Grappa fängt Feuer - Gabriella Wollenhaupt - E-Book

Grappa fängt Feuer E-Book

Gabriella Wollenhaupt

4,6

Beschreibung

In der Hitze Griechenlands fängt Grappa Feuer Urlaub muss sein und Bildung kann nicht schaden, sagt sich Reporterin Maria Grappa und schließt sich einer Bierstädter Reisegruppe an. Doch die Tour ›Klassisches Hellas} steht von Anfang an unter keinem guten Stern: Der Reiseleiter wird als Kunstdieb verdächtigt, eine junge Frau wird vergewaltigt, eine brave Gattin befördert ihren nervtötenden Ehemann in eine tiefe Schlucht, der notorische Besserwisser der Reisegruppe endet unschön mit einer Axt im Schädel - und das alles vor der hinreißenden Landschaft und Jahrtausende alten Geschichte Griechenlands. Als sie die Bekanntschaft eines schwarz gelockten Apolls macht, fängt Maria Grappa Feuer. Doch auch der Großbrand des Herzens kann ihren Blick fü�r das Wesentliche nur kurzfristig vernebeln. Grappa kommt einem verr�ckten Mörder auf die Spur, der seine Taten �überraschend logisch plant. Das "Klassische Hellas" ist Ziel der Bildungsreise, an der Maria Grappa teilnimmt. Unter der Sonne Griechenlands entbrennt die Reporterin nicht nur für die Schönheit der Landschaft und der steinernen Zeugen der Antike. Grappa fängt Feuer, während ein kaltblütiger Mörder Angst und Schrecken in der Reisegruppe verbreitet.

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»Ich bin vergewaltigt worden!«

Es fiel mir schwer, die Worte zu begreifen. Ich dachte an Kondis und seine unausgelebte Melancholie.

»Wer?«

Sie schluchzte. »Ich habe keine Ahnung.«

*

E-Book © 2013 by GRAFIT Verlag GmbH

(korrigiert nach den reformierten Regeln deutscher Rechtschreibung)

Originalausgabe © 1995 by GRAFIT Verlag GmbH

Chemnitzer Str. 31, D-44139 Dortmund

Internet: http://www.grafit.de/

E-Mail: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagillustration: Peter Bucker

eISBN 978-3-89425-984-6

Gabriella Wollenhaupt

Die Autorin

Gabriella Wollenhaupt, Jahrgang 1952, arbeitet als Fernsehredakteurin in Dortmund.

Als Kriminalschriftstellerin debütierte sie im Frühjahr 1993 mit Grappas Versuchung. Es folgten zahlreiche weitere Romane mit und ohne Grappa. Sämtliche Ermittlungen der rothaarigen Reporterin sind als E-Book lieferbar (siehe www.grafit.de/service/programm/krimireihen/).

Die Personen

(in alphabetischer Reihenfolge):

Pater Benedikt hat kleine Geheimnisse.

Costas Christopoulos sieht aus wie Apollon.

Maria Grappa sucht nicht und findet trotzdem.

Dr. Jason Kondis kennt und macht Geschichte(n).

Daphne Laurenz leidet und schweigt.

Martha Maus himmelt die Götter an.

Alfred Traunich landet ganz unten.

Almuth Traunich rappelt sich auf.

Ajax Unbill hat eine Aufgabe.

Dr. Waldemar Agamemnon Unbill trägt seinen Namen zu Recht.

Gerlinde von Vischering

Ene, mene, muh

und raus bist du!

