Sylt - Erinnerungen einer Familie - Jürgen Kaack - E-Book

Sylt - Erinnerungen einer Familie E-Book

Jürgen Kaack

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Beschreibung

Sylt, die Insel der Schönen und der Reichen, überlaufen und unbezahlbar für Einheimische? Das ist nur eine Seite der Wirklichkeit. Wie auch immer man die Insel heute einschätzen mag, die Geschichte ist wechselhaft und vor nicht allzu langer Zeit war die Mehrzahl der Bevölkerung arm und immer wieder von Sturmfluten heimgesucht. Die Geschichten der Vorfahren des Autors illustrieren die Veränderungen des Lebens auf Sylt über die Jahrhunderte. Der älteste Vorfahre wurde einer der ersten Grönland-Commandeure, die mit dem Walfang den ersten Wohlstand auf die Insel gebracht haben. Ein anderer gehörte dem Sylter Rat an, der über die Geschicke des täglichen Lebens entschied. Es finden sich Seeleute bis zu Kapitäne, die in Handelsschifffahrt rund um den Globus unterwegs waren. Neben Schiffsunglücken bedrohten Piratenüberfälle die Handelsschiffe. Zuhause waren Austern, Wolle und Möweneier wichtige Handelsgüter. Die ärztliche Versorgung war schlecht und zahlreiche Frauen starben jung mit Kindbettfieber. Erst nachdem 1855 Westerland zum Nordseebad ernannt wurde, verbesserte sich die wirtschaftliche Lage und Sylt wurde zum Zuwanderungsgebiet. 1830 kamen vier Wachsmuth-Brüder nach Sylt und siedelten in unterschiedlichen Orten. 1850 heiratet ein schwedischer Kapitän in Tinnum ein. 1867 zog Rentmeister Janssen mit seiner Familie nach Westerland und leitete das Zollamt. Seine Tochter erbaute mit ihrem Mann das damals größte Hotel, Villa Baur-Breitenfeld, ein Sohn gründete die erste Privatbank auf der Insel. 1885 zog Familie Carstensen von Rodenäs nach Westerland und begleitete den Aufbau mit handwerklichen Aktivitäten. Als letztes kam 1919 der Tierarzt Kaack nach Westerland. Neben den Zuwanderungen sind im 19. Jahrhundert mehrere Mitglieder der Wachsmuth und Carstensen-Familie nach Amerika ausgewandert. Das Buch basiert in wesentlichen Teilen auf Inhalten aus der Chronik "Heimat Sylt".

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Widmung

Diese Chronik widme ich meiner Mutter Charlotte, die für mich eine wichtige Rolle gespielt hat und mir in der Jugend bei den ersten Ansätzen zur Erforschung unserer Vergangenheit wichtige Anregungen gegeben hat. Des Weiteren widme ich das Buch ganz besonders meinem Großvater Kapitän Charles Carstensen, dessen Leben ich erst in der Rückschau lange nach seinem Tod wirklich zu würdigen gelernt habe und dessen Charakterstärke und Unbeirrbarkeit für mich vorbildlich sind.

