Gespenster-Krimi 162 - Morgan D. Crow - E-Book

Gespenster-Krimi 162 E-Book

Morgan D. Crow

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Beschreibung

Es weihnachtet. Und es weihnachtet in diesem Heft sehr gespenstisch. Denn immerhin ist das ein Band unserer Reihe Gespenster-Krimi. Und in dem bringen wir drei Kurzromane mit Helden aus unserer traditionsbeladenen Grusel-Reihe.
Den Anfang machen Lady Eliza Fitzgibbon und ihr Freund Professor Harker von Musgrave, die in den Gespenster-Krimis schon so einige schaurige Abenteuer erlebten, geschrieben von Morgan D. Crow.
Es folgen die Drudenfüße aus Wien, deren Erlebnisse Top-Autor Michael Blihall erzählt, der selbst eingefleischter Wiener ist - im nächsten Heft erfahrt ihr übrigens, wie es mit Andreas Brauner und seinen Drudenfüßen weitergeht!
Den Abschluss macht Henry Cardell mit seinem Helden Isaac Finley, der erst zwei Grusel-Abenteuer bestanden hat, noch ziemlich grün hinter den Ohren ist und mit sich ringt, ob die Geisterjagd wirklich das Richtige für ihn ist.
Wir wünschen weihnachtlichen Gruselspaß mit diesen drei Storys - und ein wunderschönes Fest!

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Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Gespenstische Weihnacht

Wilde Gaben

Warten auf GODO

Eine Frage des Anstands

Vorschau

Impressum

GespenstischeWeihnacht

Es weihnachtet. Und es weihnachtet in diesem Heft sehr gespenstisch. Denn immerhin ist das ein Band unserer Reihe Gespenster-Krimi. Und in dem bringen wir drei Kurzromane mit Helden aus unserer traditionsbeladenen Gru‍sel-Reihe.

Den Anfang machen Lady Eliza Fitzgibbon und ihr Freund Professor Harker von Musgrave, die in den Gespenster-Krimis schon so einige schaurige Abenteuer erlebten, geschrieben von Morgan D. Crow.

Es folgen die Drudenfüße aus Wien, deren Erlebnisse Top-Autor Michael Blihall erzählt, der selbst eingefleischter Wiener ist – im nächsten Heft erfahrt ihr übrigens, wie es mit Andreas Brauner und seinen Drudenfüßen weitergeht!

Den Abschluss macht Henry Cardell mit seinem Helden Isaac Finley, der erst zwei Grusel-Abenteuer bestanden hat, noch ziemlich grün hinter den Ohren ist und mit sich ringt, ob die Geisterjagd wirklich das Richtige für ihn ist.

Wir wünschen weihnachtlichen Gruselspaß mit diesen drei Storys – und ein wunderschönes Fest!

Wilde Gaben

Dicke Flocken segelten lautlos zu Boden. Sie waren zart, wirkten wie Daunen und konnten für einen Augenblick das Beißen des strengen Frostes vergessen machen, der seit Tagen die südenglische Küste fest im Griff hielt. Jeder Schritt vor die Tür bedeutete unnachgiebige Kälte, die einem augenblicklich in die Knochen fuhr.

Lady Fitzgibbon konnte ein Lied davon singen. In den vergangenen Wochen war sie auf unzähligen Weihnachtsfeiern zugegen gewesen und hatte sich mehr als einmal für ihr Engagement verflucht. Jeder wollte ein Stück von ihr, ob ihr unterwegs die Ohren abfroren oder nicht. Freunde und Familie hatten sie eingeladen; der Kirchenkreis von St. Hilda und St. George erbat höchst freundlich – und nachdrücklich – ihre Anwesenheit; verschiedene Komitees und wohltätige Vereine buhlten um ihre Besuche an diesem und jenem und dem übernächsten Tag ...

