Großstadtmorde - L.C. Frey - E-Book

Großstadtmorde E-Book

L.C. Frey

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Beschreibung

enthält die folgenden drei Bände: DIE SCHULD DER ENGEL: Ein bizarrer Mordfall. Ein skrupelloser Killer. Eine mörderische Jagd bis zum Äußersten ... Kommissar Sauer hat Grund zur Freude: Kurz vor seiner Pensionierung gelingt es dem Ermittler, seinen letzten Fall in Rekordzeit zu lösen. Doch im Urlaub kommen Sauer Zweifel, und er rollt den brutalen Mord an einem erfolgreichen Leipziger Anwalt nochmals auf. Aber damit geraten Sauer und seine junge Kollegin Selina Gülek ins Visier eines eiskalten Psychokillers. +++ ICH BRECHE DICH: Dieses Schweigen darfst du niemals brechen ... Der Schriftsteller Jan Chernik wird von verstörenden Visionen heimgesucht, als seine schwangere Freundin bei einem tragischen Unfall stirbt. Er folgt Hinweisen, die ihren Tod mit einer Serie von brutalen Morden in Verbindung bringen, die vor zwanzig Jahren mit dem Tod des sogenannten »Rosenkillers« ein Ende fand — oder etwa doch nicht? +++ SO KALT DEIN HERZ: Hinter dieser Fassade lauert der Tod … Als Tim in ein abbruchreifes Haus einzieht, ahnt er nicht, dass das alte Gemäuer bereits einen Bewohner hat. Eines Nachts macht er eine Entdeckung, die sein Leben für immer verändern wird.

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Gross Stadt Morde

Drei Leipzig-Thriller in einem Band

L.C. Frey

Copyright © 2017 by L.C. Frey. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung von L.C. Frey. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Alle in diesem Roman beschriebenen Personen sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Impressum

L.C. Frey

c/o Ideekarree

Alexander Pohl

Breitenfelder Str. 66

04157 Leipzig

E-Mail: [email protected]

www.LCFrey.de

Umschlaggestaltung: Ideekarree Leipzig, unter Verwendung von ©deyveone, Fotolia.com

Die Schuld der Engel

Thriller

Über dieses Buch

Kommissar Karl Sauer hat Grund zur Freude: Wenige Tage vor seiner Pensionierung gelingt es ihm, seinen letzten Fall in Rekordzeit zu lösen. Doch im Urlaub kommen Sauer Zweifel, und er rollt den brutalen Mord an einem Leipziger Anwalt nochmals auf. Doch damit geraten Sauer und seine junge Kollegin Selina Gülek ins Visier eines eiskalten Psychokillers.

Nach einer Idee von Kristin Metz und L.C. Frey

Lektorat: Anne Bräuer

Layout und Satz: Ideekarree Leipzig

Für Krissy, mit ganz viel »Gewölle«. Lass uns das bald mal wieder machen, ja?

Prolog

Im Dunkel

Sommer 2005, Hochsilos nahe Hoetmar, Münsterland

Eigentlich dürfen sie hier gar nicht spielen, aber der Ort übt auf Stephan eine Faszination aus, die weit über den Reiz des Verbotenen hinausgeht. Die verfallenen Silos ragen wie die Türme einer finsteren Burg in den Himmel und sie stehen so dicht beieinander, dass kaum ein Sonnenstrahl den Betonboden erreicht. Alles hier ist alt, verrostet und fällt auseinander. Es ist gefährlich, und das ist auch, was die Eltern sagen. Aber sie verstehen nicht, dass die alten Silos in Wahrheit ein verwunschener Ort sind, ein finsterer Drachenhort, und dass irgendwo, tief in den unterirdischen Eingeweiden aus Stahl und Beton ein sagenhafter Schatz auf die mutigen Helden wartet. Aber Stephan weiß das, und heute Nachmittag wird er es Freddy zeigen. Der ist zwar dick und nicht zu viel zu gebrauchen, aber er hat Comics und einen Gameboy. Und genau wie Stephan hat Freddy nicht besonders viele Freunde an der Schule.

Aber Freddy ist eine Enttäuschung, das wird Stephan schnell klar. Er will gar nicht wirklich mit hinab in die Verliese unter der Burg, er will nur herumsitzen und die ganze Zeit auf seinen dämlichen Gameboy glotzen.

»Komm schon«, sagt Stephan, »oder hast du etwa Angst? Bist du ein Mädchen, Freddy?«

»Ja, ja«, sagt Freddy und drückt weiter wie wild auf seinem Gameboy herum. Den Schatz des Drachen scheint er völlig vergessen zu haben.

Also geht Stephan allein auf Erkundungstour.

Freddy ist ganz versunken in sein Spiel, denn es sieht aus, als würde es ihm heute tatsächlich gelingen, Super Mario durch das letzte Level zu bekommen. Und in diesem Fall darf er die Prinzessin aus dem Verlies befreien und dann …

»Hey«, ruft Stephan, irgendwo in weiter Ferne. »Hey, Freddy! Komm mal her, das musst du dir anschauen!«

»Gleich!«, sagt Freddy und spielt weiter.

»Nein, Mann! Sofort! Das hier ist klasse, so was hast du noch nicht gesehen, Ehrenwort.«

»Mist!«, flucht Freddy. Super Mario ist soeben durch die Hand des Endgegners gestorben, heute wird es wohl nichts mehr mit der Prinzessin. Frustriert schaltet Freddy den Gameboy aus.

»Komm schon«, ruft Stephan erneut und Freddy sieht endlich auf. Stephan steckt bis zur Brust in einem Loch im Boden. Er hat es offenbar geschafft, eine der schweren Metallplatten beiseite zu schieben, die hier überall zwischen den Silos auf dem ganzen Gelände verteilt sind.

»Hey«, ruft Freddy, »da dürfen wir nicht rein.«

»Ich weiß«, grinst Stephan, »aber das ist ja der Witz an der Sache. Und jetzt komm mal her!«

»Also ich weiß nicht«, sagt Freddy, aber er steht auf und schlurft langsam hinüber, zu der Stelle, wo Stephans Kopf aus dem Loch rausguckt. Als er ankommt, sieht Freddy, dass Stephan auf dem oberen Teil einer Leiter steht, die unter seinen Füßen in der Dunkelheit verschwindet.

»Mann, das sieht tief aus …«, Freddy pfeift durch seine Zähne, »und es ist ganz schön dunkel da unten.« Eigentlich will er jetzt viel lieber Comics lesen.

»Ach, ist halb so wild«, strahlt Stephan. »Und wir haben ja die Lampe. Hier unten ist was ganz Tolles, bestimmt!«

»Ach ja, und was soll denn da unten sein?«

Und auch darauf weiß Stephan eine Antwort: »Mein Onkel hat mir erzählt, dass die Nazis hier unten was versteckt haben. Echtes Gold.«

»Die Nazis? Echt?«

»Na klar! Und weißt du, was er noch gesagt hat?«

»Nee.« Freddy ist dem Loch inzwischen noch ein bisschen näher gekommen und starrt in die Tiefe, interessiert jetzt, aber immer noch voller Skepsis.

»Er sagte, hier unten wären vielleicht auch Waffen versteckt. Nazigewehre. Mit denen sie die Juden umgelegt haben.«

»Nein!«

»Doch, ganz bestimmt. Aber wegen der Einsturzgefahr haben sie die nie gefunden.«

»Und wenn nun Leichen da unten sind? Von den Juden oder so?« Freddy geht einen Schritt zurück.

»Ach Quatsch!«, beschwichtigt Stephan. »Die haben sie doch ganz woanders umgebracht. Aber hier haben sie sich verschanzt und das Zeug versteckt, als die Amis kamen.«

»Weißt du«, sagt Freddy, »ich glaube, ich will doch lieber nach Hause. Ich hab noch ein paar Spiderman-Hefte, wir könnten …«

»Ach, jetzt sei doch keine solche Memme, Mann!«

»Ich bin keine Memme!«

»Na gut, bist du nicht. Ich mach dir einen Vorschlag. Wir gehen kurz runter, schauen uns ein bisschen um, und dann fahren wir gleich zu dir und lesen Spiderman.«

»Also ich weiß nicht …«

»Ach, komm, das dauert keine zehn Minuten. Dann bist du auch keine Memme! Keiner wird dich dann noch einen Feigling nennen können, wenn du hier unten warst.«

»Meinst du echt?«, fragt Freddy, aber da ist Stephan schon hinuntergeklettert. Von unten ruft er: »Es ist gar nicht so tief!«

Und weil Freddy nicht allein herumstehen möchte und weil er auch keine Memme sein will, setzt er nun ebenfalls einen Fuß auf die oberste Sprosse der Leiter. Dann folgt er Stephan in die Dunkelheit.

Stephan hat eine kleine Taschenlampe dabei, die er nun anknipst und sich zwischen die Zähne klemmt wie ein richtiger Höhlenforscher, oder zumindest hat Freddy es mal so in einem Film gesehen. Nach einer endlosen Kletterei nach unten haben sie endlich wieder Boden unter den Füßen, aber Stephan geht gleich weiter, in den Gang hinein, der hier beginnt. Mächtige, rostzerfressene Stahlrohre sind überall an den Wänden und an der Decke. Freddy folgt dem Lichtkegel von Stephans Taschenlampe, obwohl er von der Kletterei bereits gehörig außer Atem ist. Als er Stephan endlich erreicht, zieht er, ohne es bewusst zu bemerken, einen Schokoriegel aus der Tasche, denn er hat immer welche dabei. Falls einmal Not am Mann ist, wie Mama sagt. Und jetzt, findet Freddy, ist schon ein wenig Not am Mann. Er steckt den Riegel in den Mund und lässt das bunte Papier der Verpackung zu Boden fallen. Es landet irgendwo in der Dunkelheit zu seinen Füßen, aber er achtet nicht weiter darauf. Freddy achtet nur darauf, in der Nähe des Lichtkegels zu bleiben.

