Gespenster-Krimi 104 - Michael Blihall - E-Book

Gespenster-Krimi 104 E-Book

Michael Blihall

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Beschreibung

Gregor Wagner schlich Stufe für Stufe in seinen Keller hinunter. Es war stockfinster, da die Hauptsicherung herausgesprungen war. Er wohnte mit seiner Frau noch nicht lange in diesem Haus. Bis auf wenige Räume war schon fast alles fertig. Aber es fehlte zum Beispiel noch das Stiegengeländer, weshalb er sich auf der Wendeltreppe vorsichtig die Wand entlang tasten musste.
Endlich hatte er ihr Ende erreicht und atmete hörbar erleichtert aus, als er den rauen Boden unter seinen Füßen spürte. Er tastete sich in der Dunkelheit weiter vor, bis er am Sicherungskasten ankam. Inzwischen kannte er dieses Haus und den Keller wie seine Westentasche, sodass es ihm auch in völliger Blindheit gelang, den Kasten zu öffnen und den richtigen Schalter zu finden. Doch auf einmal zitterten seine Hände, als er den Kippschalter nach oben schieben wollte. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken und seine Kopfhaut zog sich von der Stirn bis zum Nacken hinunter zusammen. Er spürte instinktiv, dass er nicht mehr allein im Keller war. Er schob den Schalter hoch, das Licht ging an - und blanke Panik ergriff sein Herz!


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Inhalt

Cover

Drudenfüße

Special

Vorschau

Impressum

Drudenfüße

von Michael Blihall

Gregor Wagner schlich Stufe für Stufe in seinen Keller hinunter. Es war stockfinster, da die Hauptsicherung herausgesprungen war. Er wohnte mit seiner Frau noch nicht lange in diesem Haus. Bis auf wenige Räume war schon fast alles fertig. Aber es fehlte noch das Stiegengeländer, weshalb er sich auf der Wendeltreppe vorsichtig die Wand entlang tasten musste.

Endlich hatte er ihr Ende erreicht und atmete hörbar erleichtert aus, als er den rauen Boden unter seinen Füßen spürte. Heute war er etwas wackelig in den Beinen. Ich bin ja nicht mehr der Jüngste, dachte er, und es kam ihm in den Sinn, dass er nächstes Jahr in die wohlverdiente Rente gehen würde.

Er tastete sich in der Dunkelheit weiter vor, bis er am Sicherungskasten ankam. Inzwischen kannte er dieses Haus und den Keller wie seine Westentasche, sodass es ihm auch in völliger Blindheit gelang, den Kasten zu öffnen und den richtigen Schalter zu finden. Doch auf einmal zitterten seine Hände, als er den Kippschalter nach oben schieben wollte. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken, und seine Kopfhaut zog sich von der Stirn bis zum Nacken hinunter zusammen. Er spürte instinktiv, dass er nicht mehr allein im Keller war. Er schob den Schalter hoch, das Licht ging an – und blanke Panik ergriff sein Herz!

Andreas Brauner war 42 Jahre alt und arbeitete in einem Callcenter. Es herrschte zwar die typisch hektische Betriebsamkeit eines solchen Großraumbüros, nur war davon an seinem Arbeitsplatz nichts zu bemerken.

Während um ihn herum die Telefone der anderen Angestellten in einem fort läuteten und die Kollegen mal laut – mal weniger laut – mit ihren Anrufern diskutierten, hatte Andreas die Ruhe weg.

Lässig und entspannt lag der vollbärtige und etwas übergewichtige Angestellte in seinem Bürosessel. Dabei hatte er seine Füße auf dem Stuhl daneben liegen.

Andreas gab sich gern lässig. Nach außen hin strahlte er die komplette Ruhe aus. Für viele war er schon zu ruhig, da sein Gehabe auf andere phlegmatisch wirken konnte. Er machte sehr oft den Eindruck, als wäre ihm alles egal.

In seinem Inneren hingegen ging es bei Weitem nicht so ruhig zu ...

Diesen Job übte er mittlerweile schon einige Jahre aus. Tagein. Tagaus. Nicht allzu herausfordernd, aber gerade richtig für ihn. Obwohl das Callcenter fast bis auf den letzten Platz voll war, blieb der Schreibtisch neben ihm meist leer.

Denn irgendwie hatte Andreas es über die Jahre geschafft, trotz des Platzmangels im Büro, ein größeres Gebiet für sich zu »erobern«. Lose Zettel, beschmierte Post-its, Zeitschriften und Taschenbücher breiteten sich von seinem Schreibtisch bis auf den Tisch daneben aus. Sogar leere Tupperdosen und Pizzakartons lagen herum!

