Halo: Stiller Sturm - Ein Master-Chief-Roman - Roman zum Game - Troy Denning - E-Book

Halo: Stiller Sturm - Ein Master-Chief-Roman - Roman zum Game E-Book

Troy Denning

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Beschreibung

Halo zählt zu den erfolgreichsten Science-Fiction-Videogames aller Zeiten. Seit 2001 begeistert die spektakuläre Saga um den Kampf der Menschheit gegen eine schier übermächtige Allianz von Außerirdischen die Game-Community weltweit. Beim Streaming-Anbieter Netflix bekommt Halo nun auch eine Life-Action TV-Serie. Zu diesem Anlass veröffentlich Panini eine Romanreihe zu den allerersten Missionen des noch jungen Supersoldaten John-117, den die Gamer als Master Chief kennen.

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Seitenzahl: 543

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TROY DENNING

Basierend auf dem Xbox-Videogame-Bestseller

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Amerikanische Originalausgabe:

»HALO: Silent Storm – A Master Chief Story« by Troy Denning

published in the US by Gallery Books, An Imprint of Simon & Schuster Inc.,

New York, September 2018.

Copyright © 2018, 2022 by Microsoft Corporation. All rights reserved.

Microsoft, Halo, the Halo logo, Xbox, and the Xbox logo

are trademarks of the Microsoft group of companies.

Deutsche Ausgabe: Panini Verlags GmbH, Schlossstr. 76, 70176 Stuttgart.

Geschäftsführer: Hermann Paul

Head of Editorial: Jo Löffler

Head of Marketing: Holger Wiest (email: [email protected])

Presse & PR: Steffen Volkmer

Übersetzung: Andreas Kasprzak & Tobias Toneguzzo

Lektorat: Thomas Gießl & Katja Böhm

Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart

Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln

YDHALOM001E

ISBN 978-3-7367-9831-1

Gedruckte Ausgabe:

ISBN 978-3-8332-4265-6

1. Auflage, August 2022

Findet uns im Netz:

www.paninicomics.de

PaniniComicsDE

Für Ross und Ashley. Die Zukunft gehört euch.

ANMERKUNG DES HISTORIKERS

Am 1. März 2526, ungefähr ein Jahr nach dem Verlust von Harvest, wo der erste Kontakt zwischen Menschheit und Allianz stattgefunden hatte, startete Vizeadmiral Preston Cole mit der größten Flotte in der menschlichen Geschichte eine Gegenoffensive. Bei seinem Versuch, die Kolonie zurückzuerobern, standen vierzig Schlachtschiffe des Kampfverbands X-Ray einem einzigen Superzerstörer der Allianz gegenüber. Cole verlor dreizehn Schiffe, ehe es ihm schließlich gelang, sich gegen die unglaubliche Feuerkraft des Feindes durchzusetzen. Da eine Handvoll weiterer Kolonien bereits der Invasionsflotte der Allianz zum Opfer gefallen war und zahlreiche weitere Welten in ihrem direkten Pfad lagen, wechselte das United Nations Space Command zu einer neuen Strategie – ein verzweifelter Versuch, die größte Bedrohung aufzuhalten, der die Menschheit sich je gegenübergesehen hatte.

1. KAPITEL

03:42 Uhr, 5. März 2526 (Militärkalender)

Starry Night, UNSC-Prowler der Razor-Klasse

Im hohen äquatorialen Orbit, Planet Netherop, Ephyra-System

Die fernen Lichtflecken von fünf außerirdischen Raumschiffen durchstießen die braunen Wolken um Netherop und stiegen auf einem Schweif weiß glühender Treibgase in den Orbit empor. Der Angriffsplan sah vor, sich an die Geschwindigkeit des Feindes anzupassen und dann eine Einheit Spartans abzusetzen, die durchs Vakuum in den Hangar des Mutterschiffs fliegen würde. Aber diese Außerirdischen hatten während der letzten fünfzehn Sekunden – seit sie auf den Schirmen der Starry Night aufgetaucht waren – ungefähr um das Zwanzigfache beschleunigt und John-117 war nicht sicher, ob der Prowler der Razor-Klasse bei diesem Tempo mithalten konnte.

Überhaupt gab es bei dieser Operation einige offene Fragen. Zum Beispiel: Handelte es sich bei diesen kleinen Schiffen um Aufklärungsmaschinen oder um Kampfjäger? Und war ihr Mutterschiff nur eine Beobachtungsfregatte oder eine Angriffskorvette? John wusste weder, wie groß die Besatzung dieses Schiffes war, noch wie viele von ihnen im Nahkampf ausgebildet waren – oder warum die Allianz an diesem Treibhaus von einem Planeten interessiert war, dessen ursprüngliche Bewohner vermutlich schon vor Jahrhunderten bei lebendigem Leib gekocht worden waren.

Aber eines stand fest: Die Außerirdischen waren der Feind und heute würden sie sterben.

Er beobachtete weiter die fünf kleinen Maschinen auf dem taktischen Monitor, der an der Wand des Abwurfhangars angebracht war, bis eine schneidende weibliche Stimme auf dem internen Bordkanal der Starry Night ertönte.

»Alle Mann gut festhalten. Die Trägheitskompensatoren werden bei diesem Beschleunigungsschub nicht mitkommen.«

»Verstanden.«

John und die elf anderen Spartans gingen in geduckte Haltung und stemmten sich gegen die Beschleunigung des Prowlers. Einen Moment später hörten sie bereits das gedämpfte Klappern und Klimpern, als schlecht gesicherte Ausrüstungsteile nach hinten gegen die Wand rutschten. »Wie lange, bis wir die Ziele eingeholt haben?«, fragte er.

»Kommt drauf an.«

Als keine genauere Erklärung folgte, sagte John: »Das war keine Antwort, Ma’am.«

Er versuchte, sich die Ungeduld nicht an seiner Stimme anmerken zu lassen. Halima Ascot mochte eine ungezwungene Art haben, aber sie war immer noch ein Captain des United Nations Space Command, und er war nur ein fünfzehn Jahre alter Petty Officer First Class. Nicht, dass sein Alter eine Rolle spielte. Das Geburtsdatum in den Dienstakten aller Spartans war gefälscht; soweit es die Mannschaft der Starry Night anging, war keiner von ihnen jünger als neunzehn.

Davon abgesehen waren John und die anderen Spartans alles andere als normale Fünfzehnjährige. Im Alter von sechs hatte man sie für ein streng geheimes Programm ausgewählt, um mithilfe von Bioaugmentationen Supersoldaten aus ihnen zu machen. Das Ziel war es gewesen, sie zur Befriedung eines eskalierenden Aufstandes in den Kolonien einzusetzen, der die junge, interstellare Zivilisation der Menschheit zu zersplittern drohte. Aber dann war die Allianz aufgetaucht und die Prioritäten hatten sich geändert.

So war das Leben eines Spartan. Er ging dorthin, wo er gebraucht wurde. Er beschwerte sich nicht. Und er tötete, wen immer er töten musste. Ganz einfach.

Tief in seinem Innern wusste John, dass es falsch gewesen war, ihn seiner Familie in einem so jungen Alter wegzunehmen – und dass er seine Entführer hassen sollte, weil sie ihn um eine normale Kindheit gebracht hatten. Aber er tat es nicht. Im Gegenteil: Sie hatten aus einem Pausenhofrabauken erst einen Soldaten gemacht und dann den Anführer einer der besten Kampfeinheiten des UNSC. Er war ihnen dankbar.

Und er war verdammt stolz, dass sie ihn ausgewählt hatten.

Captain Ascot ging nicht auf seine Bemerkung ein, also fügte John hinzu: »Wir brauchen eine kleine Vorwarnung, bevor der Einsatz beginnt, Ma’am. Sobald wir unsere Atemgeräte einschalten, haben wir nur für neunzig Minuten Luft.«

»Dessen bin ich mir bewusst, Petty Officer«, sagte Ascot. »Und genau deswegen wird es vielleicht keinen Einsatz geben. Das Mutterschiff ist gerade auf der gegenüberliegenden Seite des Orbits.«

Was bedeutete, dass es vor den Überwachungssystemen der Starry Night verborgen bleiben würde, bis beide Schiffe wieder auf derselben Seite des Planeten waren, aber das war wohl kaum ein Grund zur Sorge. Der Prowler beobachtete die Allianzschiffe nun schon seit mehr als einem Tag und das Mutterschiff war nie länger als zwanzig Minuten am Stück sichtbar gewesen.

»Dann ist die Situation unverändert«, erwiderte John. »Ich sehe da kein Problem.«

»Das Problem sind die Grundsätze des Orbitalfluges«, klärte Ascot ihn auf. »Sie können nicht einfach schneller losfliegen als geplant und zum Absetzpunkt rasen. Wenn Sie das versuchen, wird Ihre gesamte Einheit kurzerhand aus dem Orbit geschleudert.«

»Ich weiß.« Im dritten Jahr der Spartan-Ausbildung hatte John im Physikunterricht klassische Mechanik durchgenommen. Aber das war inzwischen fünf Jahre her und der damals neunjährige John-117 hatte sich viel mehr für taktische Theorie interessiert als für Newtons Bewegungsgesetze.

»Wir müssen in einen niedrigeren Orbit gehen, um sie einzuholen, und dann unsere Flugbahnen neu angleichen, damit wir an Bord gelangen.«

»Und Sie müssen die ganze Zeit über vor den fremden Schiffen verborgen bleiben«, fügte Ascot hinzu. »In ihrem aktuellen Orbit dauert es mindestens siebzig Minuten, bis Sie sie erreichen. Und danach müssen Sie immer noch an Bord gelangen und ein fünfhundert Meter langes Schiff voller KGMs einnehmen.«

KGM stand für »kleine grüne Männchen« – ein Ausdruck, der sich bis zu den ersten Meldungen über unidentifizierte fliegende Objekte auf der Erde der 1950er zurückverfolgen ließ. Weil eine der Spezies der Allianz eine Körpergröße von nur anderthalb Metern hatte, mutmaßten einige Analytiker vom Militärischen Nachrichtendienst, dem Office of Naval Intelligence, kurz ONI, dass der Feind die Erde vielleicht schon in der Vergangenheit besucht haben könnte. Aber John bezweifelte das. Wäre die Allianz schon einmal auf der Erde gewesen, wäre der Planet jetzt nur noch ein weiterer verglaster Felsbrocken.

