"Heimat Sylt" - Jürgen Kaack - E-Book

"Heimat Sylt" E-Book

Jürgen Kaack

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Beschreibung

Woher kommen die einzelnen Familienzweige und wie haben sie sich im Lauf der Jahrhunderte verändert? Lassen sich nach der langen Zeit noch Gründe für Umzüge und neue Berufe herausfinden? Wie hat sich die Vermischung von zugezogenen mit eingesessenen Familien in der weiteren Entwicklung ausgewirkt? Diesen Fragen versucht die Abhandlung nachzugehen. Im Rahmen der Forschung wurden über 18.000 Personen identifiziert. Es fanden sich viele Brüche und Änderungen im Lebenswandel. Nach 300 Jahren als Hufnern und Käthnern in der wird Claus Kaack Lehrer und danach findet sich kein weiterer Landwirt. Ein Sohn aus der Fuhrmanns-Familie Janssen wird dänischer und später preußischer Finanzbeamter, der die Sylter Finanz- und Rentenkasse lange Jahre leitet. Sein Sohn Johann gründet eine der ersten Privatbanken in Westerland. Johann Wachsmuth zieht von Göttingen nach Hadersleben. Er war Kürassier und Hutmacher im Oldenburgischen Kürassier-Regiment. Seine Kinder leben erst in einer Armensiedlung und werden später Landwirte, Hotelbetreiber und Seeleute. Bahne Johannsen kommt als Pastor auf die Hallig Langeneß und heiratet in eine Kapitänsfamilie ein, seine Söhne werden Kapitäne. Sylter Vorfahren waren Seeleute, Schiffer und Kapitäne, einige auch Walfänger vor Grönland, Landwirte und Ratsleute. Ein Mordfall geschieht 1756 auf Sylt und ein bewaffneter Raubüberfall 1840 in Vaale. Mehrere Familien wandern im 19. Jahrhundert nach Nordamerika aus und entwickeln sich dort anders weiter als Verwandte in der alten Heimat. Auf der Wanderschaft bleibt Elias Funcke in Braunschweig und heiratet in eine Familie von Seifensiedern und Brauern ein. Unter seinen Vorfahren finden sich über 20 studierte Prediger, u.a. am Ulmer Münster. Ein Philosoph und Arzt kommt 1628 nach Augsburg und besiegt die Pest-Epidemie. Vorfahren der Familie Kröger waren die Ritter von Steenhuis, die über mehr als 250 Jahre hinweg in Rees am Niederrhein lebten. Nachfahren kommen 1560 nach Meldorf. Von den Steenhuis führt die Ahnenreihe zurück zu den Grafen von Jülich und von dort über die Grafen von Metz zu fränkischen Hausmeiern und Kaisern u.a. zu Karl dem Großen und Karl Martell. In der Völkerwanderung vor dem Jahr 500 haben Vorfahren bei Vandalen, Burgundern und Goten gestaltend gewirkt, z.B. in der Person von König Theoderich von den Ostgoten, Herrscher von Rom. Über die Grafen von Boulogne sind König Alfred von Wessex und später Wilhelm der Eroberer direkte Vorfahren.

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Widmung

Meine Mutter Charlotte hat mir in der Jugend bei den ersten Ansätzen zur Erforschung unserer Vergangenheit geholfen und mit Erzählungen aus ihrer Jugend Anreize zur weiteren Forschung wichtige Anregungen gegeben. Die Ergebnisse der Forschung hat sie nicht mehr erlebt, da sie viel zu früh 1990 gestorben ist. Das Buch widme ich meinem Großvater Kapitän Charles Carstensen, dessen Leben ich erst in der Rückschau und lange nach seinem Tod 1970 wirklich zu würdigen gelernt habe, seine Charakterstärke und Unbeirrbarkeit sind für mich vorbildlich.

Auch dem erst im Rahmen der Recherchen gefundenen Antonius Steinhaus widme ich mein Buch. Er ist ein 1534 geborenen Nachkommen westfälischer Adliger, der im 16. Jahrhundert zusammen mit seinem Vater und Bruder auf der Flucht vor der Verfolgung vor Herzog Alba aus den Niederlanden in Dithmarschen eine neue Heimat gefunden hat. Seine Lebensgeschichte ist faszinierend, er hat sich nach der Flucht zunächst als Ratsdiener in Hamburg betätigt und wurde schon mit 26 Jahren als Landschreiber zu einem der höchsten Beamten im Herzogtum. Als er starb, war er einer der einflussreichsten Bürger in Dithmarschen mit einem sehr großen Landbesitz.

Daneben möchte ich den Text allen bislang namenlosen Vorfahren der Familien Carstensen, Janssen, Niedhardt, Wachsmuth und Kaack widmen und ihnen ihren Platz in der Geschichte geben. Stellvertretend möchte ich Margarethe Mortensdatter aus Hadersleben hervorheben, von deren Existenz ich ebenfalls vor wenigen Jahren nichts wusste, deren Hochzeitstruhe von 1779 mich allerdings schon seit einigen Jahrzehnten als Erbstück begleitet!

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

Vorwort zur 5. Auflage

Zusammenfassung

Uthlande und Festland

1.1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede

1.2. Die friesische Welt im Umbruch

1.3. Westerland von der Jahrhundertwende bis 1950

Die Ur-Sylter Familien Peters, Bleicken und Boysen

2.1. Tinnum - Heimat des Sylter Zweiges

2.2. Sylter Walfang-Kommandeure: Tam Peters, Lorenz Petersen de Hahn, Dirk Meinerts Hahn

2.3. Sylter Ratsmitglieder und Landvögte: Hans Nisse Schmidt, Familie Taken

2.4. Inken Bleicken und der schwedische Kapitän Søeberg

Die Wachsmuth-Familie - Handwerker und Seefahrer

3.1. Kürassier und Hutmacher Wachsmuth aus Göttingen

3.2. Der Archsumer Zweig der Wachsmuth-Familie

3.3. Meinert Wachsmuth wandert 1865 nach Oregon aus

3.4. Der Mordfall Kressen Haicken

3.5. Johann Wachsmuth heiratet in Braderup ein

3.6. Der Tinnumer Wachsmuth-Zweig und die alten Sylter Familien

Familien Niedhardt, Kopper, Blume und Mügge aus Niedersachsen

4.1. Familie Niedhardt aus Braunschweig

4.2. Die Münsterprediger aus der Ulmer Familie Funck

4.3. Die Theologen-Familien Vietor, Schmidt und Gerlin

4.4. Familien Hoppmann und Weidemann aus Braunschweig

4.5. Familien Blume und Mügge aus Bad Gandersheim und Gittelde

4.6. Familie Müller aus Bornhausen

4.7. Familien Kopper und Hebel aus Schönhagen und Einbeck

4.8. Familie Wiegand aus Bad Gandersheim

4.9. Familien Niedhardt und Müller im zweiten Weltkrieg in Hamburg

Die Carstensen-Familie aus Mögeltondern

5.1. Umzug von Mögeltondern nach Rodenäs

5.2. Frederick Carstensen wandert 1886 nach Utah aus

5.3. Diderich Edlef begründet den Westerländer Carstensen-Zweig

5.4. Die schwere Jugend von Charles Carstensen

5.5. Anna Müller und Charles Carstensen heiraten 1921

5.6. Charlotte Carstensens Jugend in Haus Schöneck

5.7. Charlotte Carstensen im Arbeits- und Kriegsdienst

5.8. Die Kriegshochzeit von Charlotte Carstensen

5.9. Die Währungsreform von 1948 und Annas letzte Lebensjahre

Der Aufstieg der Familie Janssen

6.1. Ursprünglich Fuhrleute in Eckernförde

6.2. Die Lorenzen-Familie – von Sonderborg nach Hadersleben

6.3. Rentmeister Lorenz Nicolay Ludwig Janssen

6.4. Johann Janssen gründet in Westerland eine Bank

6.5. Die Janssen-Töchter und die Barone Baur-Breitenfeld

6.6. Maria Janssen heiratet Oberst Adolf Bulla

6.7. Ernst Emil Janssen – Zahnarzt und Unternehmer in Flensburg

6.8. Dr. Claudius Waldemar Janssen – Tierarzt und Offizier

6.9. Zahnarzt und Jagdflieger Claudius Waldemar Janssen

6.10. Dose und Kröger – Landwirte in Steinburg und Brunsbüttel

6.11. Familie Struve von Landwirten zu Astronomen

Vorfahren aus frühen Volksstämmen bis zum 16. Jahrhundert

7.1. Die Ritter von Steinhaus und Grafen von Jülich

7.2. Die Salfranken – Vorgänger der Merowinger

7.3. Die Karolinger Hausmeier und Kaiser

7.4. Die keltischen Königreiche von Domnonia und Icenia

7.5. Mamikonian, Gregoriden und Bagratiden aus Armenien

7.6. Die Sachsen

7.7. Norwegische, dänische und schwedische Könige

7.8. Grafen von Boulogne, Herzöge der Normandie und englische Könige

7.9. Die Heruler während der Völkerwanderung

7.10. Die Burgunder während der Völkerwanderung

7.11. Theoderich der Große und die Ostgoten

7.12. Die Westgoten von der Krim bis nach Spanien

7.13. 100 Jahre Vandalenreich bis 533

7.14. Aelia Galla Placidia und Eudoxia Valentina aus Rom

7.15. Die Grafen von Stade ab 810

Familie Kaack

8.1. Ursprünge als Vollhufner in Mühbrook

8.2. Familie Johannsen – auf Föhr und den Halligen

8.3. Schröder und Struve: Hufner und Lehrer in Vaale und Gribbohm

8.4. Die Kinder von Thrin und Claus Kaack

8.5. Johannes Kaack - erfolgreicher Unternehmer in Flensburg

8.6. Mathilde Janssen und Dr. Hermann Kaack heiraten

8.7. Wilhelm Kaack – eine Jugend ohne Mutter und der Weltkrieg

8.8. Neuorientierung nach dem Krieg und eine neue Generation

Dr. Jürgen Kaack – Entrepreneurship in der Telekommunikation

Migration

Offene Enden im Stammbaum

Erkenntnisse und Statistiken

Anregungen für die eigene Familienforschung

Danksagung

Quellen und weiterführende Literatur

Über den Autor

Vorbemerkungen

Wann kann eine Familie als Sylter Familie bezeichnet werden? Eine eindeutige Definition besteht nicht und ich habe für dieses Buch definiert, dass eine Familie dann als Sylter Familie gilt, wenn sie mindestens eine Generation lang auf Sylt gelebt haben. Nach dieser Festlegung sind unter den Vorfahren die vom Festland zugezogenen Familien Janssen, Carstensen und Wachsmuth Sylter Familien. Für die Familien Müller und Kaack gilt dies aufgrund des Zuzugs um 1914 bzw. 1919 nur bedingt. Nur wenige der heutigen Insel-Bewohner stammen tatsächlich ursprünglich von Sylt. So hatte Westerland noch 1804 bescheidene 437 Einwohner, gut 100 Jahre später waren es dann 2.292. Als „Ur-Sylter“ Familien werden im Folgenden solche bezeichnet, deren Geschichte sich bis in 17. Jahrhundert auf Sylt zurückverfolgen lässt. Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass auch diese Familien in den Jahren davor zugewandert sind.