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

Zusammenfassung

Uthlande und Festland

1.2. Die friesische Welt im Umbruch

1.3. Westerland von der Jahrhundertwende bis 1960

Die Ur-Sylter Familien Peters, Bleicken und Boysen

2.1. Sylter Walfang-Kommandeure:Tam Peters, Lorenz Petersen de Hahn, Dirk Meinerts Hahn

2.2. Sylter Ratsmitglieder und Landvögte: Hans Nisse Schmidt, Familie Taken

2.3. Inken Bleicken und der schwedische Kapitän Søeberg

Wachsmuth-Familie - Handwerker und Seefahrer

3.1. Kürassier und Hutmacher Wachsmuth aus Göttingen

3.2. Der Archsumer Zweig der Wachsmuth-Familie

3.3. Meinert Wachsmuth wandert 1865 nach Oregon aus

3.4. Der Mordfall Kressen Haicken

3.5. Johann Wachsmuth heiratet in Braderup ein

3.6. Der Tinnumer Wachsmuth-Zweig und die alten Sylter Familie

Die Carstensen-Familie aus Mögeltondern

4.1. Frederick Carstensen wandert 1886 nach Utah aus

4.2. Diderich Edlef Carstensen zieht nach Westerland

4.3. Die schwere Jugend für Charles Carstensen

4.4. Anni Müller und Charles Carstensen heiraten 1921

4.5. Charlotte Carstensens Jugend in Haus Schöneck

4.6. Die Währungsreform von 1948

Lorenz Nicolay Ludwig Janssen – Rentmeister

5.1. Johann Janssen gründet in Westerland eine Bank

5.2. Die Janssen-Töchter und die Barone Baur-Breitenfeld

5.3. Maria Janssen heiratet Oberst Adolf Bulla

5.4. Tierarzt Dr. Claudius Waldemar Janssen

Mathilde Janssen und Dr. Hermann Kaack

Migration

Danksagung

Quellen und weiterführende Literatur

Über den Autor

Vorbemerkung

Das vorliegende Buch basiert auf der von mir veröffentlichten Familienchronik „Heimat Sylt“, die versucht die Entwicklung aller für die Familie relevanten Familienzweige nachzuzeichnen. Dort sind zusätzlich Linien enthalten, die entweder gar nicht oder nur zu einem sehr späten Zeitpunkt auf die Insel Sylt kamen. Dies betrifft beispielsweise Vorfahren von Anna Müller, die in Braunschweig oder am Rande des Harzes gelebt haben. Die Münsterprediger aus Ulm sind ebenfalls nicht enthalten. Die Entwicklung der Familie Kaack hat sich überwiegend im Raum Bordesholm und Eckernförde abgespielt. Unter den Vorfahren der Familie Janssen gab es mit den Schröder, Kröger, Steinhaus, Dose und Thormählen Familienzweige, die rund um Glückstadt und Brunsbüttel gelebt haben. Familie Johannsen war auf den Halligen Langeneß, Gröde, Habel und der Insel Föhr beheimatet, während Familie Lorenzen lange Zeit in Jütland gelebt hat.

Rückmeldungen von Lesern haben mir gezeigt, dass es neben dem genealogischen Interesse an der Gesamtentwicklung ein spezifisches Interesse am engeren Sylter Umfeld gibt. So habe ich auf Grundlage meines Buches „Heimat Sylt“ die Teile zusammengestellt, die unmittelbar mit der Insel Sylt zu tun oder zum Zuzug nach Sylt geführt haben. Dabei habe ich ergänzende Facetten eingebunden, die aus meiner Sicht wichtig waren, z.B. die Herkunft der Familie Wachsmuth aus Göttingen und die Zwischenstationen bis zum Zuzug. Bei ausgewanderten Familien habe ich die weitere Entwicklung in der neuen Heimat nach Möglichkeit beschrieben, um so die unterschiedlichen Entwicklungspfade zu verdeutlichen. Da die Inhalte dieses Buches in weiten Teilen in der Gesamtchronik zu finden sind, spricht es Leser an, die die Chronik „Heimat Sylt“ nicht bereits gelesen haben.

Ich hoffe, dass mein Buch den Lesern andere Facetten von Sylt und eine zum Teil noch gar nicht so lange zurückliegende Seite der bekannten Ferieninsel nahebringt und neben interessanten Fakten auch Spaß beim Lesen bietet. Vielleicht eröffnet es beim nächsten Aufenthalt auf der Insel einen anderen Blick auf die historischen Zusammenhänge und Entwicklungen.

Die zweite Auflage enthält neben Korrekturen Ergänzungen und zusätzliche Bilder. Wie immer freue ich mich auf Rückmeldung und wünsche viel Spaß bei der Lektüre.

Jürgen Kaack

Zusammenfassung

Sylt, die Insel der Schönen und Reichen, ein mondäner Badeort, für Einheimische zu teuer geworden? Das ist eine Seite der Wirklichkeit, die aber nur zum Teil die Wirklichkeit beschreibt. Sylt ist auch heute noch eine Insel mit Naturschönheiten und ruhigen Ecken. Sylt ist nach wie vor für Familien geeignet und bietet vielfältige Möglichkeiten. So unterschiedlich die individuellen Meinungen und Eindrücke zur heutigen Insel sind, so vielfältig ist die Entwicklung in der Vergangenheit. In den meisten Jahren der überschaubaren Geschichte seit Anfang des 17. Jahrhunderts waren die Einwohner von Sylt und den angrenzenden Gebieten auf dem Festland arm mit bescheidenen Einkommensmöglichkeiten und nur bedingt ertragreichen landwirtschaftlichen Flächen. Gleichzeitig wurden Land und Menschen von den Naturgewalten, insbesondere in Form von Überschwemmungen heimgesucht.

Es gab durchaus auch Phasen von höherem Wohlstand, z.B. während des Walfangs vor Grönland und Spitzbergen. Die nachfolgende Zeit der Handelsschifffahrt war für die seefahrende Bevölkerung in der Regel auch mit gutem Einkommen verbunden. Aber um den Preis einer durch Schiffsunglücke bedingten erhöhten Sterblichkeit der seefahrenden Bevölkerung. Zum Teil kamen die männlichen Familienmitglieder über mehrere Generationen hinweg vorzeitig auf See ums Leben. Das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Einwohnern kam dadurch zeitweise in eine bedenkliche Schieflage. Selbst in den Zeiten erhöhter Prosperität profitierten nur Teile der Bevölkerung. So hatte Westerland noch 1804 bescheidene 437 Einwohner, gut 100 Jahre später waren es bereits 2.292! Erst der zweite Weltkrieg und der starke Zuzug durch Flüchtlinge nach dem Krieg hat die Einwohnerzahl deutlich gesteigert. Der stärkste Zuzug erfolgte im 19. Jahrhundert, insbesondere nachdem Westerland 1855 Nordseebad wurde.