Fünfhundert Meter können sehr tief sein

Es gibt viele Gründe, seine gewohnte Umgebung zu verlassen. Christoph Kolumbus segelte los, um die Indianer zu beglücken, Alexander von Humboldt bestieg den Chimborazo, um sein Herbarium zu vervollständigen, und Almuth Traunich verließ Bierstadt, weil sie ein Leben lang von einer Bildungsreise geträumt hatte. An dem Tag, an dem sie ihren Gatten Alfred mit einer graziösen Handbewegung ins Jenseits beförderte, wehte ein kühler Wind durch die Schlucht. Das war in der Nähe des nordgriechischen Dorfes Monodendrion. Alfred Traunich wollte sich gerade eine Zigarre anzünden. Er hatte sie noch zwischen den Lippen, als er in die Wacholdersträucher fiel, die fünfhundert Meter unter ihm das Flussbett säumten. Zu einem Waldbrand kam es zum Glück nicht, da eine Windböe das Streichholz ausgeblasen hatte, bevor der Brennstab glimmte.

Alfred Traunichs Tod passte nicht zu meinem Auftrag, obwohl ich Storys mit dramaturgisch exakt gesetzten Höhepunkten mag. Wie aber sollte ich Traunichs Abgang in ein 45-minütiges Hörfunk-Feature packen, das den griffigen Titel »Die Bildungsreise als intellektuelle Form des Massentourismus« trug?

Ich suchte die Kassette mit dem Interview heraus, das Traunich mir zum Beginn der Reise gegeben hatte.

Kassette 1. Bildungsreise. Interviews. So, jetzt geht's los. Sie heißen?

Alfred Traunich, 50 Jahre, Architekt.

Was bauen Sie?

Baumärkte, Hallen für Großveranstaltungen.

Und? Kann man davon leben?

Darauf können Sie Gift nehmen!

Haben Sie schon mal eine Bildungsreise gemacht?

Seh ich so aus? Ich bin nur hier, weil meine Frau sich die Reise zur Silberhochzeit gewünscht hat.

Sie interessieren sich also nicht für die griechische Antike?

Nicht die Bohne. Schon in der Schule hasste ich diesen Heldenkram.

Wo wären Sie denn lieber hingefahren?

Nach Österreich. Da haben wir ein Haus am See. Und ein Boot. Genau richtig zum Ausspannen. Aber die gnädige Frau hat ja so ihre Ambitionen. Hat sich kiloweise mit Büchern eingedeckt.

Meinen Sie Ihre Frau?

Der Wellenchef hat eine Idee

Nach dem plötzlichen Tod von Alfred Traunich saß unsere Reisegruppe ein paar Tage in den Bergen fest. Gelegenheit für mich, mein Material zu sichten und ein Konzept für das Feature zu entwerfen. Dabei kramte ich in meinen Erinnerungen.

Begonnen hatte alles mit einer Einladung zu einer Einweihungsfeier. Der Sender, für den ich hin und wieder arbeitete, hatte mal wieder seine Programmstruktur geändert, »optimiert«, wie es so schön heißt. So war das neue Reisemagazin geboren worden. Schlaue Planer hatten nämlich festgestellt, dass die Menschen in unserem von Arbeitslosigkeit gebeutelten Land immer mehr Geld für die Gestaltung ihrer Ferien ausgeben. Zwei Klassen von Pauschaltouristen hatten sich dabei gebildet. Die einen flogen nach Mallorca oder Lloret de Mar, um ihren Lieblingshobbys – Fressen, Vögeln, Saufen – nachzugehen, die anderen strebten danach, sich im Urlaub geistig zu erhöhen. Kurz gesagt: die Bildungsreisen boomten.

»Und Sie, Frau Grappa«, meinte der just gekürte »Wellenchef« gönnerhaft zu mir, »können das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden.«

Er war der Gastgeber an dem Abend, denn pünktlich zur Beförderung war seine Villa im Süden der Stadt fertig geworden. Die Bosse des Senders pflegten ihr gutes Verhältnis zu den von ihnen Abhängigen ab und zu mit einer privaten Einladung zu demonstrieren. Überall in dem neureichen Haus war Menschengebrumm zu hören. Frauen und Männer mit Gläsern und voll beladenen Tellern in der Hand rannten an mir vorbei, nicht ohne dem Gastgeber einen freundlichen Blick zuzuwerfen.

»Erzählen Sie mehr!«, bat ich.

