Gespenster-Krimi 141 - Michael Blihall - E-Book

Gespenster-Krimi 141 E-Book

Michael Blihall

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Beschreibung

Martin Brauner stand im Flur seines Hauses und wunderte sich über die ungewohnte Ruhe. Seine Familie musste doch zu Hause sein? Da hörte er ein Schluchzen aus dem Obergeschoss. Sofort rannte er die Treppe hoch und fand seine Frau auf dem Boden vor dem Kinderzimmer. Auf ihrem Handrücken waren blutige Kratzer.
Martin wollte sie gerade fragen, was passiert sei, als aus dem Zimmer seines Sohnes ein unheimliches Knurren drang: "Komm endlich rein, damit ich dir den Schädel einschlagen kann!"
Martin wich entsetzt zurück. Sein eigener Sohn hatte ihm gerade eine höllische Angst eingejagt. Aber ... war dieses Ding in dem Zimmer überhaupt noch sein Kind?


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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Wiener Wahnsinn

Special

Vorschau

Impressum

Wiener Wahnsinn

Von Michael Blihall

Martin Brauner stand im Flur seines Hauses und wunderte sich über die ungewohnte Ruhe. Seine Familie musste doch zu Hause sein! Da hörte er ein Schluchzen aus dem Obergeschoss. Sofort rannte er die Treppe hoch und fand seine Frau auf dem Boden vor dem Kinderzimmer. Auf ihrem Handrücken waren blutige Kratzer.

Martin wollte sie gerade fragen, was passiert sei, als aus dem Zimmer seines Sohnes ein unheimliches Knurren drang: »Komm endlich rein, damit ich dir den Schädel einschlagen kann!«

Entsetzt wich Martin zurück. Sein eigener Sohn hatte ihm gerade eine höllische Angst eingejagt. Aber ... war dieses Ding in dem Zimmer überhaupt noch sein Kind?

15. Dezember 2023, Schlatt, Bezirk Gänserndorf

Martin Brauner lenkte seinen Dienstwagen, einen elektrischen ID.4, in die Garage neben seinem Haus und stellte den Motor ab.

Endlich, dachte er und atmete tief durch, während sich das automatische Garagentor hinter ihm wieder schloss.

Nach diesem anstrengenden Arbeitstag (und einer generell sehr herausfordernden Woche) freute er sich auf den Feierabend und vor allem auf das Wochenende mit seiner Familie.

Zumal die Straßen in Wien, selbst um diese Uhrzeit noch, hoffnungslos verstopft waren. So kurz vor Weihnachten schien die Menschheit total den Verstand verloren zu haben. Man konnte die Anspannung und die Hektik der anderen Autofahrer förmlich spüren.

Martin war schon heilfroh darüber gewesen, als er endlich die Stadtgrenze erreicht hatte und somit die Hauptstadt hinter sich lassen konnte. Doch erst nach Deutsch-Wagram hatte er wirklich wieder freie Fahrt gehabt. Selbst nachdem er den berühmten Marchfelderhof passiert hatte, vor dem es sich in der Adventszeit ebenfalls häufig staute, hatte er immer noch zwanzig Minuten gebraucht, um sein Ziel endlich zu erreichen.

Er war für jede Minute dankbar, die er mit Alexandra, seiner Frau, und seinen beiden Kindern verbringen konnte. Noch mehr sogar, seitdem vor fast genau zwei Jahren ihrer aller Leben gefährdet gewesen war. Sie waren in jener Zeit in ihrem Haus von Geistern heimgesucht und bedroht worden.*

Seine Tochter hatte zum Glück davon nichts mitbekommen. Sarah war damals noch ein Baby gewesen und konnte sich nicht mehr daran erinnern.

Sein heute siebenjähriger Sohn David sprach allerdings noch ab und zu davon und fragte seine Eltern manchmal, wo all die Leute hin seien, die früher hier mit ihnen in diesem Haus gewohnt hätten.

Das Kind hatte damals einige dieser Geister sehen können und hatte sogar mit ihnen kommuniziert. Es schien eine seltsame Gabe zu besitzen, die seinen Eltern ab und zu Sorge bereitete.

Martin bekam eine Gänsehaut, wenn er daran dachte. Davids vermeintliche Gabe erinnerte ihn an das Verhalten seines älteren Bruders Andreas, der sich in ihrer gemeinsamen Kindheit mit einer imaginären Person namens Felix unterhalten hatte. Martin hatte seinen Bruder fast die gesamte Jugendzeit über für verrückt gehalten und sich die meiste Zeit vor ihm gegruselt.