Als Westerland 1855 zum Nordseebad ernannt wird, ändert sich die wirtschaftliche Grundlage der Bevölkerung Stück für Stück. Sylt wird Zuwanderungsgebiet für Menschen vom Festland bis nach Jütland. Sylt verspricht Arbeitsplätze für die Errichtung der benötigten Beherbergungshäuser, für den Aufbau Infrastrukturen wie z.B. die Eisenbahnverbindungen. Und es werden Arbeitskräfte für den Dienstleistungssektor gesucht. Die auf dem Festland gleichzeitig auftretenden Hungersnöte beschleunigen diesen Trend. Die Befreiung von der dänischen Herrschaft und der Übergang auf den preußischen Staat eröffnen neue Märkte. Die Zeit der Jahrhundertwende bis zum ersten Weltkrieg stellt für Sylt eine erste Blütezeit dar und zieht wohlhabende und prominente Gäste an, es ist die Zeit des mondänen Badeortes. Die aufstrebenden Tendenzen werden durch den ersten Weltkrieg unterbrochen, der auch viele Sylter zum Militärdienst zwingt. Der Erholung nach dem Kriegsende folgt eine Phase der Wiederbelebung, allerdings auch eine Phase der politischen Instabilität und der wachsenden Beeinträchtigung des Lebens durch das nationalsozialistische Terror-Regime. Im Zweiten Weltkrieg wird Sylt zur „Festung“ ausgebaut und mit einer Vielzahl von Soldaten aus dem gesamten Reich besetzt. Soldaten ersetzen die Kurgäste. Der zweite Weltkrieg fordert auch von der Sylter Bevölkerung einen erheblichen Blutzoll. Nach dem zweiten Weltkrieg begann die erneute Belebung auch erst nach einigen Jahren und wieder mussten Einwohner die Insel verlassen, um an anderer Stelle Arbeit zu finden.

Schleswig-Holstein gehörte bis nach dem dänisch-deutschen Krieg 1864 zu Dänemark. Alle Siedlungsgebiete der Familien außer in Niedersachsen waren somit dänisch. Originalkarte von Dänemark von 1776, erstellt von J. Senex, London.

Geschichtliche Fakten sind eine Grundlage, aber erlebbar wird Geschichte erst durch die Schicksale von Menschen. Im Zuge der Erforschung meiner Familiengeschichte bin ich auf viele Schicksale gestoßen, die die große geschichtliche Linie untermauern. Darunter gibt es die Ur-Sylter Familien, die bis zum Beginn der Kirchenbuchschreibung zurückverfolgt werden können. Unter diesen frühen Syltern befinden sich einer der ersten Walfang-„Commandeure“ und ein Mitglied im Sylter Rat. Der Zuzug vom Festland erfolgte in meiner Familie in mehreren Schüben ab 1830 als zunächst vier Wachsmuth-Brüder nach Sylt kamen, 1850 folgt ein schwedischer Kapitän und 1867 ein vorher für die dänische Krone tätiger Finanz- und Zollbeamter. 1885 kam Familie Carstensen aus dem naheliegenden Rodenäs auf die Insel und arbeiteten als Handwerker, aber auch in diesem Zweig wurde ähnlich wie zuvor für Mitglieder der Familie Wachsmuth die Seefahrt ein wichtiger Erwerbszweig. 1919 folgte als letztes Familie Kaack aus Flensburg.

Karte der nordfriesischen Inseln von 1864, zu einem Zeitpunkt, als Vorfahren ihre bisherige Heimat verließen und von den Halligen aufs Festland oder vom Festland nach Sylt zogen.

Die neuzugezogenen Sylter haben sich in die Gesellschaft integriert und über Heiraten mit Sylter Familien vermischt. Von den Zugezogenen wurden Hotels gegründet, z.B. die 1919 nach Sturmschäden abgerissene Villa Baur-Breitenfeld oder das Hotel Seestern in Wenningstedt. Johann Janssen gründete eine der ersten Privatbanken in Westerland und zwei der Zugezogenen waren als Tierärzte tätig. Neben der Zuwanderung gab es aus Auswanderungen in die USA in den Familienzweigen Wachsmuth und Carstensen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Die Betrachtung der Familie und ihre Veränderungen ausgehend von ihren Ursprüngen ergibt ein interessantes Bild für die wechselvolle Entwicklung der Sylter Bevölkerung. Neben den familienhistorischen Geschichten werden die allgemeinen gesellschaftlichen, technischen und politischen Entwicklungen gestellt. Die Schilderung soll verdeutlichen, dass Sylt und die Sylter über lange Zeiten in armen Verhältnissen auf einer landwirtschaftlich nur schwer nutzbaren aber doch sehr schönen Insel gelebt haben. Austern waren lange Zeit kein Luxusgut, sondern neben Möweneiern eine der wesentlichen Exportgüter. Die Geschichten zeigen Menschen, die oft harten Schicksalsschlägen ausgesetzt waren und trotzdem immer wieder weiter gemacht haben. Das Buch ist meine persönliche Liebeserklärung an meine wunderschöne Heimat.

Die Betrachtung erhebt dabei nicht den Anspruch auf eine vollständige geschichtshistorische Würdigung. Ergänzt wird die Reise durch die Zeit um zahlreiche Fotos und Drucke zur Entwicklung von Westerland von 1850 bis 1950.

1 Uthlande und Festland

Die Mehrzahl der Vorfahren stammt von den Inseln, dem angrenzenden Festland und aus dem holsteinischen Gebiet. Daher ist es sinnvoll, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen zu betrachten. Die Lebensbedingungen unterscheiden sich aufgrund der Voraussetzungen. Viele Vorfahren vom Festland wohnten in kleinen Dörfern oder Weilern lebten überwiegend von der Landwirtschaft oder von handwerklichen Arbeiten. Auf den Inseln reichte die Landwirtschaft oft nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern. Daher wurden die Seefahrt und das Fischen zum Mittelpunkt des Erwerbslebens mit allen Konsequenzen, z.B. einer größeren Weltoffenheit der Seefahrer.