Um den Zuzug und die Beweggründe für einen Umzug zu verstehen, reichen „nackte“ Zahlen und Statistiken kaum aus. Nähere Aufschlüsse kann die nähere Betrachtung einzelner Familien geben und die Entwicklung von Beginn der dokumentierten Geschichte nachzuverfolgen. Die Veränderungen in den Familien nach dem Umzug und die Vermischung mit einheimischen Familien gibt Aufschluss über Auswirkungen. Für die Betrachtung des Zuzugs wurden Informationen zu Familien oder einzelnen Personen aus Mögeltondern, Hadersleben, Sonderborg, Eckernförde, Bordesholm sowie Brunsbüttel, Vaale und Steinburg recherchiert. Aus weiterer Entfernung stammen eine Familie aus Braunschweig und Ulm und ein Kapitän aus Göteborg. Die Betrachtung der Einzelschicksale kann zwar nicht alle möglichen Fälle der Zuwanderung auf die Insel Sylt abdecken, aber einen guten Einblick in die Hintergründe geben.

Unter den Vorfahren der Familie Kröger befindet sich Antonius von Steinhaus, der als Nachkomme von westfälischen Adeligen aus Rees am Niederrhein zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder auf der Flucht vor dem katholischen Statthalter Herzog Alba von Antwerpen nach Meldorf kam. Die Ritter Steenhuys sind familiär verbunden mit den Grafen von Jülich, von denen der Pfad über die Grafen von Metz zu den karolingischen Königen und Kaisern führt. Auch norwegische Herrscher kleiner Teilreiche und sächsische Häuptlinge und Heerführer lassen sich unter den über 18.000 in der Datenbank erfassten Personen zuordnen. Die Quellen- und Beweislage ist bei den frühen Vorfahren allerdings nicht immer eindeutig.

Die systematische Recherche in der Neuzeit anhand von Vor-Ort-Studien, Literaturrecherchen, die Durchsuchung von online verfügbaren Quellen und durch Auftragsrecherchen bei Stadt- und Kirchenarchiven hat teilweise erstaunliche Fakten zu Tage gebracht. Aber nicht alle Lücken konnten sicher geschlossen werden und so enthalten die dargestellten Informationen teilweise Mutmaßungen. Es ist nicht Ziel dieses Werks, ein Geschichtsbuch mit wissenschaftlichem Anspruch zu liefern. Mit den genannten Methoden ist es gelungen, große Teile der Vorfahren bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts zu identifizieren. Aus Sekundärquellen konnte der Ausblick bis in die Zeit von Christi Geburt verlängert werden über einen Zeitraum von mehr als 60 Generationen hinweg.

Spannender als die Daten zu Geburt, Heirat und Tod sind die „weichen“ Faktoren, wer waren die Menschen und was hat sie bewegt, wie sind sie mit Krisen im Leben umgegangen? Diese Fragen lassen sich umso schwieriger zu beantworten, je weiter die Ereignisse in der Vergangenheit zurückliegen. Aber auch zu Ereignissen im frühen 20. Jahrhundert wird es immer schwieriger, Zeitzeugen zu finden. So basieren die Darstellungen der Personen, von Helden wie Versagern, aus subjektiven Einschätzungen zu Informationen und mündlichen Überlieferungen.

Die fünfte Auflage des vorliegenden Buch enthält wesentliche Teile aus den bereits erschienen Veröffentlichungen „Sylt – Erinnerungen einer Familie“, „Familien Kaack und Janssen – Herkunft und Geschichte“, „Chronik der Familien Carstensen, Wachsmuth und Bleicken“ sowie „Anna Müller aus Braunschweig“ und verbindet die einzelnen Teile zu einer umfassenden Gesamtchronik.

Vorwort zur 5. Auflage

Die vorliegenden Inhalte des Buches basieren auf etwa zehn Jahren an Recherchen und Auswertungen zur Familienforschung zu Vorfahren und Verwandten der Familie Kaack. Es war nicht absehbar, dass das Werk einen solchen Umfang annehmen würde, wie es sich jetzt darstellt. In den vorhergehenden Auflagen endete die Betrachtung mit dem Anfang der Kirchenbuchschreibung im 15. oder 16. Jahrhundert. Erst nachdem die Verbindung der Familie Janssen zum 1601 in Meldorf verstorbenen Landschreiber Antonius Steinhaus (früher Steenhuys) aufgedeckt werden konnte, hat sich eine Möglichkeit eröffnet für die Erforschung früherer Generationen.

Bereits in der vierten Auflage wurden das Rittergeschlecht von Steenhuys und ihre Verbindung zu den Grafen von Jülich beschrieben. Auch die hierüber gegebene Verbindung zu Karolingern, Merowingern und Sachsen konnte dargestellt werden.

Für die fünfte Auflage habe ich mich entschlossen, auch die - teilweise unsicheren – Verbindungen zu noch früheren Vorfahren zu betrachten. Es hat sich gezeigt, dass zu vielen Völkern aus der Zeit der Völkerwanderung direkte Beziehungen zu finden sind. Neben den dänischen, schwedischen und norwegischen Warlords, Häuptlingen und Königen finden sich Vorfahren unter den Anführern von Goten, Herulern, Burgundern, Vandalen und Salfranken sowie zu den Fürstenhäusern in Armenien und den Grafen von Flandern und Boulogne. Legendäre Könige wie Theoderich der Große von den Ostgoten und von Rom, Geiserich von den Vandalen, Alarich von den Westgoten und Chlodwig I. „der Langhaarige“ von den Merowingern sind (mit den gegebenen Unsicherheiten) direkte Vorfahren. Über die Grafen von Flandern und Boulogne ist der englische König Alfred von Wessex ebenso ein direkter Vorfahre wie über einhundert Jahre später Wilhelm „der Eroberer“, Herzog der Normandie und ab 1066 König von England.

Diese Persönlichkeiten haben historische Bedeutung und sind für zahlreiche Veränderungen verantwortlich, die nicht nur ihre Zeit geprägt haben. Dies und die familiären Verbindungen zwischen Völkern und Herrscherhäusern haben mich motiviert, diesen Teil als eigenständiges Kapitel mit in meiner Chronik aufzunehmen. Anders als in den anderen Teilen habe ich hierfür nur Sekundär- und Tertiärquellen zur Verfügung. Für die Persönlichkeiten und ihre Zeit gibt es bereits ausführliche und gute Literatur. Da ich diesen Werken keine neuen Erkenntnisse entgegensetzen kann und auch keine zusätzlichen Quellen zur Verfügung habe, ist es eine Gratwanderung, wie weit eine Darstellung gehen kann und soll. Ich habe mich für einen Mittelweg entschieden und aus den verschiedenen Online-Quellen und Büchern kurze Texte zusammengestellt, die aus meiner Sicht ausreichen, um die Randbedingungen und Rollen der jeweiligen Vorfahren zu erläutern. Das Hauptaugenmerk lege ich dabei auf die Darstellung der zahlreichen Verbindungen und Eheschließungen zwischen den einzelnen Vorfahren, die mich zunächst erstaunt haben, sich aber bei näherer Betrachtung in den meisten Fällen plausibel erklären lassen. Zudem war die Mobilität dieser Vorfahren in der Zeit vor dem Jahr 1.000 durchaus höher, als oft vermutet. Beispielsweise hat die 959 in Konstantinopel geborene byzantinische Prinzessin Theophanu Skleros in Rom Kaiser Otto II. geheiratet, dort mit ihm bis zu seinem Tod gelebt, und danach mit ihren Kindern in Köln residiert.

Wer beim Lesen dieses Kapitels die historische Tiefe vermisst, sei an die im Kapitel „Quellen und weiterführende Literatur“ genannten Werke verwiesen. Über diese Zusammenstellung hinaus findet man zudem weitere Werke qualifizierter Historiker.

In der fünften Auflage sind anhand von Erkenntnissen, die sich seit Veröffentlichung der vierten Auflage ergeben haben, eine Reihe von Ergänzungen, Fotos und Grafiken zu einzelnen Familienzweigen eingeflossen, u.a. zu Vorfahren der Familie Janssen in der Elbmarsch.

Ich wünsche viel Vergnügen beim Lesen meiner Chronik.

Jürgen Kaack

Zusammenfassung

Die Analyse der ausgewählten Familien erlaubt einen Rückblick auf eine 500-jährige Geschichte der Familie. Im Laufe der Forschung ergab sich in einem Fall eine bis 1.500 Jahre zurückzuverfolgende Linie direkter Vorfahren. Im Hinblick auf die Herkunft finden sich zu drei Vierteln nordelbische Holsaten, Jüten und Nordfriesen und zu einem Viertel Vorfahren aus dem Gebiet Braunschweig in Niedersachsen. Je einer der Vorfahren kam aus Göteborg in Schweden, Schoonhoven in den Niederlanden, Ulm und Nimptsch (Schlesien) im heutigen Polen. Die Vorfahren aus der Gegend nördlich der Elbe gliedern sich in drei Viertel:

Jüten

aus Süddänemark (Højer, Haderslev, Mögeltondern, Süderlügum, Humptrup)

Inselfriesen („Uthlands-Friesen“)

von Sylt, Föhr und den Halligen Gröde, Habel und Langeneß

Holsaten

aus den Bereichen Bordesholm, Vaale, Neuenkoogsdeich und Westerbüttel (Brunsbüttel), Steinburg zwischen Glückstadt und Elmshorn sowie Nübbel bei Rendsburg

Teile der Holsaten im Bereich nördlich der Elbe stammen aus Niedersachsen, den Niederlanden und dem Niederrhein. Nach der Besiedelung Englands durch Angeln, Sachsen, Friesen und Jüten im 5. Jahrhundert entstand in diesen Gebieten wohl wieder freier Siedlungsraum, der im Laufe der folgenden Jahrhunderte insbesondere von den Altsachsen genutzt wurde. Die „Ur-Sylter“ Familien, die eine Verbindung mit den Zugezogenen eingegangen sind, lebten überwiegend in dem kleinen regionalen Gebiet um Westerland, Tinnum und Keitum.