Da dreht Stephan sich plötzlich um, die Taschenlampe beleuchtet sein Gesicht von unten und das sieht so schrecklich aus, dass Freddy einen spitzen Schrei ausstößt und sich vielleicht auch ein bisschen in die Hosen macht.

»Du Blödmann!«, schimpft er, aber Stephan dreht sich um und läuft kichernd weiter.

»Wir sind jetzt Höhlenforscher«, legt er fest.

»Aber ich will kein Höhlenforscher sein«, jammert Freddy, »man kann überhaupt nichts erkennen. Es ist so scheißdunkel hier.« Manchmal, wenn Freddy ein bisschen Angst hat, hilft es ihm, zu singen oder Kraftausdrücke zu verwenden, nur hilft das jetzt überhaupt nicht. Es ist so still hier und so weit weg von der Sonne oben. Aber Stephan scheint das alles nichts auszumachen. Er scheint sich richtig wohlzufühlen hier unten.

»Wenn du ein Feigling bist«, sagt Stephan, »wirst du auch nie den Schatz der Nazis finden.«

»Ich bin kein Feigling. Es ist nur so verdammt dunkel hier unten.«, sagt Freddy und stopft sich den letzten Bissen des Schokoriegels in den Mund.

»Dann geh du eben voran«, sagt Stephan. »Hier, ich leuchte dir!«, und dann schlüpft er in eine Nische, sodass Freddy sich vorbeidrücken und die Führung ihrer Expedition übernehmen kann. Was die Sache überhaupt nicht besser macht, findet Freddy. Plötzlich muss er wieder an die Leichen der Juden denken, die hier unten vielleicht doch noch liegen, oder ihre Geister, die lange, dürre Spinnenfinger nach seinem Gesicht ausstrecken und …

Plötzlich rutscht Freddy weg, stolpert nach vorn, sein Fuß tritt ins Leere und er fällt. Er hat das Loch nicht gesehen, und er begreift kaum, was geschieht, als er schreiend in die Tiefe saust. Er reißt die Arme vors Gesicht und knallt gegen eine Betonwand. Sie hinterlässt tiefe Schürfwunden auf der Haut seiner Unterarme. Seine Stirn prallt gegen etwas Hartes. Kleine Lichtpunkte explodieren vor seinen Augen. Er strampelt und versucht, irgendwo Halt zu finden. Aber er rutscht weiter, bis er plötzlich …

… steckenbleibt.

Die Arme sind fest an seine Seiten gepresst, seine Beine baumeln unter ihm in der Luft. Ein Schacht, denkt er panisch. Ein Schacht, und ich stecke fest, und wenn ich durchrutsche, werde ich in die Tiefe fallen und mir alle Knochen brechen und Mutter wird schimpfen und ich hätte nach Hause fahren sollen. Und was für ein gemeiner Kerl dieser Stephan doch eigentlich ist.

Aber alles, was Freddy jetzt tun kann, ist leise zu wimmern: »Stephan, hilf mir!«

Und dann kommen die Tränen. Freddy kann sie nicht mehr aufhalten. Noch nie war es ihm so egal, ob ihn die ganze Schule für eine Memme hält oder für Specki Mampftonne oder ob sie ihn die wandelnde Walze nennen oder sonst was. Er will jetzt nur zu Hause sein, und Spiderman lesen und später vielleicht einen Kakao trinken und noch einmal versuchen, als Super Mario die Prinzessin zu retten. Wieso antwortet ihm Stephan nicht?

»Stephan«, ruft der Junge noch einmal durch sein Schluchzen, »Stephan, hilf mir.«

Der andere leuchtet ihm mit seiner Lampe ins Gesicht, ohne ein Wort zu sagen. Als er endlich spricht, klingt es beinahe anerkennend.

»Du steckst ja ganz schön fest, Speckifreddy.«

»Ich … nenn mich nicht so! Hilf mir, Stephan!«, und dann, ganz leise: »Bitte!«

»Hmm«, sagt der andere.

»Stephan?«

»Kannst du deine Arme bewegen?«

»Nein, die stecken fest. Hier unten geht es ganz tief runter, bestimmt. Wenn ich durchfalle …«

»Ach, du wirst schon nicht durchfallen. Bist du irgendwie verletzt?«

»Meine … meine Beine tun weh, und ich hab mir die Arme angestoßen. Aber sonst geht es, glaube ich.«

»Hmmmmm«, sagt Stephan gedehnt, und leuchtet unentwegt in Freddys Gesicht, sodass der Junge die Augen zusammenkneifen muss. Dann wird es sehr still am oberen Ende des Rohres.

Dann fällt der erste Stein. Es ist nur ein kleiner Kiesel und er prallt zweimal von dem Rohr ab, bevor er die Wange des feststeckenden Jungen trifft.

»Au!«, sagt Freddy und glaubt, dass es vielleicht nur ein kleines Stück vom Rand des Rohres ist, das sich bei seinem Sturz in die Tiefe gelöst hat.

»Ich glaube«, sagt er, und in dem Rohr klingt seine Stimme seltsam verzerrt, wie die eines Roboters. »Ich glaube, du musst die Polizei rufen. Oder vielleicht die Feuerwehr.«

Stephan sagt immer noch nichts, aber dann kommen zwei weitere Steine, größere diesmal, und Freddy kann nicht erkennen, woher sie kommen, weil ihn Stephans Lampe blendet. Aber er glaubt nicht mehr, dass sie von dem Rohr über seinem Kopf stammen, denn diese Steine prallen nicht ab. Sie fliegen ihm direkt ins Gesicht. Und diesmal tut es richtig weh.

»Au!«, ruft er, und: »Hör auf damit, au! Bitte, Stephan. Du musst …«

Und dann ist das Licht plötzlich weg.

Er kann sehen, dass sich Stephan an etwas zu schaffen macht, das an der Decke über dem Loch hängt, ein großes Ventil oder so etwas, und Stephan hat sich jetzt die Lampe wieder zwischen die Zähne geklemmt, während er verbissen an dem schweren Metallteil rüttelt. Er keucht und flucht leise, während er versucht, das Ding von dem Rohr abzubekommen, an dem es feststeckt.

»Bitte hilf mir, Stephan, bitte!«, versucht es Freddy noch einmal, und für einen Moment hält Stephan inne. Das Ventilstück hängt jetzt nur noch an einem Ende an dem rostzerfressenen Rohr, und es schwebt genau über Freddys Kopf. Stephan nimmt die Lampe aus dem Mund, hockt sich an den Rand des Lochs und leuchtet wieder nach unten.

»Krieg ich deinen Gameboy, wenn ich dir helfe?«

»Ja, klar. Ich geb dir meinen Gameboy und alle Spiele, die ich hab! Und die Spiderman-Comics auch!«

»Alle?«

»Klar, alle! Du kannst sie alle haben. Aber hilf mir bitte!« Jetzt hat sich Freddy ganz bestimmt nass gemacht, er kann die Wärme spüren, die an seinem Hosenbein nach unten strömt.

Stephan sagt: »Ich glaube, ich will deinen Gameboy gar nicht.« Unbegreiflicherweise scheint er jetzt zu lächeln, aber das kann Freddy nicht genau erkennen. »Und deine Comics fand ich schon immer scheiße.«

Dann steht er wieder auf und macht weiter. Und allmählich begreift Freddy, was er vorhat. Er ruft und wimmert und bettelt, quiekt mit hoher Stimme, aber Stephan scheint ihn gar nicht mehr zu hören. Mit einem letzten Stoß löst sich das Ventil vom Rohr und Stephan springt zurück, während es mit ohrenbetäubendem Rumpeln in das Loch zu seinen Füßen fällt und Freddys Kreischen ein jähes Ende bereitet.

Dann ist es still in dem Loch.

Lächelnd dreht sich Stephan um und kriecht durch die Röhren zurück zum Ausgang, seine treue Taschenlampe zwischen den Zähnen, wie ein richtiger Höhlenforscher. Oben angelangt, schiebt er die Metallplatte sorgfältig wieder zurück an die Stelle, an der sie vorher war. Er nimmt sein Rad und schiebt es vom Gelände, auf der Seite, wo die Felder sind, damit man ihn von der Straße aus nicht sehen kann. Er schiebt es durch das kleine Wäldchen, das sich an die Felder anschließt, und als er auf der anderen Seite hervorkommt, schaut er nach beiden Seiten den Feldweg entlang. Niemand ist hier, der ihn sehen könnte.

Stephan steigt auf sein Rad. Es ist ein neues, rotes und es hat sogar eine richtige Gangschaltung. Dann fährt er los.

Er lächelt, als er nach Hause radelt. Heute würde es Spaghetti geben, und er mag Spaghetti sehr. Das Gesicht des Jungen ist der untergehenden Sonne zugewandt und ihre letzten Strahlen liebkosen sein sonnengebräuntes Jungengesicht, während er radelt und lächelt und den Wind sein Haar zerzausen lässt. Er ist daheim, noch bevor die Sonne ganz hinter den Feldern verschwunden ist.