Da die meisten zugezogenen Familienzweige im 19. Jahrhundert nach Sylt gezogen sind, werden im Folgenden die gesellschaftlichen, technischen und sozialen Entwicklungen auf der Insel seit dem Mittelalter skizziert. Alte Fotos von Westerland dokumentieren die Änderungen im Ortsleben von Westerland von 1900 bis 1960.

Die Vorgeschichte der Friesen liegt weitgehend im Dunkeln, vermutlich haben sich die Stämme der Nord- und Ostfriesen aus den Westfriesen entwickelt. Nach Entstehen des Ärmelkanals zwischen Britannien und dem Festland ist Friesland von heftigeren Stürmen heimgesucht worden und Sturmfluten haben die Landschaft nachhaltig verändert. Mit den durch die Naturgewalten entstandenen Überschwemmungen der alten Seemarschen und den hierdurch bedingten Abspaltungen von Landflächen zu Inseln und Halligen gingen auch politische und gesellschaftliche Verbindungen der einzelnen Stämme verloren. Auf den Uthlanden, den Inseln Nordfrieslands entwickelten sich die Inselfriesen in eine andere Richtung als die Festlandsfriesen, die zudem in einem engen Austausch mit Holsaten und Jüten stehen. Wie der Chronisten Christian Peter Hansen in seinem lesenswerten Buch „Chronik der friesischen Uthlande“ feststellt, versteht man unter den Uthlands-Friesen „ein mit besonderen Rechten und Freiheiten versehenes, im Westen des Herzogtums Schleswig liegendes Inselland“.

Vor der Trennung der Friesenstämme in der Zeit von 1489 bis 1566 hatten die Friesen einen entscheidenden Anteil an der Eroberung von Britannien im 5. Jahrhundert und stellten bei diesen Eroberungszügen oft die Anführer. Erst um 800 wurden die Friesen von dänischen Heeren besiegt und unterstanden danach der meist ungeliebten Herrschaft durch dänische Könige. Dadurch wurden die Friesen nicht nur steuerpflichtig gegenüber der dänischen Krone, sie nahmen zwangsweise an Kriegszügen der Dänen gegen England, Frankreich und andere westeuropäische Ziele teil. Diese „Seezüge“ hatten insbesondere Plünderungen zum Ziel und endeten mit der Christianisierung im 11. Jahrhundert. In der Folge veränderte sich die Ansiedlung mit der Errichtung von Deichen und einem verstärkten Ackerbau. Im 13. Jahrhundert haben sich die Uthlands-Friesen mit einem Aufstand erfolgreich gegen die Vorherrschaft der Dänen gewehrt, die Unabhängigkeit hatte allerdings nicht lange Bestand. Ungewöhnlich starke Sturmfluten in den Jahren 1300, 1338, 1354, 1350 und 1351 mit der Folge von Pest und Seuchen brachten Tausenden von Friesen den Tod und verhinderten eine wirkungsvolle Gegenwehr gegen die dänische Herrschaft.

Ein erneuter Aufstand gegen die dänische Vorherrschaft im 15. Jahrhundert blieb erfolglos und in der Folge überzogen immer wieder Kriege das Land. In der Sturmflut von 1634 wurde die landwirtschaftlich fruchtbare Insel Nordstrand bis auf kleine Reste zerstört. Danach erfolgte die weitere Trennung der Stämme in Festlandsfriesen, die von Ackerbau und Viehzucht lebten, von den Inselfriesen, die schwerpunktmäßig der Seefahrt und Fischerei nachgingen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden am Festland bedeutende Deichbauten zum Schutz gegen die See errichtet und die Viehzucht florierte. In den Uthlanden waren die Friesen erfolgreich in der Seefahrt und verbesserten ihre Fähigkeiten in Mathematik und Navigation, so dass sie einen ausgezeichneten Ruf als Navigatoren und Schiffsführer gewannen. Neben der Handelsschifffahrt hatte der Walfang vor Spitzbergen zeitweilig eine herausragende Bedeutung.

1713 geraten die Uthlande unter die Herrschaft des Herzogtums Schleswig und damit wieder der dänischen Krone. Obwohl oder gerade, weil die Inselfriesen durch ihre Reisen wesentlich kosmopolitischer waren als die Festlandsfriesen und an vielen anderen Orten heimisch wurden, verlor sich der Zusammenhalt in der Gemeinschaft und das Interesse an Freiheit und Unabhängigkeit. Die Uthlande hatten zu dieser Zeit den Charakter eines Treffpunktes der Familien zwischen den Seereisen und als Ort für den Ruhestand, den sich erfolgreiche Schiffsführer durchaus in Wohlstand leisten konnten. Unter dem fehlenden Gemeinsinn litten auch der Deichbau und die Entwicklung sozialer Einrichtungen. So waren vor 1855 auf Sylt weder Feuerwehren oder Nachtwächter noch Institutionen zur Rettung Schiffbrüchiger entstanden. Auf Föhr gab es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts keine Buchhandlung und offensichtlich auch keinen Bedarf an geistiger „Bereicherung“. Dabei hatte Föhr immerhin schon 5.000 Einwohner.