Seine Kollegen, die sich die anderen Arbeitsplätze während der Schichten aufteilen mussten, hatten es bereits aufgegeben, sein Zeug wegzuräumen. Geschweige denn, ihn selbst dazu aufzufordern. Lieber mieden sie »seinen« Platz daher komplett.

Nicht einmal seine Vorgesetzten wagten es noch, ihn auf den Saustall aufmerksam zu machen, oder ihn zur Beseitigung des Mülls aufzufordern. Andreas war einfach schon zu lange in diesem Callcenter beschäftigt. Länger als die meisten hier. Sogar länger als viele Teamleiter. Er hatte so etwas wie eine inoffizielle Sonderstellung im Team.

Denn er wusste einfach alles über die Arbeit. Er kannte alle Prozesse in- und auswendig. Er wurde daher von seinen Kollegen sehr geschätzt. Jeder brauchte mal irgendetwas von ihm. Und man durfte ihm jede Frage hundertmal stellen. Es schien ihm nichts auszumachen, denn er blieb immer freundlich. Darum mochten ihn vor allem die »Neuen«.

Aber es konnte auch passieren, dass man nicht nur die richtige Antwort zu hören bekam, sondern auch noch einen Schwall an Zusatzinformationen, die man in Wahrheit nicht gebraucht hätte. Informationen, die mit der Sache an sich nichts mehr zu tun hatten. Er hörte manchmal einfach nicht mehr auf zu reden.

Andreas schweifte sehr schnell und gerne vom eigentlichen Thema ab und landete irgendwann bei seinen Lieblingsthemen. Dies waren hauptsächlich Science-Fiction-Filme, Comics und Sex. In dieser Reihenfolge.

Sein Outfit, das prinzipiell aus Jeans, Turnschuhen und einem Fan-T-Shirt bestand, passte gut zu seinem nerdigen Image. Heute, zum Beispiel, spannte sich ein blaues Shirt mit TARDIS, der »Telefonzelle« aus der Fernsehserie Doctor Who, über seinem stattlichen Bauch.

Und – er war LAUT!

Trotz ihrer Headsets fiel es den meisten Kollegen sehr schwer, ihr eigenes Wort zu verstehen, wenn Andreas telefonierte. Nicht nur das. Wenn er sprach, konnte ihn jeder im Callcenter hören. Seine laute Stimme drang sogar in die von dem Großraumbüro getrennten Zimmer der Teamleiter vor.

Seine Kopfhörer hatte er gerade abgenommen und schwang sie an einem Kabel wie ein Pendel hin und her. In der anderen Hand hielt er sein privates Handy und telefonierte mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder Martin.

Auf einmal rutschte ihm das Kabel aus der Hand, und das Headset fiel zu Boden. Ohne es aufzuheben, nahm Andreas die Füße vom Stuhl daneben und richtete sich kerzengerade auf. Er stellte beide Beine auf den Boden. Eine für ihn fast untypische Sitzposition.

»Wie ... Was, du hast dir ein Haus gekauft?«, schrie er in sein Telefon.

Seine Kollegin Johanna, die an ihrem Arbeitsplatz fast Rücken an Rücken zu ihm saß, drückte sich demonstrativ die eigenen Kopfhörer mit beiden Händen ganz fest an ihre Ohren, um die Kundin besser verstehen zu können, mit der sie gerade telefonierte.

Andreas sah das aus seinem Augenwinkel und versuchte, etwas leiser weiterzureden: »Ein richtiges Haus, so mit Garten und einem Zaun drumherum? Kein Lego-Haus?«

»Kein Lego-Haus.« Martin lachte.

»Du verarschst mich, Kleiner.«

»Nein. Ich verarsche dich nicht. Ich meine es ernst.«

»Kleiner, ein richtiges Haus. Wie geiiil!« Andreas freute sich mit seinem Bruder.

Aber dann schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf: Wie kann sich mein kleiner Bruder – so ganz plötzlich – ein Haus leisten?

»Da gibt's doch einen Haken, oder?«, fragte er daher nach. Es muss doch einen Haken geben! In unserer Familie hat doch noch nie jemand ein eigenes Haus besessen!

Obwohl Andreas noch nie den Wunsch nach einem Haus in sich gespürt hatte – und ohnehin schon mit seiner kleinen Fünfzig-Quadratmeter-Wohnung überfordert war – spürte er plötzlich einen kleinen Stich des Neids in seiner Brust.

