Heimatkunde. Alles über Hamburg - Heiko Kreft - E-Book

Heimatkunde. Alles über Hamburg E-Book

Heiko Kreft

4,7

Beschreibung

Seit mehreren Monaten begeistert die Zuschauer des NDR Hamburg Journals eine neue Reihe: Heimatkunde. Alles u¨ber Hamburg. Jede Folge präsentiert, eingängig und mit viel Witz aufbereitet, fu¨nf bis sieben bestens recherchierte Fakten zu einem fu¨r die Hansestadt wichtigen Thema. Nun erscheint endlich, auch aufgrund zahlreicher Zuschauerwu¨nsche, das Buch zur Serie – und beweist auf jeder der 128 Seiten, dass Bildung angenehm unterhaltend und Unterhaltung sehr bildend sein kann. Im von den Filmen bekannten frischen Stil widmet sich der durchgehend farbig illustrierte Band von A wie 'Alster' bis Z wie 'Zirkus und Rummel' Wissenswertem u¨ber Hamburg. Wobei die Autoren selbst bei Experten manchen Erkenntnisgewinn hervorrufen du¨rften. 'Heimatkunde. Alles u¨ber Hamburg', das Buch zur beliebten Fernsehreihe, mit noch mehr Illustrationen und Hintergrundinformationen. Zum Schmunzeln, Staunen und – auch nicht zu verkennen – zum Weitererzählen.

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Inhalt

Alster

Auswanderer

Bergbau

Börse

Brauereien

Brücken

Burgen & Schlösser

Diplomatie

Einwanderer

Eisenbahn

Erfinder

Fischerei

Fußball

Geld & Münzen

Hanse

Inseln

Kaffee

Katastrophen

Kulinarisches

Kuriose Gesetze

Leuchttürme

Liebhaber & Verächter

Nachbarn

Oper & Musical

Piraten

Plattdeutsch

Post

Rathäuser

Reedereien

Schätze

Schriftsteller

Schulen

Segeln & Rudern

Straßennamen

Sündige Jobs

Weltrekorde

Alster

Über 56 Kilometer schlängelt sich dasFlüsschen Alster durch Schleswig-Holstein,bevor es sich mit der Hamburger Binnenalsterselbst einen krönenden Höhepunkt setzt.

Zu Hamburg gehörten einst mehr als nur die Außen- und die Binnenalster.

Ursprünglich war der Fluss nahezu vollständig im Besitz der Holsteiner Grafen. Bis zu jenem schönen Tag im Jahr 1306, an dem der ständig klamme Adolf V. (1252–1308) ein Angebot bekam, das er nicht ablehnen wollte. Die Hamburger boten ihm doch tatsächlich 225 Mark für einen Viertel des Flusslaufes. Sogar eine Rückkaufoption versprachen sie ihm. Erfreut stimmte Adolf zu. Das gleiche Spiel wiederholte sich drei Jahre später. Da kauften die Hamburger ein weiteres Viertel, zahlten allerdings nur noch 200 Mark. Die restliche Alster-Hälfte wechselte schließlich 1310 unter Adolf VI. (1256–1315) den Besitzer. Diesmal ohne Rabatt. Hamburg gehörte nun der ganze Fluss. Gesamtkosten: schlappe 1.025 Mark. Rückgabe ausgeschlossen. Ein echtes Schnäppchen, das wichtige wirtschaftliche Privilegien sicherte und über das sich die Holsteiner noch 620 Jahre später ärgerten. 1930 verfassten sie ein Gutachten, um die Alster zurückzubekommen. Ein aussichtsloses Unterfangen. Die juristische Abhandlung verschwand im Tresor und kam erst 1952 an die Öffentlichkeit.

Schlittern und Glühwein trinken auf der Alster ist ein eher seltener Spaß.