Im Kontrast zum Wohlstand der seefahrenden Friesen stand der ärmliche Lebensstandard der übrigen Bevölkerung, die sich als Fischer, Wattschiffer, Landwirte oder Handwerker betätigten. Trotzdem hatte der langsam steigende Wohlstand zur Folge, dass die Kriminalität und auch die Strandräuberei im 19. Jahrhundert rückläufig war. Ähnlich wie die zuhause bleibenden Inselfriesen verhielten sich die vom Festland zuziehenden dänischen und friesischen Bevölkerungsteile, die vollständig assimiliert wurden. Durch den hohen Stellenwert der Seefahrt lasteten viele andere sonst von Männern erbrachte Aufgaben auf den Schultern der Frauen, die zum Teil alleine den Haushalt, die Erziehung der Kinder, die Instandhaltung der Häuser, eine bescheidene Landwirtschaft und Viehzucht bewerkstelligen mussten. C.P. Hansen schildert die typische Sylterin durch „hohe Gestalt, Schönheit, frische Farbe, blaue Augen und blondes Haar“. Die Last der Frauen in den Uthlanden wurde durch die hohe Zahl von bei Schiffsunglücken ums Leben gekommenen Seefahrern noch zusätzlich gesteigert.

1850 waren 300 der insgesamt 1.209 männlichen Bewohner von Sylt in der Seefahrt tätig und davon wiederum 136 Kapitäne und Steuerleute - dies entspricht einer Quote von fast 25%! In Westerland lebten zu dieser Zeit knapp 500 Einwohner, das größte Dorf war zu dieser Zeit Morsum mit 770 Einwohnern. Aufschlussreich ist ein Blick auf die „Produktion“ der 2.706 Einwohner in jenem Jahr vor über 160 Jahren: es wurden 2.900 Tonnen Roggen, 5.960 Tonnen Gerste, 1.660 Tonnen Hafer sowie in nennenswertem Umfang Wollprodukte hergestellt. Mit elf Austernfahrzeugen wurden von den damals 20 Austernbänken 1.700 Tonnen Austern geerntet. Dies entspricht 1,5 Millionen Stück, die auf das Festland und bis nach Russland transportiert wurden.

In den Dünen wurden 40.000 Möweneier gesammelt und in der Vogelkoje 22.916 Krickenten gefangen. Die Hauptausfuhrprodukte von der Insel waren über viele Jahre Austern, Gerste und Wollwaren. Neben den Einwohnern lebten 226 Pferde, 1.393 Kühe und 6.563 Schafe auf der Insel. Offensichtlich funktionierte die Steuerbürokratie der Dänen damals auch schon sehr effizient, wenn so genaue Zahlen zu Möweneiern und Schafen ermittelt wurden! Die Produktion auf Föhr war bis auf Austern und Möweneier ähnlich wie auf Sylt, die Einwohnerzahl lag 1850 mit 5.700 doppelt so hoch wie auf Sylt. Auf den Halligen waren Schifffahrt, Krabbenfang sowie die Produktion von Butter, Käse, Fleisch und Wollwaren die Haupteinnahmequellen. Auf Langeneß gab es 1850 gerade mal 57 Häuser.

Abbildung einer Karte des Herzogtums Holstein von 1653 von Nicolao Johannide Piscatore.

Unter den Uthland-Friesen finden sich in nicht geringer Zahl Seeleute, Schiffer und Kapitäne und auch unter den direkten Vorfahren und Verwandten, die von Sylt, Langeneß, Gröde oder Habel stammen, sind zahlreiche Seeleute und Kapitäne. Mehr als die Hälfte dieser Vorfahren starb vergleichsweise jung bei einem Schiffsunglück, bis hin zu den fernen Gestaden von Patagonien vor Südamerika. Insbesondere die Seefahrer von Sylt und den Halligen waren als Navigatoren und Schiffsführer anerkannt. Im 17. Jahrhundert haben viele Sylter für den Walfischfang bei Spitzbergen und Grönland bei holländische und Hamburger Reeder angeheuert und manche waren danach in der Handelsschifffahrt tätig. So anerkannt die Sylter als Schiffsführer und Fischer waren, so wenig angesehen waren sie in Landwirtschaft und Viehzucht. Die Festlandsfriesen waren dagegen schon früh erfolgreich mit Landwirtschaft und Viehzucht.

Im Laufe der Zeit ist eine Durchmischung zu beobachten, wobei in der Regel Festlandsfriesen auf die Inseln gezogen und dort assimiliert wurden, die umgekehrte Richtung war eher selten. Ein Beispiel ist Bahne Johannsen ein, der um 1750 als Pastor von Niebüll auf die Hallig Langeneß umgezogen ist. Sein Enkel mit gleichem Namen kehrte als Uhrmacher von Langeneß über Föhr nach Husum auf das Festland zurück. Die Familie Lorenzen ist von Sonderburg mit kurzer Zwischenstation in Odense für über zweihundert Jahre in Hadersleben ansässig geblieben, dann aber über Tondern nach Sylt gekommen. Die Janssen war eine ursprünglich aus Eckernförde stammende Familie, die über mehrere Zwischenstationen nach Westerland gezogen ist. Lorenz Nicolay Ludwig Janssen nimmt eine Sonderstellung ein, da er der einzige höhere Finanzbeamte unter den Vorfahren war. Letztlich ist auch die Familie Kaack aus der ursprünglichen Heimat bei Bordesholm über Zwischenstationen in Langewedel, Nübbel, Borgdorf, Husum und Flensburg nach Westerland gekommen. Die Geschichte gibt Beispiele für eine interessante Mischung von Uthland- bzw. Insel- und Festlandsfriesen mit Jüten und Holsaten.