»Wir können es schaffen.«

Hoffentlich klang er zuversichtlicher, als er sich fühlte. Einerseits waren er und die anderen Spartans die tödlichsten Soldaten, die die Menschheit je hervorgebracht hatte. Andererseits war die Menschheit vor dem ersten, blutigen Kontakt mit der Allianz nicht einmal sicher gewesen, ob es überhaupt andere intelligente Spezies da draußen gab. Insofern ließ sich nicht bestreiten, dass John und seine Kampfeinheit selbst im besten Fall nur teilweise auf diesen Einsatz vorbereitet waren.

Aber das würde er nicht zugeben. Wenn sein Team heute entschlossen kämpfen sollte, dann musste er absolute Überzeugung ausstrahlen.

Ascot schwieg zu seiner Zusicherung, und John beschloss, noch eins draufzusetzen: »Das ist mein Ernst, Ma’am. Spartans arbeiten schnell.«

»Niemand ist so schnell«, entgegnete sie. »Hören Sie … Sie haben einen Spielraum von maximal fünfzehn Minuten. Wenn jemandem die Luft ausgeht, nachdem Sie an Bord sind, kann die Starry Night nichts tun, um Ihnen zu helfen.«

»Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen.« Aber davon verunsichern ließ er sich nicht. Das SPARTAN-II-Programm war so geheim, dass nicht mal Prowler-Captains alles über die Fähigkeiten der Supersoldaten wussten, die sie ins Gefecht trugen. »Aber unser Sauerstoffvorrat ist nebensächlich, sobald wir erst an Bord sind. Die Atmosphäre auf dem Mutterschiff sollte für Menschen atembar sein.«

»Es gibt einen großen Unterschied zwischen sollte sein und ist.«

»Die Wahrscheinlichkeit ist groß. Sie haben die Geheimdienstberichte gelesen. Es gibt nur eine anaerobe Allianzspezies.«

»Nur eine anaerobe Spezies, von der das ONI weiß«, korrigierte Ascot. »Aber wer sagt, dass es nicht Dutzende mehr gibt, die alles Mögliche von Kohlenstoff bis Kobalt atmen? Das UNSC hat noch viel über die Allianz zu lernen.«

»Ja, Ma’am. Deswegen ja diese Operation.«

»Vorsicht, Spartan«, warnte sie ihn. »Wer den Captain seines Trägers wütend macht, sieht so schnell kein Land mehr.«

»Das war nicht meine Absicht, Ma’am.« Es gefiel John nicht, um Erlaubnis für eine Mission bitten zu müssen – noch dazu eine, die ihnen ONIs Sektion Drei übertragen hatte – aber solange sie an Bord waren, saß Ascot als Captain der Starry Night am längeren Hebel. »Ich finde trotzdem, dass wir das Risiko eingehen müssen.«

»Das habe ich bereits bemerkt.«

Ascots Ton klang verständnisvoll. Das UNSC wusste so gut wie nichts über ihren neuen Feind. Falls die Spartans das Allianzschiff eroberten, dann sollten die Wissenschaftler von ONIs Sektion Drei – der Sektion für Geheimprojekte – die Technologie rekonstruieren und die Geheimnisse lüften können, die die überlegenen Slipspace-Antriebe und die nahezu undurchdringlichen Energieschilde der Allianz umgaben. Mehr noch, sie könnten versuchen, die Leistungsgrenzen der hochmodernen feindlichen Waffen auszuloten und vielleicht sogar ein paar bis dato verborgene Schwachstellen entdecken. Mit ein wenig Glück könnten sie sogar herausfinden, aus welchem Winkel der Galaxis diese Außerirdischen stammten … und warum sie so darauf versessen waren, die Menschheit auszulöschen.

»Aber es ist meine Entscheidung«, fuhr Ascot fort. »Und ich muss sichergehen, dass Sie die Risiken verstehen. Unsere Panzerung wird selbst im besten Fall auf eine harte Probe gestellt, und es gibt mehr Variablen, als wir zählen können. Sollte irgendetwas bei dieser Operation schiefgehen, wären wir machtlos.«

»Wenn Sie damit sagen wollen, dass wir auf uns allein gestellt wären – Spartans sind ausgebildet …«

»Ich sage, dass die Starry Night alles tun wird, um dieser Mission zum Erfolg zu verhelfen«, unterbrach Ascot ihn. »Aber wenn sich ein Risikofaktor vermeiden lässt, so wie dieser Orbitalflug, dann wäre es vielleicht klüger, auf eine bessere Gelegenheit zu warten.«

»Bei allem Respekt, Ma’am, ich muss Ihnen widersprechen.« John wusste, dass sie es gut meinte, aber er zog ihren Vorschlag nicht einmal in Erwägung. Je länger sie warteten, desto größer war die Wahrscheinlichkeit weiterer fataler Komplikationen – und weiterer persönlicher Zweifel, die an ihm nagen würden. »Wir sind bereits seit einem Tag hier und unser Glück wird nicht ewig währen. Früher oder später wird eine Feindpatrouille die Starry Night entdecken – oder ein zweites Allianzschiff wird auftauchen. Oder der feindliche Kommandant entscheidet, dass sie wieder von hier verschwinden sollten. Mir fallen ein Dutzend Faktoren ein, die diese Operation kippen könnten, wenn wir es jetzt nicht riskieren.«

Nachdem Ascot einen langen Moment geschwiegen hatte, seufzte sie. »Mir leider auch.« Es folgte leises Stimmengemurmel, als sie sich mit jemandem auf der Brücke besprach, dann: »Also schön, Spartan. Sie haben Erlaubnis, mit der Operation fortzufahren. Schleudermanöver in fünf Minuten.«

»Verstanden«, bestätigte John. »Danke.«

»Danken Sie mir nicht, Junge. Das ist kein Gefallen.«

Sie unterbrach die Verbindung, und John blieb mit der Hoffnung zurück, dass dies wirklich die richtige Entscheidung war. Sein bester Freund, Samuel-034, war vor ein paar Monaten bei einem ganz ähnlichen Entermanöver gestorben – tatsächlich war jenes Manöver die Inspiration für ihren aktuellen Plan gewesen –, und John konnte sich noch immer nicht erklären, was damals schiefgelaufen war.

Sämtliche Spartans des UNSC waren an Bord eines modifizierten Pelican-Truppentransporters gewesen, auf dem Rückweg von einem Besuch auf Chi Ceti IV, als sie ein Allianz-Schlachtschiff entdeckt hatten, das im Angriffsanflug auf ihre Trägerfregatte war. Die beiden Schiffe hatten sich bereits auf dem Weg dorthin beharkt, und der Fregatte war nur knapp die Flucht gelungen. Nun hatte der Feind sie wieder aufgespürt, und es war offensichtlich, dass das UNSC-Schiff kein zweites Gefecht überleben würde. Also gab John seinen Spartans den Befehl, den Pelican zu verlassen und das feindliche Schlachtschiff zu entern.

Er versuchte sich einzureden, dass sie keine andere Wahl gehabt hatten – wären sie umgekehrt, dann wären die dreiunddreißig Spartans auf einer todgeweihten Kolonie gestrandet. Ja, es war die richtige Entscheidung gewesen, ganz sicher.

Nicht zu vergessen: Der Grund für ihren Besuch auf Chi Ceti IV war, dass die Spartans dort ihre neuen, hochmodernen Mjolnir-Rüstungen erhalten hatten. Mit ihrer Neuralschnittstelle, den leistungssteigernden Schaltkreisen und ihrer Titanlegierung verliehen sie den Trägern das Gefühl, unbesiegbar zu sein, und John brannte genauso darauf wie die anderen, diese neue Rüstung in der Praxis zu testen. Also zögerte er nicht, als das Allianzschiff erneut auftauchte: Er führte seine Einheit in ein improvisiertes Entermanöver.

Ihr hochriskanter Angriff war erfolgreich gewesen – aber er hatte auch ein Opfer gefordert. John und zwei weitere Spartans, Samuel-034 und Kelly-087, hatten das Schiff abgefangen, ein Loch in die kampfgeschwächte Hülle gesprengt und ein Trio von Anvil-II-Sprengköpfen in der Nähe des Reaktorkerns platziert … und dann hatte ein glücklich gezielter Plasmastrahl eine Schwachstelle in Sams Rüstung gefunden und die darunterliegende Versiegelung zerfetzt.

Es gab nur einen Fluchtweg: Sie mussten wieder aus dem Schiff ins All springen, wo Sam den Druckabfall in seiner Rüstung nicht überleben würde. Anstatt ihn zu einem so langsamen und qualvollen Tod zu verdammen, hatte John ihm darum befohlen, zurückzubleiben und die Sprengköpfe zu verteidigen, bis sie detonierten.

Die Entscheidung verfolgte ihn selbst heute noch in seinen Träumen. Das war es, was ihm am meisten zu schaffen machte. Er hatte schon viele Soldaten sterben sehen, erst in der Ausbildung, dann auf dem Schlachtfeld, und nie hatte er deswegen Selbstzweifel empfunden. Aber Sam hatte direkt seinem Befehl unterstanden, und John konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sein Freund heute noch an seiner Seite kämpfen würde, wäre die Mission nur etwas besser geplant und etwas weniger riskant gewesen.

