Herrscher des Lichts - Ignacio Gómez de Liaño - E-Book

Herrscher des Lichts E-Book

Ignacio Gómez de Liaño

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Beschreibung

Karl III. (1716-1788), König von Spanien, gilt als einer der prominentesten Vertreter der europäischen Hochkultur im Zeitalter der Aufklärung. Er unterstützte die Ausgrabungen von Herculaneum und Pompeji, stellte Alexander von Humboldt den Freibrief für seine Forschungsreisen aus und förderte Wissenschaften wie die Ethnologie, die Kulturanthropologie oder die vergleichende Sprachwissenschaft. Ignacio Gómez de Liaño, einer der wichtigsten Schriftsteller und Philosophen Spaniens, erzählt in seiner umfassenden Biografie die Geschichte eines der frühen Globalisierer, den ersten Ausgrabungen der Maya-Ruinen von Palenque, der Entdeckung des Aztekenkalenders und der entscheidenden Unterstützung Spaniens für die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten.

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Seitenzahl: 611

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Ebook Edition

IGNACIO GÓMEZ DE LIAÑO

Herrscher des Lichts

Karl III.Zwischen neuer und alter Welt

Aus dem Spanischen von Franziska Dinkelacker

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »El Reino de las Luces. Carlos III Entre el Viejo Nuevo Mundo«, © Ignacio Gómez de Liaño.

Dieses Buch wurde durch einen Zuschuss der Acción Cultural Española (AC/E) unterstützt.

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.westendverlag.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN: 978-3-86489-882-2

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt / Main 2022

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Übersetzung: Franziska Dinkelacker

Lektorat: Vito von Eichborn

Satz: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

TitelVorwort zur deutschen Ausgabe. Karl III. und die spanische AufklärungZiel: ItalienDie Gründung des KönigreichsKönig und ArchäologeDie RückkehrAufgeklärte PolitikIm unterirdischen KönigreichDie PisonenvillaSpanien und die Neue WeltRealität und Fiktion in der Entdeckung und Eroberung AmerikasDie Vorreiter der Ethnologie und der Kulturanthropologie während der RenaissanceErster Teil: Díaz del Castillo, López de Gómara, Motolinia, De Landa, Inca GarcilasoZweiter Teil: José de Acosta und Bernardino de SahagúnArchäologie und Ethnologie im Amerika der Aufklärung: Antonio de UlloaIm grenzenlosen MeerDie Ankunft der Russen in Alaska und die Suche nach der NordwestpassageKurs auf das Ende der WeltSpanien und die Geburtsstunde der Vereinigten Staaten von AmerikaDie Ruinen von Palenque und die wissenschaftliche ArchäologieNachrichten aus NootkaDer Stein der SonneDer Untergang des Königreichs des LichtsLiteratur- und Quellenverzeichnis

Orientierungspunkte

TitelInhaltsverzeichnis

Vorwort zur deutschen Ausgabe. Karl III. und die spanische Aufklärung

César García Álvarez

Das Königreich des Lichts ist nicht einfach ein weiteres Geschichtsbuch. Es geht weit über die starren Korsette der traditionellen historiographischen Praktiken hinaus und wird so zu einem Werk, das historische Genauigkeit, biographische Darstellung und philosophische Überlegung miteinander vereint und eine scheinbar ruhige, in Wirklichkeit jedoch radikal neue Perspektive auf Karl III. und seine Zeit bietet, sowohl was den Inhalt als auch die Methoden angeht. Denn obwohl dieses Buch vermeintlich die Person Karl VII. von Neapel und III. von Spanien erforscht, enthält es auch tiefgründige Überlegungen über die Rolle Spaniens im 18. Jahrhundert sowie über den Sinn der Aufklärung oder die vielzähligen und komplexen Beziehungen zwischen dem Individuum und der historischen Zeit, neben vielen weiteren Überlegungen von außerordentlichem Tiefgang.

Das Werk von Ignacio Gómez de Liaño vermeidet eben jene historiographischen Klischees, die den Bourbonenkönig in allen Texten zwangsläufig begleiten, und geht stattdessen auf die weniger erforschten Dimensionen seiner Persönlichkeit, Gedanken und Handlungen ein. So werden die lobenswerten und dauerhaften Errungenschaften Karls III. in der Stadt Madrid zum Beispiel kaum erwähnt, die wesentlich unbekannteren Unternehmungen, die er als König von Neapel unterstützte, sowie die Expeditionen in den spanischen Überseegebieten hingegen werden für den Leser äußerst aufschlussreich sein.