1.2. Die friesische Welt im Wandel

Wenn man die Geschichte der verschiedenen Familienstämme in der zeitlichen Entwicklung betrachtet, wird deutlich, wie spät einige Errungenschaften von Zivilisation und Technologie aufgekommen sind. Einige zeitliche Einordnungen verdeutlichen dies:

Sturmfluten

und Überschwemmungen kosteten viele Tausend Menschen an den Küsten bis in das 17. Jahrhundert das Leben und vernichten große Marschflächen. Am 16.01.1362 ereignete sich die zweite Marcellusflut, die u.a. die Insel Strand bildete, der mit der Gewinnung von Salz aus Salztorf reich gewordene und auf einer 3 Meter hohen Warf gelegene Hauptort Rungholt ging dabei unter. Neben schlecht gewarteten Deichen hat die Salzgewinnung und die Trockenlegung des Landes für die Landwirtschaft auf Strand die Auswirkungen der Sturmflut verschlimmert, da man tief liegendes Land ins Meer entwässert und trockengelegt hat. Dies hat zu einem weiteren Absinken des ohnehin schon niedrigen Bodens geführt und in die Senken konnte das Meerwasser leicht eindringen. In einer Sturmflut im Jahr 1570 sollen an den Küsten von Holland bis Jütland bis zu 400.000 Menschen gestorben sein. Der Höhepunkt der Sturmschäden war am 11. Oktober 1634 der Sturm. Alleine auf dem ehemals reichen Strand starben in einer Nacht nach Deichdurchbrüchen an 44 Stellen 6.200 Menschen, 50.000 Kühe und Schafe. 1.300 Häuser und 30 Mühlen wurden vernichtet. Übrig blieben die beiden kleinen Inseln Nordstrand und Pellworm. In ganz Nordfriesland kamen in dieser Sturmnacht ca. 150.000 Menschen ums Leben.

Erst die folgenden effizienteren Deichbauarbeiten reduzieren die Verluste. Obwohl es einen absoluten Schutz gegen das Meer nicht gibt, wie auch die Hamburger Sturmflut von 1962 oder die Tsunami-Katastrophe von 2004 im indischen Ozean nachdrücklich gezeigt haben, die 230.000 Menschenleben kostete. Dabei starben bei dem Tsunami 2004 immerhin wesentlich weniger Menschen als bei der Sturmflut von 1570 an der Nordseeküste.

Im 15. Und 16. Jahrhundert waren die Inselfriesen bevorzugt Fischer und Wattschiffer mit Herings- und Schellfischfang in der Nordsee, Rochen-, Schollen- sowie Austernfang im Wattenmeer. Große Heringsschwärme zogen über lange Zeit direkt an der schleswig-holsteinischen Westküste vorbei. Als sich die Zugrichtung endet, ging mit der küstennahen Fischerei in erheblichem Maße zurück. Bei der Erkundung der Gewässer westlich von Grönland auf der Suche nach einer Passage in Richtung Indien wurden große Walfamilien bei Spitzbergen gesichtet, die dort regelmäßig im Sommer hinzogen und Nachwuchs bekamen. In den Jahren nach 1610 entwickelte sich der

Walfang vor „Grönland“, gemeint ist eigentlich bei Spitzbergen,

und wurde für die Seefahrer von Sylt, Föhr und von den Halligen ein wichtiger Erwerbszweig.

Die Gründung von Stationen und Tran-Kochereien auf Grönland nach 1630 bis 1777 intensivierte das einträgliche Geschäft. Die friesischen Seeleute heuerten meist bei hamburgischen und holländischen Reedern an und begannen die Seereise oft in Hamburg. Die Seefahrer aus Föhr waren überwiegend für hamburgische Reedereien unterwegs. Im Frühjahr nach dem traditionellen Biikebrennen auf den Inseln brachen die Männer gemeinsam mit kleineren Schiffen auf, um in Hamburg oder Amsterdam eine Anstellung zu finden. Auch auf diesen kleinen Reisen mit Schmack-Seglern vom und zum Einschiffungshafen passierten Schiffsunglücke, die mit dem Tod der Seeleute auch den Erwerb der verbundenen Familien gefährdete.