Doch ausgerechnet dem angeblich spinnerten Andreas war es damals gelungen, seine Familie zu retten. Und nachdem, was Martin vor zwei Jahren in seinem Haus, und vor allem im Keller, erlebt und gesehen hatte, war ihm klar geworden, dass sein Bruder gar nicht wirklich verrückt war.

Dankbar akzeptierte er heute die Gabe seines Bruders und dachte lächelnd an ihn, während er sein Haus durch die Verbindungstür zur Garage betrat.

Es wäre mal wieder an der Zeit, Andreas anzurufen und einzuladen, dachte er. Vielleicht möchte er mit seiner Freundin Johanna Weihnachten bei uns verbringen?

Er nahm sich vor, heute noch mit Alexandra darüber zu sprechen.

Martin wunderte sich darüber, dass es im Haus so ruhig war. Weder Alexandra noch die Kinder befanden sich im Erdgeschoss. Das Wohnzimmer und die Küche waren leer.

»Hallo, wo seid ihr denn?«, rief er daher so laut, dass man ihn auch im ersten Stock hören konnte. Er wollte seine Familie nicht erschrecken, falls sie sich oben aufhielt und seine Heimkehr noch nicht bemerkt haben sollte.

Doch schließlich war er selbst es, der erschrocken zusammenzuckte, als plötzlich ein unmenschlich lautes Gebrüll von oben durchs ganze Haus hallte.

Im nächsten Augenblick hörte er seine Frau aufschreien.

»ALEX!« Panisch rannte Martin ins Obergeschoss. Dort hockte seine weinende Frau auf dem Parkettboden des Flurs. Die zweijährige Sarah hielt sie dabei fest im Arm. Sie drückte das wimmernde Kind regelrecht an ihren Körper.

Alex' Gesicht war zu einer hysterischen Grimasse verzerrt.

»Was ist denn bloß los?«, rief Martin.

Alexandra zeigte mit der freien Hand auf die offenstehende Tür zu Davids Kinderzimmer. Martin bemerkte blutige Kratzer auf ihrem Handrücken. Wieder brüllte jemand – oder etwas –im Zimmer seines Sohnes auf.

Martin lief darauf zu und stürzte regelrecht hinein.

Der Siebenjährige saß im Schneidersitz auf seinem Bett und verstummte, als sein Vater ins Zimmer kam.

Aus kohlrabenschwarzen Augen funkelte er Martin an.

Er verzog seine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen und knurrte mit tiefer Stimme: »Da bist du ja, du kleiner Ficker. Komm zu mir, damit ich dir endlich den Schädel einschlagen kann! NnAd edeReW hCi eniEd elEeS nEsse! eniEd elEeS! dNu Eid elEeS rellA, Eid Ni MesEid suAH nebEL!«

Martin wich zurück und schlug geschockt die Tür zu. Er hockte sich zu Alexandra und seiner Tochter.

Sein eigener Sohn hatte ihm gerade eine höllische Angst eingejagt. Aber ... war dieses Ding in dem Zimmer überhaupt noch sein Kind?

Mit zitternden Fingern holte er sein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer seines Bruders Andreas ...

Wien, kurz zuvor

Andreas Brauner hatte an diesem Abend darauf verzichtet, eines seiner Nerd-T-Shirts aus dem Schrank zu holen. Stattdessen trug er ein Fan-Shirt der Austropop-Gruppe Wiener Wahnsinn, das er sich vor Jahren bei einem ihrer Konzerte am Merchandise-Stand gekauft hatte.

Andreas bemerkte mit Bedauern, dass er sich bald ein neues Shirt würde leisten müssen, da er offensichtlich etwas zugenommen hatte, seit er es das letzte Mal getragen hatte. Er zog es bis unter seine Hüfte über den Bauch und betrachtete das Ergebnis im Spiegel.

Seine Freundin Johanna betrat hinter ihm das Badezimmer und bemerkte süffisant: »Spannt ein bisschen, oder?« Sie lächelte ihn durch den Spiegel an.

»Es muss wohl beim Waschen etwas eingelaufen sein«, wagte er einen nicht ganz ernstgemeinten Versuch zur Verteidigung.

Sie verdrehte seufzend die Augen. »Ja, klar.«

Dann legte sie von hinten ihre Arme um seinen Bauch, küsste ihn auf seine bärtige Wange und versprach: »Ich kaufe dir heute beim Konzert ein neues. In deiner Größe.«

»Wirklich?«, fragte er.