Eliza, die junge Baroness Fitzgibbon von Musgrave, hatte seit Anfang Dezember kaum zwei Tage in Folge stillgesessen. Am wohlsten hatte sie sich in all dem Trubel auf dem Ball im Veteranenheim gefühlt und einem zweiten drüben in Milchester, zu dem ihr guter Freund Tobias Graham sie ausgeführt hatte.

Eine Böe drückte einen Schwall Flocken gegen das Fenster ihres Ankleidezimmers. Eliza trat näher und hob prüfend ihre Hände vors Gesicht. Zufrieden stellte sie fest, dass der Geruch des Waffenöls verschwunden war. Nichts als der Wohlgeruch von Handcreme und einem Tröpfchen Parfum stieg von ihren schlanken Fingern auf. Der Weihnachtsmann hatte ihr ein Fläschchen Nuit de Noël von Caron unter den Baum gelegt. Einen teuren, speziell für diese Zeit des Jahres kreierten Duft mit warmem Sandelholz, lieblichem Jasmin, Rose und einer zitronigen Kopfnote.

Vor ein paar Jahren hatte sie sich das erste Fläschchen selbst gekauft. 1922, als das Parfum gerade auf den Markt gekommen war. Nun stand ein neuer schwarz-goldener Flakon auf ihrem Schminktisch. Eliza lächelte bei seinem Anblick. Von allen Geschenken war dieses ihr liebstes.

Sie warf einen letzten Blick auf das schiefergraue Meer, das hinter den Gärten von Musgrave Hall dalag wie der schaumgekrönte Umhang eines Riesen, dann wandte sie sich der Tür zu. Im Gehen zupfte sie ihr Kleid zurecht, dann knipste sie das Licht aus. Heute war es an der Zeit, richtig Weihnachten zu feiern. Abseits aller Verpflichtungen, aller hochherrschaftlichen Aufgaben – abseits aller nervtötenden Verwandtschaft, die ihr seit Sir Henrys Tod in den Ohren lag, wann sie wohl beabsichtigte, wieder zu heiraten.

Heute Nachmittag würden ein paar ihrer liebsten Freunde nach Musgrave Hall kommen. Sie würden alberne Christmas Cracker knallen lassen, sich über die hohlen Witze darin schlapplachen, Trifle essen, Musik hören und sich vor den Kaminen in der Bibliothek Schauergeschichten erzählen.

Darauf freute sie sich schon den ganzen Monat bereits.

Am Kopf der großen Freitreppe entdeckte Eliza ihren besten Freund, Professor Harker. Jener Weihnachtsmann, der ihr das Nuit de Noël geschenkt hatte. Er drehte sich ihr zu, und seine dunklen Augen begannen zu leuchten.

»Hallo«, sagte er, räusperte sich und wiederholte standfester: »Hallo. Ein neues Kleid?«

Eliza lächelte noch mehr. Ja, sie hatte sich etwas gegönnt. Monster zu jagen und Dämonen aus der Welt zu schaffen war ein anstrengendes Handwerk. Hin und wieder durfte man dann auch in meterweise pfirsichfarbene Seide und mit goldfarbenen Pailletten besticken Chiffon investieren.

Die Farbe passte herrlich zu ihrem kastanienroten Haar, das sie im Nacken zum Knoten geschlungen trug. Eine diamantbesetzte Nadel funkelte darin, und nur eine einzelne Strähne, zu einer seicht springenden Locke frisiert, fiel weich über Elizas Schlüsselbein. Dort leistete sie einer einfachen, lang herabhängenden Goldkette Gesellschaft, an deren Ende ein tropfenförmiger Bernstein hing. Es war unbestreitbar, dass Eliza sich in Szene zu setzen wusste.

Harker gab sich Mühe, seine Freundin nicht anzustarren. Er legte einen Arm um sie und drückte sie sanft. »Du siehst wunderschön aus.«

»Danke, Lieber.« Sie schmunzelte. »Das war der Plan.«

An seinem Arm stieg sie die Treppe hinunter in die schachbrettgemusterte Halle. Harker hatte sich nicht sonderlich herausgeputzt, denn der Gedanke war ihm gar nicht gekommen, dass dies für eine Feier unter Freunden nötig wäre. Etwas betreten strich er sich das helle Jackett glatt, das er am Vortag bei seiner Ankunft schon getragen hatte.