Betrachtet werden im Folgenden die Ursprünge und Veränderungen in den Familienzweigen Carstensen, Wachsmuth, Janssen, Lorenzen, Johannsen, Dose, Kröger, Thormählen, Müller, Niedhardt, Mügge, Blume, Buchwald, Søeberg, Schröder und Kaack. Aus diesen Zweigen gab es insbesondere seit Anfang des 19. Jahrhunderts Zuzüge auf die Insel Sylt, die Geburtsort und Heimat für nachfolgende Generationen wurde. Durch Einheirat kam es zu Verbindungen mit den Ur-Sylter Familien Bleicken, Erken, Boysen. Seit den Neunzehnhundertneunziger Jahren lebt keiner der engeren Verwandten der Familie Kaack mehr auf Sylt. Wie bei vielen anderen Familien sind Verwandte in der Vergangenheit zugezogen und später entweder in anderen Familien aufgegangen oder wieder weggezogen.

Unter den Vorfahren der Familie Kröger aus Brunsbüttelkoog findet sich der 1534 in Antwerpen geborene „Erste Landschreiber“ und Notar Antonius Steinhaus. Er ist der letzte Nachfahre aus dem Rittergeschlecht von Steinhaus / Steenhuis / Steenhuys, das über mindestens 17 Generationen hinweg am Niederrhein gelebt hat und ursprünglich das Rittergut Obbenburg in Hambach besaß. 1246 heiratet Goeddert von Steinhaus Odilia Schellart von Obbendorf, eine Enkelin von Gerhard von Jülich (1147 bis 1198). Gerhard war der zweite Sohn des Grafen Wilhelm I. von Jülich, dessen Ahnenreihe von Gerhard VI. bis Gerhard I. von Jülich zurückreicht. Der Vater von Gerhard I. war Graf Gerhard II von Metz aus dem Haus Matfriede. Die Linie der Matfriede reicht bis zum Grafen Gerhard I. von Paris, der um 779 gestorben ist. Gerhards Großvater war König Karl III. und unter den weiteren Vorfahren finden sich die Könige Ludwig II, Karl II., Ludwig I sowie Kaiser Karl der Große, und seine Vorgänger König Pippin III., Karl Martell und die Hausmeier zu den direkten Vorfahren. Über die Gräfin Hildegard von Vinzgau und Ehefrau von Karl dem Großen ergibt sich eine Verbindung zum sächsischen Herrschergeschlecht, das in Überlieferungen bis in die Zeit um 111 vor Christus zurückreicht.

Ein Viertel der Vorfahren sind Altsachsen und stammt aus Niedersachsen. Erst durch Nachkommen, die Anfang des 20. Jahrhunderts nach Hamburg gezogen sind, hat sich dort durch Einheirat eine Verbindung mit der Familie Carstensen ergeben. Mindestens seit dem 17. Jahrhundert, wahrscheinlich aber auch schon davor, lebten die Mitglieder der Familien Niedhardt in Braunschweig und waren als Handwerker (z.B. Seifensieder und Bierbrauer) tätig. In Einbeck und Hilwartshausen führten einige Vorfahren als Leineweber, Tuchmacher und Lohgerber ein vermutlich überdurchschnittlich armseliges Leben. In Teichhütte am Rand des Harzes wurde seit früher Zeit Bergbau betrieben und das gewonnene Erz verhüttet. So findet sich hier der Beruf des „Hüttemanns“ (Hüttenmann bzw. Schmelzer am Hochofen). In diesem Familienzweig waren andere männliche Vorfahren als Musketiere, Grenadiere und Unteroffiziere tätig. Außer dem allgegenwärtig vertretenen Landmann finden sich hier somit andere Berufsbilder als bei den Vorfahren aus den nördlichen Regionen.

Mit der Familie de Moor ist eine Familie im 18. Jahrhundert aus Schoonhoven in den Niederlanden nach Wolfenbüttel gezogen und hat 1803 in die Familie Wittemann eingeheiratet. Aus Bad Gandersheim ergab sich die früheste bekannte Auswanderung einer neunköpfigen Familie in die USA mit einer Rückkehr kurze Zeit später (sofern die Auswanderung tatsächlich stattgefunden hat).

Elias Funcke kam auf der Wanderschaft aus Ulm nach Braunschweig und ist dortgeblieben. Er ist der Nachfahre einer verzweigten Familie von studierten Theologen und Pfarrern aus Baden-Württemberg und Hessen. Sein Vater, Großvater und Urgroßvater waren Prediger am Ulmer Münster („Münsterprediger“). Unter seinen Vorfahren ist auch der Pest-Arzt Dr. Dr. Johannes Henisius, der 1628 in Augsburg und 1630 in Verona das Pestlazarett übernommen hat. Später wurde er Stadtarzt in Augsburg und Hofarzt der bayerischen Herzöge.

Auf den beiden folgenden Karten sind die Siedlungsräume der Nordfriesen mit blauen Kreisen markiert, diejenigen der Jüten in rot und die Holsaten in schwarz.

Die Siedlungsgebiete der Vorfahren aus dem Raum Braunschweig sowie aus Wolfenbüttel, Bad Gandersheim, Bornhausen, Einbeck und Hilwartshausen sowie Teichhütte.

Darunter eine Übersicht zu den Vorfahren des 1715 aus Ulm nach Braunschweig zugezogenen Elias Funck(e). Die Vorfahren kamen sowohl aus dem Raum Alsfeld, Marburg als auch aus Goddelau, Stuttgart und Ulm.

Eine der frühesten überlieferten Erwähnungen der Familie Kaack datiert aus den Jahren 1501 und 1564 in den Aufstellungen des Klosters Bordesholm, dem vom Königshaus die Abgaben der Bauern aus der kleinen Gemeinde Mühbrook am östlichen Ende des Einfelder Sees zugesprochen worden waren. In diesen Texten werden 1501 ein Claus und ein Heneke Kack aufgeführt sowie 1564 ein Hans und ein Claus Kaeck. Die Schreibweise der Namen folgte damals vermutlich eher lautsprachlichen Adaptionen als schriftlich überlieferten Namensformen. Die Vornamen Hinrich, Hans und Claus finden sich häufig unter den Nachfahren des Familienzweiges Kaack. Aufgrund der zu der Zeit noch nicht vorhandenen Kirchenbuch-Einträge kann keine direkte Verbindung zu dem ersten dokumentierten Hufner Lorenz Kaack von 1606 hergestellt werden. Die Koinzidenz der Namen an einem sehr kleinen bäuerlichen Weiler legt aber zumindest nahe, dass es sich Mitglieder einer Familie handelt.

Aufzeichnungen von Abgabenberechnungen für Bauern in Mühbrook („Mudebroke“) aus den Jahren 1501 und 1564 an das Kloster Bordesholm. Im links abgebildeten Dokument von 1501 ist an zweiter Stelle ein Claus Kack aufgeführt und an vierter Stelle Heneke Kack (entnommen dem „Hufenbuch“ von Jürgen Kaack, Geschichtsverein für das ehemalige Amt Bordesholm e.V., 2012). Das Dokument auf der rechten Seite stammt von 1564 und erläutert die Legitimierung der Abgabenforderung durch das Kloster. Unter den Abgabenpflichtigen sind an erster Stelle Hans Kaeck und an dritter Stelle Claus Kaeck aufgeführt, zu denen eine verwandtschaftliche Beziehung nicht nachweisbar ist.

Neben den frühen Vorfahren der Familie Kaack sind Claus (ca. 1525) und Johann Schacht (1547) aus dem Kreis Steinburg sowie Johann Boye (1507), Johann Wilckens (1510), Johannes Pauls (1540) aus dem Umland von Brunsbüttel als früherste bekannte Vorfahren aus dem Familienzweig Dose dokumentiert, die später in die Familie Janssen eingeheiratet hat. Im Familienzweig Kröger, die als Vater von Margaretha Maria Dose (1838), geborene Kröger, in die Familie Dose kommt, finden sich die Landschreiber Johannes Wasmer (1556) und Antonius Steinhaus (1534). Der früheste Vorfahre aus der Wasmer-Linie ist der 1430 enthauptete Bremer Bürgermeister Johannes Wasmer (1365). In der Steinhaus-Linie findet sich in einem Zweig der Lüneburger Ratsherr Nikolaus von Schiltstein (1150) als frühester Vorfahre und die Linie der Ritter von Steinhaus (oder Steenhuis) führt zurück bis zu Theodor von Steinhaus (um 1080) und über die Grafen von Jülich zu Graf Gerhard II. von Metz (um 935). Über die karolingischen Herrscher mit u.a. Karl dem Großen (747) und Karl Martell (um 688) sowie die merowingischen Könige reicht die Linie zu sächsischen und norwegischen Häuptlingen. Der früheste erwähnte Sachsen-Häuptling ist der um 100 vor Christus geborene Harderich von Sachsen. Der früheste unter den fränkischen Vorfahren war Herzog Genebald I. der Ostfranken (um 260) Die Linie der Janssen lässt sich mit Friederich Jansen aus Eckernförde nur bis 1711 zurückverfolgen. Der früheste belegte Verwandte von Sylt ist der Landvogt Knut Taken von ca. 1550. Die frühesten direkten Vorfahren von Sylt sind Niß Schmitt und Tam Peters (beide ca. 1625), zu deren Nachfahren Inken Boysen Bleicken gehört. Der früheste direkte Vorfahre der Familie Carstensen war Kersten Clausen aus Gallehus bei Mögeltondern von 1672. In der Familie Wachsmuth beginnt meine Forschung um 1600 in Göttingen mit dem Hutmacher Hans Waßmoht. Der Beginn der Aufzeichnung in den Kirchenbüchern stellt oft das Ende der Ahnenforschung dar. Sowohl bei einer patronymischen Namensgebung als auch bei vielen ähnlichen Vornamen in einem regional eng begrenzten Raum wird eine eindeutige Zuordnung erschwert.

Mit Inken Boysen Bleicken lebte vor 1800 nur eine der Ur-Ur-Großeltern und mithin 3% der direkten Vorfahren auf Sylt. Zusammen mit den benachbarten Festlandsbereichen um Rodenäs, Mögeltondern und Højer kommen weitere 5 Vorfahren hinzu (15%). 2 Vorfahren stammen aus Jütland und 4 von der Insel Föhr und den Halligen Gröde, Langeneß und Habel. Zusammen ergibt sich ein Anteil von immerhin 38% der Vorfahren von den nordfriesischen Inseln und Halligen sowie dem benachbarten Jütland. Aus dem Gebiet Rendsburg, Brunsbüttel, und Steinburg stammen weitere 31% der Vorfahren. Ein Viertel kommt über die Familienzweigen Niedhardt, Müller und Blume aus dem Raum Braunschweig, Bad Gandersheim und Einbeck. Mit dem zeitweilig auf Sylt ansässigen Kapitän Johan Frederick Søeberg aus Göteborg stammt nachweislich einer der Vorfahren aus Schweden.