Doch sie hatten keine Zeit gehabt, um besser zu planen, keine Gelegenheit, das Risiko zu minimieren. Rückblickend sah John nur wenig, was er hätte anders machen können. Trotzdem hatte er nicht vor, heute wieder jemanden zu verlieren. Darum trugen die Spartans Notfall-Siegelschaum, zusätzliche Düsenpacks und Peilsender bei sich … genug Ausrüstung, um gegen jeden möglichen Notfall gewappnet zu sein.

Und dennoch machte John sich Sorgen. Größtenteils lag es daran, wie wenig das UNSC noch immer über den Feind wusste. John führte seine Spartans praktisch blind in den Kampf, und seine Ausbildung hatte ihn gelehrt, dass das ein sicherer Weg in die Katastrophe war.

Aber sie mussten es versuchen.

John blickte sich in dem Abwurfhangar um. Ihn selbst eingeschlossen, bereiteten sich gerade zwölf Spartans auf den Einsatz vor. Ihre kantigen Helme und die klobige Mjolnir-Kampfrüstungen verliehen ihnen etwas Robotisches. Ausnahmsweise sahen ihre Körperpanzer nicht alle identisch aus; um die individuellen Stärken der Spartans zu unterstützen und die neuesten Systeme zu testen, waren die Rüstungen vorübergehend modifiziert worden. Außerdem waren sie alle mit einer lichtbrechenden Schicht überzogen, die sie vor feindlichen Sensoren verbergen sollte – dieselbe Beschichtung, die auch die Prowler des UNSC schützte.

Im Moment konnten sie nur raten, ob sich diese Maßnahmen wirklich bezahlt machen würden. Das Einzige, was das UNSC über die Sensortechnologie der Allianz wusste, war, dass sie in aktivem Zustand einen Großteil des elektromagnetischen Spektrums abdeckte. Theoretisch sollte die Technologie also nach denselben grundlegenden Prinzipien funktionieren wie die Sensorsysteme der Menschen – sie sandten ein Signal aus und suchten nach Reflektionen, die von verborgenen Objekten zurückgeworfen wurden. Aber wie gesagt, das war nur eine Theorie. Ebenso gut könnten die Signale, die das UNSC aufschnappte, das Nebenprodukt einer Quantenscanner-Technologie sein, die sich menschliche Forscher nicht einmal in ihren wildesten Träumen vorzustellen vermochten.

Ein weiterer guter Grund, warum sie ein Feindschiff erobern sollten.

Die Beleuchtung des kleinen Hangars verdunkelte sich zu einem fahlen Violett, was bedeutete, dass die Starry Night noch drei Minuten vom Startpunkt ihres Manövers entfernt war. Das dunklere Licht würde weniger Aufmerksamkeit erregen, wenn die Hangarluke aufglitt; außerdem hatten die Spartans so Gelegenheit, ihre Augen an die Dunkelheit des Alls zu gewöhnen, bevor sie absprangen.

»Prüft noch mal alles!«, befahl John. Die Spartans hatten ihre Ausrüstung bereits zweimal kontrolliert, seit sie den Hangar betreten hatten, aber das hier war weniger Inspektion, sondern mehr ein Ritual, um sich vor der Mission zu konzentrieren. »Und dann seht euch euren Nebenmann genau an. Ich will keine losen Riemen oder halb offene Magnetklammern sehen.«

Mehrere Anzeigen in seinem Helm blinkten auf, als elf Spartans den Befehl bestätigten, und John begann, seine eigene Checkliste durchzugehen. Waffen? Geladen und gesichert. Rüstung? Fest versiegelt. Sauerstofftanks? Angeschlossen. Lenkdüsen? Startklar. Ersatzkanister? Aufgeschraubt. Mechanismus zum Abwerfen der Düsenpacks? Bereit. Als er fertig war, drehte er sich zu seinem Inspektionspartner herum – einem Spartan namens Fred-104, der sich durch seinen trockenen Sinn für Humor auszeichnete – und ließ seinen Blick über dessen Rüstung gleiten. Die Platten der äußeren Panzerung saßen perfekt, es gab keine Kratzer oder Schrammen, die die lichtbrechende Beschichtung beeinträchtigen könnten, die Waffen waren alle sicher eingehakt und die Düsenpacks wölbten sich unterhalb des Fusionsreaktors.

John klopfte Fred auf die Schulter, um anzuzeigen, dass alles in Ordnung war, dann ließ er dessen Inspektion über sich ergehen. Als der andere Spartan ihn schließlich anstieß, glühten in seinem Helm bereits fünf Statusleuchten in hellem Grün. Die ersten drei repräsentierten die anderen Mitglieder von Johns eigenem Team, Team Blau. Das vierte Licht stand für Team Gold unter der Führung von Joshua-029, und Licht Nummer fünf symbolisierte Kurt-051 und sein Team Grün. Alles in allem zwölf Spartans, bereit, wie menschliche Geschosse ins All hinauskatapultiert zu werden.

»Diese Abfangmission wird leichter als die bei Chi Ceti IV«, sagte John. »Aber falls ihr das Ziel verfehlt, brecht aus dem Orbit aus und schaltet eure Düsen ab. Bewahrt die Ruhe …«

»Und geht sparsam mit eurem Sauerstoff um«, warf Kelly-087 aus Johns Team ein. Sie war die schnellste der Spartans, körperlich ebenso wie geistig. »Das hast du bereits gesagt. Zweimal.«

»Ich gehe nur sicher, dass niemand es vergisst.«

»Außerdem sollten wir unsere Peilsender erst aktivieren, wenn der Kampf vorbei ist«, fügte Linda-058 an. Sie war wortkarg und zurückhaltend, aber die beste Scharfschützin unter den Spartans – und ebenfalls ein Mitglied von Johns Team. »Wir vergessen es schon nicht.«

»Was ist eigentlich los?«, wollte Kurt wissen. Er hatte eine ausgezeichnete Menschenkenntnis, fand überall schnell Freunde und war ebenso umgänglich wie direkt. »Warum bist du so nervös?«

»Ich bin nicht nervös«, erklärte John. Bei den meisten Einheiten hätte diese Art Unterhaltung an der Grenze zur Insubordination gekratzt – aber die Spartans waren nicht wie die meisten Einheiten. Sie hatten seit ihrer Kindheit zusammen trainiert und sie waren ebenso Familie wie sie eine Einheit waren. Um die Wahrheit zu sagen, wäre John besorgt gewesen, wenn sie nicht so offen reagieren würden. »Ich will nur keine bösen Überraschungen.«

»Als ob es viel Raum für Überraschungen gäbe«, bemerkte Fred. Abgesehen davon, dass er Johns Inspektionspartner war, war er auch der stellvertretende Teamleiter und das vierte Mitglied von Team Blau. »Wir schleichen uns auf ein außerirdisches Schiff und töten alles, was keine Spartan-Rüstung trägt. Und sollte jemand das Schiff verfehlen, zieht er den Kopf ein, bis der Kampf vorbei ist, und ruft erst dann um Hilfe. Ganz einfach.«

»Wenn man es so ausdrückt, dann ja«, sagte John. Niemand hatte die fünf Prowler erwähnt, die sich in der Nähe für etwaige Rettungseinsätze bereithielten, und er hatte nicht vor, daran etwas zu ändern; das würde die anderen nur nervös machen. »Tut mir leid, falls ich zu sehr ins Detail gehe, aber was wir über diese Außerirdischen wissen, würde auf eine Serviette passen.«

»Aber ist das nicht unser Vorteil?«, warf Joshua ein. »Wir wissen, was wir nicht wissen, und deswegen sind wir vorsichtig. Aber die Außerirdischen studieren uns Menschen vielleicht schon eine ganze Weile. Sie werden glauben, mehr über uns zu wissen, als sie eigentlich tun, und das macht sie verwundbar.«

»So hatte ich noch gar nicht darüber nachgedacht.« Unwissenheit als Vorteil zu bezeichnen, war nie eine gute Idee, aber Joshuas Optimismus gefiel John. »Guter Punkt. Die Außerirdischen haben keine Ahnung, wie hart wir zuschlagen können. Noch Fragen?«

Die Reihe von Statusanzeigen in seinem Helm blinkte rot.

»Also gut«, nickte John. »Captain Ascot hat recht: Das wird eine knappe Kiste. Aktiviert die Atemgeräte erst, wenn wir draußen sind. Wir werden vielleicht jede Sekunde Luft brauchen, die wir dabeihaben.«

Die Warnlampen über der Luke wechselten von Rot zu Gelb und Ascots scharfe Stimme hallte einmal mehr aus den Lautsprechern der Starry Night. »Eine Minute bis zum Beginn des Manövers.«

John und die anderen Teamleiter gingen vor der Abwurfluke in Position, und die Mitglieder ihrer Teams reihten sich hinter ihnen auf, wobei jeder nach den Düsenpacks seines Vordermanns griff. Trotz ihrer körperlichen Augmentationen und der mechanischen Leistungssteigerung durch die Mjolnir-Rüstungen würden sie sich während des Schleudermanövers nicht aneinander festhalten können – dafür war die Beschleunigung viel zu groß – aber John wollte, dass die Teams zumindest dicht genug zusammenblieben, um einander im Falle eines Notfalls helfen zu können.

Die Warnlampe begann zu blinken.

»Dreißig Sekunden«, verkündete Ascot.

»Ab jetzt Funkstille«, befahl John.

Kaum dass er die Worte ausgesprochen hatte, deaktivierte der interne Computer seiner Mjolnir-Rüstung jegliche externe Kommunikation. Dabei reagierte er nicht auf den Befehl seines Trägers, sondern auf dessen Absicht, die der Computer durch das neuronale Implantat an seiner Schädelbasis auffing. Diese Schnittstelle erlaubte es John, die fünfhundert Kilo schwere Rüstung ebenso schnell und mühelos zu bewegen wie seinen eigenen Körper. Gleichsam musste er nur an die anderen Spartans denken, um aktuelle Informationen über ihren Status zu erhalten. Obwohl er die Rüstung bereits seit ein paar Monaten benutzte, fand er das Ganze manchmal immer noch unheimlich – vor allem, wenn ein Zielkreuz oder eine Statusmeldung auf seinem HUD erschien, bevor er es überhaupt bewusst aufgerufen hatte.