»Mach dich nicht verrückt, Lieber. Mir war einfach danach, mich ein bisschen zu putzen. – Oh, schau mal!«

Harkers Puls tat einen Hopser, als er Elizas Geste folgte und Dillinger, den Butler des Hauses, am Fuß der Treppe entdeckte. Dieser war eben damit befasst, eine kleine Leiter beiseitezuräumen. Weder der bedrückend makellose Dillinger noch die Leiter aber weckten Harkers Unruhe, sondern das, wozu sich beides in der Halle eingefunden hatten: Ein schlanker hölzerner Bogen überspannte die letzte Stufe der Treppe – und in ihm baumelte ein dichter, beerenbesetzter Mistelstrauch.

Bevor das Gewächs jedoch seine traditionelle Aufgabe entfalten konnte, läutete die Türglocke. Dillinger schwebte in der typischen Art eines englischen Butlers hinüber und öffnete.

Ein Bote hielt ihm bibbernd ein kleines Paket hin, murmelte ein halbherziges »FRohE WeIhnAChten« und machte auf dem Absatz kehrt. Mit steifen Gliedern bestieg er sein Fahrrad und trat mühselig in die Pedale.

»Ha!«, entfuhr es Eliza. Sie ließ Harker los, raffte ihr Kleid und war in wenigen Sätzen bei Dillinger. »Wundervoll! Ich dachte schon, sie kommen nicht mehr an!«

»Wer kommt nicht mehr an?«, fragte Harker, der gemächlich zu seiner Freundin aufschloss.

»Die Spinnen«, sagte sie.

In der großen Bibliothek von Musgrave Hall war ein drei Meter hoher Tannenbaum aufgestellt worden. Gläserne Ornamente, Strohsterne und Nüsse verzierten seine üppigen Zweige, fein verteiltes Lametta glitzerte im Licht der edlen Lampen.

Eliza hatte viel Zeit und Aufwand betrieben, um ihr Haus festlich zu schmücken. Nebenan im Salon gab es einen weiteren Baum, wenn auch kleiner, dessen Schmuck ganz im Blau der Stofftapeten gehalten war. Dort würde gegessen werden, in der Bibliothek hingegen gespielt und getanzt. Es war der mit Abstand größte Raum des Hauses und Elizas liebster. Sogar vor den beiden steinernen Medusenhäuptern, die über den zwei großen Kaminen wachten, hatte sie nicht Halt gemacht, sondern beiden eine weihnachtliche Mütze aufgesetzt.

Harker war froh, dass Eliza so guter Stimmung war. Nach Henrys Tod war Weihnachten lange Zeit vergiftet gewesen. Nun endlich fand sie wieder Freude daran und konnte ein wenig von der Trauer loslassen.

Er folgte ihr zu dem langen, spiegelblanken Tisch, der gegenüber der Sitzgruppe stand. In der Mitte desselben thronte ein großes, immergrünes Gesteck mit Stechginster und einzelnen Wachsblüten. Ringsherum lagen lauter bunte Knallbonbons und kleine Glasornamente kunstvoll verstreut.

»Ich hatte Boris danach gefragt, weißt du«, sagte Eliza und nahm mit dem Päckchen an der Stirnseite des Tisches Platz. Im nächsten Moment zog sie ein kleines Springmesser hervor. Harker fragte sich, wo in ihrem eleganten Kleid sie es versteckt haben mochte.

»Auch neu?«, fragte er, nachdem er sich neben ihr niedergelassen hatte.