»Wie kannst du Hosenscheißer dir eigentlich ein Haus leisten?«, fragte er daher gleich mal nach. »Wo hast du nur das Geld her? Hast du im Lotto gewonnen?«

Das wäre die einzige logische Erklärung. Aber das würde ich ihm erst recht nicht vergönnen!

Johanna warf ihm über ihre Schulter einen weiteren bösen Blick zu, da er inzwischen wieder lauter geworden war.

»Nein. Ich spiele doch kein Lotto«, antwortete Martin und lachte.

Na, du hast gut lachen.

»Wo steht denn das Haus?«, fragte Andreas.

»In Schlatt.«

»Bitte, wo?«

»In Schlatt.«

»Nie gehört.«

»Schlatt. Das ist im Bezirk Gänserndorf.«

Na klar, wer kennt es nicht... Hat sicher Zigtausend Einwohner.

»Das ist ja am Arsch der Welt, Kleiner!«, sagte er aufs Geratewohl, denn zumindest mit dem Begriff Gänserndorf konnte er etwas anfangen. Gänserndorf war der Name einer Stadt und des umliegenden Bezirks außerhalb des nordöstlichen Stadtrands von Wien.

»Ach, Blödsinn«, sagte Martin. »Mit dem Auto nicht einmal eine halbe Stunde von dir daheim entfernt. Möchtest du es dir nicht mal anschauen?«

»Echt jetzt? Wann soll ich denn kommen?«

»Na ja, wie wäre es mit diesem Wochenende? Unsere Eltern kommen auch, und du könntest in Papas Auto mitfahren.«

Das hatte gesessen! Oha! Ich bin also wieder mal das fünfte Rad am Wagen, dachte er. Ich erfahre mal wieder die Neuigkeit als Letzter, und natürlich wurde auch schon alles hinter meinem Rücken ausgemacht und geregelt ...

Er spürte, dass er begann, sich aufzuregen, und ließ sich mit seiner Antwort etwas Zeit. Er hatte auch keine große Lust, sich mit der ganzen Familie zu treffen, weil solche Zusammenkünfte in letzter Zeit ohnehin immer wieder in Diskussionen und Streit ausgeartet waren.

Sein Vater würde jetzt erst recht Andreas' Lebensstil kritisieren und ihn mit seinem erfolgreicheren Bruder vergleichen. Und Mutter würde sich vor ihn stellen und für ihn Partei ergreifen. Er konnte beides nicht ausstehen. Weshalb er großen Familientreffen lieber aus dem Weg ging.

»Na ja, Martin«, sagte er dann, »da muss ich erst mal in meinem Kalender nachschauen ... warte mal kurz.«

Er sah sich auf seinem Schreibtisch um, schnappte sich das Taschenbuch, das neben seinem Monitor lag (Shining von Stephen King) und tat so, als würde er in einem Kalender blättern.

»Also, mal schauen ... hm, hm ... wann hast du gesagt? Samstag oder Sonntag?«, fragte er wichtigtuerisch.

»Papa hat nur am Sonntag Zeit. Also Sonntag. Zu Mittag. Wir grillen im Garten.«

Oha! Einen Grill hat sich der feine Herr und Hausbesitzer also auch schon angeschafft ...

Andreas murmelte weiter sein »Hm ... hm ...« Dann klappte er das Buch laut zu und sagte: »Also, Sonntag ist ganz schlecht bei mir.«

»Wieso, was machst du am Sonntag?«, fragte sein Bruder wie aus der Pistole geschossen.

Mist, das war mir zu schnell. Warum fragt er überhaupt?

»Ähm ... da gehe ich ins Kino«, versuchte er zu improvisieren.

»Mit wem?«

»Mit ...« Andreas dachte angestrengt nach.

Mist, warum fällt mir jetzt nicht auf die Schnelle irgendein Name ein?

»Na, sag schon. Mit wem?«, drang die provokante Frage seines Bruders an sein Ohr. »Wie ich dich kenne, setzt du dich wieder ganz allein ins Kino, schmeißt dir Nachos mit Chilisauce rein ...«

»Salsa.«

»Was?«

»Salsa-Sauce. Das ist keine Chilisauce, die heißt Salsa.«

»Ist doch völlig wurscht, wie die Sauce heißt! Du sitzt jedenfalls allein im Kino, frisst deine Nachos in dich rein und flennst hinter deiner 3-D-Brille, wenn im Film irgendein Hund stirbt.« Martin klang jetzt richtig angepisst.

»Das ist gar nicht wahr!«, verteidigte sich Andreas.