Die Warnlampen sprangen auf Grün um und die Starry Night wirbelte in einer scharfen Wende von ihrem bisherigen Kurs fort. In diesem Moment ging das Kommando über die Mission auf John über – nicht dass es gerade einen Unterschied machte. Während der nächsten Sekunden bestimmten allein die Gesetze der klassischen Mechanik über ihr Schicksal. John hätte den Start nicht abbrechen können, selbst wenn er es gewollt hätte.

Sein Gewicht verlagerte sich nach achtern. Die Warnlampen erloschen, die beiden Hälften der Abwurfluke teilten sich und glitten in die Wände zurück, sodass eine quadratische Öffnung mit einer Seitenlänge von jeweils vier Metern entstand. Man hatte den Druck im Hangar vor dem Manöver nicht verringert, damit die explosive Dekompression die Spartans zusätzlich beschleunigte.

Im selben Moment, als er den Druck entweichender Luft spürte, sprang John.

Das Erste, wonach seine Augen suchten, waren die fünf weißen Stecknadelköpfe über der braunen Sichel von Netherop. Er entdeckte die Antriebsemissionen der Allianz-Flieger mehr oder weniger dort, wo er sie erwartet hatte, und er behielt sie im Blick, während sein Körper die ganze Wucht der Dreißig-G-Beschleunigung zu spüren bekam. Obwohl der Druck des hydrostatischen Gels in seiner Mjolnir-Rüstung ihn schützte, schrumpfte sein Blickfeld zusammen, und Schmerzen stachen in seine Brust, während das Blut gleichzeitig in den hinteren Teil seines Körpers schoss.

Ein paar Sekunden blieb der schimmernde Schweif des außerirdischen Antriebs im Zentrum seines HUDs, wobei er allmählich größer und heller wurde, als die Spartans aufholten. Der Bewegungstracker zeigte ihm außerdem die drei anderen Spartans von Team Blau, die in einer geraden Linie hinter ihm angeordnet waren. Die anfängliche brutale Beschleunigung hatte ihre Gruppe auseinandergerissen, aber jetzt waren sie wieder zusammen. Team Gold und Team Grün waren bereits außer Reichweite seines Bewegungstrackers, er konnte also nur hoffen, dass ihr Absprung ebenso erfolgreich verlaufen war.

Dann begannen die Antriebsschweife über sein Display zu wandern, ebenso wie der braune Horizont von Netherop, und er erkannte, dass sie den ersten Wendepunkt auf ihrem Vektor erreicht hatten. Also lehnte er sich in die Bewegung und die Sterne wirbelten verschwommen an ihm vorbei. Ein Blick auf die Anzeigen verriet ihm, dass Team Blau in einer langen, geschwungenen Kurve auseinanderdriftete.

Egal. Der Angriffstrupp hatte sich seinem Ziel ohnehin in loser Formation nähern sollen; dicht zusammengedrängt wären sie zu leicht zu erkennen gewesen. Alles, was John tun musste, war, seinen Kurs zu kontrollieren und weiter auf das ferne Allianzschiff zuzuhalten.

Kaum dass der Gedanke in seinem Kopf Gestalt angenommen hatte, erschien ein Wegpunkt auf seinem Display. John versuchte, sich darauf zu konzentrieren, auch wenn ihn dabei ein Schwindelgefühl überkam.

Vermutlich das Kohlendioxid. Es war inzwischen siebzig Sekunden her, seit sie aus dem Hangar gesprungen waren, und er hatte sein Atemgerät noch immer nicht aktiviert.

Wie auf ein Kommando leuchtete das Sauerstofflämpchen auf seinem HUD auf. Frische Luft flutete in seinen Körperanzug und das Schwindelgefühl ebbte ab. Natürlich war es unheimlich, dass seine Rüstung wusste, was er dachte, noch bevor er es selbst tat, aber es befreite ihn von der Pflicht, die internen Systeme selbst zu kontrollieren, wenn er gerade Wichtigeres zu tun hatte.

Mit einem weiteren Gedanken aktivierte John die Düsen, aber nur in kurzen, knappen Stößen. Dabei achtete er darauf, sie entgegen der Bewegung des Wegpunkts zu zünden, damit das kleine X wieder ins Zentrum des Displays zurückwanderte.

Es dauerte nur ein paar Sekunden. Die feindlichen Antriebsschweife waren zu dem Zeitpunkt bereits verschwunden, und John musste sich ins Gedächtnis rufen, dass die physikalischen Bewegungsgesetze ebenso für Allianzschiffe galten wie für ihre menschlichen Gegenstücke. Sobald sie den erwünschten Orbit erreicht hatten, mussten sie ihre Antriebe abschalten; würden sie weiter beschleunigen, würden sie höher und höher steigen und schließlich ganz aus dem Orbit ausbrechen.

Nur zu gern hätte John einen visuellen Beweis dafür gehabt, dass die Allianz nach wie vor der erwarteten Flugbahn folgte. Aber die Spartans waren noch achtzig Kilometer von ihren Zielen entfernt; viel zu weit, um die dunklen Schemen von Jagdmaschinen zu erkennen, die kaum ein Dutzend Meter lang waren und mit deaktivierten Antrieben dahinglitten.

Johns eigenes Team war auf seinem HUD ebenso wenig zu sehen – die maximale Reichweite des Bewegungstrackers lag bei fünfundzwanzig Metern. Also schaltete er die Ansicht auf maximale Vergrößerung und benutzte anschließend das Düsenpack, um sich langsam um die eigene Achse zu drehen, während er die Umgebung nach seinen Spartans absuchte.

Anfangs sah er nur einen verschwommenen Fleck vor den fernen Sternenfeldern. Aber als sich sein Körper in Richtung des Planeten drehte und der Hintergrund zu den braunen Wolkenschichten von Netherop wechselte, ließen sich die Umrisse deutlicher erkennen: winzige menschenförmige Silhouetten. Sollte die feindliche Patrouille in einem höheren Orbit über ihnen vorbeifliegen, könnten die Piloten die kleinen Schatten vielleicht bemerken und erkennen, worum es sich dabei handelte.

Aber das war unwahrscheinlich. Die Außerirdischen waren noch weiter von den kleinen Gestalten entfernt als John, und wenn überhaupt, würden sie nach fremden Raumschiffen Ausschau halten, nicht nach Menschen in luftdichten Rüstungen.

Es dauerte ein paar Minuten, aber schließlich hatte John alle zwölf Mitglieder der Einheit geortet, und eine Woge der Erleichterung spülte über ihn hinweg. Bei Chi Ceti IV hatten fast alle Spartans ihren Abfangvektor verpasst, und er hatte schon befürchtet, dass auch diesmal ein paar Soldaten abdriften würden. Aber diese Sorge entpuppte sich als unbegründet. Diesmal hatten die Spartans einen Plan, die nötige Ausrüstung und sie hatten Erfahrung in ihren neuen Mjolnir-Rüstungen gesammelt. Sie konnten nicht scheitern.

John würde das nicht zulassen.

2. KAPITEL

04:02 Uhr, 5. März 2526 (Militärkalender)

Spartan-Angriffstrupp

Im hohen äquatorialen Orbit, Planet Netherop, Ephyra-System

Die außerirdischen Jäger wurden immer deutlicher sichtbar – fünf dunkle Umrisse, die sich vor der Wölbung von Netherops trübem Horizont abhoben und zu schlanken schwarzen Klingen heranwuchsen, während die drei Teams sich ihnen von unten und hinten näherten. Die Spartans glitten in einem sanften Winkel durch das Gravitationsfeld des Planeten, mit einer Geschwindigkeit von ungefähr dreiunddreißigtausend Kilometern pro Stunde, relativ zum Planeten. Bei diesem Tempo gab es keine Reaktionszeit.

Sollte ein Meteorit oder ein Stück Allianz-Schrott ihren Weg kreuzen, hätte keiner von ihnen eine Chance, noch auszuweichen. Denn wenn das Objekt auf ihrem Bewegungstracker auftauchte, hätte es bereits ein Loch in ihre Rüstung gerissen und wäre schon wieder mehrere Dutzend Kilometer entfernt.

Dennoch hatte John nicht das Gefühl, als würde er sich bewegen. Seit die Spartans aufgehört hatten zu beschleunigen, war es, als würden sie reglos im All treiben. Die Vestibularflüssigkeit in seinen Ohren war im Gleichgewicht und seine Organe hingen schwerelos in seinem Oberkörper. Nur die gewaltigen Wolkenwirbel von Netherop, die unter ihm vorüberzogen, vermittelten ihm ein Gefühl von seiner wahren Geschwindigkeit. Die Wolken … und die Schiffe, die während der letzten Minuten von dünnen, kleinen Dornen zu daumenlangen Klingen angeschwollen waren.

Während ihre Silhouetten weiter heranwuchsen, wurden auch ihre seitlich geneigten Flügel und die Zwillingskanonen an ihrem Bug sichtbar. Es handelte sich um eine exoatmosphärische Version der Ein-Mann-Maschinen, die die Piloten des UNSC »Banshees« getauft hatten. Banshees waren im Kampf nicht übermäßig zerstörerisch, dafür aber umso vielseitiger; je nachdem, welche Variante zum Einsatz kam, benutzte der Feind sie für alle möglichen Zwecke, von Patrouillen innerhalb der Atmosphäre bis hin zu orbitalen Abfangmanövern. Dementsprechend standen sie ganz weit oben auf der Wunschliste der Allianz-Gerätschaften, die die ONI-Wissenschaftler in die Finger bekommen wollten.

Andererseits: Was stand auf ihrer Wunschliste nicht ganz weit oben?

