Gespenster-Krimi 112 - Michael Blihall - E-Book

Gespenster-Krimi 112 E-Book

Michael Blihall

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Beschreibung

"Andreas, hörst du mich?", flüsterte Johanna Schuster in das Mikrofon ihres Headsets.
"Klar und deutlich.", antwortete er prompt.
Sie konnte die Aufregung in seiner Stimme förmlich fühlen! Ihr Partner saß zwei Stockwerke über ihr und verfolgte live am Bildschirm seines Laptops, was sie mit der Kamera im Keller gerade aufzeichnete. Ihr pochte das Herz bis zum Hals, während sie sich durch die Dunkelheit des Weinkellers tastete und das Display ihrer Nachtsichtkamera betrachtete.
"Das ist die Tür", hörte sie Andreas, als sie auf einmal direkt davorstand. "Dahinter ist die weiße Frau gesehen worden. Spürst du schon was?"
"Nein. Nichts." Johanna fand, dass ihre Stimme etwas piepsig klang.
"Irgendein elektromagnetisches Feld? Was sagt das EMF?", drang es ungeduldig aus den Kopfhörern.
Johanna wollte gerade nach dem Messgerät in ihrer Jacke greifen, als ein lautes Scheppern hinter ihr sie zusammenzucken ließ. Instinktiv drehte sie sich um, und es entfuhr ihr ein Fluch.
"Was war das?!", schrie Andreas jetzt. "Scheiße! Da ist was! Direkt vor dir!"


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Inhalt

Cover

Mama?

Special

Vorschau

Impressum

Mama?

Von Michael Blihall

Das kleine Mädchen hatte keine Chance, sich aus dem Griff der faltigen, schrumpeligen Hand zu befreien. Es stolperte hinter der alten Frau durch die Morgendämmerung und war fast steif vor Angst. All die Märchen fielen ihm wieder ein, die es gehört hatte. Es dachte an die bösen Hexen in diesen Geschichten, die genauso aussahen wie die Frau, die es einfach mitgenommen hatte.

»Komm«, krächzte die Hexenstimme vor ihr.

Das Kind traute sich nicht, um Hilfe zu rufen. Zu groß war seine Angst davor, dass die alte Frau böse wurde.

»Mariechen, beeil dich.« Die Alte blickte sich um. Auch die fast liebevollen Blicke aus von Falten und Runzeln umrahmten Augen konnten die Angst des Kindes nicht mildern.

»Und wann darf ich wieder nach Hause?« Die Kinderstimme klang sehr schwach.

»Nach Hause? Du bist jetzt bei mir zu Hause, Mariechen. Du bleibst ab heute für immer bei mir. Für immer.«

Schloss Sprinzenberg, Bezirk Horn, Niederösterreich

28. Mai 2022, 01:48 Uhr

»Andreas, hörst du mich?«, flüsterte Johanna Schuster ins Mikrofon ihres Headsets.

»Klar und deutlich«, antwortete er prompt.

Sie konnte die Aufregung in seiner Stimme förmlich fühlen. Ihr Partner saß zwei Stockwerke über ihr und verfolgte live am Bildschirm seines Laptops, was sie mit der Kamera im Keller gerade aufzeichnete. Ihr selbst pochte das Herz bis zum Hals, während sie sich durch die Dunkelheit des Weinkellers tastete. Dabei blickte sie auf das Display ihrer Nachtsichtkamera, die ihr nur einen Tunnelblick auf eine grün-schwarz leuchtende Umgebung ermöglichte.

»Das ist die Tür«, hörte sie Andreas, als sie auf einmal direkt davorstand.

»Was du nicht sagst«, antwortete sie und atmete laut aus.

»Hinter dieser Tür ist die Weiße Frau gesehen worden«, sprach er weiter. »Spürst du schon was?«

»Nein. Nichts.« Johanna fand, dass ihre Stimme etwas piepsig klang.

»Irgendein elektromagnetisches Feld? Was sagt das EMF?«, drang es ungeduldig aus den Kopfhörern.

Johanna wollte gerade nach dem Messgerät in ihrer Jacke greifen, als ein lautes Scheppern hinter ihr sie zusammenzucken ließ. Instinktiv drehte sie sich herum, und ein Fluch entfuhr ihr.

»Was war das?!«, schrie Andreas jetzt. »Scheiße! Da ist was! Direkt vor dir!«

Johanna sah es durch das Display. Sie stieß einen Angstschrei aus und ließ die Kamera fallen. Etwas zerbrach. Doch in diesem Moment war ihr das egal. Ohne den grünen Bildschirm vor Augen war sie nun mit völliger Blindheit geschlagen.