Im Hinblick auf die Handlungen Karls III. während seiner Herrschaft in Neapel geht Liaño insbesondere und ausführlich auf den Elan ein, mit dem er die Ausgrabung, Erforschung und Erhaltung der archäologischen Funde in seinem Hoheitsgebiet, vor allem in Herculaneum, Stabiae und Paestum, vorantrieb. Für den Autor sind diese Handlungen die wahre Geburtsstunde der modernen Archäologie; eine wenig bekannte Tatsache, da Johann Joachim Winckelmann alles überschattet, nicht nur weil er als einziger Pionier der modernen Archäologie und sogar der Kunstgeschichte (als Disziplin verstanden) gilt, sondern auch, weil er als alleiniger Wegbereiter des allgemeinen Sinnes für antike Kunst und neoklassischen Stil betrachtet wird. Gómez de Liaño räumt mit dieser Auffassung auf und wird so dem maßgebenden Beitrag von Joaquín de Alcubierre gerecht, der bereits früh eine vorzügliche Sorgfalt an den Tag legt, was die Erhaltung der archäologischen Fundstücke anbelangt. Zusammen mit seiner Bemühung, jeglichen Versuch der Plünderung zu verhindern, werden die Ausgrabungen unter Karl III. zu einem frühen Modell archäologischer Vorgehensweise und stellen gleichzeitig die wahre Geburtsstunde des neoklassischen Zeitgeschmacks dar, der nicht ohne die Vervielfältigung und Verbreitung der Funde unter Karl III. verstanden werden kann.

Die Rolle, die Spanien bei der Geburt der modernen Archäologie spielt, beschränkt sich nicht allein auf die italienischen Ausgrabungen, wie der Autor anschaulich zeigt, sondern umfasst auch die amerikanischen Gebiete. In dieser Hinsicht sind die Überlegungen, die Liaño zur Entdeckung des Steins der Sonne anstellt, äußerst faszinierend, denn dessen diagrammatische Bedeutung steht in direktem Zusammenhang mit einem der wichtigsten Werke Liaños, El círculo de la sabiduría (»Der Kreis der Weisheit«), das die Kunst des Gedächtnisses und deren Veränderung von ihrem griechischen Ursprung bis hin zu den gnostischen und manichäischen Darstellungen und den buddhistischen Mandalas erforscht. Der Stein der Sonne ist nicht nur eine wahrhaft mnemonische Abbildung der Azteken, eine diagrammatische Synthese der mesoamerikanischen Weltanschauung: Der Fund weist erschreckende Parallelen zwischen dessen fürchterlichem, tieferem Sinn – im Zentrum des Steins ist die zerstörerische und blutrünstige Göttin Coatlicue abgebildet – und dem zeitgleichen Blutvergießen der Französischen Revolution auf. Diese auffällige Zeitgleichheit steht in Verbindung mit der nicht zu leugnenden Feststellung, dass das sogenannte spanische Reich den längsten bekannten Zeitraum des Friedens und des Wohlstands in einer Gegend der Welt darstellt. Denn während Europa von Konflikten und Kriegen aller Art zerstört wurde, genossen die Gebiete in Spanischamerika eine politische Ruhe, die anders als von der antihispanischen Geschichtsschreibung behauptet nicht auf einer brutalen Unterdrückung der Urbevölkerung, geschweige denn auf einem nicht-vorhandenen Völkermord, sondern auf einem Prozess der Zivilisierung und der kulturellen Anpassung beruhte. Und obwohl dieser Vorgang nicht gänzlich frei von Widersprüchen und Schattenseiten war, brachte er den amerikanischen Regionen einen schnellen und andauernden Fortschritt, der sich durch die Vermischung von Kulturen, ein steigendes Bildungsniveau und ein anhaltendes Wirtschaftswachstum auszeichnet (es genügt, die Zahl vorhandener Universitäten in Spanischamerika ab dem 16. Jahrhundert mit dem Gründungsdatum der ersten Universität in den britischen Kolonien zu vergleichen).