Die Herkunft der Familie Wachsmuth blieb lange unklar. Der bis vor Kurzem früheste bekannte Vorfahre aus dieser Familie, Johann Andreas Wachsmuth, lebte von 1735 bis ca. 1750 in Hadersleben und anschließend bis ca. 1760 in Sønder Sejerslev, seine Frau stammt aus der kleinen Stadt Nimptsch in Niederschlesien. Bei der Suche nach den Musterungsrollen fand sich im Göttinger Stadtarchiv ein Eintrag zum Verkauf eines Hauses durch den Kürassier Johann Andreas Wachsmuth im Jahr 1736. Dies passt gut zu der weiteren Entwicklung und belegt, dass die Familie Wachsmuth aus Göttingen kam. Der früheste bekannte Wachsmuth hieß Hans Waßmoht und wurde um 1585 geboren. Einschließlich Johann Andreas Wachsmuth, der am 27.03.1705 in Göttingen geboren wurde, waren die männlichen Vertreter als Hutmacher tätig.

Aus welchen Gegenden kamen die Vorfahren im Einzelnen auf die Insel, warum haben sie ihre angestammte Heimat verlassen, womit haben sie ihren Lebensunterhalt bestritten und wohin sind sie gegebenenfalls weitergezogen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Familienforschung zu den betrachteten Familienzweigen, die Ergebnisse stellt der vorliegende Text vor. Dabei hat die Eingliederung des damals dänischen Gebietes in das preußische Reich 1874 kaum einen Einfluss auf die Entwicklung der meisten Familienzweige gehabt, da zu diesem Zeitpunkt der Zuzug aus den heute dänischen Gebieten bereits erfolgt war. Wesentlich einschneidender als der schleswigsche und der folgende deutsch-dänische Krieg 1850 bzw. 1864 waren die Auswirkungen durch die beiden Weltkriege auf Mitglieder der Familien Carstensen, Janssen und Kaack, obwohl es im nördlichen Schleswig-Holstein selber kaum kriegerische Auseinandersetzungen gab. Mindestens sechs engere Familienmitglieder waren in Kampfhandlungen verwickelt, ein Kampfflieger starb im ersten Weltkrieg im Luftkampf über Flandern, ein anderes Familienmitglied in Ostpreußen.

Folgende Orden sind (so weit bekannt und nachvollziehbar) an Familienmitglieder verliehen worden: ein Ritterkreuz 2. Klasse, drei Eiserne Kreuze 2. Klasse, ein Eisernes Kreuz 1. Klasse. Die Schilderungen zum Ersten und Zweiten Weltkrieg sollen den Einfluss des Zeitgeschehens auf die Entwicklung einzelnen Personen beschreiben aber keinesfalls eine irgendwie geartete positive Bewertung der menschenverachtenden Gewaltherrschaft sein. Aus dem Kreis der Wachsmuth und Carstensen sind insgesamt fünf Familien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts aus unterschiedlichen Motivationen in die USA ausgewandert. Aus dem Wachsmuth-Zweig zog eine nach Portland in Oregon und eine nach Milwaukee in Wisconsin. Aus dem Kreis der Carstensen emigrierte eine Familie nach Hoboken in New Jersey und eine andere nach Salt Lake City in Utah, nachdem sie in Fredericia in Dänemark zum mormonischen Glauben missioniert wurden. Nachkommen dieser Familien leben heute noch in den genannten Regionen. Die Betrachtung der bekannten Lebensläufe zeichnet ein Bild von Schicksalsschlägen, menschlicher Größe und Versagen.

In der Datenbank zu Verwandten und Vorfahren sind über 18.000 Personen gespeichert; bei einer Auswertung der Daten nach den Namen ergibt sich eine nicht unerwartete Häufung der Namen (in absteigender Folge): Kaack, Carstensen, Petersen, Boysen, Peters, Wachsmuth, Nissen, Möller und Grimm. Die Reihenfolge ist aber kein Indiz für die tatsächliche „Größe“ eines Familienzweiges, da hierfür ergänzende Informationen zu berücksichtigen wären. Interessant ist die Häufung des Auftauchens einzelner Namen im zeitlichen Verlauf. Auch dies ist kein Anhaltspunkt für die Gesamtanzahl von Personen. Vielmehr kann die Häufung von Namen in einer bestimmten Zeitspanne einen Hinweis auf die Zeit der Verbindungspunkte zwischen den Familienzweigen geben. Bei Zweigen mit patronymischer Namensgebung ändert sich der Nachname in aufeinander folgenden Generationen. Einige Vorfahren sind im Laufe der Generation durch Heirat in einem anderen Familienzweig aufgegangen und spielten in der weiteren Entwicklung der Familien Carstensen und Kaack keine Rolle mehr. Andere Linien der namensgebenden Zweige können aber durchaus für sich oder in anderen Konstellationen bis heute fortbestehen. Betrachtet man die ethnische Zugehörigkeit der Vorfahren so finden sich mit leichtem Übergewicht von Holsaten als nordelbische Sachsen fast gleichverteilt Jüten, Nordfriesen und Altsachen.

Holsaten (nordelbischer Sachsenstamm mit Zentrum Schenefeld)

KaackDoseJanssenSchröderKröger

Jüten (Euthiones als westgermanischer Stamm)

CarstensenWachsmuthLorenzenNielsen

Nordfriesen (eine der drei Volksgruppen der Friesen)

BleickenJohannsenHansen Zimmermann

Altsachsen (in Niedersachsen)

NiedhardtHoppmannMüllerBlumeKopperMügge

Die folgende Grafik zeigt die Verteilung der Geburten bis 1800 im Bereich von Schleswig-Holstein und dem heute dänischen Grenzland. Es ergeben sich drei regionale Schwerpunkte: Sylt und das angrenzende Festland bei Mögeltondern, Humptrup und Rodenäs, Das Umland von Brunsbüttel, der Kreis Steinburg zwischen Glückstadt und Elmshorn sowie Mühbrook bei Bordesholm und Vaale / Gribbohm sowie Fockbeck und Nübbel bei Rendsburg.

In der obigen Grafik finden sich die Geburten Mitglieder der Familie Carstensen, Wachsmuth und Bleicken schwerpunktmäßig in Rodenäs, Mögeltondern, Højer und auf Sylt in Westerland, Tinnum Keitum, die Familienmitglieder aus dem Johannsen-Zweig um Niebüll und in Wyk auf Föhr sowie auf den Halligen Langeneß, Gröde und Habel (bei Gröde). Mitglieder des Kaack-Zweiges siedelten ursprünglich in der Gegend um Rendsburg, die Dose- und Thormählen-Familien im Kreis Steinburg zwischen Glückstadt und Elmshorn. Die Familie Janssen stammt aus Eckernförde und siedelte sich zeitweise auf Ærø sowie in den Regionen von Büsum, Wesselburen und Hedwigenkoog an. Die durch Heirat mit der Janssen-Familie verbundene Familie Lorenzen stammt aus Sonderburg und hat über mehrere Generationen im Raum Hadersleben gelebt.

Siedlungsgebiete von Vorfahren nach Familienzweigen und Orten. Die angegebene Siedlungsdauer bezieht sich nur auf die Zweige, die (später) in Verbindung zur Familie Kaack standen.

Ort

Familien

zugereist

abgewandert

Dauer

Westerland, Tinnum, Keitum

Kaack Carstensen Janssen Wachsmuth Bleicken, Erken

1919 1880 1870 1840 vor 1700

1958 1970 1958 2015 2015

39 90 88 175 >300

Rodenäs, Mögeltönder, Tondern Süderlügum, Humptrup

Carstensen, Nielsen, Clausen Petersen

vor 1650 vor 1800

1880 1880

>230 >80

Sonderborg, Hadersleben

Lorenzen

vor 1640

1830

>190

Mühbrook, Nübbel, Vaale, Gribbohm

Kaack, Grimm, Schröder, Struve

vor 1500

1870

>350

Steinburg (Neuendorf, Süderau, Kollmar, Herzhorn)

Dose, Thormählen

vor 1525

2015

>500

Hallig Gröde Langeneß, Hallig

Johannsen, Bahnsen, Ingwers

vor 1670

1850

>180

Braunschweig, Gandersheim Bad

Müller, Niedhardt, Blume

1642

1908

>260

Wyk auf Föhr

Hansen-Zimmermann

1715

1850

135

Niebüll, Deezbüll, Lindholm

Bahnsen, Paysen

vor 1660

1790

>130

Neuenkoogsdeich, Westerbüttel (Brunsbüttel)

Kröger Paulsen

vor 1700 vor 1500

1900 1900

>200 >400

Die Karte auf der folgenden Seite zeigt die Verteilung der Geburten nur für direkte Vorfahren. Die Farbe gibt die zeitliche Einordnung der Geburten und die Zahl bezieht sich auf die Anzahl der Geburten in der betreffenden Region. Die Karte gibt einen guten Einblick in die Auswirkungen der Völkerwanderung auf die regionale Verteilung. Die in der Ukraine am Schwarzen Meer geborenen Vorfahren sind den Herulern und Ostgoten zuzurechnen. Sächsische, dänische und keltische Vorfahren finden sich in Großbritannien. In Spanien geborene Vorfahren gehören zu Vandalen und Westgoten. Zwischen Schwarzem und Kaspischen Meer finden sich die armenischen Vorfahren. Im heutigen Frankreich finden sich Salfranken, Merowinger, aber auch Normannen, Burgunder und Boulogner. Mit der Annäherung an die heutige Zeit (blaue Punkte) konzentrieren sich die Geburten im Westen und Norden Deutschlands sowie im Raum Jütland. Die Karte zeigt somit auch die Zweiteilung in frühe und jüngere Vorfahren.

Gebiete, die über einen längeren Zeitraum von Teilen der Vorfahren bewohnt wurden, sind auf Sylt Westerland, Tinnum und Keitum sowie auf dem Festland die benachbarten Orte Rodenäs, Humptrup, Mögeltondern (Carstensen) und Højer (Wachsmuth). Hadersleben (Lorenzen, Wachsmuth) in Dänemark, Mühbrook bei Neumünster sowie die Umgebung von Rendsburg mit den kleinen Orten Fockbeck und Nübbel (Kaack, Grimm) waren über mehrere Jahrhunderte Heimat von Zweigen der Familie. Auch Eckernförde, Wesselburen und Hedwigenkoog im Kreis Dithmarschen (Janssen), sowie der Kreis Steinburg zwischen Glückstadt und Elmshorn (Dose, Thormählen) und die Gegend um Brunsbüttel (Familie Kröger) gehören zu langjährigen Siedlungsregionen. Außerhalb von Schleswig-Holstein trifft dies für das Gebiet zwischen Braunschweig, Bad Gandersheim und Einbeck (Müller, Niedhardt) zu. Die nördlichsten Zuwanderungen in die Familie erfolgten aus Göteborg in Schweden und Skive gefolgt von Hadersleben. Johan Frederik Søeberg ist der einzige der bekannten Vorfahren, der außerhalb Dänemarks oder dem heutigen Deutschland geboren wurde! Ein Familienzweig kam aus Hessen nach Ulm und von dort nach Braunschweig. Für die frühen Vorfahren aus den Adelshäusern der Matfriede und Karolinger sowie die dänischen, schwedischen und sächsischen Anführer oder Häuptlinge ist eine Ortszuweisung aufgrund von lückenhaften Daten schwierig.