»Ich bin unterwegs!«, hörte sie Andreas sagen, bevor ihre Knie nachgaben.

Zur selben Zeit in Kreuzbach, Bezirk Hollabrunn, Niederösterreich

Nicht schon wieder!

Lenas eigener Hilferuf, den sie gedanklich noch halb im Traum ausstieß, ließ sie schlagartig erwachen.

Sie atmete schwer und zitterte vor Angst. Denn sie wusste, was ihr bevorstand.

Nicht schon wieder!

Es passierte nun jede Nacht. Und immer lag sie wie gelähmt da. Reglos. Wehrlos.

Es blieb ihr nichts anderes übrig, als an die Decke zu starren und zu warten, was passierte.

Da! Es war so weit.

Langsam ... ganz langsam ... kroch das ... Tier ... auf ihrer Bettdecke aufwärts, von den Füßen bis zu ihrem Oberkörper.

Überlaut drang das Schnurren einer Katze an ihre Ohren, und sie spürte jede einzelne der vier Pfoten auf ihrem Körper. Panik ergriff Besitz von ihr. Ihre Glieder wurden zentnerschwer.

Schließlich tauchten die Umrisse der schwarzen Katze in ihrem Blickfeld auf. Die Augen glühten gelb, und das Schnurren wurde unerträglich laut.

Lena wollte schreien. Doch es war ihr unmöglich. Sie brachte nicht einmal ein Stöhnen hervor. Sie vermeinte, ein sadistisches Lächeln auf dem Antlitz der Katze zu erkennen, als diese sich mitten auf Lenas Brust setzte.

Bitte verschwinde! Lena konnte die Bitte nur in Gedanken formulieren.

Und das Tier antwortete: »Nein! Du weißt, dass ich nicht einfach so verschwinde. Zuerst musst du mir etwas versprechen. Wenn ich bekommen habe, weshalb ich hier bin, lasse ich dich für immer in Ruhe.«

Tränen liefen nun aus Lenas Augen. Nein! Sie schrie es innerlich. Ich weiß, was du willst! Aber niemals wirst du meine Tochter bekommen! Lieber lasse ich mich jede Nacht von dir quälen!

Ortswechsel

Schloss Sprinzenberg

Andreas Brauner sprang aus seinem Sitz hoch und rannte zur Treppe.

Sein Kumpel Felix, der auf einem zweiten Stuhl neben ihm saß, rief ihm nach: »Du hast die Taschenlampe vergessen!«

Andreas war schon am halben Weg, machte kehrt und stürzte noch mal zurück, um sie zu holen. Er verfluchte sich selbst laut dabei, da er dadurch wertvolle Sekunden verlor.

Endlich war er wieder bei den Stufen angelangt und lief, so schnell er konnte, die steinerne Wendeltreppe nach unten. Es machte sich sehr bald bemerkbar, dass ihn sein stattlicher Bauch beim Laufen behinderte, und er nahm sich – wie schon so oft – vor, ab morgen mit einer Diät zu beginnen und Sport zu treiben.

Endlich erreichte er den Weinkeller des Schlosses.

»Johanna?«, keuchte er ins Mikrofon seines Bluetooth-Headsets.

Ihr Wimmern erklang als Echo. Er hörte es durch seine Kopfhörer, es drang aber auch aus dem langen dunklen Gang vor ihm.

Er sprintete los. Plötzlich erfasste der Lichtstrahl seiner Taschenlampe einen am Boden liegenden Körper: Johanna.

Vor Aufregung und Anstrengung keuchend und schwitzend, ließ er sich neben ihr auf den Boden fallen und bereute es im gleichen Moment, als er den stechenden Schmerz in beiden Knien spürte.

Er fasste nach Johannas Schulter. Zitternd, wimmernd und mit angezogenen Knien lag sie vor ihm. Mit ihren Armen bedeckte sie ihren Kopf.

»Hey, pst«, machte er und streichelte ihr kastanienbraunes Haar, um sie zu beruhigen. Die leuchtende Taschenlampe lag nun neben ihnen am Boden und strahlte ziellos in die Dunkelheit.

»Alles gut. Ich bin ja da«, flüsterte er.

»Mein Gott, Andi, was war das?«, brachte sie zwischen zwei Schluchzern hervor.

Sie setzte sich etwas auf, und Andreas griff in seine Hosentasche, um ihr ein Taschentuch zu geben.

Aber die Hosentasche war leer. Verdammt!

Er erinnerte sich, dass er die Packung Taschentücher zuvor auf den Tisch gelegt hatte, auf dem sein Laptop stand.