Sie warf ihm einen amüsierten Blick zu. »Ja. Ein Geschenk von Graham.«

»Passend.«

»Oh, grummel nicht. Es ist sehr praktisch. Und du musst dich auch nicht fürchten: Er kommt nicht. Soweit ich weiß, ist er mit Ali bis nach Neujahr verreist. Geschäftlich. Natürlich.«

»Natürlich.«

Eliza schnitt das Band durch und ließ das Messer wieder an seinen unbekannten Platz verschwinden. Aus dem Packpapier schälte sie einen flachen Karton, auf dessen Deckel eine Karte geklebt war. Sie enthielt einige liebe Zeilen von Boris Price, einem alten Freund.

Eliza kannte Price schon viele Jahre lang. Er war Schauspieler, wie Grahams Freund Allister Bellamy. Wenn man auch zugeben musste, dass Ali noch in den Windeln gelegen hatte, als Price bereits ein gefeierter Star gewesen war. Ob Bühne, ob Film, ob Shakespeare, ob Horror: Boris Price war ein Meister aller Klassen gewesen.

Heute lebte er in einem Dörfchen namens Lower Laurel und vertrieb sich die Zeit mit Studien, Besuchen und allerlei, zuweilen hinterhältigen Scherzen. So erwartete Eliza beinahe, dass ihr ein Springteufelchen entgegenkäme, als sie den Deckel abhob – doch nichts geschah.

»Sieh sie dir an, Harker. Sind sie nicht herrlich?«

Vor ihr lagen, säuberlich durch dünne Wände aus Karton voneinander abgetrennt und in Seidenpapier gebettet, sechs glänzende Spinnen.

»Ich habe mal eine bei Boris gesehen und fand sie so schön. Also habe ich ihn gefragt, ob er mir nicht sagen kann, wo er sie herhat. Sie sind fabelhaft. Ich werde gleich eine aufhängen!«

Vergnügt rieb Eliza sich die Hände. Die aus Christbaumkugeln, Glasperlen und Draht gearbeiteten Anhänger würden besondere Plätze an den Bäumen bekommen. Und vielleicht auch in das eine oder andere Gästezimmer einziehen. Sie waren herrlich anzusehen, filigran und farbenfroh.

Eliza hob behutsam eine der Spinnen aus dem Päckchen und betrachtete sie. Der runde Hinterleib bestand ganz aus einer dunkelblauen Kugel mit dezentem weißem Muster, auf dem sich die ganze Bibliothek spiegelte. Vorderleib und Beine nahmen die Farben gekonnt auf und erweiterten sie um geschliffene Kristallperlen, die die Gelenke bildeten. Lauter kleine Lichtreflexe begannen zu tanzen, wenn man sie bewegte.

»Wieso überrascht mich nicht, dass du diese Dinger schön findest?«, fragte Harker, ohne eine Antwort zu erwarten.

Eliza steckte ihm die Zunge heraus. »Ich war immer schon so, Lieber. Und das wird auch nicht mehr besser. – Erzählst du mir noch mal die Geschichte?«

Harker lachte auf. »Ich dachte, ich muss erst heute Abend den Geschichtenerzähler geben!«

»Heute Abend sollst du uns gruselige Sachen erzählen. Es ist nicht Weihnachten, wenn nicht mindestens einer kreischt, weil irgendwo eine Tür zufällt.« Eliza legte die kleine Spinne behutsam zurück in den Karton, nahm Harkers Hand und bat leise: »Für mich.«

»Aber du kennst doch die Geschichte schon«, sagte Harker mit ebenso leiser Stimme.

Eliza strich ihm sanft über den Handrücken. »Ja«, sagte sie, »aber keiner erzählt sie so schön wie du.«

Endgültig entwaffnet lehnte sich Harker zurück und begann zu erzählen.

Die Weihnachts-Spinnen, so wusste es die Legende, hatten ihren Ursprung in einem ärmlichen Haus.