Die Inselfriesen galten als gute

Navigatoren

und stiegen oft zu Steuermännern und Kapitänen auf. Da die Seeleute anteilig am Gewinn beteiligt waren, wurden einige Kapitäne wohlhabend. Allerdings gab es bei dieser Erwerbstätigkeit erhebliche Gefahren durch das Eis und bis zu 10% der ausgelaufenen Schiffe wurden in den Eisfeldern zerdrückt. Die Besatzungen konnte in den meisten Fällen von anderen Walfängern gerettet werden. 1777 wurden über 100 Walfangschiffe vom Eis eingeschlossen und verbrachten ein Jahr auf den Schiffen, bis die Vorräte verbraucht waren und die Schiffe dicht an die grönländische Küste getrieben waren. Die Besatzungen verließen die Schiffe und machten sich auf den Weg zu den Siedlungen auf der Westseite von Grönland. Eine Gruppe begab sich auf den direkten Weg quer durch Grönland und verschwand auf diesem Weg spurlos. Die andere Gruppe wanderte entlang der Küste erst nach Süden, dann nach Westen und schließlich nach Norden. Mit Verlusten erreichten sie die Niederlassung und kehrten wieder in die Heimat zurück. Das Unglück, bei dem viele friesische Seeleute ihr Leben verloren, in Verbindung mit den abnehmenden Zahlen von Walen bedeutete faktisch das Ende des Walfangs vor Grönland in großem Stil. Einer der erfolgreichsten und bekanntesten Grönland-Kommandeure war

Lorenz Petersen de Hahn

, der bis Anfang des 18. Jahrhunderts auf Walfang fuhr und zu den entfernten Verwandten zählt. Aber auch andere Verwandte widmeten sich diesem gefährlichen Erwerb.

1731 wurde in London der

Oktant

als wesentliches Hilfsmittel für die Navigation erfunden. Aber erst in Verbindung mit zuverlässigen

Schiffschronometern

wurde die Navigation zuverlässiger als durch Koppeln und die Navigation nach Sternen. Der Harrison-chronometer wurde zwar schon 1735 vorgestellt. Die Verbreitung auf den Schiffen setzte sich aber erst zum Ende des 18. Jahrhunderts durch, seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind Oktanten und Chronometer gängige Ausrüstungsgegenstände auf größeren Schiffen.

1748 wurde auf Föhr eine ein

„Vogelkoje“

zum Fang wilder Enten gebaut. Auf Sylt wurde später ebenfalls mehrere solche Einrichtungen zwischen Kampen und List errichtet. Die ursprünglich in Holland eingeführten Vogelkojen habe einen zentralen Süßwasserteich, auf dem zahme Enten ausgesetzt werden, die die im Herbst nach Süden ziehenden Wildenten in die Anlage locken. Von dem zentralen Teich führen mit Netze nach oben und zu den Seiten gesicherte Gräben in das umliegende Buschland. Mit Getreidekörnern werden die Enten in die zunehmend enger werden Gräben („Flöten“) gelockt und von den Vogelfängern in die Fangnetze am Ende der Gräben getrieben. Pro Tag wurden bis zu 1.000 Enten gefangen und in einem guten Herbst insgesamt bis zu 30.000. Neben Getreide, Austern und Wollwaren wurden Enten ein wichtiges Exportgut für die Inseln.

Nach dem Niedergang des Walfangs gewann die

Handelsschifffahrt

steigende Bedeutung mit Reisen bis nach Ostasien und auch hier waren die Inselfriesen als Seeleute gefragt. An die Stelle der Gefahr durch das Eis war jetzt allerdings die Gefahr durch nordafrikanische Piraten getreten. Dabei wurden Schiffe aufgebracht und Ladung geraubt, Seeleute als Geiseln genommen oder gleich als Sklaven auf den Sklavenmärkten von Marokko oder Tunesien verkauft. Aus dieser Zeit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gibt es abenteuerliche Berichte von einigen friesischen Seeleuten, die in der Sklaverei aufgrund ihrer Fähigkeiten „Karriere“ machten, bis zum Feldherrn aufstiegen und nach langen Jahren sogar vermögend wieder in die Heimat zurückkehrten. C.P. Hansen gibt in seiner Chronik der Uthlande einige spektakuläre Fälle wieder. Ein solches Beispiel ist Kapitän Schwenn Jürgens aus Keitum, der 1746 von einem Piraten-Schiff unter türkischer Flagge aufgebracht wurde. Für die Mehrzahl der von

Piraten

gekaperten Schiffe und Seeleute endete die Kaperung weniger glücklich. Damals entwickelte sich der Freikauf von festgesetzten Seeleuten durch ihre Familien oder die Reedereien zum profitablen Unterfangen.

Alleine in den Jahren 1775 und 76 kamen 21 Sylter in der Handelsschifffahrt ums Leben. Auch in den Folgejahren kamen Seeleute ums Leben, aber die Zahl der Seefahrer nimmt zum Ende des 18. Jahrhunderts ab auf 378 auf Sylt und etwa 1.000 auf Föhr. Laut Kapitän Jens Boysen gab es 1792 auf Sylt 120 Schiffer oder Kapitäne auf größeren Schiffen. Viele Vorfahren von Sylt und den Halligen waren in der Handelsschifffahrt tätig. Der letzte in der Reihe war Kapitän Charles Carstensen, der bis in die dreißiger Jahre nach Ostasien fuhr.

Die dunkle Seite der erfolgreichen Handelsschifffahrt war der

Transport von Sklaven

nach Westindien, bei dem von 1775 bis Anfang des 19. Jahrhunderts auch Sylter Seeleute beteiligt waren. Sklaven wurden aus Guinea nach Westindien verfrachtet, wo Zuckerrohrplantagen dank billiger Arbeitskräfte große Profite abwarfen. Alleine zwischen 1777 und 1789 wurden über 13.000 Sklaven transportiert und verkauft. Zu den erfolgreichen Westindienfahrern gehörte eine Reihe von Kapitänen aus der Familie

Frödden

.

