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Urlaubserlebnisse aus den 1950er und 1960er Jahren Als Kind erlebte die Autorin wunderschöne Urlaubszeiten in einem Gebirgsdorf in Kärnten und beschreibt in heiteren und besinnlichen Geschichten die Zeit, in der es dort noch keinen Massentourismus gab. Für ein Stadtkind aus Norddeutschland war das Leben der Dorfkinder und die Tage in der Natur wunderbare Erlebnisse. So wurde dieses Gebirgsdorf zu einem unvergesslichen Urlaubsparadies.
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Seitenzahl: 66
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Für meine Geschwister in Erinnerung an viele gemeinsame Ferienzeiten
Für meine Kinder und Enkel
ein Einblick in die Kinderjahre ihrer Mutter und Oma
Prolog
Einführung
Kapitel 1 Bahnfahrt nach Österreich
Kapitel 2 Barfußlaufen
Kapitel 3 Die Kirche
Kapitel 4 Der Friedhof
Kapitel 5 Schwammerl-Suchen
Kapitel 6 Hornissen und andere unerwünschte Insekten
Kapitel 7 Der geheimnisvolle Schuppen oder „Flocki“
Kapitel 8 Walther von der Vogelweide
Kapitel 9 Der Widerspenstigen Zähmung oder ein Ausflug nach Hochosterwitz
Kapitel 10 Fahrt mit dem Auto – Deutschlands schöne Kleinstädte
Kapitel 11 Gäste aus Wien
Kapitel 12 Ein Ausflug zur Villacher Alpe
Kapitel 13 Soloreise mit Hindernissen
Epilog
Im Sommer
Eine steile Straße führt das Tal hinauf auf den Berg, ganz oben eine Kirche, ein kleiner Kirchhof, und eng daran gebaut das Pfarrhaus. Mit seinen dicken Mauern grenzt es den Kirchhof ab, stützt ihn. Auf der anderen Seite öffnet sich das Haus mit Fenstern, Arkaden, Galerien zu einem großen Garten, der bis zum Abhang reicht. Grün, so weit man blicken kann, dazwischen kleine, winzige Farbtupfer, Blumen mitten im wilden Grün. In der Gartenmitte hohe, schattenspendende Bäume, dahinter, zum Abhang hin, meterhohes Gras, hell von der Sonne beschienen. Unter dem Blätterdach der Bäume ein langer Tisch, Bänke – Mittelpunkt und Treffpunkt für alle Bewohner und Gäste des Pfarrhauses. Der Weg vom Hauseingang gesäumt mit Blumen, Rosen, grün umrankt, Mohn.
Das Kind läuft den Weg entlang, auf die Wiese, unter die hohen Bäume – hier im grünen Schatten sitzen sie, die Erwachsenen, die Sicherheit bieten, Zu-Hause-Fühlen, aber auch Fremdes, Unerklärliches. Das Kind läuft an ihnen vorbei, in die große Wiese. Hier ist alles vertraut. Im hohen Gras sinkt es ein, der Untergrund ist weich, die Halme umschließen das Kind, gerade dass es über die Spitzen der blühenden Gräser blicken kann zum Abhang hin, weit, weit über das Land. Schmetterlinge fliegen lautlos, Insekten schwirren um das Kind – alles ist hier Sich-Wohlfühlen, ist Heimat – bin ich von hier gekommen?
Ein kleiner Hund raschelt, bellt schließlich, kommt in großen Sprüngen durch die hohen Halme auf das Kind zu – habe keine Zeit, Entschuldigung, muss weiter, unser Paradies bewachen – Bewachen? Wovor? Das Kind stapft weiter durch die Wiese, ein hoher Bretterzaun nimmt ihm allmählich die Sicht auf die Weite der Welt. Hier ist der Garten zu Ende, hier wird abgegrenzt – wovon? Ist die Welt nicht überall gleich? Überall Geborgenheit in hohem Gras, weiches Erdreich, wärmende Sonne, sanfter Wind, der das Kind streichelt. Es blickt zurück und erschrickt: eine Spur führt durch das Gras, zerstört und niedergedrückt sind Halme und Blumen – das hat es selbst gemacht, wie konnte es nur diese Schönheit zerstören! Aber wie soll es sich sonst bewegen, wie soll es voran kommen? Es kann doch nicht immer nur still stehen! Ja, wenn es fliegen könnte wie die Schmetterlinge – da, ein Zitronenfalter, ganz gelb leuchtet er in der Sonne; das Kind folgt ihm, er fliegt am Zaun entlang, setzt sich obenauf, wie schön er ist! Die Sonne spiegelt sich in seinen Flügeln, ob sie ihn geboren hat? Jetzt fliegt er auf die andere Seite des Zaunes. Ich muss zurück, denkt das Kind. Nur wohin? Vielleicht suche ich den Hund – aber er ist langweilig, meist liegt er am Hauseingang und schaut unentwegt auf das große Eingangstor des Gartens.