»Es war einmal eine Witwe mit ihren zwei Kindern, die lebten in so bitterer Armut, dass es ihnen oft am Nötigsten fehlte. Als nun wieder einmal die Weihnachtszeit nahte, wurde die gute Mutter immer schwermütiger, denn sie wusste, sie konnte ihren Kindern nichts bieten. Kein Geschenk, kein Zuckerwerk, erstrecht keine festliche Mahlzeit. Nur ein struppiges Bäumchen konnte sie aus dem Wald holen und in der Stube aufstellen.

Der alte Schmuck hing trübe daran, und als die Kinder am Abend vor dem Weihnachtsmorgen zu Bett gingen, saß die Mutter noch lange da und weinte. Sie sprach zu sich selbst, wie sehr sie wünschte, sie könnte ihren Kindern unbeschwerte Tage schenken. Doch keine Münze konnte sie entbehren, wollte sie nicht, dass sie frieren und hungern mussten.

Tief in der Nacht ging die gramgebeugte Frau zu Bett. Ein paar Spinnen in der Ecke aber hatten ihre Worte gehört und Mitleid mit ihr. So kamen sie aus ihren Verstecken und begannen zu weben.

Die ganze Nacht lang arbeiteten die fleißigen Tiere und woben den ganzen Baum ein, bis er so weiß war, dass es aussah, als habe sich eine Wolke in ihm verfangen.

Als nun die Mutter am Weihnachtsmorgen aufstand und in die Stube ging, die schäbigen Vorhänge aufzog und das erste Morgenlicht auf den Baum fiel, da wurden all die Spinnfäden zu lauter Silber und Gold. Und von jenem Tag an litten die Mutter und ihre Kinder nie wieder Hunger oder Kälte.«

Harker lächelte und drückte Elizas Hand.

Dann fügte er hinzu: »Wobei ich anmerken möchte, dass diese südosteuropäische Erzählung maximal aus dem achtzehnten Jahrhundert stammt, wahrscheinlicher dem neunzehnten.«

Eliza prustete. Laut lachend fiel sie gegen die Rückenlehne zurück. »Die schöne Pointe! Grausam umgebracht! Du kannst so scheußlich sein!«

Harker hob lediglich die Schultern.

Eliza wollte eben aufstehen, um die erste Spinne an den Baum zu hängen, als es klopfte und Dillinger die Bibliothek betrat. Mit angedeuteter Verneigung meldete er, dass sie am Telefon verlangt werde.

»O Herrgott noch mal! Wer ist es denn diesmal?«

»Mr Ian, Mylady.«

Elizas Züge hellten sich auf. Ian war Henrys Cousin. Sie standen in unregelmäßigem Kontakt, und wenn er hin und wieder auftauchte, dann stets zu Elizas Freude.

»Ich bin gleich da. Harker, Lieber, kannst du kurz hochgehen und das Geschenk holen, das auf meinem Bett liegt? Es ist für Lucy. Ich habe es vorhin völlig vergessen.«

»Sicher. Wer kommt eigentlich noch?«, fragte er, während sie gemeinsam hinausgingen.

»Tja, wenn ich das wüsste. Lucy und Edmund kommen ziemlich sicher. Baldoon House ist ja nicht so weit weg. Graham ist, wie gesagt, nicht im Lande. Ich habe versucht, Jethro zu überreden, aber an dem würden sich selbst die drei Geister die Zähne ausbeißen. Falls sie noch welche haben, heißt das. Charles und Edgar haben noch überlegt. Kommt auch darauf an, wie die Straßenverhältnisse sind. Die meisten sagen, sie sind zu müde, zu beschäftigt oder zu eingeschneit.«

Harker fand das bezeichnete Geschenk ohne Mühe. Es lag mit einer großen Schleife verziert auf dem Bett, als würde es bereits auf ihn warten. Auf dem Rückweg nach unten erwog er, etwas Besseres anzuziehen als seinen alltäglichen Anzug.