Die Erwerbstätigkeit von Vorfahren und Verwandten ist oft, aber nicht immer, in den Kirchenbüchern verzeichnet und gibt ein gutes Bild über die Tätigkeit der Menschen in der Region. Die Verteilung der in der Datenbank zur Chronik erfassten über 18.000 Vorfahren und Verwandten ist typisch für die Region Schleswig-Holstein, die nordfriesischen Inseln und Jütland. Die überwiegende Mehrzahl von über 1.000 Personen der männlichen Personen in der Landwirtschaft tätig als Inste oder Tagelöhner, oft mit nebenberuflicher handwerklicher Betätigung. Große Teile dieser Gruppe war arm und besaß gerade das Nötigste. Hungersnot und Pestepidemien kamen häufiger vor und auch der 30-jährige Krieg hat im südlichen Holstein gewütet. Daher ist es verständlich, dass gerade im 19. Jahrhundert vermehrt Zuwanderung auf die Inseln Sylt und Föhr als Chance gesehen wurde.

Schleswig-Holstein gehörte bis nach dem dänisch-deutschen Krieg 1864 zu Dänemark. Alle Siedlungsgebiete der Familien außer in Niedersachsen waren somit dänisch. Originalkarte von Dänemark von 1776, erstellt von J. Senex, London.

Folgende Berufsverteilung findet sich unter den Holsaten (nordelbischen Sachsen), die im südlichen Teil von Schleswig-Holstein und nördlich der Elbe siedelten:

35 Hufner mit eigenem Land

17 nicht näher spezifizierte Landwirte (vermutlich oft im Nebenerwerb)

14 Hausmänner (mit eigenem Land)

10 Käthner mit gepachtetem Land

Unter den überwiegend friesischen Gruppen, die sich auf Sylt, der Insel Föhr und den Halligen Langeneß, Nordmarsch und Gröde konzentrierten, finden sich (neben dem auch hier üblichen Nebenerwerb in der Landwirtschaft):

10 „Walfang-Kommandeure“ (Grönlandfahrer)

29 Kapitäne

22 Schiffer (oft Fischerboote, aber auch andere Küstenboote wie Schmackschiffe

80 Steuermänner und Seefahrer

Aus den verschiedenen Adelshäusern finden sich über 200 Grafen und zahlreiche Ritter unter den Vorfahren. Die Zahl der Herzöge in direkter Abstammungslinie liegt bei über 70 und es finden sich mehr als 50 Kaiser und Könige. Andere Berufe streuen in größerem Umfang:

64 Bürgermeister und Ratsherren

28 Pfarrer (zum Teil Superintendenten)

23 Bierbrauer

15 Schuhmacher

13 Kaufleute

11 Mathematiker und Astronomen

10 Lohgerber bzw. Rotgerber

9 Fuhrmänner

8 Leineweber und Tuchmacher

8 Lehrer

9 Zimmerleute

9 Gastwirte

7 Schmiede

6 Müller

5 Hebammen

5 Bauern- oder Landvögte

4 Bäcker

4 Böttcher, Küfer

4 Schneider

4 Seifensieder

4 Musketiere

4 Hutmacher

3 Weberinnen

3 Dorflehrer

3 Hüttenarbeiter am Hochofen

3 Philosophen

2 Amtsschreiber und Assessoren

2 Apotheker

2 Grenadiere

2 Hirten

2 Förster und ein „reitender Förster“

2 Kirchendiener und Totengräber

2 Tierärzte

2 Zahnärzte

2 Küster

2 Kürassiere

2 Steuereinnehmer

sowie je 1 Bankier, Botaniker, „Brinksitzer“ (Landwirt mit gepachtetem Land, am Waldrand), Barchentweber, Besenbinder, Buchbinder, Chirurg (im 17. Jahrhundert), Deichgraf, Eherichter, Gerichtsbeisitzer, Hüttenvogt, Hutschmücker, Klempner, Knopfmacher, Korbmacher, Leuchtturmwärter, Löffelschnitzer, Notar, Papparbeiter, Pest-Arzt, Perückenmacher, Rentmeister, Torvisitator, Unternehmer, Waldarbeiter, Zigarrenarbeiter und Zollkontrolleur. Nicht für alle Vorfahren sind eindeutige Berufe angegeben.

Mit Johannes Kaack ist nur den Vorfahren der Familie als Unternehmer tätig gewesen, das Unternehmertum hat vor dem Hintergrund der regionalen Herkunft aus dörflich-ländlichen Regionen eine untergeordnete Rolle gespielt. Die statistischen Zahlen aus dem Stammbaum belegen das teilweise harte Leben in früheren Zeiten: eine Reihe von Frauen stirbt bei oder nach der Geburt ihrer Kinder; Babys und Kleinkinder erreichen oft nicht das Erwachsenenalter. Mehrere Ehen nach dem frühen Tod des Partners sind nicht ungewöhnlich, aber nur eine Ehe unter allen Vorfahren wird wegen Ehebruchs geschieden.

Grafik zur statistischen Häufung von Familiennamen (einschließlich Nebenlinien) im Stammbaum in der zeitlichen Folge von links: Kaack, Eggers, Carstensen, Petersen, Boysen, Peters, Zahn, Rohwer, Thormählen, Grimm und Brandt. Die frühesten Einträge sind unten ca. 1520 und sie enden oben im Jahr 2018.

Die Verteilung der Vornamen unter allen erfassten Vorfahren und Verwandten seit 1400 zeigt eine interessante Verteilung. Die am häufigsten vorkommenden Vornamen sind (von links nach rechts): Peter, Jürgen, Hans, Claus, Catharina, Anna, Margaretha, Maria, Andreas, Johann und Hinrich.

Die folgende Grafik zeigt die Verteilung und zeitliche Einordnung der Vorfahren aus den wichtigsten Volksstämmen in der Zeit bis 1100 (von links nach rechts): Lothringer, Sachsen, Mercier, Bayern, Burgunder, Thüringer, Armenier, Dänen, Westgoten, Vandalen, Ostgoten, Salfranken, Römer

1. Uthlande und Festland

Die Mehrzahl der Vorfahren stammt von den Inseln, dem angrenzenden Festland und aus dem holsteinischen Gebiet. Daher ist es sinnvoll, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen zu betrachten. Die Lebensbedingungen unterscheiden sich aufgrund der Voraussetzungen. Viele Vorfahren vom Festland wohnten in kleinen Dörfern oder Weilern. Dort lebten überwiegend von der Landwirtschaft oder von handwerklichen Arbeiten. Auf den Inseln reichte die Landwirtschaft oft nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern. Daher wurden die Seefahrt und das Fischen zum Mittelpunkt des Erwerbslebens mit allen Konsequenzen, z.B. einer größeren Weltoffenheit der Seefahrer.

Da die meisten zugezogenen Familienzweige im 19. Jahrhundert nach Sylt gezogen sind, werden im Folgenden die gesellschaftlichen, technischen und sozialen Entwicklungen auf der Insel seit dem Mittelalter skizziert. Alte Fotos von Westerland dokumentieren die Änderungen im Ortsleben von Westerland von 1900 bis 1960.

1.1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die Vorgeschichte der Friesen liegt weitgehend im Dunkeln, vermutlich haben sich die Stämme der Nord- und Ostfriesen aus den Westfriesen entwickelt. Nach Entstehen des Ärmelkanals zwischen Britannien und dem Festland ist Friesland von heftigeren Stürmen heimgesucht worden und Sturmfluten haben die Landschaft nachhaltig verändert. Mit den durch die Naturgewalten entstandenen Überschwemmungen der alten Seemarschen und den hierdurch bedingten Abspaltungen von Landflächen zu Inseln und Halligen gingen auch politische und gesellschaftliche Verbindungen der einzelnen Stämme verloren. Auf den Uthlanden, den Inseln Nordfrieslands entwickelten sich die Inselfriesen in eine andere Richtung als die Festlandsfriesen, die zudem in einem engen Austausch mit Holsaten und Jüten stehen. Wie der Chronisten Christian Peter Hansen in seinem lesenswerten Buch „Chronik der friesischen Uthlande“ feststellt, versteht man unter den Uthlands-Friesen „ein mit besonderen Rechten und Freiheiten versehenes, im Westen des Herzogtums Schleswig liegendes Inselland“.

Vor der Trennung der Friesenstämme in der Zeit von 1489 bis 1566 hatten die Friesen einen entscheidenden Anteil an der Eroberung von Britannien im 5. Jahrhundert und stellten bei diesen Eroberungszügen oft die Anführer. Erst um 800 wurden die Friesen von dänischen Heeren besiegt und unterstanden danach der meist ungeliebten Herrschaft durch dänische Könige. Dadurch wurden die Friesen nicht nur steuerpflichtig gegenüber der dänischen Krone, sie nahmen zwangsweise an Kriegszügen der Dänen gegen England, Frankreich und andere westeuropäische Ziele teil. Diese „Seezüge“ hatten insbesondere Plünderungen zum Ziel und endeten mit der Christianisierung im 11. Jahrhundert. In der Folge veränderte sich die Ansiedlung mit der Errichtung von Deichen und einem verstärkten Ackerbau. Im 13. Jahrhundert haben sich die Uthlands-Friesen mit einem Aufstand erfolgreich gegen die Vorherrschaft der Dänen gewehrt, die Unabhängigkeit hatte allerdings nicht lange Bestand. Ungewöhnlich starke Sturmfluten in den Jahren 1300, 1338, 1354, 1350 und 1351 mit der Folge von Pest und Seuchen brachten Tausenden von Friesen den Tod und verhinderten eine wirkungsvolle Gegenwehr gegen die dänische Herrschaft.

Ein erneuter Aufstand gegen die dänische Vorherrschaft im 15. Jahrhundert blieb erfolglos und in der Folge überzogen immer wieder Kriege das Land. In der Sturmflut von 1634 wurde die landwirtschaftlich fruchtbare Insel Nordstrand bis auf kleine Reste zerstört. Danach erfolgte die weitere Trennung der Stämme in Festlandsfriesen, die von Ackerbau und Viehzucht lebten, von den Inselfriesen, die schwerpunktmäßig der Seefahrt und Fischerei nachgingen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden am Festland bedeutende Deichbauten zum Schutz gegen die See errichtet und die Viehzucht florierte. In den Uthlanden waren die Friesen erfolgreich in der Seefahrt und verbesserten ihre Fähigkeiten in Mathematik und Navigation, so dass sie einen ausgezeichneten Ruf als Navigatoren und Schiffsführer gewannen. Neben der Handelsschifffahrt hatte der Walfang vor Spitzbergen zeitweilig eine herausragende Bedeutung.