Es folgte ein fünfminütiger Vortrag, in dessen Mittelpunkt die eigenen Erlebnisse auf Reisen an irgendwelche Orte standen.

»Also soll ich eine Bildungsreise antreten?«, interpretierte ich.

»Genau. Ich habe alles schon organisiert. In einer Woche fahren Sie.«

»Und wohin?«

»Ach, sagte ich das nicht? Natürlich nach Griechenland. Ein Bekannter von mir wird diese Reise leiten. Er hat vor Kurzem ein Reisebüro aufgemacht, das sich auf Bildungsfahrten spezialisiert hat.«

»Griechenland?«, maulte ich. »Ich will aber lieber nach Italien.«

»Das Land der klassischen Bildungsreise ist Griechenland«, beharrte er. »Mein Bekannter ist heute Abend auch hier. Ich werde ihn herholen. Dann können Sie die Einzelheiten mit ihm absprechen.«

Er ließ mich stehen und verschwand im Gewühl. Griechenland, dachte ich, warum nicht? Sonne und Landschaft, vielleicht baden. Es war Ende Mai. Die richtige Zeit also. Die Berge würden noch grün sein, die Oliven blühen, und die Aprikosen hätten bereits Früchte angesetzt.

Ich schlenderte gedankenverloren durch das Menschengewühl. Eigentlich hasste ich solche Feste. Zu viele Menschen, zu viel Lärm und kaum Gelegenheit, sich wirklich gut zu unterhalten. Doch der Wein war gut, und das Kalte Büfett konnte sich auch sehen lassen. Ich goss mir ein und hoffte auf die kommunikative Wirkung des Alkohols.

»Das ist Herr Kondis!« Es war der Wellenchef. Ich löste meinen Blick von den Lachsschnittchen und schaute auf.

»Guten Abend!«, meinte ich lahm. Der Mann, der Kondis hieß, guckte mürrisch und musterte mich bei der Gelegenheit. Er ließ offen, ob ihn mein Anblick schreckte.

»Ich lasse Sie beide jetzt allein«, drohte der Wellenchef, »Herr Kondis weiß, dass Sie die Gruppe begleiten werden. Also, viel Spaß noch!«

»Sollen wir uns irgendwo hinsetzen?«, versuchte ich den Dialog anzuheizen.

Er nickte nur kurz mit dem Kopf und hielt nach einer Lücke Ausschau. Dann stiefelte er auf eine Bank neben dem Gartenteich zu. Ich trottete hinterher. Das kann ja heiter werden, fluchte ich, der Mann ist ein geborener Entertainer.

Ich setzte mich neben ihn auf die feuchte Bank. »Wie war Ihr Name doch gleich?« Es war mein dritter Versuch. Einen vierten würde es nicht geben.

»Jason Kondis.« Seine Stimme war tief und samtig. Überrascht schaute ich hoch. Die Jalousie vor seinem Gesicht war noch immer herabgelassen. Er fing an, mich zu nerven.

»Plappern Sie immer so fröhlich drauflos?«, wollte ich wissen. »Sie lassen mich ja kaum zu Wort kommen.«

»Was wissen Sie über Griechenland?« Der Oberlehrer ließ grüßen.

»Sonne, Meer und Schafskäse und Retsina. Reicht das?«

Er zuckte verächtlich mit den Mundwinkeln und vertiefte sich in seine Lieblingsbeschäftigung, das Schweigen.

Ich erhob mich. Er war sichtlich erleichtert, mich loszuwerden, denn seine Gesichtszüge entspannten sich.

»Ich finde Sie genauso, wie Sie mich finden«, knurrte ich, »das hält mich aber nicht davon ab, Sie und Ihre Reisegruppe zu begleiten. Unser Gastgeber hat schließlich alles organisiert, und ich möchte meine Arbeit tun. Wann können wir also miteinander reden?«

Jason Kondis erhob sich von der Gartenbank. Er war nicht viel größer als ich, hatte dunkles Haar, das sich zu lichten begann, schwarze Augenbrauen und eine scharf geschnittene Nase, die mich an die marmornen Gesichter antiker Skulpturen erinnerte. Verachtung spielte um seinen Mund, als er eine knappe Verbeugung andeutete. Dann ließ mich der Kerl einfach im Grünen stehen und verschwand.