I

Ein Mann geht durch die Wand

1

+ + +

Mein Plan ist perfekt.

Ich weiß, dass er kommen wird.

Meine Ungeduld der letzten Tage hat sich in diesen Stunden gelegt, da ich das Zimmer vorbereite auf das, was gleich passieren wird. Manch einer mag die Skimaske, die ich trage, als lächerlich empfinden, nicht ausdrucksstark oder vielleicht nicht bedrohlich genug. Aber es geht nicht darum, mein Opfer zu erschrecken, auch wenn die Angst später zweifellos kommen wird. Später, wenn er es begreift. Wenn ihm klar wird, welcher Gedanke sich hinter der Maske verbirgt.

Anonymität, darum geht es natürlich! Unerkannt in einer Welt der gläsernen Menschen. Gesichtslos in einem Meer von bedeutungslosen Selbstdarstellern.

Ich bin ein Phantom, ein sphärisches Wesen — ein Engel. Ein Engel, und der gerechteste unter denen, die auf Erden wandeln. Und wie der Erzengel Michael werde ich keine Gnade und kein Erbarmen kennen. Menschen können sich vielleicht für derlei Gefühle erwärmen — Engel kennen kein Verzeihen. Nicht für das, was dieser Kerl getan hat!

Auch ich hatte Zweifel, anfangs, sicher. Doch als ich das Gewehr fand, diese herrliche, uralte Waffe - seitdem bin ich sicher, dass alles genau so vorherbestimmt war, und ich die Hand sein muss, die auf die Häupter der Schuldigen niederfährt.

Nur ich habe das Recht dazu.

Nur ich allein.

Da, ein Knirschen auf dem Kiesweg draußen, das muss er sein; er kommt jetzt die Einfahrt hochgefahren. Mein Körper ist gespannt wie eine Feder, aber ich bin ganz kühl. Pure Konzentration.

Ich bin das flammende Schwert der Gerechtigkeit.

Ich bin der Engel.

2

Waldhaus der Familie Fassmann am Zwenkauer See, nahe Markkleeberg bei Leipzig, 1. November 2015, Sonntag

Sauer fragte sich, was um alles in der Welt er auf dieser Party verloren hatte. Mit einer Mischung aus Belustigung und Abneigung beobachtete er, wie das Wiesel zwischen den Gästen herumscharwenzelte. Der Kerl mit dem spitzen Gesicht und der unmöglichen Stachelfrisur hastete geschäftig durch den Raum, eingehüllt in eine Wolke penetranten Parfums. Parfum, Deodorant oder Eau de Toilette, das wusste Sauer nicht so genau — er gehörte zu den Männern, denen dieser Unterschied weder klar noch recht geheuer war. Oxana würde es wissen, natürlich, aber die war gerade … ja, wo eigentlich? Sauer sah sich suchend nach seiner Ehefrau um. Er fand sie nahe dem kleinen Podium, ins Gespräch mit der Künstlerin vertieft. Also ging Sauer hinüber, das heißt, er versuchte, seinen Körper zwischen schnatternden Partygästen hindurchzubugsieren. Diese ignorierten Sauers Bemühungen allerdings komplett. Da er also querfeldein nicht weiterkam, ging er außen herum, an der Kunst vorbei. Das erwies sich als ein guter Einfall, weil es der einzige Teil des Raumes war, für den sich wirklich kein Mensch interessierte. Wobei die Kunst der Irene Fassmann — derzeit im angeregten Gespräch mit seiner Frau Gemahlin — weit besser war, als Sauer erwartet hatte. Zumindest, wenn man orangerote Igel mochte, die versuchten, sich mit knallblauen Melonen zu paaren.

Sauer drehte sich um und stieß mit dem plötzlich auftauchenden Wiesel zusammen. Dessen Parfum explodierte förmlich in Sauers Nase. Bevor er wieder zu Atem gekommen war, um eine Entschuldigung hervorzuhusten, war das Wiesel schon davongewitscht. Es kämpfte sich rücksichtslos durch die Menge in Richtung des kleinen Podiums mit der Musikanlage. Dorthin wollte Sauer ebenfalls, also nutzte er die Schneise und folgte ihm.

»Karl!«, rief Oxana aus, als sich Sauer endlich durch die smalltalkende Menge der Partygäste gekämpft hatte. In ihrem Blick lag eine Mischung aus Sorge und Amüsiertheit.

»Das ist mein Mann«, erklärte sie Irene Fassmann. Sie ist groß, dachte Sauer, dem allerdings jede Frau über eins siebzig als hochgewachsen erschien. Die Künstlerin jedoch überragte sogar Oxana noch um einen guten Kopf. Schlank, vielleicht Mitte vierzig, sportlich. Überaus gut in Schuss. Und noch etwas: Soweit Sauer das beurteilen konnte, hatte sich ihr Ehemann, sofern vorhanden, den ganzen Abend noch nicht in ihrer Nähe blicken lassen. War diese Schönheit etwa Single? Sauer ergriff Irene Fassmanns ausgestreckte Hand.

»Karl Sauer. Vielen Dank für die Einladung.«

»Der Herr Kommissar«, antwortete Irene Fassmann lächelnd. Offenbar hatte Oxana ganz entschieden zu viel Zeit zum Quasseln gehabt. Hier, oder aber schon früher, in der Praxis. Dort, in ihrem ›Tempel der Heilung‹, übte sie mit gestressten Hausfrauen Mantren oder legte ihnen warme Steine auf den Kopf. Mittlerweile hatte sich Oxanas Praxis wohl in den Kreisen der Leipziger High Society herumgesprochen. Und auch, wenn Sauer der Gedanke an Schlammmasken und Energiekristalle nur ein verständnisloses Kopfschütteln entlockte, so gönnte er Oxana und ihrer illustren Kundschaft doch das Vergnügen. Was immer einem half.

»Die, äh, Schnitten sind sehr gut, Frau Fassmann.«

Für dieses Kompliment erntete er zunächst einen fragenden Blick der Künstlerin. Doch dann hellte sich Irenes schönes Gesicht auf und sie sagte lachend: »Ach Sie meinen die Horsd’œuvres! Oh, vielen Dank. Das gebe ich gern an die Küche weiter.«

Neben ihr räusperte sich das Wiesel zum wiederholten Male ins Mikrofon und starrte Irene dann aufdringlich an. Schließlich erwiderte sie lächelnd seinen Blick und das Wiesel begann, an den Knöpfen der Anlage herumzudrehen, als hinge sein Leben davon ab.

»Ta-dada-da-dah!«, wummerte es aus den Boxen. Der Barjazz wurde von etwas Klassischem abgelöst, das Sauer glaubte mal in einem Kriegsfilm gehört zu haben, in dem es recht viel um Napalm gegangen war. Wagner, wenn er sich recht erinnerte. Das Wiesel schnappte sich ein Mikrofon und quiekte unter heftigem Rückkoppeln hinein, während er jedes einzelne Wort so überdeutlich betonte wie ein Schauspieler bei einer Sprechübung.

»Und nun. Liebe. Freunde. Liebe. Kunstkenner. Genießer. Des Schönen. Und des Wahrhaftigen. Nun. Ist es. Endlich. Soweit! Begrüßen Sie …«, hier senkte das Wiesel tief gerührt das strubbelige Haupt.

»Begrüßen Sie. Mit mir. Die. Künstlerin selbst. Irene«, nochmalige Kunstpause, »Irene. Fassmann.« Einen Bückling andeutend hielt das Wiesel ihr das Mikro hin und Sauer wischte sich hastig ein Grinsen aus dem Gesicht. Zurückhaltender Applaus brandete auf und Irene Fassmann betrat das kleine Podium. Sie nahm das Mikro mit einem dankbaren Nicken entgegen und sprach dann, wesentlich leiser und gänzlich ohne fiepende Störgeräusche, hinein. Ihre Stimme war hell, klar und angenehm, und sie zitterte ein bisschen. Die Künstlerin war aufgeregt, und das fand Sauer sympathisch. Was wohl auch Oxana nicht entgangen war, die ihn sanft in die Seite knuffte.

»Liebe Freunde der Familie Fassmann«, begann Irene. Nicht meine Freunde, bemerkte Sauer, sondern Freunde der Familie. Wie in ›Freunde meines Mannes‹. Nun, das erklärte vermutlich das eine oder andere. »Ich freue mich, dass so viele von euch kommen konnten. Und ich muss gestehen, ich bin auch ein bisschen aufgeregt.« Wohlmeinendes Gelächter von der sektseligen Yuppiehorde. »Es ist das erste Mal, dass ich meine Bilder öffentlich ausstelle … genaugenommen ist es das erste Mal, dass ich sie überhaupt jemandem zeige.«

Das Wiesel initiierte einen spontanen Ausbruch von Applaus für diese offenen Worte. Es gelang. Als er sich gelegt hatte, fuhr Irene, nun mit geröteten Wangen, fort:

»Als Erstes möchte ich meinem Mann und unserer wundervollen Tochter Louisa danken, die mir so toll geholfen hat, all das hier vorzubereiten. Kommst du bitte mal nach vorn, Schatz?« Irene blickte sich suchend im Raum um. Ein Mädchen von etwa siebzehn Jahren, auch wenn sie in ihrem langen, silberglänzenden Abendkleid deutlich älter wirkte, trat aus dem Rahmen einer der seitlichen Türen und blickte geschockt zum Podium hinüber. Dann kräuselten sich ihre Lippen zu einem schüchternen Lächeln und ihre rosigen Wangen wurden noch ein wenig rosiger. Der junge Mann neben ihr beugte sich zu ihr hinab und flüsterte ihr etwas ins Ohr, das ihr ein kleines Kichern entlockte. Dann nickte sie ihm tapfer zu und schritt nach vorn, auf das Podium zu.

