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Eine kleine rote Ein-Personen-Rakete kam aus der Richtung von Poseidon Sieben geflogen. Sie kreiste ein paarmal um den Leuchtturm und landete endlich unter mächtigem Donnern und Zischen in einer großen Dampfwolke auf dem Rasen. „Sehr schlechter Flieger“, sagte Robert, als der Lärm aufgehört hatte, „viel zu viel Gegengas, Umweltverschmutzer.“ Dann klappte mit leisem Schmatz die Luke auf, und ein menschenähnliches Wesen kam herausgekrochen. An seiner silbernen Farbe, an seinen gleichmäßigen Bewegungen, vor allem an seinen vier Armen war es leicht als Figur-Roboter, als plastische Maschine, zu erkennen.
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Seitenzahl: 47
Veröffentlichungsjahr: 2023
Uwe Kant
Panne auf Poseidon Sieben
ISBN 978-3-96521-924-3 (E-Book)
Das Buch erschien erstmals 1987 in Der Kinderbuchverlag Berlin.
Umschlaggestaltung: Ernst Franta
© 2023 EDITION digital® Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de
Für Leser von 9 Jahren an
Am 25. Juli des Jahres zweitausendeinhundertundzwei, um 14:06 Uhr Allgemeiner Kosmischer Zeit, wurde ein neuer Patient, der dritte des Tages, in das Hauptbuch des Hauptkrankenhauses von Poseidon Eins eingetragen.
Poseidon Eins war auch nichts weiter als ein künstlicher Stern. Aber es war der Hauptstern eines kleinen Schwarms von sieben künstlichen Sternen. Deshalb gab es dort, so klein alle diese Einrichtungen auch waren, ein Hauptpostamt, eine Haupteisdiele und – ein Hauptkrankenhaus.
Die ersten beiden Patienten des Tages, zwei kleine Mädchen namens Gundula und Cordula, litten an einer rätselhaften Krankheit, die so selten war, dass erst viele Telegramme zwischen Poseidon Eins und der fernen Erde hin und her blitzen mussten, ehe es herauskam: Sie hatten die Windpocken.
Cordula und Gundula waren von ihrer Mutter in einem rundlichen apfelsinenfarbenen Mutter-und-Kind-Wagen gebracht worden.
Dagegen wurde der dritte Patient mit dem schlanken weißen Lichtschiff „Sanitas“ von der Schnellen Medizinischen Hilfe bis vor die Krankenhaustür geflogen.
Weil im Bezirk Poseidon nur wenige Menschen wohnten, und sehr gesunde dazu, kam so etwas nicht oft vor und machte wirklich ein kleines Aufsehen. Abends sagte Herr Kleinschmied, der Pilot des Lichtschiffes, zu seiner Frau, er wolle sich lieber eine andere Arbeit suchen, denn er habe sich heimlich ein ganz klein wenig darüber gefreut, dass es endlich einmal einen Notfall gegeben habe.
„Wo denn? Wer denn?“, fragte seine Frau.
„Ach“, sagte Herr Kleinschmied, „auf Poseidon Sechs, der Hausmeister, der alte Achterberg, der so gut Tischtennis spielen kann. Und gerade sind seine Enkel zu Besuch. Wenn es länger dauert, müssen wir sie da noch wegholen.“
„Wie denn? Was denn?“, sagte seine Frau. „Ihr habt die armen Kinder da alleine gelassen auf diesem gottverlassenen Poseidon Sechs?“
„Die armen Kinder, die armen Kinder“, sagte Herr Kleinschmied, „die Jungens kommen schon erst mal zurecht. Das ist dir so ein Schlag, diese Achterbergs!“
Poseidon Sechs lag wirklich ganz am Rand des Poseidon-Bezirkes. Weiter draußen gab es nur noch Poseidon Sieben, einen unbewohnten Stern, der der Akademie der Wissenschaften gehörte. Es hieß, dass der dicke Professor Brümmermann, der auf Poseidon Eins ein schmales himmelblaues Haus bewohnte, dort Versuche mit Robotern anstellen wollte. Die Roboter sollten auf Poseidon Sieben das Lernen lernen, sagte man. Aber niemand wusste etwas Genaueres. Unbewohnt waren auch Poseidon Fünf und Vier. Der eine war nichts als ein Müllabladeplatz, auf dem der Müll in Blumenerde umgewandelt wurde. Der andere beherbergte eine automatische Nudelfabrik. Für diese vier künstlichen Sterne arbeitete der alte Achterberg, der so gut Tischtennis spielen konnte, als Hausmeister.