Sobald im Winter die Frostperiode einsetzt, bibbern viele Hamburger. Nicht unbedingt wegen der Kälte, sondern vor Aufregung. Das große Sehnsuchtsziel lautet: ein paar schicke Tage „Alstereisvergnügen“. Doch fast immer macht das Wetter einen dicken Strich durch die schöne Rechnung. Das populäre Volksfest ist (und bleibt) eben eine echte Seltenheit. In den letzten 40 Jahren gab es nur sechsmal die Gelegenheit zum winterlichen Budenzauber. Zuletzt im Februar 2012. Wenn es ausnahmsweise einmal dazu kommt, lassen es die Hamburger dafür umso mehr krachen. Bis zu 500.000 Besucher stürmen aufs Eis und die 150 Verkaufsstände. Damit nichts Schlimmes passiert, besteht die Umweltbehörde auf hohen Sicherheitsstandards. Erst wenn an 50 Stellen der Alster das Kerneis mindestens 20 Zentimeter dick ist, dürfen Buden rauf. Nur Gulaschkanonen bleiben generell verboten. Auch außerhalb Hamburgs hat das Volksfest viele Fans. 1991 kam sogar eine Gruppe Finnen angereist, um auf der zugefrorenen Alster eine zünftige Partie Golf zu spielen.

Um Hamburg im Zweiten Weltkrieg zu schützen, wurde die Alster zugebaut.

Ganz unclever war der Plan eigentlich nicht, den sich Hamburger Behörden im Zweiten Weltkrieg ausdachten: Als nach deutschen Luftangriffen auf London und andere britische Städte Vergeltungsmaßnahmen drohten, verfiel man auf die Idee, feindliche Bomberpiloten mit einer List zu verwirren. 1941 wurde daher auf der Binnenalster ein riesiges schwimmendes Holzmodell der Innenstadt gebaut. Aus jeder Menge Sperrholz und Farbe entstanden falsche Straßen, Häuser und Kanäle. Kern der Anlage war eine zweite falsche Lombardsbrücke. Die Hoffnung: Aus der Luft können die Piloten echte und falsche Brücke nicht unterscheiden. Die Chance, dass das Original verschont bliebe, stand 50:50. Doch der Plan eines potemkinschen Hamburger Dorfes ging nicht auf. Aus einem einfachen Grund: Bevor Bomber Richtung Hamburg flogen, berichteten englische Tageszeitungen groß und breit über die Tarnaktion. Der Schutzeffekt des mühsam fabrizierten Modells war daher gleich null.

Deutschlands erste Badeanstalt stand auf der Binnenalster.

Richtig gelesen! Auf der Binnenalster, nicht an der Binnenalster. Des Rätsels Lösung: Die Badeanstalt war ein Badeschiff. Zusammengezimmert wurde das Holzboot 1792/93 im Auftrag der „Patriotischen Gesellschaft“. Mit seinen zwölf getrennten Badekammern ermöglichte es fortan ein sittlich und moralisch einwandfreies Baden in der Alster – zunächst nur Männern. Schnell entwickelte sich das in Form eines prachtvollen Pavillons gehaltene Floß zu einem absoluten Muss für Hamburgs High-Society. Es lag vor dem Jungfernstieg und war nur per Ruderboot zu erreichen. Bereits im ersten Jahr wurden 3.960 Eintrittskarten verkauft. Lange hielt der Bau allerdings nicht. Schon im Jahr 1800 war er so kaputt, dass ein neuer her musste. Der hielt leider auch nicht viel länger, so dass 1808 eine öffentliche Aktiengesellschaft ins Leben gerufen wurde, die innerhalb von zwei Jahren ein größeres und repräsentativeres Badeschiff bauen ließ. Nun durften – natürlich sorgsam nach Geschlechtern getrennt – auch Damen in die Alster hüpfen. In einer angeschlossenen Schwimmlehranstalt konnte Schwimmen trainiert werden. Zeitgenossen rühmten beide als eine „Zierde des Alster-Bassins“. Gänzlich unumstritten war das Badeschiff allerdings nicht. Mediziner und Chemiker diskutierten heftig darüber, ob die Badenden die Hamburger Trinkwasserversorgung gefährdeten. Da man Trinkwasser direkt aus der Alster entnahm, fürchtete man den Schmutz der Badegäste. Feuer erhielt der Streit durch die Behauptung einiger Hamburger Amtsfischer. Sie mokierten sich darüber, dass durch die Einrichtung Fische aussterben würden. Zum Verhängnis wurde dem Schiff allerdings nicht dieser Vorwurf, sondern ein Sturm, der es 1845 fast zum Sinken brachte. Nun verlegte man es an die Außenalster. 2008 kämpfte der damalige Bürgermeister Ole von Beust dafür, wieder ein Badeschiff auf die Alster zu bringen – ging mit der Idee jedoch spektakulär baden.