Im Zusammenhang mit diesem lang währenden amerikanischen Frieden widerlegt Liaño nachdrücklich eine weitere weit verbreitete Behauptung der traditionellen Geschichtsschreibung, nämlich die Rückständigkeit der spanischen Wissenschaft im 18. Jahrhundert, aufgrund der Spanien angeblich zu einer dekadenten, von Aberglauben und Unwissen zerfressenen Macht wurde, während im restlichen Europa die Wissenschaftsgläubigkeit blühte. Die zahlreichen wissenschaftlichen Unternehmungen, die der König mittels einer intelligenten Neugestaltung der Armada finanzierte – wie die Gründung des Kabinetts der Naturwissenschaften, die Abhandlungen Félix de Azaras, die die Grundlagen für die Evolutionstheorie schafften, oder die Expeditionen von Jorge Juan, Antonio de Ulloa, Alejandro Malaspina, Luis Née, Antonio Pineda oder Juan Pérez, um nur einige wenige zu nennen – machen diese Wissenschaftler zu vergessenen Pionieren in Gebieten wie der Evolutionstheorie oder der botanischen und zoologischen Zeichnung. All dies spiegelt sich in Büchern, plastischen Sammlungen und Dokumenten von außerordentlichem Wert wider, die eben weil sie nicht einmal von den Spaniern selbst beachtet wurden, ebenso in Vergessenheit geraten sind wie die Expeditionen an die Nordwestküste Amerikas, die bis zur Gegend um Nootka gelangten und ethnographische Aufzeichnungen von großem historischen und ethischem Wert einbrachten. Dazu kommt ein weiterer grundlegender Beitrag Karls III. zur Geschichte Amerikas und zur Weltgeschichte, nämlich die entscheidende Rolle, die Spanien bei der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika spielte. Liaño erklärt diese Hergänge, die ebenfalls von ideologisierten Geschichtsschreibungen ignoriert und verfälscht wurden, mit äußerster Klarheit und Genauigkeit.

All dies verdeutlicht eine der grundlegenden Stärken dieses Buches: Auf elegante und subtile Art widerlegt der Autor, der sich auf beweiskräftige Tatsachen beruft, nicht nur jene Klischees, die durch die Schwarze Legende verbreitet wurden, sondern vermeidet auch, in Lobeshymnen einer rosa Legende zu verfallen. Es ist die schlichte – aber nicht deshalb einfache – Schilderung der historischen Ereignisse, frei von banalen, ideologischen Einflüssen, die diesem Text einen außerordentlichen Wert verleiht und die es ihm ermöglicht, die auffallendste Aussage zu treffen: Spanien war der Protagonist der wahren Aufklärung im 18. Jahrhundert. Und dies nicht nur, weil die spanischen Unternehmungen die Grundlagen für späteres wissenschaftliches und anthropologisches Wissen legten, sondern vor allem, weil die spanische Aufklärung anders als in Frankreich nicht zu einer gewalttätigen Revolution führte, bei der im Namen des Verstandes Gewalttaten aller Art begangen wurden und die im Namen der Freiheit im freiheitsfeindlichen Cäsarismus Napoleons endete. In Spanien führte die Aufklärung zum Erhalt eines ausgeglichenen und friedlichen politischen Systems, auch wenn dies zugegebenermaßen unter Karl IV., einer Zeit von deutlichem politischen Verfall, schnell an Kraft verlor und dem es weder gelang, die interne Schwäche zu überwinden und sich zu erneuern, noch dem verheerenden Vorzug Napoleons die Stirn zu bieten.