Seit dem ersten »Kontakt« zwischen Allianz und Menschheit war inzwischen mehr als ein Jahr vergangen. Damals waren die Außerirdischen nahe dem Planeten Harvest über eine Raumfahrtroute gestolpert. Ein Versuch der einheimischen Kolonisten, friedlich Kommunikation herzustellen, war in offene Gewalt eskaliert, als die Außerirdischen den Planeten bombardierten und jeglichen Funkkontakt mit anderen Welten blockiert hatten. Ihre Technologie war so überlegen, dass die Koloniale Militäradministration, die CMA (Colonial Military Administration), erst neun Monate später von dem Zwischenfall erfuhr, als die CMA Heracles – das einzig überlebende Schiff einer Mission, die der plötzlichen Funkstille auf Harvest nachgehen sollte – schwerbeschädigt von dort zurückkehrte. Was sie mitbrachte, war eine Botschaft der Außerirdischen: »Eure Zerstörung ist der Wille der Götter und wir sind ihr Werkzeug.«

Am 31. Oktober erreichte diese Kriegserklärung auch das Flottenkommando. Einen Tag später mobilisierte die Vereinigte Erdregierung das UNSC, die CMA und alle anderen Militärdienste, um die fremde Bedrohung zu bekämpfen. Die Spartans kamen erstmals am zweiten November zum Einsatz – und am siebenundzwanzigsten jenes Monats war Samuel-034 gestorben.

Das UNSC befand sich seit nunmehr vier Monaten im Kriegsmodus, aber es war immer noch völlig überrumpelt. Die Außerirdischen hatten die besseren Waffen, die schnelleren Schiffe, die überlegenere Strategie und sie nutzten alle drei Vorteile effektiv. Wie aus dem Nichts tauchten sie aus dem Slipspace auf, um Basen zu zerstören oder Konvois aufzulauern, um Raumwerften aus dem Orbit zu sprengen oder Zivilisten mit hundert Meter breiten Plasmastrahlen zu Asche zu verbrennen. Das UNSC musste einen Konter gegen die Vorteile der Allianz finden – und im Moment war Johns Angriffstrupp ihre beste Chance. Vielleicht sogar ihre einzige.

Der Wegpunkt auf Johns HUD blinkte gelb. Er aktivierte seine Düsen und begann abzubremsen, während er gleichzeitig den Winkel seiner Flugbahn abflachte, bis er einen tieferen Orbit erreichte. Die Banshees waren dank der Vergrößerung seines Helms deutlich sichtbar – schwarze Silhouetten vor dem perlmuttgrauen Dunst der Mesosphäre von Netherop. Sie waren noch immer ein paar Kilometer vor den Spartans, zu weit entfernt, um sie vor den Langstreckensensoren abzuschirmen, über die das Mutterschiff womöglich verfügte.

Aber genau das war der Punkt: John wusste nicht, was für Sensoren die Allianz benutzte, oder mit welcher Präzision diese Sensoren Massesignaturen erfassten. Das war nur eine theoretische Möglichkeit, die die Wissenschaftler des UNSC in den Raum gestellt hatten. Angesichts der technologischen Überlegenheit des Feindes war es aber wohl besser, vom Schlimmsten auszugehen.

Er nahm sich ein paar Sekunden, um erneut seine Spartans abzuzählen. Als er sich vergewissert hatte, dass alle in Position waren, zündete er noch einmal seine Düsen, um sich in einen noch tieferen Orbit zu manövrieren.

Die anderen Spartans folgten seinem Beispiel, dann begannen sie, sich an ihre Ziele heranzuschleichen. Dies war die gefährlichste Phase des Anflugs. Sie waren jetzt nahe genug, dass einer der feindlichen Piloten sie entdecken könnte, wenn er im richtigen Winkel über die Schulter blickte. Unter anderen Umständen hätte John Befehl gegeben, sich den Schiffen schnellstmöglich zu nähern. Aber um die Distanz zu überbrücken, müssten sie noch tiefer gehen, was bedeutete, dass die Spartans noch leichter zu erkennen wären. Also würden sie hinter den Banshees bleiben und auf das Beste hoffen.

Vierzig Minuten lang schoben sie sich Meter um Meter an ihre Beute heran und noch immer waren sie unentdeckt. Die Umrisse der Flieger waren inzwischen kopfgroß, die Linien ihrer nach unten gewölbten Flügel als dreidimensionale Formen erkennbar. Auf der Taktikkarte seines Head-up-Displays rief John eine Projektion des Missionsstatus auf: Noch acht Minuten, dann sollte das Allianz-Mutterschiff über dem planetaren Horizont auftauchen. Danach würde die Masse des Planeten den Angriffstrupp nicht länger vor den Umgebungssensoren des Schiffes verbergen. Theoretisch sollten die Spartans weiterhin unsichtbar bleiben, genauso wie die Starry Night und die anderen Prowler es waren. Theoretisch …

John streckte den Arm über seinem Kopf aus und bedeutete den anderen, sich hinter ihm zu sammeln, anschließend sanken sie in einen niedrigeren Orbit hinab, um die Banshees einzuholen. Die Spartans rückten dichter zusammen, wobei sie aber darauf achteten, weiterhin einen Abstand von ungefähr hundert Metern zwischen den einzelnen Teams einzuhalten. Diese Distanz war gering genug, um einander im Notfall beistehen zu können, aber gleichzeitig groß genug, um keinen auffälligen Haufen dunkler Umrisse zu bilden – oder ein leichtes Ziel abzugeben, das mit einer einzigen Plasmasalve ausgelöscht werden konnte.

Neun weitere, schrecklich lange Minuten verstrichen, dann waren die Spartans endlich dicht genug heran, um die knubbeligen Ausrüstungskapseln an den Flügelspitzen der Banshees zu erkennen. John hob erneut die Hand, aber diesmal schloss er sie zur Faust und drehte sie zur Seite. Der Trupp zog seine Formation weiter zusammen und positionierte sich neu, sodass sie in Zweier- oder Dreiergruppen fünfzig Meter direkt unter den feindlichen Maschinen flogen.

John reckte den Daumen hoch und benutzte sein Düsenpack, um unter dem Banshee ganz links in Position zu gehen. Fred setzte sich neben ihn, während Linda und Kelly in den Schatten des benachbarten Schiffes huschten. Team Grün und Team Gold verteilten sich auf die drei restlichen Flieger. Die Außerirdischen flogen unverändert weiter.

Bislang lief alles wie am Schnürchen. Aber das konnte sich jederzeit ändern und John wollte darauf vorbereitet sein.

Er löste sein Gaußgewehr, ein M99-Stanchion, von der Magnetklammer auf seinem Rücken und vergewisserte sich, dass eine Kugel in der Kammer war. Das M99 wurde normalerweise als Scharfschützengewehr für extreme Distanzen oder gegen leicht gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt, aber seine Zielgenauigkeit und sein rückstoßloser Feuermechanismus machte es zur ersten Wahl für Infiltrationseinsätze in der Schwerelosigkeit, und er hatte den halben Trupp damit ausgerüstet. Die andere Hälfte hatte M41-Raketenwerfer dabei. Die waren zwar nicht so treffsicher wie das M99, aber sie ließen sich vielfältiger einsetzen, außerdem konnten sie ebenso wie das M99 abgefeuert werden, ohne dass der Schütze in der Schwerelosigkeit unkontrolliert um die eigene Achse wirbelte.

Das Allianz-Mutterschiff war inzwischen über dem Horizont von Netherop aufgetaucht, aber wegen der milchigen Obergrenze der Atmosphäre war es nur als verwaschen grauer Klecks zu erkennen, kaum größer als ein Fingernagel. John wusste aber aus der Missionsbesprechung, dass es ein langes, schlanker werdendes Heck hatte, das sich wie ein offener Haken nach unten wölbte.

Falls die Banshees sich an das zuvor beobachtete Vorgehen hielten, würden sie einen Wartungshangar an der Innenseite dieses Hakens anfliegen. Dort würde man sie überprüfen und dann wieder aus dem Hangar manövrieren, sodass sie unter dem lang gezogenen Heck hingen, wo sie sofort einsatzbereit wären.

Durch den Hangar vorzustoßen, würde nach Johns Schätzung der kniffligste Teil des Angriffs werden. Das Heck war ein offensichtlicher Flaschenhals, den man beim ersten Anzeichen von Ärger abriegeln würde – die Spartans mussten also entweder weiter vorn einen Weg an Bord finden … oder sie mussten den Hangar einnehmen, ohne dass jemand Alarm gab.

Zumindest hatten sie Optionen.

Sie blieben unter den Banshees, während diese auf das Mutterschiff zuflogen. Der winzige Umriss wurde immer größer und dunkler, je höher er über Netherops Horizont aufstieg. Die ONI-Analytiker an Bord der Starry Night hatten die Länge des Schiffes mit 550 Metern beziffert, Höhe und Breite mit bis zu 110 Metern – also ungefähr dieselbe Größenordnung wie eine leichte UNSC-Fregatte. Die Standardbesatzung eines solchen menschlichen Schlachtschiffs betrug knapp 250 Crewmitglieder plus Kampfeinheiten, aber niemand konnte sagen, wie viele Außerirdische sich an Bord dieses Ungetüms tummelten.

Schließlich verschwand das Mutterschiff hinter den Banshees aus ihrem Blickfeld, und John gab seinem Angriffstrupp das Signal, sich dichter unter die Flieger zu klemmen. Der Abstand betrug jetzt nur noch ein paar Meter, aber das Mutterschiff befand sich inzwischen fast direkt über ihnen, jedenfalls relativ zum Planeten, und er wollte nicht riskieren, dass ein Außerirdischer zufällig durch ein Bullauge spähte und ein Dutzend menschlicher Silhouetten über den braunen Wolken von Netherop entdeckte.