Die Alster-Dampfschifffahrt hatte ein paar Anlaufprobleme.

Fast fünf Jahre dauerte es, bis aus einer tollen Idee Realität wurde und der erste Dampfer zur Jungfernfahrt ablegte. Die Idee zum motorisierten Schippern über die Alster hatte der Versicherungsagent Gustav Adolph Droege. 1854 beantragte er beim Rat der Stadt eine Erlaubnis zum Betreiben einer Schiffslinie zwischen dem Jungfernstieg und Eppendorf. Mit damals hochmodernen Dampfschiffen wollte er schnelle Verkehrsverbindungen in der wachsenden Großstadt schaffen. Unter Besitzern von Ruderfähren erhob sich daraufhin ein Sturm der Entrüstung, den der Senat tapfer ignorierte. Nach „nur“ eineinhalb Jahren Prüfzeit gab er Droeges Plan seinen Segen. Ein Schiff war schnell besorgt. Droege kaufte einen gebrauchten Raddampfer, der bis dahin seinen Dienst auf dem Rhein versehen hatte. Über die Nordsee ließ er ihn nach Hamburg bringen. Dort kam er kaputt an. Die Mannschaft hatte sich dumm angestellt und den Dampfkessel mit Meereswasser gefüllt. Das Salz zerfraß ihn – ganz ohne Hexerei – in Windeseile. Und da bekanntlich ein Unglück nur selten allein kommt, schlug der Dampfer im Januar 1857 leck und sank auf den Grund der Elbe – ohne jemals einen Meter über die Alster gefahren zu sein. Droege ließ sich davon nicht entmutigen. In Koblenz besorgte er sich ein Ersatzschiff, das diesmal sogar unversehrt im Norden ankam. Dafür gab es nun Ärger mit den Behörden. Bei der polizeilichen Abnahme stellte sich heraus, dass das Dampfboot „Helene“ ein klitzekleines bisschen zu groß war. Droeges Erlaubnis galt für ein Boot mit zirka 6 Passagieren, sein Dampfer hatte aber Platz für 230. Der Unternehmer verlor seine Lizenz und verkaufte die „Helene“ an eine russische Wolga-Reederei. Unterdessen begann am 15. Juni 1859 eine andere Firma mit der regelmäßigen Alster-Dampfschifffahrt.

Auswanderer

Der anhaltende Erfolg von TVReality-Soaps wie „Goodbye Deutschland!“ zeigt:Das alte Thema hat offensichtlich immernoch einen ganz besonderen Reiz.

Hamburg ist nicht nur „Tor zur Welt“, sondern auch zu einem neuen Leben.

Über Hamburgs Hafen verließen innerhalb von 150 Jahren rund 5 Millionen Menschen ihre alte Heimat. In Boomzeiten waren es jährlich bis zu 300.000. Ein Großteil von ihnen ging in die USA, aber auch Australien, Ozeanien, Afrika und Südamerika waren Zielgebiete. Für Hamburg und seine Reedereien entwickelte sich die Angelegenheit ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem bombastischen Geschäft, das schrittweise ausgebaut wurde. Während man zu Beginn Auswanderer nur bis England chauffierte, wo sie in größere Ozeandampfer umstiegen, ging es bald per Direktverbindung in die Neue Welt. Die Idee vom Neuanfang am anderen Ende der Welt fasziniert Hamburger auch heute. Etwa 30.000 Hansestädter ziehen pro Jahr ins Ausland. Das sind vergleichsweise viele. Anfang der 1980er Jahre packten nur 11.000 Hamburger ihre Koffer und im Jahr 2000 waren es lediglich 18.000.