Die Gäste bildeten eine Schneise für Louisa Fassmann, wobei ihr einige Blicke folgten, hauptsächlich die der jüngeren männlichen Partygäste. Dort, vermutete Sauer, wurden vermutlich gerade jede Menge Knüffe ausgeteilt – die Ähnlichkeit des jungen Mädchens mit ihrer schönen Mutter war nicht zu übersehen. Als sie das Podium erreichte, hatte Louisas Gesicht die Farbe einer reifen Tomate angenommen und auf ihrem Dekolleté waren zwei hektische rote Flecken zu sehen. Sie warf ein schüchternes Lächeln in die Runde und dann senkte sie den Kopf, worauf wiederum spontaner Applaus aufbrandete. Ihre Hand fand die ihrer Mutter, die erneut das Mikrofon hob, um …

Bumm!

Ein Wummern unterbrach Irene Fassmanns Rede. Das Wiesel flitzte mit gerunzelter Stirn zur Stereoanlage, drehte an den Knöpfen herum und betastete das Kabel des Mikrofons.

Bumm! Bumm!

Irene wechselte einen fragenden Blick mit dem Wiesel, das mit den Schultern zuckte, während er den Stecker des Mikrofons betastete.

Buuumm!

Und dann begriffen sie endlich, dass das Geräusch gar nicht aus der Anlage stammte, sondern von der holzvertäfelten Wand hinter dem Podium. Die murmelnden Gespräche verstummten, allein Richard Wagner ließ seine Streicher leise aufbranden, als wolle er die Spannung noch zusätzlich anheizen.

Hinter der Vertäfelung war ein träge kratzendes Geräusch zu hören, als schöbe sich dahinter etwas Großes an der Wand entlang. Dann krachte ein schwerer Gegenstand von innen dagegen, fiel polternd zu Boden …

Und dann brach die Hölle los.

3

Vor den ungläubigen Augen der Besucher neigte sich die Wand hinter Irene und Louisa Fassmann nach vorn, und für einen Moment schienen die Holzelemente über ihren Köpfen in der Luft zu schweben, als wären sie schwerelos. Staub rieselte zwischen den entstandenen Rissen hervor und schließlich kippte die gut zwei Meter breite Wand komplett um, mit einem reißenden Geräusch, als zerfetzte jemand ein gigantisches Stück Papier. Sauer begann, sich durch die erstarrte Menge hindurch zum Podium zu kämpfen, doch er sah, dass er die beiden Frauen nicht mehr rechtzeitig erreichen würde.

Er brauchte kaum drei Sekunden, bis er am Ort des Geschehens ankam, doch die Zeit vor seinem inneren Auge schien zu einer unerträglichen Zeitlupenaufnahme eingefroren, als würde jede seiner Bewegungen durch zähflüssigen Gelee gebremst.

Sauers Blick fiel auf das immer noch erstarrt dastehende Wiesel, das sich in einer Geste beinahe komisch wirkender Verzweiflung eine Faust in den Mund gestopft hatte und auf die herabsausende Wandverkleidung starrte. Das entstandene Loch in der Wand hustete Staub und Putz in dem Raum.

Es ist keine Verkleidung, dachte Sauer, das ist die gesamte, dünne Wand, die hier runterkommt, und dahinter ist ein kleiner Raum, und aus diesem Raum …

Da schoss ein Schatten auf das Podium zu und ergriff Irenes Arm, nur Bruchteile eines Augenblicks, bevor auch Sauer die Künstlerin und ihre Tochter erreicht hatte. Ein junger Mann in einem eleganten Anzug packte Irene Fassmanns linken Ellenbogen und riss sie und Louisa mit sich aus der Gefahrenzone. Es war der junge Mann, registrierte Sauer, der vorhin neben Louisa gestanden und ihr etwas Aufmunterndes ins Ohr geflüstert hatte. Doch in dem Moment, da das beherzte Eingreifen des jungen Mannes Mutter und Tochter Fassmann rettete, war Sauers Aufmerksamkeit von anderen Dingen gefesselt. Die gesamte Wand krachte direkt vor seinen Füßen auf den Boden des Podiums, wo die Fassmanns gerade noch gestanden hatten, und wirbelte eine unerhörte Wolke staubigen, weißen Putzes auf.

Doch Sauer achtete nicht weiter darauf, denn durch den weißen Nebel stapfte etwas mit schweren Schritten auf ihn zu. Etwas Großes, das aus dem Loch in der Wand gekommen war. Instinktiv langte seine Hand unter sein Jackett, tastete einen Augenblick vergeblich nach der P10 in dem Holster an seinem Gürtel. Aber selbstverständlich war da nichts. Kein Holster, keine Pistole. Und jetzt war das Ding heran. Die Haare, Gesicht und Schultern waren komplett von Gipsstaub und Holzsplittern bedeckt. Der Anzug, den die Gestalt trug, hing in langen Fetzen von ihrem Körper und enthüllte einen beachtlichen Bauch sowie eine schlaffe, eingesunkene Brust. Und jetzt, da Sauer der taumelnden Gestalt aus dem Nebel gegenüberstand, bemerkte er auch die blutverkrusteten Wunden, die den gesamten Oberkörper bedeckten, und er begriff, wieso der Riese nur kleine, stolpernde Tippelschritte machte.

Er trug einen Stuhl mit sich herum, an den er festgebunden war.

Dieses einigermaßen absurde Bild hätte Sauer in einer anderen Situation vielleicht ein Lächeln entlockt. Doch nun sah Sauer die Schnüre um die Oberschenkel des Mannes, die ihn mit dem Stuhl verbanden. Seine Arme waren hinter seinem Rücken fixiert. Als er Sauer beinahe erreicht hatte, hob der Fremde den Kopf. Sauer bemerkte noch, dass dass irgendetwas mit seinen Ohren nicht stimmte. Breite rostrote Ströme angetrockneten Blutes zogen sich an seinen Wangen entlang, so als hätte ein ungeschicktes Kind versucht, ihm einen rotbraunen Vollbart anzumalen.

Das Ding warf Sauer einen fragenden Blick zu, dann kippte sein zerstörtes Antlitz einfach weg. Der Riese strauchelte, und dann fiel er um wie ein gefällter Baum. Einen Moment später schlug sein Gesicht hart auf dem Holz des Podiums auf. Der Mann ging so plötzlich auf die Bretter, dass Sauer nicht mehr dazu kam, ihn aufzufangen oder auch nur seinen Aufprall zu bremsen. Vermutlich hätte der Fallende ihn ohnehin nur mit sich zu Boden gerissen. Sauer ging in die Knie, um den Mann herumzudrehen, in eine Position, die ihm das Atmen ermöglichen würde. Doch er hatte den Blick des Mannes gesehen, bevor der wie ein ausgeknockter Boxer umgekippt war. Und während er mühsam an dem schweren Leib herumzerrte, wurde ihm klar, dass dieser Boxer seine letzte Runde ein für alle Mal geschlagen und verloren hatte. Er machte trotzdem weiter. Und nun war sich Sauer absolut sicher, dass es sich bei dieser Variation von Ein Mann geht durch die Wand nicht um einen makabren Partygag handelte oder um ein ganz besonders geschmackloses Exemplar moderner Kunst. Das hier war echt.

Und dann begann Louisa Fassmann zu kreischen.

4

Es wollte Sauer einfach nicht gelingen, den am Boden Liegenden umzudrehen, was hauptsächlich an dem Stuhl lag, der an dessen Hintern klebte. Aus der Nase, die bei dem Aufprall gebrochen sein musste, lief ein dünner Strom frischen Blutes über das staubbedeckte Gesicht, und nun bemerkte Sauer auch, was genau es war, das mit seinen Ohren nicht stimmte. Jemand hatte mehrere tiefe Einschnitte in die Ohrmuscheln vorgenommen, das rechte Ohrläppchen fehlte komplett. Das verbleibende Fleisch stand in bizarren, blutverkrusteten Formen vom Kopf ab, einer Nelke nicht unähnlich.

All diese Informationen rasten durch Sauers Kopf wie ein Endlosband eines alten Telegrafen. Tipp, tipp, tipp. Nur sehr viel schneller.

Ohne sich umzusehen, rief er in den Raum: »Rufen Sie einen Rettungswagen! Sofort!«, und wertete die daraufhin einsetzenden hektischen Geräusche als Zeichen, dass irgendjemand endlich nach seinem Handy griff.

Sauer entfernte das Taschentuch, das den unteren Teil des Gesichts bedeckte, als hätte sich der Gequälte an der Imitation eines Bankräubers aus einem Western versucht. Dann griff er in den Mund und zog ein zweites Taschentuch hervor, das man als Knebel benutzt hatte. Ein kleiner Schwall rosafarbenen Speichels schwappte über die Lippen des Mannes, dann blieb sein Mund offen stehen. Der Kommissar tastete nach der Halsschlagader. Kein Puls. Sauer überstreckte den Kopf, beugte sich hinab, um seine Ohrmuschel über den des Mannes Mund zu halten. Kein Geräusch, nicht das leiseste Röcheln. Sauer begann mit der Wiederbelebung.