»Ja. Natürlich. Warum nicht? Ich brauche doch selbst auch noch eins, oder? Ich war noch nie auf einem Wiener-Wahnsinn-Konzert. Und wenn die Jungs so gut sind, wie du behauptest, dann gehe ich mit dir in Zukunft wahrscheinlich öfter hin. Dann will frau ja auch dementsprechend gut gekleidet sein.«

Sie küsste seinen Hals nochmals und versetzte ihm mit der linken Hand einen Klaps auf seinen nackten Hintern. »Und jetzt zieh dir endlich auch eine Hose an und mach das Bad für mich frei.«

Andreas und Johanna waren an diesem Abend mit der Polizistin Karin Dötzl und deren jüngeren Bruder Michael verabredet, der ebenfalls seit Kurzem eine Polizistenlaufbahn anstrebte.

Sie hatten die beiden vor einigen Monaten kennengelernt, als sie an der ungarischen Grenze versucht hatten, hinter das Rätsel geheimnisvoller Phänomene zu kommen. Dabei hatten sie es mit einem amoklaufenden Soldaten zu tun bekommen, der Johanna fast die rechte Hand weggeschossen hätte. Michaels beherztes und mutiges Eingreifen hatte allerdings Schlimmeres verhindert und Johanna, aber auch Andreas das Leben gerettet.*

Seither waren sie dicke Freunde geworden, und für Andreas waren die beiden sogar so etwas wie ein Familienersatz. Sie trafen sich in dem Einkaufszentrum, in dem sich das Lokal befand, wo heute Andis Lieblingsband auftreten sollte.

Die Einrichtung des Restaurants, das Andi immer wieder gerne aufsuchte, war einem Westernsaloon nachempfunden. Im hinteren Teil des Saloons gab es einen abgetrennten Raum, in dem sich eine Bühne befand. Hier wurde mehrmals im Monat Live-Musik gespielt. Alle möglichen Bands verschiedenster Musikstile traten hier auf: von Countrymusik über Rock ›n‹ Roll, aber auch, so wie heute, Austropop.

Eine Musikrichtung, die eine Klasse für sich war. Trotz der oftmals verwendeten österreichischen Dialekte war der Austropop, vor allem in den 1980er Jahren, sogar außerhalb österreichischer Grenzen populär. Dank Künstlern wie Peter Cornelius und Rainhard Fendrich oder Gruppen wie Opus und STS. Der bekannteste Vertreter war mit Sicherheit Falco, dem mit seinem Rock me Amadeus, sogar ein Nummer-1-Hit in den USA gelungen war und dem man oft nachsagte, dass er der erste deutschsprachige Rapper war.

Dies war aber schon lange her. Und viele Vertreter des klassischen Austropop waren bereits verstorben oder traten aufgrund ihres hohen Alters nur selten bis gar nicht mehr auf.

Umso mehr freute sich Andreas, dass er vor einigen Jahren die Band Wiener Wahnsinn »entdeckt« hatte. Diese Band schien den Soundtrack seiner Jugend zu spielen. Dabei coverten sie die alten Klassiker aber nicht 1:1, sondern machten ihre eigenen rockigeren Versionen daraus. Dazwischen spielten sie auch ihre eigenen, völlig neuen Songs, die dem Stil des Austropops treu blieben.

Andreas und Johanna betraten mit Karin und deren Bruder Michael das Lokal und ließen sich von einem Kellner zu den vorab reservierten Tischen führen. Sie hatten sehr gute Plätze, mit direkter Sicht auf die Bühne.

Vor allem Karin zeigte sich begeistert, denn sie hatte sich ebenfalls schon sehr auf das Konzert gefreut. Andi und Johanna hatten sie nicht lange dazu überreden müssen.

Im vergangenen Sommer hatte Karin die Gruppe am Donauinselfest spielen sehen, als sie dort Dienst hatte. Da sie sich als Polizistin aber um die Sicherheit der Besucher und weniger um ihren eigenen Musikgeschmack zu kümmern hatte, hatte sie nicht das gesamte Konzert verfolgen können. Umso mehr hatte sie sich über Andis Vorschlag gefreut. Jetzt konnte sie den Auftritt der Band endlich komplett und sogar aus nächster Nähe sehen.

Es gab nur noch wenige freie Tische. Es war jetzt schon absehbar, dass der Saal bald bis auf den letzten Platz voll sein würde.