Von Hamburg aus ging es für viele Europäer nach Brasilien.

Um sich „einer Menge Vagabunden und müßigen Volkes zu entledigen“ und ganz nebenbei eine Menge Geld zu sparen, schob der Hamburger Senat 1.824 Häftlinge nach Brasilien ab. Es war der Beginn einer wundervollen Freundschaft zwischen der Hansestadt und dem um seine Anerkennung kämpfenden brasilianischen Kaiser Pedro I. (1798–1834). Pedro hatte sich selbst zum Kaiser ausgerufen und brauchte zur Verteidigung des Anspruches dringend eine eigene Armee und Untertanen. Ein Trick: Auswanderwilligen, die sich für sechs Jahre Militärdienst verpflichteten, wurde die Überfahrt nach Südamerika geschenkt. Von Hamburg aus gingen bald zehntausende Deutsche und Osteuropäer als Soldaten und Siedler nach Brasilien. Unter falschen Versprechen, Vorstellungen und elenden Bedingungen, wie sich häufig zu spät herausstellte. Eine Hauptrolle in dem Geschäft spielte der vom brasilianischen Kaiser nach Europa entsandte Major Georg Anton von Schäffer. Von seiner Hamburger Geschäftszentrale aus schickte Schäffer Werbeagenten in „vielversprechende“ arme Regionen wie Pommern, Mecklenburg und Württemberg.

Auswandern über den Hamburger Hafen war zeitweise verboten.

Der Senat erließ 1825 ein Mandat, das die Anwerbung von Ausreisewilligen und deren Abreise über Hamburg untersagte. Ursache der drakonischen Maßnahme waren zahlreiche Berichte über kriminelle Geschäfte der sogenannten „Seelenverkäufer“. Besonders ein Vorfall an Bord des Hamburger Schiffes „Germania“ schockierte die Öffentlichkeit. Unter nie geklärten Umständen ließ Kapitän Hans Voß sieben Passagiere erschießen und über Bord werfen. Angeblich war es zu einer Meuterei gekommen. Gründe mag es genug gegeben haben. Häufig waren die Platzverhältnisse und hygienischen Zustände unhaltbar und selbst beim Proviant kam es zu Engpässen. Lange hielt sich der Hamburger Senat nicht an das selbst proklamierte Zölibat. Weil nun ausgerechnet die Bremer an Auswanderern prächtig verdienten, kippte er sein Gesetz – und Hamburgs Reeder stiegen groß in das Geschäft ein.

Hamburger planten ernsthaft, Inseln als Kolonien zu kaufen.