»Lassen Sie mich durch!«, befahl eine Stimme hinter Sauer, und sogar in diesem angespannten Moment nahm Sauer die routinemäßige Arroganz in dieser Stimme wahr. Die anderen Partygäste offenbar auch, denn endlich reagierten sie und machten Platz für den Mann, der sich mit federnden Schritten näherte. »Weg da!«, befahl er Sauer, der den herrischen Befehl ignorierte und den Mann fragte: »Sie sind Arzt?«

»Ich bin Dr. Junghans«, sagte der andere, und ließ es klingen, als hätte ihn Sauer gerade zutiefst beleidigt. Dabei betonte er das Jung in seinem Namen überdeutlich.

Aha, dachte Sauer, Schönheitschirurg.

»Von mir aus«, sagte der Kommissar, »können Sie auch Doktor Who sein, solange Sie nur Arzt sind.«

Dr. Junghans’ perfekt gezupfte Augenbrauen schnellten in die Höhe. Sauer fiel auf, dass der Arzt sich irgendeiner hautfarbenen Creme bedient hatte, um die Krähenfüßchen in den Augenwinkeln seines ansonsten auffallend glatten Gesichts zu verbergen.

»Selbstverständlich bin ich Arzt«, hauchte Junghans.

»Schön. Dann wissen Sie ja, was zu tun ist«, sagte Sauer, rückte zur Seite und überließ ihm das zweifelhafte Vergnügen. Mit routinierten Fingern tastete der Arzt nach dem Puls am Hals des Mannes und tat im Wesentlichen das, was Sauer ein paar Sekunden früher auch schon getan hatte. Wertvolle Sekunden früher.

»Na los doch!«, zischte Sauer und endlich begann der Arzt mit der Wiederbelebung. Wobei ihm vermutlich ebenfalls klar war, dass seine Bemühungen vergeblich waren. Dennoch assistierte ihm Sauer nach Kräften.

Bis es Dr. Junghans schließlich einsah.

»Er ist tot«, sagte der adrette Arzt und ließ in einer dramatischen Geste den Kopf hängen. Sauer stand kopfschüttelnd auf und wandte sich der Menge zu, während er die Taschen seines Jacketts systematisch nach seinem Telefon abklopfte. Die Fassmanns und der junge Mann standen etwas abseits, Mutter und Tochter hielten sich eng umschlungen und starrten auf den am Boden liegenden Körper. Der Rest der Meute versuchte zu begreifen, was zum Teufel sich hier gerade abspielte.

Gute Frage.

Sauer verfluchte stumm die unzähligen Taschen seines Anzugs, da zupfte ihn jemand am Arm. Oxana. Sie reichte ihm sein Telefon. Richtig, erinnerte sich Sauer, ich hatte es in ihrer Handtasche verstaut. Wollte es eigentlich gar nicht mitnehmen. Habe ich dann aber doch, nur für den Fall der Fälle. Das hab ich nun davon.

Während Sauer die Nummer in sein Handy tippte, stellte er sich instinktiv zwischen den Körper am Boden und die schockierten Besucher — dass der Arzt an der Leiche herumgetastet und dabei alles mit seinen Spuren kontaminiert hatte, war schlimm genug. Als das Telefon am anderen Ende abgenommen wurde, passierten mehrere Dinge gleichzeitig.

»Notruf Leipzig, wo ist der Unfallort?«, tönte es aus dem Telefon und als Sauer gerade den Mund aufmachte, blitzte irgendetwas am linken Rand seines Gesichtsfelds, und von der anderen Seite raste ein Schatten auf ihn zu. Sauer wirbelte herum und riss die Arme weit auf, wie ein Torwart, der einen Ball zu erreichen versucht, für den er eigentlich zu kurze Arme hat. Aber es war kein Ball, es war Irene Fassmann, die er auffing. Für einen Moment streifte ihre linke Brust seine rechte Wange, und dann fiel die große Blondine förmlich in sich zusammen. Es blitzte wieder ein paar Mal. Irene Fassmann hauchte ein einziges Wort, bevor sie schluchzend in Sauers Arme fiel:

»Walter.«

Walter.

Walter Fassmann.

Und endlich wurde Sauer klar, dass der Ehemann der Künstlerin zu guter Letzt doch noch zur Party erschienen war.

5

+ + +

Überwachung ist wichtig. Damit der Plan gelingen kann, muss ich alles wissen, was es über ihn zu wissen gibt. Das Internet ist natürlich hilfreich — für denjenigen zumindest, der mit einer Suchmaschine umgehen kann und den einen oder anderen Trick beherrscht, den sich jedes Kind bei YouTube oder in irgendwelchen Foren abschauen kann. Man kann alles mögliche lernen.

Auch, wie man mit einem Skalpell umgeht.

Ich frage mich, wieso niemand vor mir auf die Idee gekommen ist, sich mit dieser Geschichte zu beschäftigen. Zum Beispiel ein Richter.

Nur, was hätte das gebracht?

Die Antwort ist so einfach wie offensichtlich:

Überhaupt nichts. Weil dieses System krank ist, und sie eben nur irdische Richter sind. Kleine, begrenzte Menschen mit einem vergifteten, dummen Verstand — und ständig offenen Taschen. Ohne jeden Sinn für Gerechtigkeit.

Jemand muss den alten Richter bestochen haben, damit sie mit dieser Sache durchkamen. Nur ist der alte Kerl inzwischen leider tot und deshalb außer Reichweite meines Flammenschwertes.

Doch das macht nichts, denn inzwischen habe ich mein Auge auf ein vielversprechenderes Opfer gerichtet. Den ersten Dominostein, das erste Puzzlestück in meinem Spiel. Und welch eine erbärmliche Kreatur er doch ist! Fast könnte man Mitleid mit seinem leeren, unbedeutenden Leben haben. Es ist beinahe schon ein Akt der Gnade, ihn von dieser jämmerlichen Existenz zu befreien. Ich glaube fast, dass er erlöst werden will, seit Jahren schon.

Ich habe ihn beobachtet, die ganze Zeit, und damit schenkte ich dieser armseligen Kreatur vermutlich mehr Aufmerksamkeit, als er in seinem ganzen bisherigen Leben bekommen hat. Indem ich ihm die Gnade erweise, ein Teil meines Plans zu werden, zeige ich wahre Größe und Barmherzigkeit, die weit über das hinausgeht, wozu Menschen und diese selbsternannten Richter fähig sind. Amen!

Ergänzung: Oh, Gott. Er hat es schon wieder getan. Drei Mal in der letzten Stunde allein. Dieser Mensch ist so dermaßen jämmerlich, dass einem allein vom Zuschauen übel werden kann. Und er glaubt, dass es ihm noch irgendetwas nützt, wenn er jetzt alles zugibt. Ich weiß doch schon längst, was er getan hat. Und ich wundere mich, dass er das nicht begreifen will. Ich stopfe ihm wohl besser den Knebel zurück ins Maul.

II

Ein Fall für Sauer

7

Inzwischen war der Tod Walter Fassmanns zum dritten und endgültigen Male festgestellt worden, und diesmal vom wirklichen Profi. Der nur mäßig übermüdet wirkende Notarzt war schon auf dem Weg zu seinem nächsten Patienten, hatte Sauer aber die hastig ausgefüllten Sterbepapiere dagelassen.

»Für die Kollegen«, hatte er gesagt, als er Sauer den Schrieb überreichte, ohne auch nur im Mindesten daran zu zweifeln, dass Sauer der diensthabende Polizist war.

In diesem Club erkennen sich die Mitglieder irgendwann gegenseitig, dachte Sauer flüchtig, vermutlich am Geruch. Da braucht es keine Ausweise mehr.

Nun, er würde diesen Club in spätestens drei Wochen für immer verlassen.

Gottlob, und keine Sekunde zu früh.

Er tippte die Nummer seiner Dienststelle in sein Handy. Vermutlich würde Manni die Nachtschicht haben, immerhin. Während es klingelte, sah Sauer den Rettungsassistenten dabei zu, wie sie auf seine Bitte hin den Tatort provisorisch absperrten, mit Stühlen und ein paar entrollten Mullbinden. Sie hatten eine dieser silbernen Isodecken über den Leichnam gebreitet. Sie bedeckte den Körper nicht ganz, wegen der emporragenden Stuhlbeine am Hintern des Toten. Und obwohl die Decke gnädigerweise das Gesicht Walter Fassmanns verbarg, so sah das entstandene Gebilde mehr denn je nach einem abstrakten Kunstwerk aus. Sauer sah sich flüchtig nach Irene Fassmann und Louisa um. Nicht da. Gut für sie.

»Kriminalpolizei Leipzig, Polizeimeister Boichert am Apparat«, tönte es aus Sauers Telefon.