Aus methodologischer Sicht stellt Das Königreich des Lichts eine Neuigkeit von großer Tragweite dar. An erster Stelle vermeidet das Buch jenen in herkömmlichen Biographien typischen oberflächigen und nichtssagenden Lebenslauf und zeichnet stattdessen ein vollständiges Bild der Persönlichkeit des Königs, das mit den philosophischen Gedanken über den Einzelnen, die Liaño in seinem Werk dargelegt hat, im Einklang steht. So zum Beispiel in Werken wie Iluminaciones Filosóficas (»Philosophische Gedanken«), Sobre el fundamento (»Über die Grundlage«) oder Breviario de filosofía práctica (»Kompendium praktischer Philosophie«), in denen Liaño ein integrales Verständnis der Person verteidigt, das sich nicht auf deren Charakter, Gedanken oder Handlungen beschränkt, sondern zu dem auch deren Emotionen und Vorstellungskraft entscheidend beitragen. So stehen zum Beispiel die Empfindsamkeit und das Interesse des Königs für die verschiedenen Orte, die er bewohnt oder besichtigt hat, in Verbindung mit der Fähigkeit dieser Orte, gefühlsgeladene Vorstellungen zu wecken. Diese Sensibilität, eine der Grundlagen der Kunst des Gedächtnisses, die der Autor in seinem Werk El círculo de la sabiduría (»Der Kreis der Weisheit«) außergewöhnlich tief erforscht hat, wird zum Schlüsselpunkt einer der Beiträge des Buches, wie zum Beispiel die Rolle, die die Anwesenheit des Königs in den Reales Alcázares in Sevilla während seiner Reise nach Italien beim Erwachen des Verständnisses für islamische Kunst spielt. Und dies bereits ein Jahrhundert, bevor das allgemeine Interesse an Exotik und Orientalistik erblüht, wie in der traditionellen historisch-künstlerischen Schilderung festgehalten.

Ich denke, eines der zentralen Anliegen dieses Buches ist es, verschiedene historiographische Modelle anzuwenden, ohne sich jedoch auf ein einziges zu beschränken. Und so erinnert das Buch an die Erzählungen der antiken Geschichtsschreiber, bei denen historische Genauigkeit und literarisches Vergnügen einhergehen. Gemeinsam mit dem Nichtvorhandensein eines kritischen Apparats, der vorzüglichen Fähigkeit, die grundlegenden Aspekte der verwendeten Bibliographie herauszufiltern, und dem nicht einzuordnenden Genre, bei dem Essay, Chronik, Reiseliteratur und philosophische Überlegung auf angenehme Art miteinander verschmelzen, machen sie dieses Werk zu einem hervorragenden Beispiel für das, was in den Worten Peter Burkes als neue Art, Geschichte zu machen, verstanden werden kann. Dieses Buch steht außerdem in engem Dialog mit dem Gesamtwerk Liaños, da es an die nicht einzuordnende Mehrdeutigkeit von Los ­­juegos del Sacromonte (»Die Spiele von Sacromonte«), die Reise als Weg der Wissensbeschaffung in Extravíos (»Umwege«), die faszinierende, spirituelle Archäologie in El círculo de la sabiduría (»Der Kreis der Weisheit«), die klassischen Erfahrungen in Arcadia (»Arcadia«) oder die Demontage falscher intellektueller Konstrukte in La mentira social (»Die soziale Lüge«) erinnert.

All das macht dieses Werk, das nun dank Javier López Capapé ins Deutsche übersetzt wurde, zu einem weiteren Beispiel des umfassenden Werks der bedeutendsten intellektuellen Persönlichkeit Spaniens der letzten fünfzig Jahre, dem es in diesem Buch gelingt, einen Teil der spanischen Geschichte, die von Vergessen und Vorurteilen entstellt war, endlich ins rechte Licht zu rücken.

Ziel: Italien

Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Utrecht 1713 wird der Erbfolgekrieg, der die spanische Krone aufgrund des Todes des erbenlosen Karl II. erschüttert hatte, juristisch und diplomatisch beendet. Damit endet auch die Auseinandersetzung der beiden Anwärter auf den spanischen Thron: Philipp von Anjou, Enkel Ludwigs XIV. von Frankreich, und Karl von Österreich, Sohn von Leopold I, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Dieser Vertrag, der ein Jahr später mit dem Frieden von Rastatt vervollständigt wird, bedeutet für Spanien einen beispiellosen territorialen Verlust: England erhält Gibraltar und Menorca, Frankreich das Roussillon und Sardinien, Portugal die Kolonie Sacramento, das heutige Uruguay, und der deutsche Kaiser die spanischen Besitzungen in den Niederlanden und Italien mit Ausnahme von Sizilien, das an Viktor Amadeus von Savoyen geht. Besonders schmerzt Philipp V., den neuen König von Spanien, der Verlust seiner Besitztümer in Süditalien. Sie waren seit drei Jahrhunderten Teil Spaniens, und der Monarch erinnerte sich noch gut daran, wie das Volk und der Adel ihm bei seinem Besuch in Neapel im Frühjahr 1702 zugejubelt hatten, wie damals bei Alfons V. dem Großmütigen.