Treibende Kraft hinter dem Versuch war der Kaufmann und Senatssyndicus Karl Sieveking (1787–1847). Nach einem Besuch bei deutschen Auswanderern in Brasilien verfolgte er beharrlich die Idee, seiner Heimatstadt Kolonien zu beschaffen. Sie sollten als Handelsstützpunkte dienen und gleichzeitig soziale Probleme lösen. Mit gezielt gesteuerter Auswanderung wollte Sieveking der Überbevöl-kerung begegnen. Rücksicht auf (Ur-) Einwohner der in Augenschein genommenen Ländereien nahm er dem Zeitgeist folgend nicht. Kolonialprojekte in Südamerika, Texas und Südafrika kamen über Anfangsüberlegungen nicht hinaus. Zwei Planspiele wurden jedoch konsequent betrieben. Mit dem Osmanischen Reich verhandelte Sieveking 1841 über zwei griechische Inseln im Mittelmeer. Am Istanbuler Hof ließ er ausloten, ob der Sultan einem Kauf der Inseln Thasos und Samothrake zustimmen würde. Wenig später richtete sich die Hamburger Begehrlichkeit auch auf die Insel Samos. Obwohl sich die Osmanen das Geschäft grundsätzlich vorstellen konnten, kam es aus heute nicht mehr zu ermittelnden Umständen zu keinem Abschluss. Möglicherweise lag es daran, dass Sieveking parallel Kaufpläne für die Chatham-Inseln bei Neuseeland hegte. Die „Deutsche Colonisation-Gesellschaft“, deren Teilhaber er und weitere Hamburger Kaufleute waren, unterschrieb im September 1841 in London einen vorläufigen Kaufvertrag über die Insel. Zur Ratifizierung und Übereignung kam es allerdings nicht. Das verhinderte niemand Geringere als die britische Königin Victoria. Im April 1842 erklärte sie die Chatham-Inseln kurzerhand zum unverkäuflichen Teil ihres Empires, indem sie die neuseeländische Grenze einfach ein paar hundert Kilometer weiter verschob.

Auf der Veddel betrieb die HAPAG eine eigene „Auswandererstadt“.

Schon bald nach ihrer Gründung im Mai 1847 beförderte die „Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft“ (HAPAG) anstelle von Paketen vor allem Auswanderer Richtung Amerika. Das Passagiergeschäft über den Atlantik machte bald einen Großteil des Unternehmens aus, zumal nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 und den elenden sozialen Bedingungen in weiten Teilen Deutschlands und Osteuropas die Emigrantenzahlen rasant stiegen. Für die HAPAG und deren Chef Albert Ballin, übrigens selbst Sohn eines Auswanderers, ein glänzendes Geschäft. Mit einem kleinen Risiko: Die HAPAG war verpflichtet, Passagiere, denen die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigert wurde, kostenfrei zurück nach Europa zu bringen. Um sicher zu gehen, errichtete die Firma daher am Amerikakai des Hamburger Hafens Baracken. In ihnen mussten täglich bis zu 1.400 Ausreisewillige wohnen – solange, bis ihre Einreiseformalitäten in Amerika vorab geklärt waren. Die beengten und unhygienischen Zustände sorgten für Kritik, zumal nicht alle Passagiere gezwungen wurden, im Lager zu leben. Die Zwangsunterbringung galt nur für die Ärmsten. Ihnen war ausdrücklich verboten, in der Stadt Hamburg zu übernachten. 1901 änderte sich die Situation grundlegend. Die HAPAG errichtete auf der Veddel eine richtige kleine Stadt. Mit modernen Schlaf- und Wohnpavillons, Büro- und Sanitärgebäuden sowie einer großen Speisehalle wurden die letzten Tage auf dem Alten Kontinent erträglicher. Sogar ein Musikpavillon mit regelmäßigen Konzerten, eine Kirche und eine Synagoge entstanden. Als die Auswandererzahlen nach dem Ersten Weltkrieg dramatisch zurückgingen, verlor die „Ballinstadt“ an Bedeutung. Bis Anfang der 1960er Jahre wurden fast alle Gebäude abgerissen. Als man 2004 begann, an dem historischen Ort ein Auswanderermuseum zu schaffen, stand keine einzige Halle mehr. Die Lösung: Für die Ausstellung wurden drei Häuser rekonstruiert.

Bergbau

Bergbau in der Großstadt – das klingt wieBadeurlaub in der Antarktis. Doch waszunächst unglaublich erscheint, hat inHamburg eine äußerst vielfältige Tradition.

In Hamburgs Erde gibt es einen funkelnden Rohstoff, den man leider nicht sieht.