Am Zaun entlang, durch große Grashalme; plötzlich ist das Gras abgemäht, kurz und dunkelgrün, dunkelgrün zieht sich ein gemähtes Stück Wiese hin bis in die Mitte des Gartens; unter den Bäumen, an der dunkelsten Stelle, sitzen die Erwachsenen, Sicherheit ausstrahlend. Sie sind einfach da, sie müssen da sein, der Garten wäre undenkbar ohne sie – und doch fühlt das Kind wieder dieses Fremde, wenn es versucht, ihnen näher zu kommen. Sie leben in einer anderen Welt, die dem Kind unheimlich erscheint, die es nicht kennt und nicht kennen will. Wo ist diese Welt? Hinter dem großen Bretterzaun? Weit weg soll sie sein, ganz weit weg…
Das Kind geht auf das Haus zu, streichelt den ruhig daliegenden Hund. Die Arkaden, Torbögen, dort ist mein Haus, hier wohne ich, kein Erwachsener kann hier hineinkommen, es ist zu eng! Hier baue ich mir mein Zuhause! Hier ist es sogar trocken, wenn im großen Garten der Regen niedergeht. Das Kind hört ihn rauschen, lauscht seiner Musik, die lauter und leiser wird. Als es stärker regnet, wird das Kind herein gerufen in das große Haus der Erwachsenen. Kalt ist es hier, und dunkel. Aber es gibt noch die Galerie, hier darf man sitzen, den Regen beobachten, das Gewitter jenseits des Gartens. Von hier oben ist der Zaun klein, dahinter öffnet sich die weite Landschaft – vertraut wie der Garten, nichts ist daran fremd. Das Kind atmet Frische ein, Frische des Regens, der nassen Gräser und Blumen, so riecht der Sommer, so muss er riechen! Es lauscht dem Rauschen des Regens, dem Tropfen aus den Dachrinnen, dem Donnergrollen ganz in der Ferne. Es sieht mit nachlassendem Unwetter Berge am Horizont auftauchen, hohe, wilde Berge, ganz weit hinten – ob es je einmal so weit fahren wird? Später vielleicht wird es nachsehen, wie die Berge aus der Nähe sind, später, wenn es erwachsen ist.
Wo ist es, dieses Unerklärliche, Fremde, wo ist es, das das Kind neugierig und ängstlich zugleich macht? Es muss außerhalb des großen Gartens sein.
Am nächsten Tag spielt das Kind am Haus, Pflückt die Früchte des verblühten Mohns – schön rund sind sie, man kann wunderbar Ballspielen mit ihnen. Aber die Erwachsenen warnen, spiel nicht damit, Kind, es birgt Gefahr! Schon manch einer ist an den Früchten des Mohns zugrunde gegangen. Zugrunde gegangen? Wieder ist dieses Unerklärliche, Fremde da, was ist das für ein Leben, in dem Menschen zugrunde gehen können? Und warum? Sterben, ja, das müssen alle, das Kind weiß: oben auf dem Kirchhof sind sie begraben, die früher gelebt haben, aber das ist es nicht, das ist nur ein Zurückgehen dorthin, woher man gekommen ist, das ist vertraut wie der Garten, die Erde – das kann es nicht sein, was die Erwachsenen meinen, was sie umgibt, dieses Fremde.
Das Kind geht durch das große Gartentor – Vorsicht, der kleine Hund möchte mitkommen, er darf nicht! – zum Dorf. Das Schulhaus auf der linken Seite, rechts der Friedhof und die Kirche, dahinter die Dorfwiese. Viele Kinder sind dort, das Kind gesellt sich zu ihnen. Auch hier Vertrautheit, Sich-Wohlfühlen. Die Dorfkinder laufen ohne Schuhe, das Kind beneidet sie: sie fühlen die Erde, zu der ich doch auch gehöre! Das Kind übt verbissen, bis es auch ohne Schmerzen barfuß laufen kann. Hinter der Dorfwiese der Kirchenwald, dorthin läuft es mit anderen Kindern zum Himbeerpflücken. Drinnen im Wald eine Ruine – alte Mauern, mit Gestrüpp bewachsen, Umrisse ehemaliger Räume – hier haben Menschen gewohnt, erzählen die Erwachsenen, lange, lange vor unserer Zeit. Wie lange? Denkt das Kind. Ich lebe doch schon so lange, vorher kann es doch nichts gegeben haben. Oder doch? Sicher bin ich damals auch schon dagewesen, habe hier gelebt, in diesen Mauern – hier war mein Bett, dort die Feuerstelle, auf der ich gekocht habe. Ich war erwachsen, und es war nichts Fremdes und Unerklärliches dabei. Ich habe gekocht und gegessen, Himbeeren gesammelt, gesungen – das Kind erinnert sich an ein Bild, Walter von der Vogelweide, ein Sänger, er hat hier gelebt, sagen die Erwachsenen. Er sitzt da und denkt nach, sicher über ein Lied, das ich gesungen habe. Er hat bunte Kleider an, aber er sieht traurig aus – vielleicht habe ich ein Lied gesungen, das ihn traurig macht, oder stören ihn diese verfallenen Mauern? Das macht doch nichts, ich baue sie wieder auf, ich baue auch ein Dach, hier kann man gut wohnen!