Ich kämpfte mich durch eine Gruppe von Gästen, die sich um einen Gartengrill versammelt hatten, auf dem das so genannte Grillgut seiner Vollendung entgegenschmorte. Der Wellenchef hatte sich brav in die Reihe der Wartenden eingereiht.

»Dieser Kondis ist der unfreundlichste Mensch, der mir in den letzten Monaten begegnet ist«, erzählte ich ihm. »Ich glaube, wir können das Feature vergessen. Ich würde sowieso viel lieber nach Italien fahren. Florenz, Siena, Lucca und die etruskischen Gräber in der Toskana. Oder Rom. Der klassische Ort für so was. Bildungsreisen gibt's überall hin. Warum soll ich mit diesem Kondis fahren? Er hat absolut keine Lust, mit mir zusammenzuarbeiten.«

»Lassen Sie mich nur machen!«, lächelte der Wellenchef. Sein quadratisches Sauriergesicht war neuerdings auf den Werbeplakaten des Senders abgebildet. Eine Idee der PR-Abteilung, die so neue Hörer gewinnen wollte.

»Dieser Kondis ist arrogant bis zum Abwinken«, fuhr ich fort, »wie will der bodenständigen Bierstädtern die griechische Kultur so erklären, dass sie ihm folgen können?«

»Die Gruppe, mit der Sie reisen werden, ist exklusiver als Sie denken«, lächelte mein Auftraggeber verschmitzt, »außerdem kann er es sich nicht aussuchen.«

»Wie meinen Sie das?«

»Jason Kondis hat seine Reiseagentur erst vor Kurzem gegründet«, erzählte er, »Kondis ist promovierter Archäologe und genießt international den besten Ruf. Oder – sagen wir – er genoss den besten Ruf.«

»Und warum tingelt er dann mit Touristen durch die Gegend?«

Der Wellenchef hatte eine fast verkohlte Bratwurst ergattert und löste sich aus der Schlange vor dem Grill. Ich folgte ihm, denn er hatte mich neugierig gemacht. Dieser Kondis musste irgendwo einen dunklen Fleck auf seinem weißen Seidenhemd haben. Dunkle Flecken haben mich schon immer interessiert.

Beim Kartoffelsalat angekommen, wiederholte ich meine Frage. Mein Gastgeber biss mit Schmackes in die Wurst, sodass das Fett herausspritzte und meine Leinenjacke traf. Zweimal setzte er mit seinen Zähnen noch nach, dann war das Nitratprodukt verschlungen. Er erinnerte mich an einen Tyrannosaurus rex bei einer Häppchenorgie.

»Karriereknick!«, war die Antwort. Jetzt hatte er den Mund voll mit Kartoffelsalat. Ich rückte etwas ab, denn ich hatte keine Lust auf Mayonnaise an der Jacke.

»Dr. Kondis war Leiter des archäologischen Privatmuseums in der Landeshauptstadt, das eine der wichtigsten Antikensammlungen in Europa besitzt. Unter seiner Leitung kam es zu – na ja – Unregelmäßigkeiten.«

Ich war ganz Ohr und hakte nach.

»Nach und nach sind aus dem Museum wertvolle Fundstücke verschwunden. Einige von ihnen sind auf internationalen Auktionen wieder aufgetaucht. Lange Zeit hat niemand etwas bemerkt, bis das Kuratorium plötzlich eine Inventur angeordnet hat. Dann ist die Sache aufgeflogen«, kaute er.

»Kondis hat die alten Sachen geklaut und verscherbelt?« Ich war begeistert.

»Er hat es natürlich geleugnet. Das Kuratorium, das das Museum kontrollieren soll, wollte keine Schlagzeilen. Die Staatsanwaltschaft hat zwar ermittelt, doch es kam nichts dabei heraus. Kondis musste gehen. Damit er leben kann, hat er dieses Reisebüro aufgemacht.«

»Und warum unterstützen Sie einen Dieb?«, wollte ich wissen.