»Guten Abend, Manni. Hier ist Karl. Karl Sauer …«

»Oh, Mann, Karl. Gut, dass du endlich anrufst.«

»Gut, dass ich endlich …?«

»Ja, Karl. Der Reuter will dich sprechen. Ist schon unterwegs.«

»Unterwegs wohin?«

»Na, in diese Hütte, irgendwo im Wald bei Markkleeberg. Wo du die Leiche gefunden hast.«

»Wo ich die … Scheiße, Manni, woher weißt du das?«

»Naja, Reuter hat vor einer Minute hier angerufen, völlig panisch, und alle verfügbaren Leute dort hinbeordert. Da klang er, als sei er ungefähr auf hundertachtzig, und sein Schlitten ebenfalls. Der hat die ganze Zeit geflucht wie ein betrunkener Seemann. Und wenn du anrufst, sagte er, dann sollen wir dich sofort zu ihm durchstellen …«

»Woher weiß der denn überhaupt, dass ich hier bin? Und …«

»Keine Ahnung, Karlchen. Aber der Chef klang ziemlich angefressen … die Sache ist wohl ziemlich dringend.«

»Verdammte Scheiße«, entfuhr es Sauer leise.

»Ja, und dir auch noch einen schönen Abend, Karlchen. Ich stell dich dann mal durch.«

Beim Gedanken an Reuter hatte sich der letzte Rest von guter Laune verflüchtigt, der Sauer an diesem Abend noch geblieben war.

Klick.

Tuut. Tuu …

Klick.

»Reuter!«, brüllte eine verzerrte Stimme am anderen Ende der Leitung durch eine Geräuschkulisse, die Sauer an das Tosen einer aufgepeitschten See denken ließ. Orkanstärke, mindestens. Von dem Lärm, durch den sich Reuters Stimme kämpfte, schloss Sauer auf eine Geschwindigkeit, die sogar noch ein bisschen über Boicherts Schätzung lag. Reuter fuhr einen A6. Und diesem Wagen mehr als ein sanftes Schnurren zu entlocken, war gar nicht so einfach, soweit er wusste. Von dem gelegentlichen Rumpeln schloss er außerdem darauf, dass Reuter seine edle Karosse über einen holprigen Waldweg trieb. Zum Beispiel einen, der durch das Eichholz am Zwenkauer See führte.

Verdammt.

»Hier ist Karl Sauer. Ich habe gerade in der Dienststelle angerufen, um …«

»Was?«

»Hier ist Karl Sauer!«, brüllte der Kommissar in sein Telefon. »Boichert hat mir …«

»Sauer!«, unterbrach ihn Reuter unwirsch. »Was zum Teufel ist da in diesem Waldhaus passiert, verdammt? Und wieso waren Sie so schnell vor Ort? Geben Sie mir Informationen, Mann! Warum klingelt mich der Chef am Sonntagabend aus dem Bett? Was ist da los?«

Der Chef. Das bedeutete in Reuters Fall niemand Geringeren als den Polizeipräsident der Polizeidirektion, Hans-Werner Klaasen höchstpersönlich. Und eben jener Klaasen musste Reuter gehörig Feuer unter seinem fitnessstudiogepflegten Hintern gemacht haben. Die Mischung aus Stoßgebeten und Flüchen am anderen Ende der Leitung ließ gar keinen Zweifel daran. Derart aufgebracht hatte Sauer seinen Vorgesetzten noch nie erlebt. Dieser Karren begann schon im Dreck zu versinken, bevor er noch richtig gestartet war. Und Sauer hatte ein ganz blöde Ahnung, wen Reuter am Steuer dieses Karrens sah.

»Eine Leiche, vermutlich ein Mord«, versuchte Sauer die Fragen seines Chefs in der richtigen Reihenfolge zu beantworten. »Ein Kerl bricht durch die Wand, fällt um und bleibt liegen.«

»Scheiße«, kommentierte Reuter.

In der Tat, dachte Sauer, besonders wenn man der Kerl ist, der da gerade auf die Dielen des Waldhauses gebrettert ist.

Ein dumpfer Knall, ein blechernes Schleifen. Reuter musste eine Wurzel oder sowas erwischt haben. »Fuck!«, rief der Chef, »Fuck!«, und etwas knirschte bedenklich. Dann wandte er sich wieder ihrem Gespräch zu. »Und wieso waren Sie so schnell am Tatort, Sauer?«

»Naja, daran ist meine Frau schuld.«

»Ihre Frau? Was soll denn dieser … oh, Shit!«, es knallte wieder. »Wollen Sie mich verarschen, Sauer?«

»Nein. Sie hat mich zu dieser Ausstellung geschleppt und …«

»Verdammt, ich will nicht wissen, was Sie und Ihre Frau in Ihrer Freizeit treiben. Ich will wissen, wie Sie in das verfluchte Haus mitten im … Fuck!«

Knall!

Noch eine Wurzel. Wenn Reuter das Tempo nicht ein wenig drosselte, würde es vermutlich bald eine zweite Leiche ganz in der Nähe geben.

Wäre vielleicht nicht mal das Schlechteste, dachte Sauer grimmig.

»Aber darum geht es ja«, brüllte Sauer in sein Telefon. »Die Ausstellung war im Haus der Fassmanns, und Oxana hat mich hier hergeschleift, weil sie Irene Fassmann kennt von ihrem …«

»Warten Sie, Sauer! Fassmann?! Haben Sie gerade Fassmann gesagt? Irene Fassmann?«

»Ja, sagte ich.«

»Oh, verfluchte Scheiße!« Reuters Flut an Schimpfwörtern schien heute unerschöpflich. »Und der Tote ist ihr …«

»Ehemann, ja. Zumindest vermute ich das. Sie sagte ›Walter‹, als sie ihn ansah. Ich konnte sie noch nicht befragen. Ich musste mich darum kümmern, den Tatort …«

»Oh, verflucht. So eine Scheiße!«

Bumm, krach, schleif!

Wem immer die Werkstatt gehörte, in die Reuter anschließend seinen Wagen bringen müsste, der würde sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht die Hände reiben. Falls ihm Reuter überhaupt noch etwas von dem Audi übrig ließ, das sich zu reparieren lohnte.

»Wer ist denn dieser Walter Fassmann?«, fragte Sauer.

»Wer Walter … oh, Mann, Sauer, lesen Sie denn keine Zeitung?«

»Äh, naja …«, gab Sauer zu.

»Walter Fassmann«, klärte Reuter ihn auf, »ist … das heißt, er war der als sicher gehandelte Nachfolger von Niklas Hermann.«

»Niklas Hermann, dem Bürgermeister?« Etwas wusste Sauer immerhin.

»Bingo! Der Oberbürgermeister, ja.«

»Mist.«

»Meine Worte, Sauer. Ich …« Ein weiterer Knall, diesmal ohne Schimpftirade. »Ich bin gleich da. Sperren Sie den Tatort ab, und sorgen Sie dafür, dass keiner das Gelände verlässt.«

»Habe ich schon …« murmelte Sauer zerknirscht, aber da hatte Reuter schon aufgelegt. Ungefähr da begann Sauer sich ernsthaft zu fragen, was das Schicksal bloß gegen ihn hatte. Oder das Universum, wie Oxana es gelegentlich auszudrücken pflegte. Warum hätte er sich nicht heute Morgen beim Aufstehen einfach ein Bein brechen können, wie normale Leute? So etwas passierte doch ständig, überall auf der Welt — warum also nicht auch einmal in seinem Schlafzimmer? Oder eine Erkältung, die ihn für die verbleibenden drei Wochen seiner Dienstzeit ans Bett fesseln würde, oder sogar eine richtig ausgewachsene Angina? Zur Not auch eine Magen-Darm-Grippe. Dann könnte er sich jetzt von Oxana mit bitterem Tee und Zwieback verwöhnen lassen, während er auf der Couch lag und in einem ihrer sterbenslangweiligen Liebesromane schmökerte, bis ihm die Augen zufielen.

Stattdessen: das hier.

8

»Sauer«, sagte Reuter.

»Chef«, antwortete Sauer.

Sie gaben sich die Hand. Reuter, fand der Kommissar, sah in etwa so begeistert aus, wie er selbst sich fühlte. Nur vielleicht noch ein wenig ausgelaugter. Der Polizeipräsident musste ihn von einem verdammt angenehmen Zeitvertreib abgehalten haben. Vielleicht waren die Kinder der Reuters ja übers Wochenende bei den Großeltern untergebracht und er hatte ihn aus einem heißen Liebesmarathon mit der hochanständigen Frau Gemahlin gerissen oder sowas.

Hoffentlich.

»Gut reagiert, Sauer!«, lobte Reuter ihn mit erhobener Stimme, nachdem sie sich begrüßt hatten. Damit es auch jeder der Anwesenden mitbekam. Die im Gegensatz zu Sauer vermutlich alle wussten, wer Walter Fassmann gewesen war, und das sicher nicht bloß aus der Tagespresse.

In diesem Moment kündigten blau zuckende Lichter draußen vor den großen Fenstern die Verstärkung an. Endlich. Offenbar hatte Reuter die Jungs ebenfalls schon während seiner halsbrecherischen Fahrt durch den Eichwald instruiert, denn sie schritten sofort zur Tat. Die provisorische Mullbindenabsperrung wurde durch eine richtige ersetzt, und die Kriminaltechnik machte sich ans Werk. Zwei Bereitschaftspolizisten gingen hinüber in die Küche und begannen damit, die Daten der Anwesenden zu erfassen. Allmählich kehrte Routine ein, die Dinge liefen ihren gewohnten Gang. Das war in gewisser Weise beruhigend, aber gut war es trotzdem nicht. Das war es letztlich nie.