1713 geraten die Uthlande unter die Herrschaft des Herzogtums Schleswig und damit wieder der dänischen Krone. Obwohl oder gerade, weil die Inselfriesen durch ihre Reisen wesentlich kosmopolitischer waren als die Festlandsfriesen und an vielen anderen Orten heimisch wurden, verlor sich der Zusammenhalt in der Gemeinschaft und das Interesse an Freiheit und Unabhängigkeit. Die Uthlande hatten zu dieser Zeit den Charakter eines Treffpunktes der Familien zwischen den Seereisen und als Ort für den Ruhestand, den sich erfolgreiche Schiffsführer durchaus in Wohlstand leisten konnten. Unter dem fehlenden Gemeinsinn litten auch der Deichbau und die Entwicklung sozialer Einrichtungen. So waren vor 1855 auf Sylt weder Feuerwehren oder Nachtwächter noch Institutionen zur Rettung Schiffbrüchiger entstanden. Auf Föhr gab es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts keine Buchhandlung und offensichtlich keinen Bedarf an geistiger „Bereicherung“. Dabei hatte Föhr immerhin schon 5.000 Einwohner.

Im Kontrast zum Wohlstand der seefahrenden Friesen stand der ärmliche Lebensstandard der übrigen Bevölkerung, die sich als Fischer, Wattschiffer, Landwirte oder Handwerker betätigten. Trotzdem hatte der langsam steigende Wohlstand zur Folge, dass die Kriminalität und die Strandräuberei im 19. Jahrhundert rückläufig waren. Ähnlich wie die zuhause bleibenden Inselfriesen verhielten sich die vom Festland zuziehenden dänischen und friesischen Bevölkerungsteile, die vollständig assimiliert wurden. Durch den hohen Stellenwert der Seefahrt lasteten viele andere sonst von Männern erbrachte Aufgaben auf den Schultern der Frauen, die zum Teil alleine den Haushalt, die Erziehung der Kinder, die Instandhaltung der Häuser, eine bescheidene Landwirtschaft und Viehzucht bewerkstelligen mussten. C.P. Hansen schildert die typische Sylterin durch „hohe Gestalt, Schönheit, frische Farbe, blaue Augen und blondes Haar“. Die Last der Frauen in den Uthlanden wurde durch die hohe Zahl von bei Schiffsunglücken ums Leben gekommenen Seefahrern noch zusätzlich gesteigert.

Rechts eine Karte der nordfriesischen Inselnvon 1864 und somit zu einem Zeitpunkt , als Vorfahren vermehrt ihre bisherige Heimat verließen und von den Halligen aufs Festreland und vom Festlanbd nach Sylt zogen.

1850 waren 300 der insgesamt 1.209 männlichen Bewohner von Sylt in der Seefahrt tätig und davon wiederum 136 Kapitäne und Steuerleute - dies entspricht einer Quote von fast 25%. In Westerland lebten zu dieser Zeit knapp 500 Einwohner, das größte Dorf war zu dieser Zeit Morsum mit 770 Einwohnern. Aufschlussreich ist ein Blick auf die „Produktion“ der 2.706 Einwohner in jenem Jahr vor über 160 Jahren: es wurden 2.900 Tonnen Roggen, 5.960 Tonnen Gerste, 1.660 Tonnen Hafer sowie in nennenswertem Umfang Wollprodukte hergestellt. Mit elf Austernfahrzeugen wurden von den damals 20 Austernbänken 1.700 Tonnen Austern geerntet. Dies entspricht 1,5 Millionen Stück, die auf das Festland und bis nach Russland transportiert wurden.

In den Dünen wurden 40.000 Möweneier gesammelt und in der Vogelkoje 22.916 Krickenten gefangen. Die Hauptausfuhrprodukte von der Insel waren über viele Jahre Austern, Gerste und Wollwaren. Neben den Einwohnern lebten 226 Pferde, 1.393 Kühe und 6.563 Schafe auf der Insel. Offensichtlich funktionierte die Steuerbürokratie der Dänen damals schon recht effizient, wenn so genaue Zahlen zu Möweneiern und Schafen ermittelt wurden. Die Produktion auf Föhr war bis auf Austern und Möweneier ähnlich wie auf Sylt, die Einwohnerzahl lag 1850 mit 6.000 doppelt so hoch wie auf Sylt. Auf den Halligen waren Schifffahrt, Krabbenfang sowie die Produktion von Butter, Käse, Fleisch und Wollwaren die Haupteinnahmequellen. Auf Langeneß gab es 1850 gerade mal 57 Häuser.

Bei der weiteren Betrachtung der Vorfahren in dieser Chronik der Familien lassen sich die beschriebenen Entwicklungen auch an Einzelschicksalen ablesen. Es gibt unter den Vorfahren die typischen Festlandsfriesen, die über Jahrhunderte Ackerbau und Viehzucht betreiben oder den nicht zur See fahrenden Handwerker. Die Festlandsfriesen sind über den zu ermittelten Zeitraum in der Mehrzahl sehr bodenständig und verlassen nur in Einzelfällen die angestammte Heimat. Ortswechsel ergeben sich u.a. aufgrund der Erbfolge für die jüngeren Kinder. Aber auch Familien ohne eigene Ackerflächen bleiben oft über Generationen in einem engen regionalen Umkreis. Dies gilt in gleicher Weise für Jüten aus den dänischen Familienzweigen.

Unter den Uthland-Friesen finden sich in nicht geringer Zahl Seeleute, Schiffer und Kapitäne und dies zeigt sich auch unter den direkten Vorfahren und Verwandten, die von Sylt, Langeneß, Gröde oder Habel stammen, sind zahlreiche Seeleute und Kapitäne. Mehr als die Hälfte dieser Vorfahren starb vergleichsweise jung bei einem Schiffsunglück, bis hin zu den fernen Gestaden von Patagonien vor Südamerika. Insbesondere die Seefahrer von Sylt und den Halligen waren als Navigatoren und Schiffsführer anerkannt. Im 17. Jahrhundert haben viele Sylter für den Walfischfang bei Spitzbergen und Grönland bei holländische und Hamburger Reeder angeheuert und manche waren danach in der Handelsschifffahrt tätig. So anerkannt die Sylter als Schiffsführer und Fischer waren, so wenig angesehen waren sie in Landwirtschaft und Viehzucht. Die Festlandsfriesen waren dagegen schon früh erfolgreich mit Landwirtschaft und Viehzucht.

Abbildung einer Karte des Herzogtums Holstein von 1653 von Nicolao Johannide Piscatore.

Im Laufe der Zeit ist eine Durchmischung zu beobachten, wobei in der Regel Festlandsfriesen auf die Inseln gezogen und dort assimiliert wurden, die umgekehrte Richtung war eher selten. Ein Beispiel ist Bahne Johannsen ein, der um 1750 als Pastor von Niebüll auf die Hallig Langeneß umgezogen ist. Sein Enkel mit gleichem Namen kehrte als Uhrmacher von Langeneß über Föhr nach Husum auf das Festland zurück. Die Familie Lorenzen ist von Sonderburg mit kurzer Zwischenstation in Odense für über zweihundert Jahre in Hadersleben ansässig geblieben, dann aber über Tondern nach Sylt gekommen. Die Janssen war eine ursprünglich aus Eckernförde stammende Familie, die über mehrere Zwischenstationen nach Westerland gezogen ist. Lorenz Nicolay Ludwig Janssen nimmt eine Sonderstellung ein, da er der einzige höhere Finanzbeamte unter den Vorfahren war. Letztlich sind Nachkommen der Familie Kaack aus der ursprünglichen Heimat bei Bordesholm über Zwischenstationen in Langewedel, Nübbel, Borgdorf, Husum und Flensburg nach Westerland gekommen. Die Familiengeschichte beschreibt eine interessante Mischung von Uthlandfriesen, Insel- und Festlandsfriesen mit Jüten und Holsaten.

1.2. Die friesische Welt im Wandel

Wenn man die Geschichte der verschiedenen Familienstämme in der zeitlichen Entwicklung betrachtet, wird deutlich, wie spät einige Errungenschaften von Zivilisation und Technologie aufgekommen sind. Einige zeitliche Einordnungen verdeutlichen dies:

Sturmfluten

und Überschwemmungen kosteten viele Tausend Menschen an den Küsten bis in das 17. Jahrhundert das Leben und vernichten große Marschflächen. Am 16.01.1362 ereignete sich die zweite Marcellusflut, die u.a. die Insel Strand bildete, der mit der Gewinnung von Salz aus Salztorf reich gewordene und auf einer 3 Meter hohen Warf gelegene Hauptort Rungholt ging dabei unter. Neben schlecht gewarteten Deichen haben die Salzgewinnung und die Trockenlegung des Landes für die Landwirtschaft auf Strand die Auswirkungen der Sturmflut verschlimmert, da man tief gelegenes Land ins Meer entwässert und trockengelegt hat. Dies hat zu einem weiteren Absinken des ohnehin schon niedrigen Bodens geführt und in die Senken konnte das Meerwasser leicht eindringen. In einer Sturmflut im Jahr 1570 sollen an den Küsten von Holland bis Jütland bis zu 400.000 Menschen gestorben sein. Der Höhepunkt der Sturmschäden war am 11.Oktober 1634 der Sturm. Alleine auf dem ehemals reichen Strand starben in einer Nacht nach Deichdurchbrüchen an 44 Stellen 6.200 Menschen, 50.000 Kühe und Schafe. 1.300 Häuser und 30 Mühlen wurden vernichtet. Übrig blieben die beiden kleinen Inseln Nordstrand und Pellworm. In ganz Nordfriesland kamen in dieser Sturmnacht ca. 150.000 Menschen ums Leben.

Erst die folgenden effizienteren Deichbauarbeiten reduzieren die Verluste. Obwohl es einen absoluten Schutz gegen das Meer nicht gibt, wie auch die Hamburger Sturmflut von 1962 oder die Tsunami-Katastrophe von 2004 im indischen Ozean nachdrücklich gezeigt haben, die 230.000 Menschenleben kostete. Dabei starben bei dem Tsunami 2004 immerhin wesentlich weniger Menschen als bei der Sturmflut von 1570 an der Nordseeküste.