»Besser wir bestellen gleich etwas zu essen, bevor hier noch die Hölle ausbricht«, schlug Andreas vor, und die anderen stimmten ihm zu.

Nachdem der Kellner die Wünsche entgegengenommen hatte, begrüßte Andi zwei Männer, die gerade an ihrem Tisch vorbeigehen wollten. Die beiden hätten Brüder sein können, fand Johanna. Sie waren kräftig gebaut und hatten lange Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatten.

»Hallo, Andi, dich haben wir ja schon lange nicht mehr gesehen. Alles okay bei dir?«, fragte der mit den etwas graueren Haaren.

»Ja, klar. Alles super so weit.« Andi klatschte die beiden ab und freute sich offenbar über die Neuankömmlinge. Er grinste von einem Ohr zum anderen. »Darf ich euch Freunde von mir vorstellen? Das hier sind Karin und ihr Bruder Michael, und dies ist meine Freundin Johanna. Und die beiden sind der Chris und der Chrisu.«

Sie begrüßten alle am Tisch freundlich und zeigten sich darüber nicht irritiert, dass Johanna ihnen die linke Hand zum Gruß reichte.

Über ihrer rechten, unbeweglichen Hand trug sie in der Öffentlichkeit gerne einen Handschuh. Nicht, weil sie sich ihrer Entstellungen, die sie der Schussverletzung zu verdanken hatte, schämen würde. Aber die meisten Menschen verstanden mit einem Blick auf den Handschuh eher, warum ihnen Johanna die linke Hand zum Gruß anbot.

Johanna blickte zwischen den beiden hin und her.

»Und wer ist jetzt bitte wer?«, wollte sie wissen.

»Ich bin der Chrisu«, stellte sich der Mann mit dem etwas graueren Pferdeschwanz vor.

»Und ich der Chris«, sagte der andere.

»Seid ihr Brüder?«, fragte Johanna.

Das brachte die beiden zum Lachen.

»Nein«, entgegnete Chris. »Wir verbringen nur sehr viel Zeit miteinander. Da wird man sich mit der Zeit immer ähnlicher.«

»Das steht euch vielleicht auch noch bevor«, scherzte Chrisu und wandte sich an Andreas. »Hast du endlich auch mal eine Freundin, hm? Das freut mich für dich.« Er lachte und zwinkerte Johanna zu. »Wenn du ihn immer gut fütterst, dann rennt er dir auch nicht davon.«

»Das habe ich auch schon bemerkt«, antwortete sie und lachte. Sie schmiegte sich an Andreas und gab ihm einen Kuss.

»Hattest du nicht gestern Geburtstag?«, wandte sich Andi an Chris.

»Das hast du dir gemerkt?«, erwiderte dieser ehrlich verwundert.

»Ja, glaubst du, ich vergesse die Sauferei vor ein paar Jahren? Mir ging es damals wirklich schlecht danach.«

»Verständlich«, warf Chrisu ein. »Du hast ja damals für zwei gesoffen.«

Andi biss sich auf die Zunge und verschwieg ihnen, dass er das tatsächlich getan hatte. Nach einigen Bieren und noch mehr Jägermeistern hatte sein imaginärer Kumpel Felix »übernommen«, und Andreas hatte für ihn mitgetrunken.

»Ja, dann alles Gute zum Geburtstag, Chris«, gratulierte Andi.

Johanna und die anderen schlossen sich den Glückwünschen an, und Chris bedankte sich bei allen.

»Was ist, Chrisu? Chris? Kommt ihr?«, fragte ein jüngerer Mann, der sich an den beiden vorbeizwängte. »Ah, servus, Andi«, grüßte er, als er Andreas erkannte.

»Ja, sind gleich da, Romeo«, antwortete Chrisu

»Wo sind der Soberl und der Sheriff?«, wollte Chris wissen.

»Keine Ahnung. Schon hinter der Bühne, hoffe ich.« Dann schlängelte sich Romeo weiter durch die vielen Leute durch.

Chrisu wandte sich wieder Andi und seinen Freunden zu.

»Dann habt hoffentlich einen schönen Abend heute. Viel Spaß.« Sie verabschiedeten sich und zwängten sie sich wieder durch die Menschenmenge. Dabei kamen sie aber nur schleppend weiter, da sie auf ihrem Weg zur Bühne noch viele Hände schütteln mussten.

»Wer sind die beiden?«, fragte Johanna.