Seit Jahrtausenden sind Menschen vom Gold fasziniert. Vor allem in finanziellen Krisenzeiten gilt es vielen als sichere Anlage. Hamburger, die keine Goldklumpen unter dem heimischen Kissen haben, mag es daher trösten, dass in der Erde ihrer Stadt jede Menge davon schlummert. So weit die optimistische Formulierung. Nun die realistische: Die Konzentration ist extrem gering. Selbst von Goldfusseln zu reden, wäre leicht übertrieben. Das Edelmetall ist nicht einmal mit dem Mikroskop erkennbar. Nur chemische Analysen bestätigen das Vorkommen. Das schüchterne Edelmetall kam, wie die vielerorts herumliegenden Findlinge, mit den Gletschern der Eiszeit nach Norddeutschland. Schade eigentlich, dass die skandinavischen Eismassen statt großer Goldnuggets nur die ollen, völlig nutzlosen Steinmonster vor sich herrollten.

Die Erdgasförderung begann mit einem mächtigen Knall.

Im Jahr 1910 waren die Hamburger Wasserwerke auf die Suche nach neuen Trinkwasserquellen, um die immer größer werdende Hansestadt ausreichend mit frischem Quellwasser versorgen zu können. Besonders vielversprechend erschien das Gebiet um Neuengamme in den Vierlanden. Nach mehreren erfolglosen Bohrungen gelang am 3. November ein sensationeller Fund. Nicht unbedingt der, den sich die Geologen vorgestellt hatten, aber einer, der die Dinge schlagartig änderte. Statt sprudelndem Wasser schoss plötzlich aus einer Tiefe von 248 Metern ein Gemisch aus Schlamm, Sand und Wasser nach oben – gepaart mit kräftigem Methangeruch. Die Hamburger waren auf eine Erdgaslagerstätte gestoßen – der ersten Deutschlands. Die Freude darüber dauerte nur kurz. Schon am nächsten Tag passierte ein Unglück. Funken einer Lokomotive entzündeten die ausströmenden Gase. Ein skurriles Schauspiel war die Folge. Drei 18 Meter hohe Gasfontänen brannten in unterschiedliche Richtungen ab. Erst nach 17 Tagen vermochte die Feuerwehr sie zu löschen. Aus Angst, die frei ausströmenden Dämpfe könnten Einwohner der umliegenden Gemeinden vergiften, wurde das ausströmende Gas wieder angezündet. Erst am 2. Dezember, also einen Monat nach der überraschenden Entdeckung der Lagerstätte, löschte man die Flammen endgültig. Die Hamburger begannen nun, das Gas gezielt zu fördern. Eine technische Pionierleistung, denn zuvor hatte dies in Deutschland noch niemand versucht. Der Versuch machte in diesem Fall nicht nur „kluch“, sondern auch vermögend. Über 20 Jahre wurden Hamburgs Haushalte mit dem heimischen Erdgas versorgt und Einnahmen von 20 Millionen Goldmark generiert.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz könnte sich als kleiner Ölscheich fühlen.

Was kaum jemand weiß: Auf Hamburgs Stadtgebiet wird seit über 70 Jahren Erdöl gefördert. In Reitbrook holten ab 1937 unzählige Pumpen den begehrten Rohstoff aus der Erde. Es war damals das größte deutsche Ölfeld. Zwei Jahre später erreichte die Produktion ihren Höhepunkt: 360.000 Tonnen in zwölf Monaten! Die „goldschwarzen“ Zeiten sind noch lange nicht vorbei. Unter der Hansestadt schlummern rund 340.000 Tonnen, die weiterhin kräftig gefördert werden. Im Sinstorfer Ölfeld sind es zur Zeit etwa 16,5 Tonnen jährlich. Das macht Bürgermeister Scholz vielleicht nicht zum saudischen Ölscheich, aber immerhin zum kleinen norddeutschen Ölprinzen. Sein Vorratsschatz im Erdölsee hat einen momentanen Marktwert von geschätzten 170 Millionen Euro. Bei steigenden Energiepreisen sogar tendenziell mehr.

In einem echten Bergwerk wurde Braunkohle unter Tage gefördert.