Auf Sturmfluten oder kriegerische Auseinandersetzungen folgten fast immer Hungersnöte, da Überschwemmungen die Ernte vernichtet und das Vieh ertränkt hatten. In der Kombination von nicht ausreichender Ernährung, liegen gebliebenen Tierkadavern und nicht beerdigten Leichen ergaben sich fast ebenso regelmäßig

Epidemien und Ausbrüche der Pest

. So starben Menschen nicht nur durch die unmittelbaren Auswirkungen der Sturmfluten reduziert, sondern mittelbar noch bis zu einem Jahr später.

In der Folge der Sturmfluten mussten nicht nur Häuser wiederaufgebaut oder repariert, sondern insbesondere

Deiche instandgesetzt

und neu entstandene Priele geschlossen werden. Diese Leistungen mussten neben dem sonstigen Lebensunterhalt erbracht werden, da sich die Fürstenhäuser finanziell kaum beteiligten. Stattdessen erhoben die Fürsten von Schleswig und Holstein ebenso wie die dänischen Könige immer wieder neue

Abgaben und Steuern

, um ihre Kriegszüge oder Schlossbauten zu finanzieren. Gerecht war die Welt damals genauso wenig wie zu späteren Zeiten. Der Streit um Gebietsansprüche zwischen diesen drei Adelshäusern war für die Bevölkerung nachteilig, da zusammengehörende Gebiete getrennt wurden oder zusätzliche Abgaben zur Aufstellung von Truppen gezahlt werden mussten. Nicht selten zogen Heere der streitenden Parteien über das Land und forderte ihrerseits Abgaben und Verpflegung.

Kriegerische Auseinandersetzungen

zwischen den einzelnen Friesenstämmen und insbesondere immer wieder mit den dänischen Herrschern dauerten seit der Frühzeit an. Im Jahr 1646 wurde das Listland auf Sylt kurzzeitig von schwedischen und verbündeten holländischen Truppen besetzt, als diese sich in einem der häufigen Kriege mit Dänemark auseinandersetzten. Den Sylter Frauen und Männer gelang es aber die Invasoren zur Flucht zu bringen, wobei die Sonntagstracht der Frauen mit reichlichem Silberschmuck einiges beigetragen hat, da die Schweden im Gegenlicht eine größere Streitmacht vermuteten.

Bücher

fanden erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts Verbreitung, zunächst war dies in erster Linie die Bibel. Die erste Druckerei in Schleswig-Holstein gründete 1486 Stephan Andres in Schleswig und das erst dort produzierte in einer Auflage von 200 Stück produzierte Buch war ein Messbuch für das Bistum Schleswig. Den Vertrieb übernahm der Domherr von Schleswig. Der Buchhandel wurde in den kleineren Städten meist von Buchbindern für die Verleger mit übernommen, da Buchdrucker die Werke bis weit ins 19. Jahrhundert nur als lose Blätter lieferten. Auftraggeber der Buchbinder waren in erster Linie Kirchen und Schulen. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Bücher in Husum auf zwei jährlich durchgeführten Märkten verkauft. Kirchen oder einzelne Lehrer betrieben gelegentlich einen „Bücherschrank“ als Bücherlager und Verkaufsstelle für Verleger und Buchhändler aus den größeren Städten. Ab 1850 werden in Zusammenarbeit mit den Schulen öffentliche Bibliotheken auf den Inseln eingerichtet und förderten die Verbreitung der Lesebereitschaft.

1614 fand in Nordfriesland der wohl letzte

Hexenprozess

statt. Trotz Christianisierung und frühzeitiger Annahme der Reformation blieben heidnische Bräuche und Aberglaube lange präsent und Hexen- oder Zauberer-Verbrennungen waren nicht selten.

Ein

allgemeines Schulsystem

wurde in Nordfriesland erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aufgebaut. Davor war Bildung den Adligen und wohlhabenden Familien vorbehalten, die ihre Kinder auf eine der wenigen und meist entfernten Schulen schicken konnten. Auf den Inseln begann ein Schulunterricht um 1650 in den Wintermonaten und durch Seefahrer, die in dieser Zeit zuhause waren. Hauptfach war Mathematik, die wichtigste Voraussetzung für die Navigation. Lesen und Schreiben waren damals noch nachgelagert. In manchen Gegenden übernahmen Pastoren den Schulunterricht, bevor hauptberufliche Lehrer angestellt wurden. Erst ab 1761 wurde das Schulwesen unter staatliche Aufsicht gestellt und hauptberufliche Lehrer von den Kommunen eingestellt. Mit der Neuordnung des Schulwesens durften von 1804 an nach den neuen Schulregularien nur noch ausgebildete und geprüfte Lehrer an öffentlichen Schulen unterrichten, so dass die Unterrichtsqualität und die Breite der Schulfächer zunehmen. Die Lehrer erhalten nach der Neuordnung ein festes, aber damals sehr niedriges Gehalt, eine mietfreie Wohnung, den Erträgen aus einige Ländereien und einigen Vorräten an Korn. Die direkten Vorfahren

Hinrich Schröder

und

Claus Kaack

waren bis 1848 bzw. 1884 als Dorflehrer in Vaale respektive Borgdorf tätig.

Ein

ständiges Gerichtswesen