Der Plan krankte jedoch schwer an der Ermangelung jedweder festlichen Garderobe. Er war schlicht nicht für derlei Anlässe geschaffen. Harkers Platz waren Archive, Ausgrabungsstätten und entspannte Abende. Gewiss keine Galas.

Als er die Halle durchquerte, war Eliza noch immer am Telefon. Er hob im Vorbeigehen das Geschenk an, zum Zeichen, dass er den Auftrag ausgeführt hatte, und erntete einen Luftkuss.

Vor sich hin lächelnd, kehrte Harker zurück in die Bibliothek und legte die kleine Schachtel auf einen hübsch gedeckten Tisch neben dem Baum. Die weiße Decke war eigenhändig von Eliza bestickt worden. Es war eine ihrer liebsten Wege, sich zu entspannen.

Ein anderer bestand darin, eine ihrer zahlreichen Feuerwaffen zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen.

Bevor sie sich umgezogen hatte, war sie genau damit beschäftigt gewesen. Vorausgegangen war dem ein anstrengendes Telefongespräch mit ihrer Mutter, Lady Desmondshire. Harker fühlte es ihr nach.

Er drehte sich eben vom Gabentisch weg, als etwas seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Zunächst glaubte er, es sei eine Bewegung gewesen, doch es musste sich um einen Lichtreflex gehandelt haben.

An einem Zweig, etwa auf Augenhöhe, baumelte eine der gläsernen Spinnen. Harker zog die Brauen zusammen. Hatte Dillinger sie aufgehängt? Es sah ihm alles andere als ähnlich, seiner Herrin dergestalt zuvorzukommen.

Mit noch immer krauser Stirn kehrte Harker an den großen Tisch zurück. Der Karton mit den Spinnen stand noch immer dort.

Minus eins.

Fünf Spinnen lagen im Seidenpapier, eine hing am Baum.

Von einem undeutlichen Unbehagen befallen betrat Harker den getäfelten Gang, der von der Bibliothek in die Halle führte und wo Eliza noch immer auf der gepolsterten Bank saß und am Telefon mit Ian scherzte.

Ein paar Meter hinter ihr eilte Dillinger lautlos durch die Halle, um eine weitere Köstlichkeit für das bereits reichlich beladene Büffet in den Salon zu tragen. Harker folgte ihm.

An der Tür zum Salon hielt Dillinger inne und wandte sich Harker zu. In Händen hielt er einen Meissener Teller mit einem dick bezuckerten Stollen. Soweit Harker wusste, handelte es sich um ein deutsches Familienrezept, das Dillinger mitgebracht hatte.

»Dillinger, waren Sie eben in der Bibliothek?«, fragte er.

»Nein, Sir. Nicht, nachdem ich Mylady an den Apparat gebeten habe.«

»Sie haben die Spinnen nicht angefasst?«

»Nein, Sir. Fühlen sich die Tiere nicht wohl?«

Verdutzt über den ungewohnten Anflug von Humor zog Harker die Stirn in noch tiefere Falten. »Nein«, sagte er. »Nur ... Schon gut. Es ist nichts.«

Dillinger nickte ihm zu und setzte seinen Weg ungerührt fort.

Während ihres kurzen Gesprächs war auch Eliza mit Ian zu Ende gekommen. Sie hängte eben auf, als Harker neben sie trat.

»Viele Grüße«, sagte sie, dann betrachtete sie ihn skeptisch. »Hast du was?«

Harker gestikulierte unschlüssig. »Ach, es ist nichts«.

Misstrauisch begleitete ihn Eliza zurück in die Bibliothek.

Auf dem großen Tisch stand der Karton mit den gläsernen Spinnen.

Minus zwei.

»Aber wo ...? Habe ich sie runtergeworfen?«

Irritiert linste Eliza unter den Tisch, hob das Packpapier an und zog es vorsichtig beiseite, um zu sehen, ob sie nicht doch die schöne blaue Spinne versehentlich neben den Karton gelegt hatte.

Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass Harker zum Baum hinüberging. Er schien etwas zu suchen.