»Ich kenne ihn noch von der Universität. Außerdem halte ich ihn für unschuldig.«

Sehr überzeugend klingt das nicht, dachte ich.

»Das Startkapital für das Reisebüro hat er von mir. Ich konnte ihn doch nicht hängen lassen. Hoffentlich setzt er das Geld nicht in den Sand.«

»Deshalb soll es ausgerechnet diese Reise sein«, begriff ich, »wegen des Werbeeffektes nach meinem Bericht!«

»Nein«, widersprach der Wellenchef und versenkte eine Gewürzgurke in seinem Mund, »es könnte ja auch sein, dass Ihr Bericht negativ ausfällt. Ich will da gar nicht eingreifen. Kondis soll nur das Gefühl haben, dass ich weiter zu ihm stehe. Wir haben früher oft gemeinsam Urlaub in Griechenland gemacht, und ich war mit seiner Schwester befreundet. Sie verstehen?«

»Klar«, lächelte ich, »Männerfreundschaft.«

»Sie werden ihn mögen!«, weissagte er. »Er ist ein verdammt charmanter Bursche. Gebildet, witzig, stolz.«

»Ach tatsächlich? Ich halte ihn für arrogant und rüpelhaft. Außerdem ist er sehr einsilbig. Den meisten Männern steht es zwar gut, wenn sie den Mund halten, doch er übertreibt es.«

»Ich werde mit ihm reden«, versprach er. »Er fühlt sich überrumpelt. Er ist außerdem mitten drin in einer dicken Krise. Aber behalten Sie die Geschichte, die ich Ihnen erzählt habe, bitte für sich!«

Ich behauptete, schweigen zu können wie ein Grab. Nachdenklich schlenderte ich durch den Garten in Richtung Ausgang. Das konnte ja heiter werden. Die Vorstellung, zwei Wochen mit einem angeschossenen Macho, der mit der Welt hadert, durch die Gegend zu reisen, brachte meine Laune auf Tiefkühltemperatur. Ich hatte mehr als genug von der Party.

Bevor ich das Gartentor öffnete, fiel mein Blick auf Jason Kondis. Er stand wie verloren neben einer Kiefer und starrte die Nadeln an, so, als wolle er sich ihren Anblick genau einprägen. Er hatte mich nicht kommen sehen.

»Auf Wiedersehen, Herr Dr. Kondis!«, rief ich. »Schlimme Sache, in die Sie da geraten sind. Es bleibt übrigens dabei, dass wir in einer Woche zusammen verreisen!«

Er schreckte aus seinen Gedanken hoch. Sein Blick war eine Mischung aus Wut und verletztem Stolz.

Ein umfassender Begleiter und ein fassungsloser Leiter

Langsam bekam ich Geschmack an der Sache. Zwei Wochen Urlaub, nur ab und zu unterbrochen durch ein paar Interviews, die mir die Reiseteilnehmer sicher nicht verweigern würden. Ins Radio zu kommen ist nämlich fast so schön wie den eigenen Kopf im Fernsehen zu betrachten. Ich kaufte mir einen Griechenlandreiseführer, der behauptete, ein »umfassender Begleiter zu den antiken Kultzentren der Griechen« zu sein, und eine Straßenkarte. Nichts beeindruckt die Hörer mehr als eine genaue Kenntnis der Umgebung, über die man berichtet.

Natürlich mussten neue Kleider her. Ich brachte die wenigen noch tragbaren Teile meiner Klamotten auf Vordermann, was stundenlanges Waschen und Bügeln bedeutete. Mitten in eine solche Glättarie schellte das Telefon. Es war Dr. Jason Kondis.

»Ich würde mich gern mit Ihnen treffen, um mit Ihnen über Ihre Arbeit zu reden«, sagte er kühl.