»Was?« Andi schaute etwas verständnislos drein. »Ach so, du hast sie gar nicht erkannt? Chrisu ist der Schlagzeuger der Band. Und das Geburtstagskind ist der Bassist.«

»Und der jüngere, der gerade vorbeigegangen ist, war der Gitarrist. Romeo heißt der«, ergänzte Karin nicht ohne Stolz.

»Du kennst die Namen der Bandmitglieder?«, fragte Johanna ihre Freundin verwundert.

»Na, komm. Einen Romeo merkt man sich doch leicht. Und er ist wirklich ... heiß. Warte nur, bis er seine Gitarrensoli spielt.«

»Heißt der wirklich Romeo?«, fragte Michael.

»Nein, eigentlich heißt er Leo«, antwortete Andreas.

Der Kellner brachte das Essen und die Getränke. Sie stießen mit den Biergläsern an und machten sich über die Burger und Rippchen her, die vor ihnen in Pfannen und auf Holzbrettern lagen.

Andreas half Johanna beim Zerschneiden ihres Rindersteaks. Seit ihr im vergangenen Sommer der durchgeknallte Soldat mit seiner Dienstwaffe ein Loch durch die Hand gestanzt hatte, übte er diese Tätigkeit fast automatisch für sie aus.

Das Gewebe war zwar inzwischen wieder zugewachsen, wenn auch stark vernarbt. Doch waren die Nerven durchtrennt, und Johanna konnte ihre Finger nicht mehr bewegen. Ab und zu litt sie immer noch unter Schmerzen. Sie war aber voller Hoffnung, dass diese irgendwann einmal vergehen würden. Viel ärgerlicher und mühsamer war für sie das »Umlernen« von rechter auf die linke Hand. Und dass sie manche Tätigkeiten, wie eben das Schneiden von Nahrung, ohne Hilfe gar nicht mehr schaffte.

Andi spürte das Vibrieren seines Handys in der Hosentasche, ignorierte es aber, solange er das Steak für Johanna in mundgerechte Stücke schnitt.

Und danach hatte er es vergessen ...

»Mist! Er geht nicht ran«, murmelte Martin resignierend und steckte sein Smartphone wieder ein.

»Dein Bruder kann uns da sowieso nicht helfen«, rief Alexandra. »Ruf die Rettung! Bitte, Martin!«

»Schatz, wenn uns da einer helfen kann, dann mein Bruder. Erinnere dich, wie er uns vor zwei Jahren aus der Scheiße gezogen hat.«

»Ruf. Die. Rettung!«, wiederholte seine Frau.

»Werde jetzt nicht hysterisch, Schatz.«

»Hysterisch!? Ich gebe dir gleich hysterisch! Wenn du nicht sofort die Rettung anrufst, dann mach' ich es.«

Sie erinnerte sich daran, dass sie ihr Handy in der Küche im Erdgeschoss liegen gelassen hatte. Mit Sarah auf dem Arm wollte sie nun zur Treppe, die nach unten führte.

Er versperrte ihr den Weg.

»Nein, Alex!«, schrie er sie an.

Sarah, die bisher nur ängstlich gewimmert hatte, fing an zu weinen.

»Du machst ihr Angst, Martin«, warf Alexandra ihm vor. »Und jetzt lass mich vorbei!«

»Ich mache ihr Angst? Ich finde eher die ganze Situation beängstigend. Was ist mit David? Der macht mir gerade eine Scheiß-Angst!«

»Eben. Und jetzt lass uns vorbei, damit ich runtergehen und eine Rettung für unseren Sohn verständigen kann!«

Sie schreckten beide zusammen, als sie David erneut aus dem Kinderzimmer brüllen hörten. Auch wenn es nicht wie die Stimme ihres Sohnes klang.

»Come back! Come back! Come back so I can crack your skull in!«

»Verdammt, woher kann der auf einmal so gut Englisch?«, rief Martin entgeistert.

»Und dass er vorhin in Latein gesprochen hat, das wundert dich nicht?«

»Das war nicht Latein. Das war ... irgendwas anderes. Was weiß denn ich. Ich glaube, er hat vorhin rückwärts gesprochen.«

»Umso schlimmer!«, rief Alexandra. »Und jetzt lass mich vorbei, oder ruf endlich die Rettung!«

Martin fasste sie links und rechts an den Schultern. Er zog sie sanft, aber mit leichtem Druck zu sich heran. Die weinende Sarah befand sich jetzt zwischen ihnen.