemokratische Partei, Nationaldemokratische Partei und Deutsche Bauernpartei, auch Abgeordnete von FDJ über Kulturbund bis zum Demokratischen Frauenbund gab, deren Nominierung die SED bestimmen konnte, war deren Macht fortan gesichert.

Mit der Gründung der DDR verloren die Länderinstitutionen einen Großteil ihrer Befugnisse. Die Gesetze wurden nun von der Regierung in Ostberlin als Legislative bestimmt, die Landesbehörden waren als Exekutive für deren Umsetzung verantwortlich.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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