Zum Unglück des spanischen Königshauses stirbt die Königin Maria Luisa von Savoyen am 14. Februar 1714, nur wenige Tage vor der Unterzeichnung des Friedens von Rastatt, an den Folgen der Geburt des späteren Königs Ferdinand VI. Unter diesen Umständen überzeugt der Geschäftsträger des Herzogtums Parma in Madrid, Giulio Alberoni, die einflussreiche Princesse des Ursins und durch sie den König davon, die Prinzessin Elisabeth Farnese zur Gemahlin zu nehmen. Philipp V. hatte den Herzog Francesco Farnese und seine zweite Frau Dorothea Sophie von Pfalz-Neuburg, die Mutter von Elisabeth, im Juni 1702 in Mailand kennengelernt. Francesco Farnese hat die Absicht, sich mit Spanien zu verbünden, um eine deutsche Vorherrschaft über die verbliebenen unabhängigen italienischen Staaten zu verhindern. Der König von Spanien teilt diese politische Ansicht Francesco Farneses voll und ganz.

Die Prinzessin Elisabeth Farnese hält ihren Einzug in Spanien am 9. Dezember 1714 und heiratet nur zwei Wochen später, an Weihnachten, Philipp V. in der Stadt Guadalajara. Sie ist eine Frau mit rastlosem Charakter und zeigt sich schon bald als sehr geschickt, den Willen des Königs für sich zu gewinnen. Ein Jahr später, am 20. Januar 1716, wird in Madrid der spätere König Karl III. geboren. Er ist der letzte spanische König, der in der alten Festung der Habsburger geboren wird, denn die brennt zwanzig Jahre später komplett nieder. Sollten die politischen Sterne günstig stehen, ist Karl III. als Erstgeborener von Elisabeth Farnese dazu bestimmt, Herrscher der italienischen Herzogtümer Parma und Piacenza und auch des Großherzogtums Toskana zu werden.

Obwohl der Vertrag von Utrecht eine Katastrophe für Spanien darstellt, ist das Land doch wie ein Phönix, so zumindest drückt es der englische Minister Doddington in einem Brief an den englischen Staatssekretär Stanhope zu Beginn des Jahrfünfts Alberonis (1715–1719) aus: »Es gibt keine Nation, die sich mit derselben Leichtigkeit wie Spanien erneut erheben und erneuern kann, und jetzt ist sie auf besserem Weg denn je. Einst waren die Besitztümer in Italien und den Niederlanden eine Last für das Mutterland. Anstatt Vorteile zu bringen, mussten die Schätze der Neuen Welt und die Erträge der zwei Kastilien für die Ausgaben dieser Regionen verwendet werden. Jetzt sind sie keinerlei Last mehr […]. Die Erträge Karls V. übertreffen die seiner Vorgänger um mindestens ein Drittel, während seine Pflichten nicht einmal halb so viele sind.«

Mit den Königen spricht der Infant Karl Französisch, und schon als Kind lernt er mehrere italienische Dialekte – Florentinisch, Lombardisch und Neapolitanisch –, was, zusammen mit seinem Titel Prinz von Parma, den er am Hof bekommt, bereits die Verbindung seiner spanischen Identität und seiner italienischen Zukunft ahnen lässt. Außerdem lernt er Latein, Mathematik, Geographie, Chronologie und Nautik sowie die Geschichte Spaniens und Frankreichs. Auch soll er sich von Kindesbeinen an durch seine Kenntnisse über Festungen und Kriegsführung ausgezeichnet haben. 1725 erscheint in Turin der sechste Band der Reflexiones militares (»Militärische Reflexionen«) des Marqués Santa Cruz de Marcenado, und der Autor widmet das Buch dem Infanten, der damals erst neun Jahre alt ist. Den einige Jahre zuvor erschienenen ersten Band hatte der Autor König Philipp V. gewidmet, den fünften Band dessen Nachfolger Ferdinand VI. Außerdem ist Karl ein großer Liebhaber der Botanik, wie auf dem Porträt erkennbar ist, das Jean Ranc von ihm in ebendiesem Alter anfertigt. Auf dem Gemälde von Ranc steht der Infant vor einem Botanikbuch und hält einige Blumen in der Hand. Dank dieser Leidenschaft steht er im Einklang mit der spanischen Kultur seiner Zeit, die wesentliche Beiträge auf dem Gebiet der Botanik leistet.