Reuter und Sauer nickten ein paar der Ankommenden zu. Als er sah, dass die Jungs die Situation unter Kontrolle hatten, zog Reuter den Kommissar in eine Ecke des inzwischen vollständig von Gästen geräumten Ausstellungsraums.

»Das ist ein Riesenschlamassel, in das Sie hier geraten sind«, sagte Reuter. Inzwischen schien er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle zu haben, zumindest was die Kraftausdrücke betraf, mit denen er vorhin noch so reichlich um sich geworfen hatte.

»Der Gedanke kam mir auch schon. Aber ich begreife immer noch nicht, wie Sie so schnell wissen konnten, dass …«

»Oh, ich wusste von überhaupt nichts. Ich habe mit meiner Frau und den Kindern Scrabble gespielt. Das ist so ein Spiel. Man muss versuchen, Buchstaben zu Wörtern zusammenzulegen.«

»Ich weiß, was das ist.«

»Gut. Und während ich an meinem freien Sonntag mit meiner Familie ein bisschen trautes Heim spiele, was glauben Sie, wer mich da anruft? Als ich die Kinder gerade ins Bett bringen will, hm?« Hass sprühte aus Reuters Augen. Aber Sauer begriff, dass der nicht ihm galt. Oder zumindest nicht ihm allein. Und dann begriff er noch etwas anderes. Das Blitzlicht, das von der rechten Seite gekommen war, just als Doktor Junghans sein botoxgestrafftes Gesicht andächtig gesenkt und den Tod seines Patienten verkündet hatte.

»Oh, Mist. Der Chef.«

»Ja, genau, eben der. Irgendeiner von diesen …« Reuter senkte die Stimme, »Vollidioten hier hat nichts Besseres zu tun gehabt, als Fassmann zu fotografieren, kaum dass dieser zu Boden gegangen war.«

»Und dann hat er das Bild an den Polizeipräsidenten geschickt.«

»Haargenau. Und zufällig ist dieser ein alter Parteikumpel von unserem Ex-Bürgermeisterkandidaten hier«, Reuter warf einen düsteren Blick hinüber zum abgesperrten Tatort. »Und jetzt raten Sie mal, wer der heldenhafte Polizist auf diesem wundervollen Schnappschuss ist.« Reuter kramte in seiner Tasche und holte ein modernes Smartphone hervor. »Nein, raten Sie nicht! Ich zeig’s Ihnen.«

Er tippte auf dem Ding herum und kurz darauf erschien auf dem handtellergroßen Display eine Aufnahme, die zeigte, wie Sauer sich mit ausgebreiteten Armen und beinahe komisch verzerrtem Gesicht in das Dekolleté der frischgebackenen Witwe Fassmann kuschelte, zu ihren Füßen eine übel zugerichtete Leiche und ein auffallend jugendlich aussehender Schönheitschirurg. Und ein Stück von Oxanas Arm war auch darauf. Jedes Detail war gnadenlos gut zu erkennen im Blitzlicht. Reuter schob das Ding zurück in die Tasche seines Designerjacketts. Während Sauer sich auf die nächste Zurechtweisung gefasst machte, sagte er leise: »Keine Ahnung, wie Sie das angestellt haben, aber Sie haben uns ganz schön den Arsch gerettet, Sauer. Ich schätze, dafür ist Ihnen die Abteilung was schuldig.«

»Ich habe was?«, fragte Sauer.

»Der Präsident hat Ihren … Ihren Einsatz auf dem Bild lobend hervorgehoben. Immer im Dienst, das waren seine Worte, und es klang durchaus anerkennend.«

»Was?«

»Ja, natürlich. Ich musste improvisieren, als mich Klaasen anrief und mir dieses Foto schickte. Also habe ich gesagt, dass Sie sofort Ihrer professionellen Aufgabe nachgekommen sind, den Tatort abzusperren, nachdem der Tod festgestellt wurde. Das haben Sie doch?«

»Naja … schon.«

»Gut. Dann war Klaasen ja zu Recht von Ihnen begeistert. Und jetzt erzählen Sie mir mal in Kurzform, was Sie bis jetzt herausgefunden haben.«

»Herausgefunden? Ich habe überhaupt nichts herausgefunden. Ich hatte alle Hände voll damit zu tun, die Leute davon abzuhalten, den Tatort zu verwüsten. Und wäre Oxana nicht gewesen …«

»Ja, ja, schon gut. Dann erzählen Sie mir wenigstens, was hier eigentlich passiert ist. Der Chef wünscht Berichte.«

Also erzählte Sauer ihm, wie der inzwischen Verstorbene die Dankesrede seiner Frau mit seinem dramatischen Auftritt als Überraschungsgast gesprengt hatte.

»Er ist durch die Wand gelaufen?«, fragte Reuter.

»Naja, eigentlich ist es keine richtige Wand, nur eine Attrappe. Ein bisschen Gips und eine falsche Holzvertäfelung.«

»Hä?«, fragte Reuter.

»Das sind dünne Platten, die den Anschein erwecken sollen, aus Holz zu sein. In Wahrheit sind sie nur aufgeklebt anstatt …«

»Ja, ja. Was auch immer. Und dann?«

»Fiel der Mann in sich zusammen. Besser gesagt, er fiel vornüber wie ein gefällter Baum. Auf sein Gesicht.«

»Autsch.«

»Ja. Aber ich vermute, dass er da schon tot war. Die Anstrengung, vermutlich. Ich … ich habe sein Gesicht gesehen, als er …«

»Verstehe. Und dieser Raum hinter dieser falschen Gipswand, was ist das? So eine Art Geheimraum oder sowas?«

»Eher ein Abstellraum. Schien lange nicht benutzt worden zu sein, bis … naja. Alles voller Spinnweben und Staub da drinnen, wobei der Durchbruch natürlich auch jede Menge Staub aufgewirbelt hat.«

»Und wie kommt man in den Raum hinein? Ich meine, außer durch dieses Riesenloch da hinten in der Wand?«

»Auf der Rückseite ist die Küche. Dort gibt es etwas, das wie eine Schranktür aussieht. So gelangt man normalerweise in den Raum, es ist quasi eine Art begehbarer Schrank. Dort hängt allerdings ein Vorhängeschloss davor. Abgeschlossen, von außen.«

»Also könnte jemand sich durch die Küche verzogen haben, während unser Mann hier durch die Wand spazierte?«

»Unwahrscheinlich. Der Raum ist nicht sehr groß, und das Haus ist voller Gäste. Auf dem Weg nach draußen hätte er an denen vorbei gemusst. Küchenfenster und Gartentür waren auch abgeschlossen.«

»Na gut, ich …«

Eine kindische Melodie ertönte aus Reuters Jacketttasche und er zog das Telefon erneut hervor.

»Oh, verdammt …«, murmelte er, halb zu sich selbst.

Pippi Langstrumpf, dachte Sauer. Lässt der Kerl seine Kinder etwa auch mit seinem Diensthandy herumspielen? Gute Idee, wenn er darauf Leichenbildchen mit dem Polizeipräsidenten tauscht.

Reuter drückte den grün leuchtenden Hörer auf der Oberfläche des Gerätes und hielt es sich ans Ohr. Er bedeutete Sauer zu warten, dann drehte er sich um und ging nach draußen. Sauer hörte ihn noch sagen: »Jawohl, Herr Polizeipräsident, ich bin ganz Ohr.«

Sauer begriff durchaus, warum Reuter so übermüdet aussah. Er kannte diesen Gesichtsausdruck, hatte ihn oft genug im Spiegel gesehen. Eines Tages, während seiner ersten Jahre im Kommissariat 11, hatte ihn sein damaliger Chef Edgar Winterfeld in sein Büro kommen lassen, ihm einen Stuhl angeboten, die Tür geschlossen und sich ihm gegenüber auf seinen Sessel sinken lassen. Dann hatte er in einer der unteren Schubladen seines mit Ordnern und Papieren übersäten Schreibtischs herumgekramt und schließlich eine Flasche und zwei Gläser hervorgeholt. Zu Sauers Verblüffung hatte er beide etwa zwei Fingerbreit mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt und Sauer dann ein Glas rübergeschoben.

»Trinken Sie«, hatte er Sauer aufgefordert und dann selbst sein Glas heruntergekippt, ohne mit der Wimper zu zucken. Sauer hatte es ihm gleichgetan, aber das mit der Wimper hatte nicht so gut geklappt. Das Zeug war ziemlich stark gewesen.

»So«, in einem Ton, als hätten sie gerade einen wichtigen Fall gelöst. »Und jetzt reden wir über das hier. Und glauben Sie mir eins, es wird so oder so ein sehr kurzes Gespräch.« Dann hatte er Sauer den Schlafsack zugeschoben. Den Schlafsack, den Sauer in seinem eigenen Schreibtisch versteckt hatte — ungefähr dort, wo sein Chef die Wodkaflasche aufzubewahren pflegte.

»Haben Sie vor, als einsamer junger Mann zu sterben, Sauer?«

Sauer hatte den Kopf geschüttelt.

»Gut. Denn wenn Sie das vorhaben, dann machen Sie nur so weiter. Ich kann Ihnen sogar dabei helfen. Wenn Sie wollen, streiche ich Ihnen sogar noch den Urlaub. Dann müssen Sie nicht mehr so tun, als hätten Sie etwas vergessen, wenn Sie sich während Ihrer paar freien Tage hier herumdrücken, anstatt sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Die Gewerkschaft dürfte nicht gerade begeistert sein, aber was die nicht weiß, macht sie nicht heiß, oder?«

Sauer hatte seinen Chef unverwandt angestarrt und versucht, die Tränen zu unterdrücken, die ihm das höllische Gebräu in die Augen getrieben hatte.