John und Fred trennten nur ungefähr zwei Meter von ihrem Banshee, einer links der Heckstabilisatoren, der andere rechts davon. Bei dieser geringen Entfernung konnten die Maschinen ihren Orbit vermutlich mit dem des Mutterschiffes synchronisieren, ohne ihre Hauptantriebe zu aktivieren, aber John hatte nicht vor, das Risiko einzugehen. So widerstandsfähig die neue Mjolnir-Rüstung auch sein mochte, er wollte nicht herausfinden, ob sie einem Feuerstoß aus weiß glühenden Antriebsgasen standhielten.

Wenig später war John froh, diese Vorsichtsmaßnahme getroffen zu haben, denn die Banshees hoben ihre Nasen an und zündeten eine halbe Sekunde lang ihre Hauptdüsen. Die Spartans folgten dem Manöver, aber ihre Düsenpacks konnten nicht mit der Schubleistung der außerirdischen Antriebe mithalten, und sie fielen rasch hinter den Banshees zurück. Einen Moment später konnten sie bereits wieder das Mutterschiff über sich sehen, eine riesige, tränenförmige Dunkelheit, die sich unheilvoll von der Sternenlandschaft ringsum abhob.

Die Banshees benutzten die Manövrierdüsen, um abzubremsen und ihre Orbits anzugleichen, dann senkten sie ihre Nasen wieder und positionierten sich etwa fünfzig Meter unter dem Bauch des Trägers – zweifelsohne warteten sie auf Andockerlaubnis.

Alle fünf Maschinen waren nach hinten gewandt, dem Inneren des gekrümmten Hecks zu; die Piloten konnten also nicht sehen, wie die Spartans aufstiegen und wieder unter ihnen in Position gingen. Die Unterseite des Mutterschiffes, die sich über den Banshees ausdehnte, war so dunkel wie ein Nachthimmel, was John zu der Annahme führte, dass es keine Aussichtsfenster oder Beobachtungskuppeln gab, von wo aus man den Angriffstrupp hätte erspähen können. Der Eingang des Wartungshangars hingegen war ein hell erleuchtetes, flaches Oval, das ihnen wie ein riesiges Auge zugewandt war. Noch waren die Spartans zu tief, um ins Innere sehen zu können, aber John war sicher, dass da drinnen jede Menge Mannschaftsmitglieder auf die Ankunft der Banshees warteten.

Er hob seine Faust, woraufhin die anderen in ihrer aktuellen Position verharrten. Anschließend reckte er den Zeigefinger hoch und drehte ihn kreisförmig. Die Spartans rückten in ihrer Position zusammen und bereiteten sich auf das Entermanöver vor.

Eins nach dem anderen stiegen die Banshees zu der erleuchteten Öffnung unter dem Heck des Mutterschiffs hoch und eins nach dem anderen verschwanden sie jenseits des Hangareingangs. Das schwache Schimmern, das ihr Verschwinden begleitete, deutete auf eine Art Energiebarriere hin.

John wartete, bis nur noch ein Banshee übrig war, dann zeigte er seinen erhobenen Daumen. Sein Trupp setzte sich auf gleiche Höhe mit dem Flieger und stieg dann gemeinsam mit ihm nach oben, ihre Waffen im Anschlag und entsichert.

Sekunden später erhaschten sie einen ersten Blick ins Hangarinnere: einen länglichen Raum, dreißig Meter tief und zwanzig breit, erhellt durch blauweißes Licht, seine Wände von abgerundeten Alkoven gesäumt, die mit Ausrüstung und Vorräten gefüllt waren. Überall staksten die hochgewachsenen, vage vogelähnlichen Wesen herum, denen das UNSC den Spitznamen »Schakale« gegeben hatte, aber da war auch ein halbes Dutzend geflügelter, insektoider Kreaturen und ein Duo der kleinen, maskentragenden Zweibeiner, die bei den Menschen als »Grunts« bekannt waren.

Der letzte Banshee begann gemächlich auf den Eingang des Hangars zuzuschweben – was wohl bedeutete, dass noch immer niemand die Spartans entdeckt hatte. Mit ein wenig Glück würden John und sein Trupp bald die stolzen neuen Besitzer einer Allianzfregatte sein … oder wie immer die Analytiker das Schiff am Ende einstuften.

John winkte Fred und Kelly nach vorne – sie würden sich um den Piloten des Banshees kümmern –, dann hob er sein M99 an die Schulter und senkte seinen Helm zum Zielvisier. Ein Fadenkreuz erschien auf seinem HUD, und er ließ den Blick durch den Hangar schweifen, während er sein Ziel auswählte. Er war der dritte Scharfschütze von links, also gebot das ungeschriebene Gesetz des Überraschungsangriffs, dass er das drittgefährlichste Ziel auf dieser Seite ausschaltete. Die Prioritätenliste war dabei klar: Kommandanten, Kommtechniker, feindliche Scharfschützen, besonders schnelle Gegner, Feinde mit schweren Waffen und dann der Rest. Das Problem mit der Allianz war, dass die Menschen sie noch nicht lange genug bekämpften, um diese Rollen eindeutig identifizieren oder sie den verschiedenen Spezies und Rüstungsarten zuordnen zu können. Sie würden sich also auf die wenigen handfesten Informationen und die spekulativen Theorien verlassen müssen, die ihnen zur Verfügung standen.

John konnte keine klar erkennbaren Kommandanten oder Kommtechniker sehen, also nahm er einen Feind der dritten Prioritätsstufe ins Visier: eines der Insektenwesen – er betrachtete sie als Drohnen. Anschließend nickte er, und nachdem er im Kopf von drei heruntergezählt hatte, drückte er ab.

Ein schwaches Glühen raste am Lauf des M99 entlang, als sich die elektromagnetischen Spulen aufluden und das Projektil aus der Waffe katapultierten. Einen Wimpernschlag später explodierte der Schädel der Drohne in einem Regen aus Blut und Chitinsplittern. John schwenkte zum nächsten Ziel auf seiner Seite herum – einem der Grunts – und feuerte erneut. Diesmal loderte orangefarbenes Licht auf, als etwas an der Rüstung der Kreatur explodierte.

Kurz drehte John den Kopf, um zu dem letzten Banshee hinüberzublicken. Fred hielt den Rand des Cockpits mit einer Hand offen, mit der anderen zerrte er den hünenhaften Piloten aus dem durchlöcherten Inneren. Kelly war auf der anderen Seite des Banshees und hielt sich ebenfalls mit einer Hand fest, während sie mit ihrer M6-Pistole weiter Kugel um Kugel in die schwer gepanzerte Brust des Außerirdischen jagte.

Als John sich wieder seinem Fadenkreuz zuwandte, sah er zwei Mitglieder derselben außerirdischen Spezies, zu der auch der Pilot gehörte. Diese Wesen waren größer und kräftiger gebaut als die Schakale, mit breiten Schultern und kompakten länglichen Schädeln. Sie trugen einen mit Panzerplatten besetzten Körperanzug, und ihren Bewegungen wohnte eine stolze Anmut inne, als sie aus einer der Nischen auftauchten. Nicht zuletzt wegen dieses Stolzes vermutete John, dass sie eine höhere Stellung in der Hierarchie der Allianz einnahmen. Mit zwei schnellen Schüssen schaltete er sie aus, dann sah er sich nach seinen nächsten Zielen um. Als er keine entdeckte, stieß er das M99 von sich – in Richtung von Netherop, sodass die Waffe aus dem Orbit fallen und beim Atmosphäreneintritt verbrennen würde – dann griff er hinter seine Schulter und zog den MA5K-Karabiner aus seiner Magnethalterung. Nachdem er sich mit einem kurzen Blick vergewissert hatte, dass der Schalldämpfer aufgeschraubt war, aktivierte er sein Düsenpack und führte die Spartans in den Hangar.

Sein HUD flackerte kurz und verdunkelte sich, als sie die Energiebarriere passierten und von der künstlichen Schwerkraft des Schiffes erfasst wurden, aber die Darstellung normalisierte sich wieder, noch ehe seine Füße auf dem Deck aufsetzten. John ließ sich durch die Störung nicht beirren, machte sich aber dennoch eine mentale Notiz. Mjolnir-Rüstungen sollten gegen elektromagnetische Interferenzen geschützt sein, aber das ONI hatte offensichtlich noch viel über die Technologie der Außerirdischen zu lernen, und womöglich konnte dieser Aussetzer den Wissenschaftlern von Sektion Drei zu hilfreichen Einsichten verhelfen.

Der Rest des Angriffstrupps schob sich von den Seiten in den Erfassungsbereich seiner HUD-Anzeige, als die Spartans schnell und erfahren den Hangar durchsuchten. Dabei jagten sie jedem der verstreut herumliegenden Außerirdischen sicherheitshalber noch mal zwei Kugeln in den Schädel. Mehrere Schakale hatten versucht, durch erhellte Öffnungen an den Hangarwänden zu fliehen, aber sie waren nicht weit gekommen. Und falls jemand versucht hatte, Alarm auszulösen, hatte er augenscheinlich keinen Erfolg gehabt.

Das galt auch für die Piloten der anderen Banshees. Drei von ihnen waren mit dem Helm unter dem Arm gestorben, was bedeutete, dass sie keinen Zugriff auf die – vermutlich – integrierten Kommsysteme gehabt hatten. Der vierte Pilot, der als letzter in den Hangar geflogen war, hatte ein M99-Geschoss abbekommen, gerade als er die Cockpithaube seines Banshees aufgeklappt hatte, um auszusteigen. Die Überreste seines Helms und seines Schädels waren nun über das Innere seines Fliegers verstreut.

John konnte es kaum glauben. Der gesamte Spartan-Angriffstrupp war im Innern des Hangars und der Feind hatte keine Ahnung. Wann lief eine Mission je so glatt?