Im Klosterpalast El Escorial bekommt Karl Unterricht von Diego de Torres Villarroel, dem berühmten Professor der Universität von Salamanca. Außer seiner Autobiographie Vida (»Leben«) – eine der bemerkenswertesten Schriften der spanischen Literatur dieses Jahrhunderts – schreibt er auch äußerst beliebte astronomische Almanache und Verse, in denen sich die Veränderungsprozesse der spanischen Gesellschaft zu größerer sozialer Gleichstellung und breiter gefächertem Wohlstand widerspiegeln. Der Infant zeigt außerdem von klein auf großes handwerkliches Geschick, was ihn sein Leben lang begleiten wird. Er lernt, mit der Drechselbank umzugehen, und fertigt als Jugendlicher den Griff seines Spazierstocks und andere Gegenstände.

Aber der Hof ist zweifellos seine wichtigste Schule. Dank seiner aufmerksamen Art erwirbt er so wichtige Kenntnisse für das Leben überhaupt und das eines Prinzen im Besonderen wie den Sinn für Rang und Hierarchie, für die Vielfalt des menschlichen Charakters, für die individuellen Interessen, für die Wichtigkeit der Details und der effizienten Nutzung der Zeit. Letzteres lernt er unter anderem von seinem Vater Philipp selbst, der im Allgemeinen die strenge Etikette der Habsburger beibehält. 1714 regelt er seinen Rat neu, so dass der nun täglich in seiner Gegenwart zusammenkommt und sich jeden Tag unter Leitung des verantwortlichen Ministers einem anderen Thema widmet. Dank dieser Hofschule entwickelt der zukünftige König bereits während seiner Kindheit einen klaren, verständnisvollen, zurückhaltenden und freundlichen Charakter. Der offenbart sich auch während der Audienz, die er dem berühmten Geistlichen und Gelehrten Benito Jerónimo Feijoo gewährt, Autor des Teatro crítico (»Kritisches Theater«).

Carlos III, niño (»Karl III., Kind«), Jean Ranc. Museo Nacional del Prado, Madrid.

Der zweite Band ebendieses Werks hatte das Missfallen des Infanten erregt: In der 15. Abhandlung mit dem Titel Mapa intelectual y cotejo de las naciones (»Intellektuelle Landkarte und Vergleich der Nationen«) kommen die Spanier nicht besonders gut weg. Der dreizehnjährige Karl ist empört über die Darstellung des spanischen Nationalcharakters. Feijoo versichert ihm, dass auch er mit dieser Tabelle, konzipiert von einem ominösen deutschen Mönch in dem nicht weniger ominösen Werk Specula physio-mathematica-historica, nicht einverstanden ist. Im dritten Band des Teatro crítico mit dem Titel La ambición en el solio (»Der Ehrgeiz auf dem Thron«) schreibt der Autor über die Haltung des Infanten bei dieser Gelegenheit: »Der Gleichmut seiner Miene sprach der Härte seiner Worte Hohn, denn in diesem sanften und erhabenen Blick schien es, als würde das Mitleid den Zorn verspotten.« In diesem Satz zeichnet Feijoo fast schon ein moralisch verklärtes Porträt des jugendlichen Infanten. Seine wesentlichen Eigenschaften sind: ein intelligenter und gutmütiger Blick; ein Lachen, das jeden Anflug von Zorn besänftigt und jegliche Barschheit mildert; ein Gleichmut, der eine frühe Selbstbeherrschung zeigt; und vor allem ein verständnisvolles Mitleid unabhängig vom etwaigen Anschein.

