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Heinrich hört seine Eltern streiten. Das Geld reicht nicht. Und dieser Vogel, schreit der Vater, der frisst mir noch die Haare vom Kopf! Heinrich nimmt Friedrich, den Kanarienvogel, und geht mit ihm zu der großen Kreuzung, dorthin, wo jetzt immer vietnamesische Männer stehen und Zigaretten verkaufen. Heinrich will Friedrich verkaufen. Für zehn Mark. Es tut mir leid, Friedrich, es tut mir wirklich leid ... Die Männer verkaufen eine Schachtel Zigaretten und noch eine. Aber keiner will Heinrichs Vogel. Da kommt Onkel Riko. Bisschen lang, bisschen dünn. Er hat Heinrich den Vogel geschenkt - früher, in dem anderen Jahr.
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Seitenzahl: 21
Veröffentlichungsjahr: 2023
Uwe Kant
Heinrich verkauft Friedrich
ISBN 978-3-96521-884-0 (E-Book)
Das Buch erschien 1993 im Elefanten Press Verlag GmbH, Berlin.
Umschlaggestaltung: Ernst Franta
© 2023 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de
Für Kinder ab 6 Jahre
In seiner kleinen Stube sitzt Heinrich ganz still auf seinem Bett.
Seine Mutter sagt oft Zappelphilipp zu ihm. Sein Vater nennt ihn manchmal Zuckelmücke. Aber jetzt zuckt und zappelt er kein bisschen. Er hört etwas.
Das hat er sonst nur im Fernsehen gehört.
Ein Mann streitet sich mit seiner Frau.
Die Frau ist seine Mutter.
Der Mann ist sein Vater.
Seine Eltern streiten miteinander.
Sie können sich nicht so gut streiten wie die Leute im Fernsehen.
Sie haben keine Übung darin.
Lange fällt ihnen das richtige böse Wort nicht ein.
Dann schweigen sie hinter der Wand.
Dann sitzt Heinrich noch stiller.
Vielleicht vertragen sich die Eltern gleich?
Vielleicht lachen sie gleich wieder?
Nein.
Einer wirft die Tür.
Jeder schimpft jetzt für sich allein.
Der andere wirft die Tür.
Jetzt zanken sie in der Küche weiter.
Und nun fängt Friedrich an zu singen. Friedrich ist ein grüner Kanarienvogel. Friedrich ist der beste Sänger von allen. Er kann flöten, trillern, pfeifen, gurren, schluchzen und schnurren. Aber Friedrich singt nur bei Lärm.
Wenn der Staubsauger heult.
Wenn die Gasflammen zischen.
Wenn die Waschmaschine sich dreht.
Wenn die Kaffeebohnen in der Mühle zerspringen.
Wenn im Radio die Rockmusik erklingt.
Und jetzt singt Friedrich auch sehr schön. Heinrich kann ihn durch die dünnen Wände und Türen ganz deutlich hören.
Der laute Streit der Eltern gefällt dem dummen Vogel so besonders gut.
Dummer Vogel?
Ach, Friedrich, Friedrich!
Du kannst ja nichts dafür.
Die Eltern sind so kluge Leute. Wissen beinahe schon alles. Aber sie streiten so schrecklich laut.
Und immer lauter und schöner singt Friedrich. Dieser dämliche Vogel auch noch, schreit der Vater.
Der frisst einem auch noch die Haare vom Kopf! Guck dir bloß an, was diese Schachteln und Tüten für ein Geld kosten!
Erzähl doch keinen Unsinn, schreit die Mutter. Guck dir lieber deine Zigarettenschachteln an!
Jetzt hält sich Heinrich ganz fest die Ohren zu.
So sitzt er eine lange Zeit.
Ohren und Hände werden schon warm.
So hört er nichts mehr vom Streit.
Es rauscht nur ein bisschen.
Als ob gleich hinter dem Haus die Autobahn liegt.
Oder weit oben ein Flugzeug fliegt.
Beinahe ist Heinrich eingeschlafen.
Aber nun nimmt er die Hände von den Ohren und lauscht.
Es ist still in der Wohnung.
Vorsichtig macht Heinrich die Küchentür auf.
Die Eltern sind fortgegangen.