3. KAPITEL

05:02 Uhr, 5. März 2526 (Militärkalender)

Nicht identifizierte Allianzfregatte

Im hohen äquatorialen Orbit, Planet Netherop, Ephyra-System

Ein kurzer Blick auf die Anzeige des HUDs bestätigte, dass sie die Atmosphäre in dem leichenübersäten Hangar atmen konnten – was eine große Erleichterung war, denn der Sauerstoff in ihren Tanks reichte nur noch für vierzehn Minuten. Der Computer in Johns Mjolnir-Rüstung kam seinem nächsten Befehl zuvor, indem er das Atemgerät abschaltete, und warme, bittere Luft begann in seinen Helm zu strömen.

Er aktivierte die externen Lautsprecher des Anzugs und den Funk. »Wir haben Luft, alle Mann.« Solange neue Luft durch die Filtersysteme ihrer Rüstungen strömte, würden sich auch die Tanks wieder auffüllen. »Team Gold, durchsucht die Ausrüstung und macht alles Interessante für den Abwurf bereit. Legt auch ein paar dieser Kerle mit den vier Kiefern dazu. Ich bin nicht sicher, ob die Xenos diese Sorte schon unter dem Messer hatten.«

Er meinte die Xenowissenschaftler von der neuen Beta-3-Division von Sektion Drei, eine schnell wachsende ONI-Abteilung, ins Leben gerufen, um die Technologie der Allianz zu analysieren und zu rekonstruieren.

Die Statusanzeige von Joshua-029 blinkte grün, als er den Befehl bestätigte, anschließend machten er und der Rest seines Teams sich daran, verschiedene Waffen und Werkzeuge zusammenzutragen. Sobald sie die Cockpits der Banshees damit gefüllt hätten, würden sie die Flieger aus dem Hangar stoßen, damit die Prowler sie gefahrlos einsammeln konnten. Selbst wenn es dem Angriffstrupp nicht gelang, das Mutterschiff einzunehmen, hätte das UNSC so zumindest etwas, das es untersuchen konnte.

John führte derweil Team Blau und Team Grün zu einer überdimensionierten Luke im hinteren Teil des Hangars. Die Wand ringsum war mit den Einschlägen von M99-Geschossen übersät. Die Kugeln hatten ihre lebenden Ziele glatt durchbohrt, aber der dicken Panzerung des Schiffes hatten sie nichts anhaben können.

John sah sich gerade nach einer Kontrolltafel oder einem mechanischen Hebel um, als die Luke plötzlich aufglitt … und dahinter zwei Schakale zum Vorschein kamen. Sie waren durch einen graublauen Korridor herbeigeschlendert, der über zwei Rampen durch das gewundene Heck des Schiffes nach unten führte, und sie gackerten und gurrten aufeinander ein, ohne auf ihre Umgebung zu achten. Bevor sich daran etwas ändern konnte, sprang John durch die Luke, und er jagte dem rechten Schakal eine Kugel durch den Kopf. Fred folgte seinem Beispiel und schaltete den linken aus.

Während die beiden Schakale rücklings auf das Deck kippten, glitt die Tür hinter den beiden Spartans wieder zu. Augenscheinlich reagierte sie auf nahe Bewegungen – auf dem Allianzschiff, das Team Blau bei Chi Ceti IV geentert hatte, war es genauso gewesen. John bedeutete Fred, den Korridor voraus zu sichern, dann warf er die beiden Leichen zurück in Richtung des Hangars. Die Luke dort hatte sich wieder geöffnet, um den Rest von Team Blau und Team Grün durchzulassen.

»Team Grün, ihr sichert alle Abteile und Kreuzungen, während wir vorrücken«, sagte John.

Anschließend eilte er Fred nach, der bereits die erste Rampe hochgestiegen war und nicht länger von Johns Bewegungstracker erfasst wurde.

Während sie vorrückten, konnte John nur darüber staunen, wie natürlich sich das Gehen in dem gewölbten Korridor anfühlte. Obwohl sich die beiden abgeknickten Rampen steil nach oben neigten, hatte er immer das Gefühl, dass unter seinen Füßen »unten« war. Die Außerirdischen verstanden offensichtlich mehr von künstlicher Schwerkraft als die Menschen.

Keine große Überraschung.

Nach fünfzig Metern erreichten sie das obere Ende des gekrümmten Heckkorridors. Hier gingen sie nun mehr oder weniger an der Decke des Schiffes, aber sie stürzten nicht einfach nach unten. Stattdessen beschrieb der Gang erst eine 90°-Drehung, sodass die Wand zum neuen Boden wurde, und kurz darauf eine zweite. Jetzt waren sie wieder genauso ausgerichtet wie unten im Hangar.

Das Angriffsteam befand sich noch immer im hinteren Teil des Mutterschiffes, aber als sie losjoggten, wurden mehr und mehr Luken entlang der Korridorwände sichtbar. Die erste von ihnen öffnete sich automatisch, sobald die Spartans näher kamen, und Kurt feuerte ein paar Kugeln durch die Tür, dann streckte er den Kopf hindurch. Ein paar Sekunden später meldete er: »Vorratskammer.«

Team Blau rückte derweil allein durch den Korridor weiter. Team Grün folgte ihnen zwar, aber sie fielen stetig weiter zurück, während sie die anliegenden Räume überprüften. Nach weiteren fünfzig Metern machten die kleinen Luken hohen Toren Platz, die sich teilten, anstatt irisartig aufzugleiten. Im Moment blieben sie aber geschlossen; sie reagierten offensichtlich nicht auf nahe Bewegungen. Und da waren insgesamt fast zwei Dutzend von ihnen, in Abständen von wenigen Metern an der Wand verteilt.

»Das gefällt mir nicht«, sagte Kelly. Sie blickte über die Schulter; Team Grün überprüfte gerade dreißig Meter hinter ihnen einen weiteren Raum. Bei einem so großen Abstand könnte ganz leicht jemand zwischen den beiden Gruppen auftauchen und die Teams zwingen, in die Richtung des jeweils anderen zu feuern. »Soll ich die Türen aufsprengen, die sich nicht öffnen?« Sie hatte eine fünfzig Meter lange Rolle Sprengschnur in einer ihrer Ausrüstungstaschen, und es würde nur drei Sekunden dauern, um es an den großen Toren zu platzieren und sie aufzuzwingen.

Aber John zählte zwanzig Tore, und das bedeutete, dass sich ihr Vormarsch um eine volle Minute verzögern würde. Er hielt einen Moment inne, um zu visualisieren, wo sie sich gerade innerhalb des Schiffes befanden und inwiefern das diese neue Türform erklären könnte. Hauptsächlich nutzte er den Augenblick aber, um zu entscheiden, was gefährlicher war: sich aufzuteilen oder dem Feind eine Minute mehr Zeit zu geben, um sie im hinteren Teil des Schiffes einzusperren. So oder so würde es Tote geben, falls etwas schiefging.

»John?«, drängte Fred. »Wir sind seit siebzig Sekunden auf diesem Gang …«

»Wir gehen weiter«, bestimmte John. Wenn er sich nicht täuschte, befanden sie sich gerade im schmalsten Teil des Schiffes. »Nichts wird durch diese Türen kommen.«

Team Blau setzte sich in Bewegung, aber Kelly fragte: »Bist du dir da sicher?«

»Sicher genug«, antwortete er. Natürlich war das gelogen – wenn die Leben von Spartans auf dem Spiel standen, war sicher genug nie genug – aber er hatte eine Entscheidung treffen müssen. »Wir sind hier über den Banshee-Aufhängungen. Diese Tore sind versiegelt, weil sie als Luftschleusen dienen.«

Kelly schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Du bist schlauer, als du aussiehst.«

»Das will nicht viel heißen«, kommentierte Fred. »Lasst uns trotzdem den Bereich hinter uns im Auge behalten.«

»Hätte ich sowieso gemacht«, erwiderte Linda. »Ich bin nämlich auch schlauer, als John aussieht.«

»Danke, Team.« Er fühlte sich nicht durch ihre Sprüche beleidigt; im Gegenteil, er war froh, dass sie die angespannte Stimmung durch diese Scherze auflockerten. »Wenn wir wieder auf der Starry Night sind, melde ich euch alle zum Wischen des Frachthangars.«

Diese Ankündigung wurde mit Stöhnen und Murren quittiert, und sie joggten weiter auf eine übergroße Irisluke zu, die in den Hauptteil des Schiffes führen sollte. Bislang hatte der Schwerpunkt ihrer Mission auf schnellem und unbemerktem Handeln gelegen, aber sobald sie diese Tür passierten, würden das Überraschungsmoment und schiere Feuerkraft über ihren Erfolg – und ihr Überleben – entscheiden. Ein Dutzend Schritte von dem Durchgang entfernt ließ John die Truppe anhalten, und während Fred sich den Raketenwerfer auf seine Schulter wuchtete, nahmen die anderen die Granaten von ihrem Gürtel. Einen Moment später knackte sein Helmlautsprecher, als jemand den Funkkanal des Prowlers benutzte.

»Kontakt! Zwei … nein, drei … Banshees! Antriebslos.« Die Stimme war aufgeregt, männlich und sie sprach Englisch, behaftet mit einem hörbaren Akzent der Äußeren Kolonien. »Der Angriffstrupp muss sie für uns zurückgelassen haben …«

»Beenden Sie diese Übertragung!«, fuhr eine zweite Stimme dazwischen. »Das ist keine interne Frequenz. Sie sind auf dem Missionskanal.«

»D-Der Missionskanal?«, stammelte die erste Stimme. »Oh, Sch…«

Der Sprecher verstummte mitten im Wort, zweifelsohne, weil er seinen Fehler erkannt und die Verbindung unterbrochen hatte.

»Was zum Teufel war das denn?«, schnappte Kelly. »Wollen die, dass wir entdeckt werden?«

»Das klären wir später.« Es war schwer vorstellbar, dass ein Mannschaftsmitglied auf einem der Prowler ihre Mission absichtlich torpedierte, aber den Einsatzkanal mit einer internen Frequenz zu verwechseln, war ein Fehler, den man nicht einmal einem Neuling verzeihen würde. »Weiter jetzt.«

John deutete in Richtung der Luke.