In der Widmung des vierten Bandes des Teatro crítico, veröffentlicht im November 1730, erinnert sich der Theologe an folgende Worte des Infanten: »Ich wäre gerne des Titels Karl der Weise würdig«, und er formt ein idealisiertes Porträt des jungen Prinzen, das wie eine Prophezeiung dem Schicksal des Porträtierten gleicht: »Heute ist Eure Hoheit ein Idol, morgen ein Orakel; heute Adonis, morgen Apollon; heute Schützling der Grazien, morgen Zierde der Musen. Ich bitte den allmächtigen Gott, dass das Leben Eurer Hoheit viele Jahre gedeihe, zum […] Schutz und Schirm der Wissenschaften und der Künste.« Wer mit den Gesichtszügen des erwachsenen Karl III. vertraut ist, wird von der Bezeichnung »Adonis« sicher überrascht sein, obwohl der Infant mit dieser mythologischen Figur seine Leidenschaft für die Jagd teilt. Das Gemälde, das der Maler Miguel Jacinto Meléndez vom elfjährigen Karl anfertigt, wie das etwas früher datierte Gemälde von Jean Ranc, werden dieser Bezeichnung jedoch gerecht und erklären auch, warum Karl bello infante, schöner Infant, genannt wird.

Das Treffen des Infanten Karl von Bourbon mit Benito Jerónimo Feijoo kann als historisches Sinnbild gesehen werden, wenn man die besondere Rolle des Prinzen in der Kultur seiner Zeit und auch die bedeutende Rolle Feijoos bedenkt. Der galicische Gelehrte dient als Bindeglied zwischen der Herrschaft des letzten spanischen Habsburgers Karl II. (el Hechizado, »der Verhexte«) und der des ersten Bourbonen Philipp V. (el Animoso, »der Tatkräftige«), denn Feijoo wird 1676 geboren und stirbt 1764 unter der Herrschaft Karls III. Mit seiner Enzyklopädie, die aus dem Teatro crítico und seinen Cartas eruditas (»Wissenschaftliche Abhandlungen«) besteht, ist Feijoo der berühmten französischen Enzyklopädie voraus und lässt die kulturelle Erneuerung, die mit der Thronbesteigung der Bourbonen einhergeht, und die Tragweite dieser Erneuerung in Spanien und Amerika erkennbar werden. Die 14 Bände von Feijoos Enzyklopädie, zwischen 1726 und 1760 veröffentlicht und ins Französische, Englische, Italienische und Deutsche übersetzt, behandeln die unterschiedlichsten Themen von Mathematik, Medizin und Landwirtschaft bis hin zu Geschichte, Philosophie, Literatur und der Kunst des Erinnerns. In einem essayistischen, fast schon journalistischen Stil behandeln die Kommentare zahlreiche wissenschaftliche und technische Neuheiten, nicht nur mit der Absicht, die Lehrpläne zu erneuern und die Hochschulbildung aus der Lähmung zu befreien, sondern auch mit dem Ziel, den normalen Leser, angefangen bei den Königen selbst, aufzuklären. Letzteren gibt er folgenden vernünftigen Rat: »Die wahre Kunst des Regierens ist es, weise und aufrichtige Minister auszuwählen; Verdienste zu belohnen und Unrecht zu bestrafen; über das Gemeinwohl zu wachen und gegebene Versprechen einzuhalten. Auf diese Art sichert man sich das Vertrauen, die Zuneigung und den Gehorsam der Untertanen viel wirksamer als mit jedweden anderen politischen Finessen.« Als eifriger Verfechter der experimentellen Methode tritt Feijoo in die eklektischen Fußstapfen von Erasmus, Vives, Bacon und Newton; er bekämpft außerdem abergläubische Traditionen, antizipiert die modernen Psychotherapien bei der Behandlung von Nervenkrankheiten, entwickelt Vorschläge zu Reformen in Medizin und Landwirtschaft, sagt in seinem Essay El no sé qué (»Das Ich-weiß-nicht-was«) die Romantik voraus und bevorzugt das klassische spanische Theater vor dem neoklassischen, das die Bühnen zu erobern beginnt, da er der Ansicht ist, dass Ersteres lebendiger, freier und vielfältiger ist. Obwohl Feijoo mit dem Pöbel auf Kriegsfuß steht, verfällt er nicht dem Elitismus, da er danach strebt, das Licht, also die Aufklärung, zu verbreiten. Dank der über dreihunderttausend Seiten seiner Schriften, die sein Werk bis an die äußersten Grenzen der hispanoamerikanischen Welt tragen, ist die Enzyklopädie Feijoos ein verlegerisches Ereignis großer Tragweite.