Er hatte sich den Posten gesucht und ihn pünktlich zum fünfundsiebzigsten Geburtstag angetreten, um endlich einmal seine Ruhe zu haben. Und die hatte er dann auch, denn er hauste ganz allein in dem rot-weiß geringelten Leuchtturm, der sich genau im Mittelpunkt von Poseidon Sechs erhob.
Unter all den Sternen im Weltraum, den richtigen und den künstlichen, war Poseidon Sechs einer von den unwichtigsten. Er sollte ja nur ein Funk-Feuer für vorüberfliegende Raketen und eine Wohnung für den Hausmeister aufnehmen. Deshalb hatten sich die Leute vom Bau-Amt nicht lange den Kopf über ihn zerbrochen. Und weil gerade alle anderen Bau-Meister besetzt, überbelastet, zur Kur oder zur Weiterbildung waren, hatten sie einen angestellt, der bis dahin sein Lebtag nichts anderes als Parkanlagen, Gartensiedlungen und Strandbäder errichtet hatte.
Drei Monate später war die Abnahme-Kommission gekommen.
„Ach du liebes Donnerwetterchen“, rief der Vorsitzende aus, „was ist denn das?“
„Das“, versetzte der Bau-Meister würdevoll, „ist Poseidon Sechs. Die Krönung meines Lebenswerks!“
„So“, sagte der Vorsitzende, „na ja, ich seh‘ schon.“
Der kleine Stern war von einem Ende zum anderen mit tiefgrünem Stahl-Gummi-Gummi-Stahl-Rasen ausgelegt. Ein himmelblauer Bach, den man samt all seinen Kurven zusammenstecken konnte wie die Gleise einer altmodischen Spiel-Eisenbahn, durchfloss ihn. Am Ufer standen aufblasbare Eichen, in denen automatische Eichhörnchen herumkletterten. Eine automatische Schafherde tat so, als hielte sie den Rasen kurz. Weiße Parkbänke luden zum Verweilen ein. Genau im Mittelpunkt erhob sich ein rot-weiß geringelter Leuchtturm.
„Schön, nicht wahr“, sagte der Bau-Meister.
„Nun ja, mal etwas anderes“, sagte der Vorsitzende.
Und da das Funk-Feuer auf der Spitze des Leuchtturms funktionierte und die Wohnung in seinem Inneren sich als warm, sicher und trocken erwies, hatte die Kommission am Ende Poseidon Sechs in seiner ganzen Gestalt und Schönheit genehmigt.
Drei Tage später war der Kollege Maik Achterberg, allgemein der alte Achterberg genannt, dort als Hausmeister eingezogen.
Der lag nun aber mit verdrossener Miene in einem Bett des Hauptkrankenhauses, während der Hauptarzt, ein gewisser Doktor Schneidig, mit behänden Fingern ein wenig an seinem Bauch herumknetete und ihm ein paar Fragen stellte.
„Jaha, mein Lieber“, sagte schließlich der Doktor und rieb sich begeistert die Hände, „das ist ja prächtig, ach, das hatten wir ja schon so lange nicht mehr! Immer nur Schlüsselbeine und große Zehen. Endlich mal eine gute alte Blinddarmoperation. Seien Sie noch einmal herzlich willkommen, verehrter Herr Achterberg!“
„Hm“, sagte Herr Achterberg noch verdrossener, „wenn das schon so lange her ist – können Sie’s denn auch noch? Wissen Sie noch, wie man das macht?“
Der Herr Doktor Schneidig grinste wie der Teufel im Kasperle-Theater und sagte: „Ach Gott, Herr Achterberg, ich guck mir das heute Abend noch einmal ganz genau im Lexikon an. Der Rest wird mir dann schon während der Operation wieder einfallen. Nur Mut, mein Lieber, nur Mut!“
„Ich freu mich schon richtig darauf“, sagte der alte Achterberg. „Und wie lange soll ich hier rumliegen? Ich hab nämlich Besuch, ich muss wieder nach Hause, wissen Sie.“
„Ach ja, die Jungens, um die kümmern wir uns dann schon. Aber erst in drei Tagen. Drei Tage ‚allein im Weltraum‘ haben Sie den Jungens ja versprochen, sagt mir der Kollege Kleinschmied. Oder wie?“
„Stimmt. Drei Tage können ihnen nichts schaden. Wir sind ein fixer Schlag, wir Achterbergs.“