»Prima«, säuselte ich. »Ich freue mich, dass Sie Ihre Auffassung geändert haben. Und Ihr Benehmen. Ich hoffe, Sie quatschen mich nicht wieder tot. Wann und wo?«

»Können wir zusammen essen gehen?«

»Nein. Das kostet mich zu viel Zeit. Ich komme in Ihr Reisebüro. Welche Straße?«

Er zögerte. »Ich habe noch keine Firmenadresse«, kam es dann.

»Verstehe. Sie sind ein Heimarbeiter. Machen Sie einen Vorschlag!«

»Im Café bei Ihnen um die Ecke.«

»Dort? Woher kennen Sie meine Adresse?«

»Zufall. Sind Sie einverstanden?«

»Okay. In zwei Stunden. Noch etwas, Herr Kondis. Sie haben mich doch nicht freiwillig angerufen, oder?«

Er druckste herum. »Sie haben recht. Ich bin nach wie vor gegen eine journalistische Begleitung der Reise. Aber ich will meinem Freund einen Gefallen tun.«

»Er hat Ihnen doch auch geholfen, der Gute«, murmelte ich. »Enttäuschen Sie ihn also nicht. Es wäre doch schade, wenn er das viele Geld, das er in Ihr Unternehmen gesteckt hat, verlieren würde, oder?«

»Sie haben recht, Frau Grappa. Ich weiß, dass Sie meine Geschichte kennen. Vermutlich verachten Sie mich deshalb.« Der letzte Satz war keine Frage, sondern eine Feststellung.

»Verachten? Quatsch!«

»Hat es Sinn, Ihnen zu sagen, dass ich unschuldig bin?«

Ich lachte auf. »Was kümmert Sie meine Meinung? Selbst wenn Sie ein Dieb wären, würden Sie es mir sagen?«

»Nein. Sie sind eine harte Person. Sagen Sie eigentlich immer das, was Sie denken? Ohne Rücksicht auf die Gefühle Ihrer Mitmenschen?«

In seinem Ton flackerte aggressives Feuer. Noch ein bisschen Pusten, und ein Großbrand wäre angesagt.

Baumnymphe und Lorbeerbaum

»Sind Sie Frau Grappa?«, sprach mich die junge Frau an. Ich wartete bereits zehn Minuten auf Kondis. Als ich auf die Frage mit einem Nicken antwortete, setzte sie sich zu mir an den Tisch.

»Herr Kondis ist leider verhindert«, entschuldigte sie ihn, »er musste zum Flughafen fahren. Ich soll alles mit Ihnen bereden.«

»Und wer sind Sie?«

»Entschuldigen Sie. Ich bin Daphne Laurenz. Ich bin die Mitarbeiterin von Herrn Dr. Kondis.«

»Was? Kein Büro und eine Mitarbeiterin?« Sie war Ende Zwanzig, attraktiv und hatte für eine echte Blondine entschieden zu dunkle Augen. Ihr olivgrünes Kostüm saß knapp, eine schwere goldene Kette zierte ihr Dekolleté. Die langen Haare reichten über die Schultern. Mehr konnte ich bei der ersten Überprüfung nicht erkennen.

»Ich studiere noch. Archäologie. Ich kenne Herrn Kondis von der Uni, er hielt dort Gastvorlesungen über griechische Mythologie. Er hat mich als zweite Reiseleiterin engagiert.«

»Daphne ist ein schöner Name«, stellte ich fest. »Er klingt so griechisch.«

»Daphne war die Tochter eines thessalischen Flussgottes. Apollon liebte und verfolgte sie, doch sie hatte Jungfräulichkeit geschworen. Als er sie vergewaltigen wollte, verwandelte sie sich in einen Lorbeerbaum.«

»Eine hübsche Geschichte«, stellte ich fest. »Zeugt von viel Fantasie und einem Gefühl für Dramatik. Kennen Sie Herrn Kondis schon länger? Was wissen Sie über ihn?«

Sie zögerte mit der Antwort, hatte vermutlich Angst, einer Journalistin Auskunft zu geben. Ihre dunklen Augen prüften mich. Es schien so, als vergliche sie das Bild, das ihr Kondis von mir gegeben hatte, mit der Wirklichkeit.