Kelly trat vor … aber die Tür blieb geschlossen.

»Nicht gut«, brummte Fred. Aus einem Lautsprecher an der Wand ertönten geblaffte Befehle in einer außerirdischen Sprache. »Man könnte sogar sagen, wir sitzen in der Tinte.«

»Solange es nur Tinte ist«, erwiderte John. »Wir können es noch immer schaffen.«

Fred legte seinen Helm schräg. »Habe ich etwa gesagt, wir schaffen es nicht?«

»Nein.« John erkannte, dass es nicht Fred war, den er zu überzeugen versuchte. Seine Zweifel machten ihn wütend und er drehte sich energisch zu Kelly um. »Spreng die Tür.«

Kelly war bereits dabei, die Sprengschnur aus ihrer Ausrüstungstasche zu ziehen. »Ich nehme besser ein wenig mehr – für den Fall, dass auf der anderen Seite ein Begrüßungskomitee wartet.«

»Verstanden«, nickte John. »Fred, behalt den Finger am Abzug.«

»Er war nie woanders.« Freds Statusanzeige blinkte grün.

Der M41 SPNKR verfügte über ein Zwei-Rohr-Ladesystem, das es erlaubte, in rascher Folge zwei Raketen abzufeuern – was von großem Nutzen sein konnte, wenn man sich einem feindlichen Hinterhalt gegenübersah.

Oder zumindest war es bei den Kampfübungen mit menschlichen Gegnern so gewesen.

John schob seine Zweifel beiseite und aktivierte den privaten Kanal der Spartans. »Die Funkstille ist beendet«, verkündete er. »Sie wissen, dass wir hier sind.«

»Was du nicht sagst«, meldete sich Daisy-023. Sie war die Infiltrationsspezialistin von Team Gold und die Eigensinnigste des gesamten Trupps. »Wenn wir hier rauskommen, werde ich den Trottel finden, der uns hat auffliegen lassen, und dann reiße ich ihm den …«

»Nach der Mission«, mahnte John.

»Ist das dein Ernst?«, fragte Daisy. »Du hast kein Problem damit?«

»Im Moment zählt nur die Mission«, erklärte er. »Alles andere kommt später.«

Er reagierte auf den Rückschlag, wie man es ihm beigebracht hatte, schnell und unbeirrt, aber in seinem Hinterkopf geisterte dennoch die Frage herum, wie viele seiner Freunde wohl wegen des Fehlers dieses Sensortechnikers sterben würden. Noch wäre Zeit, die Mission abzubrechen …

»Köpfe einziehen«, sagte Kelly.

Fred ließ sich fünf Meter vor der Tür auf ein Knie sinken, während John sich gemeinsam mit Kelly und Linda gegen die Korridorwand drückte. Nachdem sie mit einem kurzen Blick sichergestellt hatte, dass alle in Position waren, drückte Kelly den Detonator, und die Luke verschwand hinter einem Vorhang aus Rauch und Flammen. Ein dumpfer Knall hallte durch Johns Helm, als die Druckwelle seinen Kopf gegen die Wand hämmerte.

Fred benutzte die glühenden Ränder des Loches als Zielkreuz und jagte eine M21-Antipersonenrakete durch das dunkle Loch. Eine halbe Sekunde späte erschütterte ein lautes Donnern das Deck unter ihren Füßen, woraufhin eine ölige schwarze Rauchwolke aus der zerstörten Luke hervorwallte. Wenig später folgten die ersten Lichtblitze feindlicher Plasmawaffen.

Zumindest brauchte John sich jetzt nicht mehr zu fragen, wann ihre Glückssträhne wohl reißen würde.

Er nahm eine Granate von seinem Gürtel, wartete aber noch, bis Fred sich aufrichtete und seine zweite Rakete in einem leicht abwärts geneigten Winkel in den Rauch feuerte. Eine weitere Explosion schüttelte das Deck durch und der stete Strom aus Plasmastrahlen verwandelte sich in ein Rinnsal.

John presste den Daumen auf den Druckzünder der Granate und warf sie in einem weiten Bogen durch das Loch. Diesmal war der Knall deutlich leichter, aber er brachte den Feindbeschuss vollends zum Erliegen. Als John mit erhobener Waffe durch die Überreste der Luke stieg, fand er sich in einem weiteren Korridor wieder, dieser deutlich breiter als der hintere. Rauch trübte die Luft und der Boden war übersät mit verkohlten, verkrümmten Leichen. Sämtliche Opfer gehörten zu Spezies, die sie bereits kannten; größtenteils Schakale, ein paar von der reptilienhaften Variante wie die Banshee-Piloten – hochgewachsen, muskulös, mit kompakten Schädeln und vier Mandibeln. Im Gegensatz zu den Piloten trugen diese Kerle aber dicke, konturierte Rüstungen und längliche Helme mit einem langen, spitz zulaufenden Nackenschutz. Bei drei Toten handelte es sich außerdem um die knapp menschengroßen Kreaturen, die sie schon im Hangar bekämpft hatten. Sie erinnerten an Insekten mit zu klein geratenen Flügeln, hatten vier Gliedmaßen und ihr Körper war in fünf Segmente unterteilt.

Die meisten der Außerirdischen trugen keine Rüstung und auch nur Handfeuerwaffen. Das führte John zu der Vermutung, dass sie Offiziere oder Techniker gewesen waren, keine Krieger. Ein paar von ihnen zuckten noch, andere lagen in Reichweite ihrer Plasmapistolen, also schoss er ihnen sicherheitshalber allen zweimal in den Kopf. Das Letzte, was sie bei dieser Mission brauchen konnten, waren eine Handvoll verwundeter Überlebender, die ihnen in den Rücken fielen.

Johns Blick huschte über sein HUD. Der Rest von Team Blau war hinter ihm in Position und Team Grün hatte sich bereits durch die halbe Länge des Hecks vorgearbeitet. Zufrieden setzte er sich wieder in Bewegung. Die Aufgabe von Team Blau war es, die Brücke einzunehmen, und sie hatten schon genug Zeit verloren. Die Xenoanalytiker an Bord der Starry Night hatten ihnen versichert, dass sich der Kommandoraum im Bug des Mutterschiffes befand – natürlich war auch das letztlich nur geraten, aber sein Instinkt sagte ihm dasselbe.

Hinter ihnen trat Team Grün durch die aufgesprengte Luke. Ihre Mission war es nun, den Maschinenraum zu sichern, und die Position der Antriebsdüsen deutete klar darauf hin, dass ihr Ziel sich im Bauch des Schiffes befinden musste. Also teilten sie sich auf und suchten die Seitengänge nach einem Weg zu den unteren Decks ab.

Die Aufgabe von Team Gold war es derweil, ihnen taktische Unterstützung zu leisten. Sie hatten den Hangar inzwischen ebenfalls verlassen und würden jegliche Feinde ausschalten, die versuchten, Team Blau oder Grün von hinten zu überraschen. Nach ihren bisherigen Gefechten mit der Allianz zu schließen, würde sich keiner der Außerirdischen ergeben, aber falls doch, oblag es Team Gold außerdem, die Gefangenen zu bewachen.

Team Blau rückte weiter vor, wobei sie nur auf wenig Gegenwehr stießen. Alles in allem töteten sie auf den nächsten dreihundert Metern vielleicht fünfzehn Außerirdische, die versuchten, durch Korridore zu fliehen oder in anliegenden Abteilen Deckung zu suchen. Das Schiff wirkte regelrecht verlassen – ein sicheres Zeichen, dass der Feind ihre Position kannte und sich gesammelt hatte.

Fünfzig Meter voraus war nun das Ende des Korridors zu sehen: eine breite, horizontal-ovale Luke mit einer sichtbaren Nahtstelle in der Mitte. Als die Spartans näher kamen, bemerkte John, dass das Deck zu beiden Seiten der Tür wie abgewetzt glänzte – vermutlich das Resultat von Stiefeln, die hier regelmäßig Habachtstellung annahmen, wenn ein Vorgesetzter vorbeikam. Von den Wachen selbst fehlte aber jede Spur.

John bedeutete Kelly, die Luke zu sprengen, gleichzeitig schickte er Fred und Linda ein Stück zurück, um ihnen Feuerschutz zu geben. Die Allianz würde vermutlich zuschlagen, wenn die Spartans die Luke durchquerten, aber ebenso logisch wäre es, sie von hinten anzugreifen, bevor sie sich überhaupt Zugang verschaffen konnten. Während Kelly die Sprengschnur anbrachte, aktivierte John den Teamkanal.

»Team Blau bereitet die Stürmung der potenziellen Brückenposition vor.« Vermutlich würden die Außerirdischen die Übertragung erfassen, aber dass sie die doppelte Verschlüsselung des Teamkanals knackten, war mehr als unwahrscheinlich. »Team Grün, wie ist euer Status?«

»Wir sind auf dem dritten Deck und suchen einen Weg weiter nach unten«, meldete Kurt. »Stoßen auf moderaten Widerstand durch Schakale und die fliegenden Kakerlaken.«

»Der Codename für die fliegenden Kakerlaken ist Drohnen«, korrigierte John. »Wie lange noch, bis ihr den Maschinenraum erreicht?«

»Keine Ahnung«, gestand Kurt. »Noch haben wir ihn jedenfalls nicht gefunden.«

»Dann sucht weiter«, sagte John. »Und haltet mich auf dem Laufenden.«

»Verstanden.« »Team Gold?«

Bevor Joshua antworten konnte, teilte sich die große Luke entlang der Mittellinie, und ein Trio weiß lodernder Kugeln flog in einem hohen Bogen aus den Schatten dahinter hervor. John erkannte, dass der Feind eine völlig verrückte Taktik gewählt hatte, auf die keiner von ihnen vorbereitet gewesen war: einen direkten Angriff.

»Granaten! Los, los, los!«