Im 15. Und 16. Jahrhundert waren die Inselfriesen bevorzugt Fischer und Wattschiffer mit Herings- und Schellfischfang in der Nordsee, Rochen-, Schollen- sowie Austernfang im Wattenmeer. Große Heringsschwärme zogen über lange Zeit direkt an der schleswig-holsteinischen Westküste vorbei. Als sich die Zugrichtung endet, ging mit der küstennahen Fischerei in erheblichem Maße zurück. Bei der Erkundung der Gewässer westlich von Grönland auf der Suche nach einer Passage in Richtung Indien wurden große Walfamilien bei Spitzbergen gesichtet, die dort regelmäßig im Sommer hinzogen und Nachwuchs bekamen. In den Jahren nach 1610 entwickelte sich der

Walfang vor „Grönland“, gemeint ist eigentlich bei Spitzbergen,

und wurde für die Seefahrer von Sylt, Föhr und von den Halligen ein wichtiger Erwerbszweig. Die Gründung von Stationen und Tran-Kochereien auf Grönland nach 1630 bis 1777 intensivierte das einträgliche Geschäft. Die friesischen Seeleute heuerten meist bei hamburgischen und holländischen Reedern an und begannen die Seereise oft in Hamburg. Die Seefahrer aus Föhr waren überwiegend für hamburgische Reedereien unterwegs. Im Frühjahr nach dem traditionellen Biikebrennen auf den Inseln brachen die Männer gemeinsam mit kleineren Schiffen auf, um in Hamburg oder Amsterdam eine Anstellung zu finden. Auch auf diesen kleinen Reisen mit Schmack-Seglern vom und zum Einschiffungshafen passierten Schiffsunglücke, die mit dem Tod der Seeleute zudem den Erwerb der verbundenen Familien gefährdeten.

Die Inselfriesen galten als gute Navigatoren und stiegen oft zu Steuermännern und Kapitänen auf. Da die Seeleute anteilig am Gewinn beteiligt waren, wurden einige Kapitäne wohlhabend. Allerdings gab es bei dieser Erwerbstätigkeit erhebliche Gefahren durch das Eis und bis zu 10% der ausgelaufenen Schiffe wurden in den Eisfeldern zerdrückt. Die Besatzungen konnten in den meisten Fällen von anderen Walfängern gerettet werden. 1777 wurden über 100 Walfangschiffe vom Eis eingeschlossen und verbrachten ein Jahr auf den Schiffen, bis die Vorräte verbraucht waren und die Schiffe dicht an die grönländische Küste getrieben waren. Die Besatzungen verließen die Schiffe und machten sich auf den Weg zu den Siedlungen auf der Westseite von Grönland. Eine Gruppe begab sich auf den direkten Weg quer durch Grönland und verschwand auf diesem Weg spurlos. Die andere Gruppe wanderte entlang der Küste erst nach Süden, dann nach Westen und schließlich nach Norden. Mit Verlusten erreichten sie die Niederlassung und kehrten wieder in die Heimat zurück. Das Unglück, bei dem viele friesische Seeleute ihr Leben verloren, in Verbindung mit den abnehmenden Zahlen von Walen bedeutete faktisch das Ende des Walfangs vor Grönland in großem Stil. Einer der erfolgreichsten und bekanntesten Grönland-Kommandeure war Lorenz Petersen de Hahn, der bis Anfang des 18. Jahrhunderts auf Walfang fuhr und zu den entfernten Verwandten zählt. Aber auch andere Verwandte widmeten sich diesem gefährlichen Erwerb.

1731 wurde in London der

Oktant

als wesentliches Hilfsmittel für die Navigation erfunden. Aber erst in Verbindung mit zuverlässigen

Schiffschronometern

wurde die Navigation zuverlässiger als durch Koppeln und die Navigation nach Sternen. Der Harrison-chronometer wurde zwar schon 1735 vorgestellt. Die Verbreitung auf den Schiffen setzte sich aber erst zum Ende des 18. Jahrhunderts durch, seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind Oktanten und Chronometer gängige Ausrüstungsgegenstände auf größeren Schiffen.

1748 wurde auf Föhr eine ein

„Vogelkoje“

zum Fang wilder Enten gebaut. Auf Sylt wurde später ebenfalls mehrere solche Einrichtungen zwischen Kampen und List errichtet. Die ursprünglich in Holland eingeführten Vogelkojen habe einen zentralen Süßwasserteich, auf dem zahme Enten ausgesetzt werden, die die im Herbst nach Süden ziehenden Wildenten in die Anlage locken. Von dem zentralen Teich führen mit Netze nach oben und zu den Seiten gesicherte Gräben in das umliegende Buschland. Mit Getreidekörnern werden die Enten in die zunehmend enger werden Gräben („Flöten“) gelockt und von den Vogelfängern in die Fangnetze am Ende der Gräben getrieben. Pro Tag wurden bis zu 1.000 Enten gefangen und in einem guten Herbst insgesamt bis zu 30.000. Neben Getreide, Austern und Wollwaren wurden Enten ein wichtiges Exportgut für die Inseln.

Nach dem Niedergang des Walfangs gewann die

Handelsschifffahrt

steigende Bedeutung mit Reisen bis nach Ostasien und auch hier waren die Inselfriesen als Seeleute gefragt. An die Stelle der Gefahr durch das Eis war jetzt allerdings die Gefahr durch nordafrikanische Piraten getreten. Dabei wurden Schiffe aufgebracht und Ladung geraubt, Seeleute als Geiseln genommen oder gleich als Sklaven auf den Sklavenmärkten von Marokko oder Tunesien verkauft. Aus dieser Zeit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gibt es abenteuerliche Berichte von einigen friesischen Seeleuten, die in der Sklaverei aufgrund ihrer Fähigkeiten „Karriere“ machten, bis zum Feldherrn aufstiegen und nach langen Jahren sogar vermögend wieder in die Heimat zurückkehrten. C.P. Hansen gibt in seiner Chronik der Uthlande einige spektakuläre Fälle wieder. Ein solches Beispiel ist Kapitän Schwenn Jürgens aus Keitum, der 1746 von einem Piraten-Schiff unter türkischer Flagge aufgebracht wurde. Für die Mehrzahl der von

Piraten

gekaperten Schiffe und Seeleute endete die Kaperung weniger glücklich. Damals entwickelte sich der Freikauf von festgesetzten Seeleuten durch ihre Familien oder die Reedereien zum profitablen Unterfangen.

Alleine in den Jahren 1775 und 76 kamen 21 Sylter in der Handelsschifffahrt ums Leben. Auch in den Folgejahren kamen Seeleute ums Leben, aber die Zahl der Seefahrer nimmt zum Ende des 18. Jahrhunderts ab auf 378 auf Sylt und etwa 1.000 auf Föhr. Laut Kapitän Jens Boysen gab es 1792 auf Sylt 120 Schiffer oder Kapitäne auf größeren Schiffen. Viele Vorfahren von Sylt und den Halligen waren in der Handelsschifffahrt tätig. Der letzte in der Reihe war Kapitän Charles Carstensen, der bis in die dreißiger Jahre nach Ostasien fuhr.

Die dunkle Seite der erfolgreichen Handelsschifffahrt war der

Transport von Sklaven

nach Westindien, bei dem von 1775 bis Anfang des 19. Jahrhunderts auch Sylter Seeleute beteiligt waren. Sklaven wurden aus Guinea nach Westindien verfrachtet, wo Zuckerrohrplantagen dank billiger Arbeitskräfte große Profite abwarfen. Alleine zwischen 1777 und 1789 wurden über 13.000 Sklaven transportiert und verkauft. Zu den erfolgreichen Westindienfahrern gehörte eine Reihe von Kapitänen aus der Familie

Frödden

.

Auf Sturmfluten oder kriegerische Auseinandersetzungen folgten fast immer Hungersnöte, da Überschwemmungen die Ernte vernichtet und das Vieh ertränkt hatten. In der Kombination von nicht ausreichender Ernährung, liegen gebliebenen Tierkadavern und nicht beerdigten Leichen ergaben sich fast ebenso regelmäßig

Epidemien und Ausbrüche der Pest

. So starben Menschen nicht nur durch die unmittelbaren Auswirkungen der Sturmfluten reduziert, sondern mittelbar noch bis zu einem Jahr später.

In der Folge der Sturmfluten mussten nicht nur Häuser wiederaufgebaut oder repariert, sondern insbesondere

Deiche instandgesetzt

und neu entstandene Priele geschlossen werden. Diese Leistungen mussten neben dem sonstigen Lebensunterhalt erbracht werden, da sich die Fürstenhäuser finanziell kaum beteiligten. Stattdessen erhoben die Fürsten von Schleswig und Holstein ebenso wie die dänischen Könige immer wieder neue

Abgaben und Steuern

, um ihre Kriegszüge oder Schlossbauten zu finanzieren. Gerecht war die Welt damals genauso wenig wie zu späteren Zeiten. Der Streit um Gebietsansprüche zwischen diesen drei Adelshäusern war für die Bevölkerung nachteilig, da zusammengehörende Gebiete getrennt wurden oder zusätzliche Abgaben zur Aufstellung von Truppen gezahlt werden mussten. Nicht selten zogen Heere der streitenden Parteien über das Land und forderte ihrerseits Abgaben und Verpflegung.

Kriegerische Auseinandersetzungen

zwischen den einzelnen Friesenstämmen und insbesondere immer wieder mit den dänischen Herrschern dauerten seit der Frühzeit an. Im Jahr 1646 wurde das Listland auf Sylt kurzzeitig von schwedischen und verbündeten holländischen Truppen besetzt, als diese sich in einem der häufigen Kriege mit Dänemark auseinandersetzten. Den Sylter Frauen und Männer gelang es aber die Invasoren zur Flucht zu bringen, wobei die Sonntagstracht der Frauen mit reichlichem Silberschmuck einiges beigetragen hat, da die Schweden im Gegenlicht eine größere Streitmacht vermuteten.

Bücher

fanden erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts Verbreitung, zunächst war dies in erster Linie die Bibel. Die erste Druckerei in Schleswig-Holstein gründete 1486 Stephan Andres in Schleswig und das erst dort produzierte in einer Auflage von 200 Stück produzierte Buch war ein Messbuch für das Bistum Schleswig. Den Vertrieb übernahm der Domherr von Schleswig. Der Buchhandel wurde in den kleineren Städten meist von Buchbindern für die Verleger mit übernommen, da Buchdrucker die Werke bis weit ins 19. Jahrhundert nur als lose Blätter lieferten. Auftraggeber der Buchbinder waren in erster Linie Kirchen und Schulen. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Bücher in Husum auf zwei jährlich durchgeführten Märkten verkauft. Kirchen oder einzelne Lehrer betrieben gelegentlich einen „Bücherschrank“ als Bücherlager und Verkaufsstelle für Verleger und Buchhändler aus den größeren Städten. Ab 1850 werden in Zusammenarbeit mit den Schulen öffentliche Bibliotheken auf den Inseln eingerichtet und förderten die Verbreitung der Lesebereitschaft.