»Ich fresse nur kleine Kinder zum Frühstück«, witzelte ich, »keine ausgewachsenen Männer. Schon gar nicht welche mit Doktortitel. Also, warum ist er so schroff?«

»Sie fragen ziemlich direkt.«

»Ja. Berufskrankheit. Wollen Sie nicht antworten oder können Sie nicht?«

»Ich will nicht. Fragen Sie ihn selbst.« Die Abfuhr war nicht zu überhören.

»Wie Sie meinen. Dann lassen Sie uns zur Sache kommen.«

Ich erklärte ihr mein Projekt ausführlich und versprach, die Reisegäste beim Geschäft ihrer geistigen Erhöhung nicht allzu sehr zu belästigen. Im Gegenzug reichte sie mir eine Liste mit Namen und den Flugschein.

»Was sind das für Leute, mit denen wir es zu tun haben?«

»Irgendwelche Kunden. Kondis hat die Reise inseriert und auf Anmeldungen gewartet. Die da sind übrig geblieben.«

»Nur sieben Leute außer Kondis, Ihnen und mir?«

»Ja. Kondis bietet exklusive Bildungsreisen in Kleinstgruppen an. Nie über zehn. Dafür sind die zwei Wochen auch ziemlich teuer. Bei anderen Anbietern kostet eine ähnliche Reise etwa die Hälfte.«

»Ganz schön extravagant. Wie kam er auf die Idee mit dem Reisebüro?«

Sie zupfte ihre Bluse zurecht. Ihre Fingernägel waren mit rosa Nagellack bestrichen. Ich schaute auf meine Hände. Die Nägel kurz, die Finger verfärbt durch Filzstift, der Handrücken von Katzenkrallen verunziert. Daphne Laurenz, die Baumnymphe, winkte der Kellnerin und bestellte ein Mineralwasser. Was sonst, dachte ich, solche Mädchen trinken immer Mineralwasser, weil es keine Kalorien hat. Ich nutzte die Pause, um das Sahnehäubchen auf meiner heißen Schokolade mit dem Löffel wegzuschippen und zum Mund zu befördern.

»Als er die Leitung des Museums abgeben musste, verlor er auch seinen Lehrauftrag an der Universität. Er hat zwar einige Bücher geschrieben, die in der Fachwelt Aufsehen erregt haben, doch es reichte natürlich nicht, um zu leben. Ihr Chef brachte ihn auf die Idee, es mit gehobenen Bildungsreisen zu versuchen.«

»Sie mögen ihn, nicht wahr?«

Sie wurde rot. »Natürlich mag ich ihn. Er ist ein sensibler, verständnisvoller Mensch und ein guter Lehrer. Außerdem ist er mit meiner Mutter weitläufig verwandt.«

»Ihre Mutter ist Griechin?«

»Ja. Jason ist der Cousin der Schwägerin meiner Mutter.«

Ich sah mir die Liste der Reiseteilnehmer genauer an. Auf den ersten Blick nichts Auffallendes. Ein Ehepaar, Vater und Sohn, eine Rentnerin, eine Sekretärin und ein katholischer Pater.

»Alle ziemlich erwachsen«, stellte ich fest. »Nur der Sohn ist unter 40.«

»Das ist bei Bildungsreisen so«, erklärte Daphne Laurenz, »im Alter steigt das Interesse an diesen Exkursionen und … ein bisschen Geld ist ja auch nötig.«

»Muss ich sonst noch etwas wissen?«

»Eigentlich nicht. Die Anreise zum Flughafen organisiert jeder Reiseteilnehmer selbst. Die Route mit dem Reiseverlauf liegt bei Ihren Unterlagen.«

»Danke. Ich glaube, wir werden uns gut verstehen. Schließlich sind wir die beiden Nesthäkchen in der Gruppe.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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