Muss ich mir das ewig anhören?

Andreas hatte nämlich einmal vor ein paar Jahren den Fehler begangen, seinen Bruder ins Kino mitzunehmen. Der Film hieß John Wick. Es war ihm heute noch peinlich, dass er neben seinem Bruder in Tränen ausgebrochen war, als im Film der Hund der Hauptfigur starb. Seither war er schon mindestens tausend Mal von ihm deswegen aufgezogen worden.

»Was ist nicht wahr? Du flennst nicht mehr, wenn ein Hund stirbt?«

»Nein. Ich meinte, es ist nicht wahr, dass ich allein ins Kino gehe!«

»Ach, so?«

»Ja. Ich gehe mit einer Frau ins Kino. Ich... ich habe ein Date.«

»Na, so was! Du hast ein Date. Ich gratuliere. Wie heißt denn die Glückliche?«

Du kleiner Pisser traust mir wohl kein Date zu, was?

Der erstbeste Frauenname, der ihm gerade in den Sinn kam, war ausgerechnet der Vorname der Kollegin, die direkt hinter ihm saß.

»Johanna. Sie heißt Johanna«, sagte er so laut, dass es jeder hören konnte.

»Was?!«, erklang es hinter ihm und aus dem Telefon gleichzeitig. Seine entgeisterte Kollegin und sein jüngerer Bruder riefen exakt synchron.

Andreas spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er schwitzte plötzlich aus allen Poren, da er bemerkte, dass nicht nur Johanna, sondern inzwischen auch fast alle Kollegen um sie herum die Ohren spitzten. Einfach alle sahen zu ihm und Johanna herüber. Genau in diesem Moment läutete natürlich kein einziges Telefon.

»Nein. Nicht unsere Johanna!«, rief er der gesamten Belegschaft zu, während er mit der freien Hand versuchte, das Mikrofon seines Smartphones abzudecken.

»Ja, klar«, rief eine Kollegin von weiter vorne. »Laufen ja massenhaft Johannas herum«, sagte sie zu den anderen. Einige lachten.

»Nimm deine Freundin doch mit«, schlug Martin vor.

Andreas erschrak und beugte sich so weit vor, dass er mit dem Bauch fast auf dem Schreibtisch lag. Auch seine Hände schwitzten, und er befürchtete schon fast, das Telefon könnte ihm aus der Hand rutschen.

Er flüsterte jetzt in sein Handy: »Du, Martin. Das ist ganz lieb von dir, aber ... das geht nicht. Das ... das läuft erst seit Kurzem ... ist noch zu früh, um sie der Familie vorzustellen und so ... also, die Wahrheit ist ... da läuft eigentlich noch nicht viel. Nur ein Date ... erstes Date, und so ... Du – ich muss jetzt echt aufhören. Ein paar meiner Mitarbeiter stehen hier schon Schlange, und ich habe heute noch ein paar wichtige Termine ... Äh ... Seit ich hier Teamleiter bin, hüpfe ich nur noch von einem Meeting zum nächsten ... ha, ha ... Man kommt ja vor lauter Meetings gar nicht mehr zum Arbeiten ...«

Martin seufzte. »Okay«, gab er sich dann geschlagen. »Aber falls du es dir doch noch anders überlegst, kannst du mir ja Bescheid geben. Alexandra und die Kinder würden sich sicher auch freuen, dich wieder mal zu sehen. Also, dann grüß ... wie heißt sie? ... Johanna? Grüß sie schön von mir. Unbekannterweise. Ciao!«

»Ciao«, antwortete Andreas, aber Martin hatte die Verbindung bereits unterbrochen.

Er legte sein Handy weg, blickte auf und sah plötzlich direkt in die wasserblauen Augen seines Teamleiters Markus. Der stechende Blick seines Chefs hatte, durch die vergrößernden Brillengläser, noch mehr Wirkung. Wahrscheinlich stand er zumindest schon so lange vor ihm, dass er die letzte Anmaßung seines Mitarbeiters mitbekommen hatte.

»Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung, Herr Teamleiter«, sagte er prompt. »Gehst du dann gleich statt mir zu dem Meeting? Ich wünsche dir viel Erfolg.«

Markus zeichnete tatsächlich bei den Wörtern Teamleiter und Meeting mit seinen Fingern Apostrophe in die Luft!

Was bist du nur für eine Arschgeige?, dachte Andreas.