»Sie denken, es merkt keiner, dass Sie praktisch ständig hier auf dem Revier herumhängen, wie?«, fuhr Winterfeld fort, »dass Sie sich ausstempeln und dann wieder reinschleichen? Tut es aber. Ich merke es und die Kollegen tun es auch. Aber das ist nicht wichtig. Viel wichtiger ist, dass es Ihre hübsche Frau merkt. Sie heißt Oxana, richtig? Sie sind doch noch verheiratet?«

Sauer hatte stumm genickt. Noch.

»Sie Glückspilz.«

Sauer starrte Winterfeld an. Jede Spur von Humor war aus dem Gesicht seines Chefs verschwunden.

»Hören Sie jetzt genau zu, Sauer. Nehmen Sie das Ding mit und benutzen Sie es dort, wo es hingehört. In einem Zelt, auf einem Campingplatz. Sie haben ab sofort vierzehn Tage Urlaub, und wenn ich während dieser vierzehn Tage auch nur Ihren Schatten in diesem Gebäude sehe, lasse ich Sie auf der Stelle in den Innendienst versetzen. Dann können Sie im Archiv Akten stempeln. Klar soweit?«

Sauer hatte verstanden und den Schlafsack künftig zu Hause gelassen. Statt des Campingplatzes war er mit Oxana allerdings nach Bulgarien geflogen, mit dem nächsten Flieger, den sie bekommen konnten. Es waren die besten zwei Wochen seit sehr langer Zeit gewesen.

Seit der Sache mit Elena.

9

»Hey, Sauer, sind Sie noch anwesend?« Reuter war zurück. Die telefonische Audienz beim Polizeipräsidenten war offenbar beendet. Sauer wandte sich von der Scheibe um, durch die er in die Nacht hinausgestarrt hatte.

»Sagen Sie, gibt’s da drinnen Kaffee?« Reuter deutete vage in Richtung Küche.

»Schön wär’s«, sagte Sauer, »aber sie haben Sekt und diese winzigen Schnittchen. Horsd’oeuvres. Das Buffet ist da drüben.«

»Nein danke, gegessen hab’ ich schon. Na dann, auf ins Getümmel. Bleiben Sie in meiner Nähe und halten Sie vorerst die Klappe.«

»Jede Menge Handykameras?«, vermutete Sauer.

»Genau. Lassen Sie am besten mich mit diesen Leuten reden. Sie kriegen die Zügel noch früh genug.«

»Die Zügel?«

»Ja, die Zügel«, sagte Reuter und blieb abrupt stehen, um Sauer anzusehen. »Herzlichen Glückwunsch, Sauer! Sobald ich mit meiner kleinen Ansprache fertig bin, gehört die Party ganz Ihnen. Ich ernenne Sie hiermit zum Leiter der Ermittlungen im Mordfall Walter Fassmann.«

»Das … aber. Ich … in drei Wochen …«, stotterte Sauer.

Das musste ein Scherz sein, und ein verdammt schlechter dazu.

»Ja, wundervoll, nicht? Aber glauben Sie mir eines: Das war nicht meine Idee. Klaasen persönlich will Sie als Leiter der Ermittlungen sehen. Aber betrachten Sie es von der positiven Seite! Jeder hier ist interessiert daran, diesen Fall so schnell wie möglich abzuschließen. Sie, ich und der Polizeipräsident. Naja, wohl nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge.«

»In drei Wochen.«

»Drei Wochen sind mehr als genug, würde ich sagen. Ich habe mir die Leiche angesehen. Fassmann ist gefoltert worden. Übrigens noch so ein Punkt, von dem die Presse nichts erfährt, verstehen wir uns?«

»Natürlich. Ich meine ja nur …«

»… dass Sie uns in drei Wochen verlassen werden. Ich habe es ja begriffen, Sauer! Dann verlassen Sie uns jetzt eben mit einem gelösten Mordfall. Brauchen Sie das schriftlich?«

»Nein.«

»Na schön. Dann versuche ich jetzt zu verhindern, dass morgen in allen Zeitungen eine Bombe platzt und Sie …« Reuter schaute sich suchend um. »Wo ist denn Frau Fassmann?«

Sauer folgte seinem Blick. »Keine Ahnung, vielleicht ist sie draußen.«

»Suchen Sie nach ihr. Wenn Sie Frau Fassmann gefunden haben, bringen Sie sie in die Küche. Ich komme nach. Und schaffen Sie die Leute da weg.«

»Und die Tochter?«

»Louisa hat das hier mitbekommen?«, fragte Reuter erschrocken. Offenbar war die Verbindung zwischen Reuter und den Fassmanns von direkterer Art, als Sauer bisher angenommen hatte, auch ohne die Einmischung des Polizeipräsidenten. Verständlich. In Reuters Position waren Kontakte zum künftigen Oberbürgermeister sicher nicht ganz unwichtig. Aber das hatte sich ja nun fürs Erste erledigt. »Bringen Sie Louisa gleich mit. Es dauert nicht lang, und dann können die beiden nach Hause.«

»Sie wollen sie zusammen verhören?« Damit sie ihre Alibis aufeinander abstimmen können? Warum laden wir nicht gleich alle anderen Zeugen hinzu, solange wir nicht wissen, wo bei diesem Fall hinten und vorn ist?

»Ach kommen Sie, Sauer. Ich kenne die Fassmanns seit Jahren. Okay?«

Kopfschüttelnd drehte sich Reuter um und Sauer ging, um die verbliebenen Fassmanns zu suchen. Als er das Waldhaus verließ, hörte er, wie Kriminaloberrat Reuter die versammelte Menge ansprach, indem er sich als Chef der Kripo-Inspektion zu erkennen gab. Für die paar, die ihn noch nicht kannten. Das Gemurmel verstummte augenblicklich.

Gut gemacht, Reuter. Geboren für die Bühne.

Sauer entdeckte Irene Fassmann unter dem Vordach der Veranda, etwas abseits der geparkten Streifenwagen und Reuters A6, der gleich drei Parkplätze verstellte und weit weniger mitgenommen aussah als Sauer insgeheim gehofft hatte. Irene hatte die Arme um ihren Körper geschlungen und rauchte eine Zigarette, ohne dass sie jemand zu beachten schien. Falls Sauer noch Zweifel an der Beziehung zwischen ihr und den Menschen da drin gehegt hatte, dann wischte dieses Bild sie endgültig beiseite. Liebe Freunde meines Mannes.

Auf dem Weg zu ihr schnappte er sich eine Decke aus dem offenstehenden Krankenwagen. Zuerst nahm sie weder ihn noch die hingestreckte Decke wahr, starrte einfach blicklos in die Nacht. Eine schöne, einsame Frau und blond noch dazu. Wie aus einem Bogart-Film. Die Kamera hätte sie geliebt, wie man so sagte. Erst als er sich räusperte, drehte sie langsam den Kopf und sah ihn aus Augen an, die gerade eben erst in diese Welt zurückzufinden schienen. Sie weinte und ließ die Tränen ungeniert über ihre Wangen laufen. Als sie Sauer erblickte, lächelte sie verhalten. Einsam vielleicht, aber stark. Nach einer Weile schlich sich so etwas wie Erkennen in ihren Blick, mit einem dankbaren Lächeln nahm sie die Wolldecke entgegen und schlang sie um ihre Schultern.

»Danke«, sagte sie.

»Keine Ursache, Frau Fassmann. Und, äh … mein Beileid zu Ihrem … hm … zu Ihrem Verlust.«

Sie nickte, sah wieder hinaus auf den Waldweg. Dorthin, wo er sich nach ein paar Metern in der Finsternis verlor. Dann nahm sie einen tiefen Zug von ihrer Zigarette.

»Es ist irgendwie noch so unwirklich«, begann sie dann, »wie eine Geschichte — etwas, das einer Fremden passiert ist. Oder etwas aus einem Buch. Eins, das einen mitnimmt. Es geht einem nahe, aber … aber vermutlich wird das Begreifen erst noch kommen.«

»Vermutlich«, stimmte Sauer zu.

Und dann wird es kein bisschen besser werden, fügte er in Gedanken hinzu. Das weiß ich zufällig aus eigener Erfahrung.

»Er ist tot. Walter, mein Mann. Tot.« Sie ließ die Zigarette fallen, trat sie aus und zog die Decke noch enger um ihre Schultern.

»Ja, Frau Fassmann.«

Sie nickte nochmals, dann drehte sie sich zu Sauer um, schob eine blasse Hand unter der Decke hervor und hielt sie ihm hin. Und trotz der Tatsache, dass sie Sauer um eine Kopflänge überragte, kam sie ihm jetzt so zerbrechlich wie ein kleines Mädchen vor.

»Irene, bitte.«

»Karl«, erwiderte Sauer.

»Karl und Oxana«, sagte Irene Fassmann. »Das ist schön. Ich mag Ihre Frau, Karl. Sie hat mir sehr geholfen, als ich … Nun, sie hat mir dabei geholfen, mich selbst zu finden, glaube ich. Und die Kunst. Wäre sie nicht gewesen … ich …«