Aber Johanna wischte sich ohnehin ihre Tränen gerade mit ihren Jackenärmeln weg.

»Vielleicht bin ich für die Geisterjagd doch nicht so geeignet, hm?« Ihre Stimme zitterte, und sie legte eine Hand an seine bärtige Wange. »Wenn ich schon beim ersten Anzeichen so ausflippe ...«

»Hey. Jeder Geisterjäger fängt mal klein an«, versuchte er sie zu trösten.

»Na ja, du musst es ja wissen.« Sie hatte sich wieder besser unter Kontrolle. »Hilf mir bitte hoch, ja?«

Er richtete sich auf und zog sie mit.

»Leuchte mal in den Gang da«, forderte sie ihn auf, während sie ihre langen Haare in Ordnung brachte und zu einem Dutt zusammenband.

Er bückte sich nach der Taschenlampe und leuchtete in den Gang, den er gerade noch entlanggelaufen war. Es war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Außer einigen verstaubten Weinregalen und alten Weinflaschen gab es nichts.

»Was immer es war ... jetzt ist es weg.« Er zuckte mit den Schultern.

Sie holte ein kleines flaches Gerät aus ihrer Jackentasche. Das EMF-Meter, das sie vorhin schon zum Einsatz bringen wollte.

»Es gibt auch kein ungewöhnliches elektromagnetisches Feld.«

Andreas bückte sich noch mal und hob die Kamera auf.

»Das Ding ist jedenfalls hinüber. Lass uns hochgehen und die Aufzeichnung ansehen.«

Johanna nickte. Dann gingen sie zurück. Obwohl sie sehr gut allein die Treppen hätte hochgehen können, ließ sie es gerne geschehen, dass Andreas sie dabei ein wenig stützte. Als sie oben angekommen waren, machte Felix seinen Platz für Johanna frei.

Dabei blickte er neugierig durch seine dicken Brillengläser und verschwand stumm in einer finsteren Ecke des Raumes, der vor einigen Monaten noch als Gastwirtschaft gedient hatte.

»Kannst du etwas mehr Licht machen, Andi?«, bat Johanna. »Ich habe keine Lust, mir das noch mal alles im Dunkeln anzusehen.«

Andreas betätigte einen Lichtschalter, und es wurde so hell, dass die beiden etwas blinzeln mussten, bevor sie sich auf den Monitor konzentrieren konnten.

Andreas setzte sich. Johanna hatte bereits die Stelle gefunden, ab der sie einsteigen wollte.

»Bereit?« Sie setzte den Cursor auf das Play-Zeichen.

Er nickte. »Kann losgehen.«

Gebannt starrten beide auf den Monitor und waren fassungslos, als die Aufzeichnung vorbei war.

»Sag jetzt nicht, dass du das gesehen hast, was ich gerade gesehen habe«, stöhnte sie.

»Ich denke, wir haben beide das Gleiche gesehen.«

Sie spulte wieder einige Sekunden zurück, und sie sahen es sich noch einmal an.

Als das ... Ding ... von links oben ins Bild kam, drückte sie auf Pause.

»Sehe ich richtig, ist das eine Fledermaus?« Schamesröte stieg ihr ins Gesicht.

»Wenn es wenigstens das wäre«, antwortete Andreas und grinste. »Aber das ist nur eine Taube. Sie muss sich irgendwie in den Keller verirrt haben.«

»Eine Taube? Ich bin wegen einer blöden Taube ausgeflippt?«

Johanna und Andreas verstauten ihr Equipment in Johannas kleinem Mazda, der auf dem unbeleuchteten Parkplatz vor dem Schloss stand.

»Also habt ihr gar nichts Ungewöhnliches bemerkt?«, wurden sie schroff von der Verwalterin, die daneben stand, gefragt. Sie hatte die Geisterjäger damit beauftragt, in ihrem Weinkeller nach dem Rechten zu sehen, da es immer wieder Meldungen von Bediensteten gab, die behaupteten, dort etwas Ungewöhnliches gesehen zu haben. Mit strengem Blick verfolgte sie nun, wie die beiden Geisterjäger sich für die Heimfahrt bereit machten.

Die Verwalterin hatte ihnen erzählt, dass das Schlosshotel wegen Renovierungsarbeiten vorübergehend geschlossen war. Es würde sich aber nicht gut auf das Geschäft auswirken, wenn sich herumspräche, dass in dem Schloss etwas nicht mit rechten Dingen zugehe.