»Und?«, stichelte Markus weiter, als sein Mitarbeiter ihn nur mit seinem Pokerface anstarrte. »Ich hoffe, du hattest ein gutes Gespräch, während sich deine Kollegen hier einen Ast abgebrochen haben?«

»Worauf du einen lassen kannst. Mein Bruder hat nämlich im Lotto gewonnen, und am Wochenende zieh ich um – in seine neue Villa! Und wer weiß, vielleicht scheiß ich dann auch auf den Laden hier.« Er machte eine weitausholende Geste.

Markus rollte mit den Augen, drehte sich um und ging in sein Büro.

Bei dem Mitarbeiter war Hopfen und Malz verloren, dachte er. Eine Meldung an seinen eigenen Vorgesetzten würde er trotzdem machen. Er hoffte, dass sich das Personalbüro in Sachen Andreas Brauner nicht mehr länger auf der Nase herumtanzen ließ.

Er schloss die Glastür hinter sich und wusste – ohne sich umzudrehen –, dass ihm Andreas gerade den Stinkefinger zeigte.

Jetzt war dieser wieder zufrieden mit sich. Sein Bruder und sein Chef konnten ihn beide ... kreuzweise!

Und ich finde bis Sonntag schon noch eine Frau, die mit mir ins Kino geht!

Allerdings wurde ihm auch im selben Moment klar, dass es bereits Donnerstag war, und dass das mit der Frau daher ziemlich knapp werden könnte.

Er hörte, dass Johanna hinter ihm gerade ein Gespräch beendete.

Nachdem sie sich von ihrer Kundin verabschiedet hatte, holte Andreas tief Luft und nahm allen Mut zusammen. Entschlossen drehte er sich zu ihr um.

»Hättest du vielleicht Lust, mit mir am Sonntag ins Kino zu gehen?«, fragte er sie.

»Spinnst du?« Sie tippte sich an die Stirn und schüttelte ungläubig den Kopf.

Sie war ausnahmsweise heilfroh, als ihr der nächste Anruf durchgestellt wurde.

»Und?«, fragte Alexandra ihren Mann. »Was hat mein Lieblingsschwager gesagt?« Martin steckte sein Handy wieder in die Hosentasche.

Das Wort Lieblingsschwager war natürlich ironisch gemeint. Denn Alexandra hatte nur den einen.

Andererseits mag ich ihn ja wirklich, dachte sie. Wer mag ihn nicht? Er ist witzig. Und hilfsbereit. Und er mag die Kinder. Und sie ihn. ... Aber er hat auch so seine ... besonderen Momente. Vielleicht mögen ihn die Kinder ja auch gerade deswegen, weil er manchmal ... na ja, so wie sie ist. Wie ein Kind, das man im Körper eines Erwachsenen gefangen hält.

Sie hielt ihn keineswegs für einfältig. Ganz im Gegenteil. Er war überaus intelligent. Sehr belesen. Aber er verhielt sich einfach nicht seinem Alter entsprechend.

Als sie ihren Ehemann Martin vor fast zehn Jahren in einer Disco kennenlernte, war Andreas mit von der Partie gewesen, und sie hatte erst spät realisiert, dass die beiden Männer Brüder waren.

Martin und Andreas waren so verschieden, dass ein Außenstehender nicht einmal eine Verwandtschaft zwischen den beiden vermutet hätte.

Martin war mit seinen einszweiundneunzig fast um einen Kopf größer als sein älterer Bruder. Dafür wog Andreas um einiges mehr. Martin hatte dunkelblondes Haar, das leicht lockig wurde, wenn er länger nicht beim Friseur war. Andreas' Haare hingegen waren fast schwarz, und er trug sie immer sehr kurz.

Es gab aber auch Momente – zum Beispiel, wenn sie lachten –, in denen sie sich sehr ähnelten.

»Er macht mal wieder einen auf Diva. Du kennst ihn ja«, sagte Martin und zuckte mit den Schultern. »Er hat behauptet, er geht am Wochenende mit einer Frau aus.«

»Und? Glaubst du, da ist was dran?«, fragte ihn Alex neugierig.

»Ach wo. Ich glaube, er hat keine Frau mehr getroffen, seit ...«, er unterbrach sich selbst, sprach dann aber doch aus, was er dachte. »Na ja ... seit Dagmar eben.«

»Ich hätte sie gerne kennengelernt«, sagte Alexandra.

Martin sah traurig aus dem Küchenfenster. Er hatte nicht mit der Abfuhr seines Bruders gerechnet und gehofft, dass er ihre Freude mit ihnen teilen würde.

»Ich denke, hauptsächlich ist er jetzt sauer, weil ich unseren Eltern vor ihm Bescheid gegeben habe«, sagte er.