1614 fand in Nordfriesland der wohl letzte

Hexenprozess

statt. Trotz Christianisierung und frühzeitiger Annahme der Reformation blieben heidnische Bräuche und Aberglaube lange präsent und Hexen- oder Zauberer-Verbrennungen waren nicht selten.

Ein

allgemeines Schulsystem

wurde in Nordfriesland erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aufgebaut. Davor war Bildung den Adligen und wohlhabenden Familien vorbehalten, die ihre Kinder auf eine der wenigen und meist entfernten Schulen schicken konnten. Auf den Inseln begann ein Schulunterricht um 1650 in den Wintermonaten und durch Seefahrer, die in dieser Zeit zuhause waren. Hauptfach war Mathematik, die wichtigste Voraussetzung für die Navigation. Lesen und Schreiben waren damals noch nachgelagert. In manchen Gegenden übernahmen Pastoren den Schulunterricht, bevor hauptberufliche Lehrer angestellt wurden. Erst ab 1761 wurde das Schulwesen unter staatliche Aufsicht gestellt und hauptberufliche Lehrer von den Kommunen eingestellt. Mit der Neuordnung des Schulwesens durften von 1804 an nach den neuen Schulregularien nur noch ausgebildete und geprüfte Lehrer an öffentlichen Schulen unterrichten, so dass die Unterrichtsqualität und die Breite der Schulfächer zunehmen. Die Lehrer erhalten nach der Neuordnung ein festes, aber damals sehr niedriges Gehalt, eine mietfreie Wohnung, den Erträgen aus einige Ländereien und einigen Vorräten an Korn. Die direkten Vorfahren

Hinrich Schröder

und

Claus Kaack

waren bis 1848 bzw. 1884 als Dorflehrer in Vaale respektive Borgdorf tätig.

Ein

ständiges Gerichtswesen

entstand auf den friesischen Inseln erst im 17. Jahrhundert mit einem Gerichtsvogt und zwei gewählten Gerichtsbeisitzern. Wyk erhielt aufgrund der langsamen Erholung nach der Sturmflut von 1643 erst 1706 ein eigenes Gericht. Davor und auch später im eingeschränkten Rahmen wurde die Gerichtsbarkeit von Landvögten übernommen, die von der Regierung zur Verwaltung eingesetzt wurden. Unter den Verwandten und Vorfahren finden sich eine Reihe von Landvögten (

Take Knuten

bis 1617, sein Enkel

Steffen Peter Taken

bis 1711 und

Haulk Bohn Prott

bis 1815) sowie

Ingwer Hansen Zimmermann

bis 1839 als einer von zwei Gerichtsbeisitzern in Wyk.

Zur Versicherung der aufgrund der mit Reet gedeckten Dächer für Blitzschlag für Feuer besonders gefährdeten uthlandischen Häuser wurde 1758 auf Sylt eine

„Mobilien-Brandkasse“

eingerichtet.

1771 erfolgten eine

Vermessung und Aufteilung der landwirtschaftlichen Flächen

auf Sylt und Föhr auf der Grundlage einer

„Einkoppelungs-Verordnung“

, bei der sowohl Ackerflächen als auch Heideflächen und Weideland zusammengelegt und neu zugewiesen wurden und die Grundlage für eine effizientere Landwirtschaft legte. Für die Durchführung der Landverteilung wurden in größerer Zahl Arbeiter vom Festland benötigt. Die früher schmalen Acker- und Wiesenstreifen wurden im Zuge der Neuverteilung zu größeren Flächen zusammengelegt und in der Folge stiegen dann die landwirtschaftlichen Erträge deutlich an.

Bis ins 19. Jahrhundert waren viele Familien sehr kinderreich, wegen

fehlender medizinischer Möglichkeiten

und Versorgung erreichten aber bei weitem nicht alle Kinder das Erwachsenenalter.

Die Handelsschifffahrt der Friesen hat nach 1800 unter den Folgen des Krieges zwischen England und Frankreich gelitten, da beide Seiten die Neutralität der unbeteiligten Nationen nicht beachtet und viele Handelsschiffe mit ihrer Ladung aufgebracht haben. Der

dänisch-englische Krieg

von 1807 bis 1814 beeinträchtigte die Handelsschifffahrt der Inselfriesen und zwang viele Seeleute in den Militärdienst für die dänische Marine. Nach 1808 wurden zahlreiche Seeleute zur Unterstützung der napoleonischen Marine abgestellt. Die französische Kontinentalsperre brachte die Handelsschifffahrt bis auf Schmuggelfahrten ganz zum Erliegen, gleichzeitig steigen die Preise für Luxusprodukte wie Kaffee, Tee und Tabak. Auch nach dem Frieden von 1814 erholte sich die Schifffahrt nur langsam wieder. Überwiegend fuhren die Seeleute für Reeder aus Hamburg und Altona, in der Regel nach Westindien und Südamerika. 1820 starben 20 Sylter Seefahrer, u.a. an dem in den tropischen Gegenden grassierenden Gelbfieber.

Aufgrund der hohen Kriegsausgaben im napoleonischen Krieg stand Dänemark kurz vor einem

Staatsbankrott

und führte am 05.01.1813 eine Währungsreform durch, die zu einer massiven Abwertung der Staatsanleihen im Verhältnis 6 zu 1 führte. Gleichzeitig wurde die

dänische Reichsbank

gegründet und jeder Grundbesitzer zu einer sofort fälligen Immobiliensteuer in Höhe von 6% gezwungen. Während die Regierung den dänischen Bauern die Zwangsabgabe weitgehend erließ, wurde sie von den Bauern in Schleswig-Holstein mit aller Konsequenz durchgesetzt und diente als Mittel zur Unterdrückung.

1816 wurde in Keitum das erste

„Zollexpeditions-Comptoir“

eingerichtet unter der Leitung des ehemaligen Hauptmanns von Schultes als erstem „Zollcontrolleur“. Um 1885 hatte Lorenz Nicolai Ludwig Janssen diesen Posten bis zu seiner Pensionierung inne, zusätzlich zur Leitung des Steueramtes in Tinnum.

Die

Sturmflut vom Februar 1825 („Große Halligflut“)

hat große Teile der Nordseeküste beeinträchtigt und insgesamt 800 Todesopfer gefordert. Die Halligen und Pellworm wurden vollständig überflutet. Auf den Halligen blieben von insgesamt vorher 339 Häusern nur 23 bewohnbare Häuser übrig. Auf Nordmarsch und Langeneß kamen 30 Menschen ums Leben, auf Gröde 10. Betroffen waren nachweislich Familienmitglieder aus dem Zweig der Johannsen auf Langeneß mit mindestens einem Todesopfer. Details zu dieser Sturmflut werden im Kapitel 6.2 ausgeführt. Über weitere Auswirkungen von Sturmfluten auf Vorfahren ist nichts überliefert, sie können aber als wahrscheinlich angesehen werden. Allerdings hat auch Sylt starke Schäden davongetragen und der erst 1821 gebaute Seedeich vor Westerland wurde völlig zerstört. In Rantum wurden 100 Häuser überflutet und 15 davon zerstört. Auf Föhr brach der Deich an fünf Stellen, mit der Folge, dass die Insel komplett überflutet wurde und zwei Menschen sowie sehr viele Tiere ertranken.

Ein erster Postdienst wurde 1755 auf Sylt mit nur einer Poststelle in Keitum aufgenommen. Erst seit 1854 gibt es einen

regelmäßigen Postdienst

für die Insel Sylt und 1865 wurde Westerland an das Telegrafennetz angeschlossen.

Banken für allgemeine Geldgeschäfte

sind erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den ländlichen Gegenden Schleswig-Holsteins entstanden. Für landwirtschaftliche Hypotheken-Darlehen gab es seit dem 16. Jahrhundert den einmal im Jahr stattfindenden „Kieler Umschlag“ und die auf adlige Gutsbesitzer ausgerichtete „Landschaft“. Daneben bildete sich der „landwirtschaftliche Kreditverband“. Banken im engeren Sinne entstanden um 1870, z.B. die in Tönningen gegründete und später in „schleswig-holsteinische Bank“ umgewandelte „Tönninger Darlehensbank“.

Die sich über Jahrhunderte erstreckenden

kriegerischen Konflikte mit Dänemark

in Verbindung mit Zwangsherrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung endeten erst mit der Besetzung der Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Bundestruppen (Preußen, Sachsen, Österreich und Hannover) im Jahr 1864 und der Niederlage der dänischen Truppen in den Schlachten. Für Sylt endete die Unterdrückung mit einer Befreiung am 13.07. durch 300 Jäger des 9. Steierischen Bataillons aus einem österreichischen Regiment und eine Flottille von österreichischen Kanonenbooten, die die dänischen Besatzer vertrieb. Der Sylter Kapitän Hinrich Meinert Mathiesen hatte sich vorher dem Verbot der Besatzer widersetzt und war nach Cuxhaven geflüchtet, um der österreichischen Kriegsschiff-Flotte als Lotse in den Lister Hafen zu dienen, nachdem die Dänen die Leuchtfeuer ausgeschaltet und Seezeichen versetzt hatten. Kurz vor der Befreiung hatten die Besatzer eine Reihe von angesehen Bürgern und Wortführern festgesetzt und nach Kopenhagen in Haft geschickt. Es gehört wohl zu den geschichtlichen Kuriositäten, dass ausgerechnet ein österreichisches Jägerbataillon die Inseln Sylt und Föhr befreien musste. Die Österreicher verließen Sylt wieder am 25.08.1864 und am 30.10. desselben Jahres wurde in Wien ein

Friedensvertrag

unterzeichnet, mit dem die drei Herzogtümer und die Inseln endgültig an Deutschland abgetreten wurden.

Nach der militärischen Befreiung erfolgte die Absetzung der dänischen Statthalter vom Landvogt über den „Zollkontrolleur“ und den Gerichtsdiener bis zu den Feuerwehmeistern und Leuchtturmwärtern, die den Syltern aufoktroyiert worden waren. Zu den vertriebenen dänischen Statthaltern gehörte auch der Pastor von Keitum, für den die Durchsetzung dänischer Interessen wichtiger war als die Interessen seiner Gemeindemitglieder. Mit Ausnahme der beiden Weltkriege herrscht in Nordfriesland gerade mal 150 Jahre lang Frieden.

1785 kam der erste studierte

Arzt

nach Sylt und praktizierte in Keitum, wo im Mai 1825 von einem aus Tondern zugezogenen Lorenzen die erste

Apotheke

auf der Insel eröffnet wurde. Noch 1927 starb Mathilde Kaack im

Kindbettfieber