Andreas hätte der Schreckschraube gerne eine patzige Antwort entgegnet, doch zum einen fiel ihm nichts Passendes ein und zum anderen fürchtete er, dass diese dann ihren Auftrag zurückziehen würde und sie finanziell leer ausgingen. Sie hatte nämlich noch nicht bezahlt.

Johanna antwortete stattdessen: »Nein, wir haben heute nichts Ungewöhnliches bemerken können. Was aber nichts heißen mag. Wir können auch in einer anderen Nacht wiederkommen.«

Die Verwalterin blickte jetzt noch düsterer drein.

»Wir berechnen auch nichts für die zweite Nacht«, setzte Johanna schnell nach, bevor die Frau vor ihr es sich anders überlegte.

Der Gesichtsausdruck der Verwalterin veränderte sich nicht. Es entstand eine lange, etwas unangenehme Pause, bis sie schließlich etwas murmelte, das nach einer Zustimmung klang.

Ohne ein weiteres Wort drehte sich die Frau um, ging weg und verschloss das schwere Tor zum Schlosshof hinter sich.

Andreas und Johanna standen nun allein da und blickten sich ratlos an.

»Einen genauen Termin wollte sie jetzt wohl nicht wissen.« Andreas schüttelte den Kopf.

»Fahren wir«, entschied Johanna schließlich. »Ich schreibe ihr morgen eine E-Mail.« Sie warf den Kofferraumdeckel etwas fester zu als notwendig.

Johanna aktivierte den Routenplaner auf ihrem Navi und startete den Motor.

»Oh, Mann. Neunzig Minuten Fahrzeit bis nach Wien. Und das um drei Uhr nachts.«

»Kommen wir vielleicht irgendwo noch an einem Drive-In vorbei?«, fragte Andreas.

»Keine schlechte Idee. Ich habe auch Hunger. Aber hier in der Pampa gibt es sicher nichts, was noch offen hätte. Wir werden uns schon noch gedulden müssen, bis wir in Wien sind.«

»Ich glaube, die Alte vom Schloss wünscht sich regelrecht, dass es in ihren Gemäuern spukt«, meldete sich Felix plötzlich vom Rücksitz. Er nahm seine Brille ab und putzte sie an seinem weißen T-Shirt.

»Wieso?«, fragte Andreas.

»Hm?«, murmelte Johanna. »Habe ich doch gesagt: Weil es hier weit und breit nichts gibt, was jetzt noch offen hat.«

Felix lehnte sich zu Andreas vor und flüsterte ihm ins linke Ohr: »Pass auf, mein Freund. Vergiss nicht, dass Johanna mich weder sehen noch hören kann.«

Dann lehnte er sich grinsend zurück und setzte seine Brille auf. Er holte einen Kamm aus der Innentasche seiner schwarzen Lederjacke und fuhr sich damit durch die Elvis-Tolle.

»Dann brauchst du aber auch nicht so zu flüstern«, murmelte Andreas.

»Was redest du? Ich habe doch nicht geflüstert.« Johanna schien jetzt etwas genervt.

»Schon gut«, sagte Andreas und hörte, wie sein imaginärer Freund am Rücksitz spöttisch kicherte.

»In dem Schloss gibt es nichts«, sprach Felix dann weiter. »Da bin ich mir sicher. Und in Wirklichkeit wäre es der Alten ganz recht, wenn es in dem heruntergekommenen Hotel spukt. Die braucht doch einen Aufhänger, um Gäste ins Hotel zu locken, wenn sie wieder eröffnet. Das einzig Gruselige in dem Schloss ist sie selbst.«

Um Johanna nicht weiter zu nerven, ließ sich Andreas lieber zu keiner Antwort verleiten. Aber insgeheim stimmte er Felix zu.

Irgendwo

»Mariechen, komm.«

Das Mädchen sah auf die faltige, schrumpelige Faust, die sie festhielt und an ihr zog. Das Kind stolperte hinter der alten Frau durch die Morgendämmerung und war fast steif vor Angst. All die Märchen fielen ihm wieder ein, die es gehört hatte.

Hänsel und Gretel. Rapunzel. Es dachte an die bösen Hexen in diesen Geschichten.

In seinen schlimmsten Albträumen sahen die Hexen genauso aus wie die Frau, die mit schnellen Schritten voranging und an ihm zog.

»Komm«, krächzte die Hexenstimme vor ihr wieder.

Sie hatte zuvor versprochen, gut zu ihr zu sein. Auf keinen Fall würde ihr ein Leid geschehen. Aber das Mädchen war trotzdem nicht freiwillig mitgegangen.

Es traute sich nicht, um Hilfe zu rufen. Zu groß war die Angst davor, dass die alte Frau dann böse wurde.

»Mariechen, komm.« Die Stimme der alten Frau klang jetzt gehetzt. Sie ging so schnell, und sie war so aufgeregt, dass sie selbst außer Atem kam.

Sie blickte immer wieder über ihre Schulter und sah sich nach dem Mädchen um. Auch die fast liebevollen Blicke aus von Falten und Runzeln umrahmten Augen konnten die Angst des Kindes nicht lindern.

»Bei mir bekommst du ein warmes Bett, gutes Essen und Spielsachen. Einen ganzen Haufen von Spielsachen«, versprach die Frau.

Das Mädchen verspürte nichts als Heimweh.

»Und wann darf ich wieder nach Hause?« Die Kinderstimme klang sehr schwach.

»Nach Hause? Du bist jetzt bei mir zu Hause, Mariechen. Du bleibst ab heute für immer bei mir. Für immer. Weißt du?«

»Und was ist mit ... Mama?« Noch kämpfte das Kind mit seinen Tränen.

»Mama?« Die alte Frau stieß einen verächtlich klingenden Laut aus. »Ich bin ab jetzt deine Mama. Und wenn du hübsch brav bist und tust, was ich dir sage, dann kann ich auch eine ganz, ganz liebe Mama sein. Aber wenn nicht ...«

Sie ging jetzt sogar noch schneller und zog noch fester.

»Und jetzt komm endlich, wir sind gleich da.«

Das Kind begann zu weinen und schluchzte: »Mama?«

Wien

Andreas Brauner freute sich schon seit Tagen auf die Verabredung mit seinem um drei Jahre jüngeren Bruder Martin. Fast sieben Monate waren inzwischen vergangen, seit sie in Martins Haus eine im Keller eingemauerte Frauenleiche gefunden und ausgegraben hatten.*

Damit einhergehend konnten sie auch rätselhafte Poltergeistaktivitäten beenden, die Martin und seiner Familie bis dahin das Leben schwergemacht hatten.

Ihr gemeinsames Abenteuer hatte die ungleichen Brüder wieder mehr zusammengeschweißt. Seitdem telefonierten sie häufiger miteinander. Aber der stressige Alltag hatte sie bisher von persönlichen Treffen abgehalten.

Heute war es endlich wieder so weit, und Andreas freute sich nicht nur auf seinen Bruder, sondern auch darauf, dass dieses Treffen in seinem Lieblingslokal stattfinden sollte.

Martin hatte das Lokal selbst vorgeschlagen, und es schien fast, als hätte er ebenfalls an dem – einem Westernsaloon nachempfundenen – Restaurant Gefallen gefunden.

Sie trafen beinahe gleichzeitig in dem Einkaufszentrum ein, in dem sich das Lokal befand. Andreas wollte sich gerade hinsetzen, als Martin auch schon durch die Schwingtür kam.

»Hey, Großer, cooles Shirt«, lobte Martin, nachdem sie sich umarmt hatten, und zeigte auf den runden Bauch seines Bruders.

»Habe ich extra für dich angezogen, Kleiner.« Andreas lachte und hob seinen rechten Arm, als würde er ein Schwert schwingen. »Bei der Macht von Grayskull!«, rief er und brachte Martin zum Lachen.

»Wenigstens eine Sache, in der wir uns als Kinder einig waren«, sagte Martin.

»Ich weiß, dass du früher ein großer Masters-of-the-Universe-Fan warst.«

»Du hast dir das Skeletor-Shirt aber nicht extra gekauft, um mir eine Freude zu machen, oder?«, fragte Martin.

Andreas schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich natürlich schon länger.«

»Du bist der Alte geblieben. Ewig jung. Auch wenn sich das jetzt nach einem krassen Widerspruch anhört.«

Der Kellner kam an den Tisch und nahm die Bestellungen entgegen.

»Wie geht es deinem Knie?«, erkundigte sich Andreas.

»Gut. Danke der Nachfrage. Die OP ist ja auch schon ein Weilchen her. Und bei dir? Wie laufen die Geschäfte? Hast du schon einen Geist gefangen?«

Andreas sah sich erschrocken um. »Nicht so laut«, flüsterte er.

»Warum? Ist ja kein Geheimnis, dass du jetzt unter die Geisterjäger gegangen bist, oder? Ich war auch schon auf eurer Homepage. Drudenfüße – Paranormale Untersuchungen und Geisterjagd. Den Namen Drudenfüße finde ich übrigens sehr originell. Weckt allerdings keine guten Erinnerungen in mir.«