Der Beiname el Sabio, der Weise, den Feijoo dem jungen Infanten verliehen hat, und das Bemühen Karls, diesen Beinamen zu verdienen, lassen den tiefen Eindruck erahnen, den die Ankunft einer Sammlung klassischer Skulpturen am Hof im jungen Karl hervorruft. Die Königin Christina von Schweden hatte die Sammlung während der 1660er- und 70er-Jahre in Rom vereint; 1724 kaufen Philipp V. und Elisabeth Farnese die Sammlung, und im darauffolgenden Jahr werden die 172 Kisten mit den Skulpturen nach La Granja de San Ildefonso in der Provinz Segovia transportiert, wo ein neuer Königspalast gebaut wird. Fast siebzig der Skulpturen stammen aus der römischen Zeit, die Mehrheit sind Repliken berühmter Werke der griechischen Antike. Der Infant Karl, der bei deren Ankunft in La Granja neun Jahre alt ist, lernt dank dieser Sammlung einige der wichtigsten Figuren der Mythologie kennen, dargestellt von herausragenden Künstlern der Antike. In der Sammlung sind unter anderem Skulpturen aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. wie die Athena von Myron, der Diadumenos von Polyklet und der Kopf der Athena; aus dem vierten Jahrhundert v. Chr. stammen die Leda von Timotheos, der Ruhende Satyr von Praxiteles und der Apollon von Euphranor.

Andere Skulpturen der Sammlung stammen aus der hellenistischen Zeit wie die berühmten acht Sitzenden Musen aus der Villa Adriana bei Tivoli, die kapitolinische Venus, der Faun mit Zicklein, die Angelehnte Muse, die Kauernde Aphrodite, der marmorne Bacchus, die Ariadne, die damals als Kleopatra interpretiert wird, oder der Kopf des Achilles, damals bekannt als der Kopf Alexanders. Aus der römischen Zeit stammen unter anderem ein Altar mit bacchantischen Reliefs, die Athena Promachos, Statuen von Augustus, Büsten von Hadrian, Sabina und Antinoos sowie die berühmte Gruppe von San Ildefonso, datiert auf Anfang des ersten Jahrhunderts, welche zwei Jünglinge zeigt, die womöglich Castor und Pollux oder Hypnos und Thanatos, vermutlich aber Orestes und Pylades darstellen. Die Anzahl der Nachbildungen, die von der letztgenannten Gruppe gefertigt werden, um Gärten und Paläste zu verzieren, sind Beweis für die Faszination, die dieses Werk, eins der hervorragendsten der Antike, von nun an auslösen wird.

Als ob die Sammlung der Königin Christina von Schweden nicht genügen würde, um die Leidenschaft Philipps V. und Elisabeths für klassische Kunst zu stillen, kaufen sie 1728 auch die Sammlung klassischer Skulpturen der Herzogin von Alba, die diese von ihrem Vater geerbt hatte. Der Marqués von Carpio hatte die Sammlung im selben Zeitraum wie die Königin von Schweden die ihre vereint, während er in Rom und Neapel wohnte. Von besonderer Bedeutung sind das Puteal mit der Geburt der Athena, die Statue Ganymed mit Adler und vor allem einige ägyptische Statuen, die der Kaiser Hadrian in seiner Villa bei Tivoli besaß und die zusammen mit den klassischen Statuen in der königlichen Galerie von San Ildefonso de La Granja ausgestellt wurden. Diese Sammlungen und das Interesse, das Philipp V. und Elisabeth Farnese an ihnen zeigen, tragen zweifellos zur Leidenschaft Karls für antike Kunst bei, die er später als König von Neapel auch durch die Förderung der Ausgrabungen von Pompeji und Herculaneum an den Tag legt. Hinzu kommen weitere Anreize wie sein Talent für die Kunst des Zeichnens und den Kupferstich, die weit zurückreichende archäologische und antike Tradition Spaniens sowie eine familiäre Anekdote: Bettlektüre Philipps V. war Fénelons Werk Les Aventures de Télémaque (Die Abenteuer des Telemach), eine ebenfalls sehr klassische Geschichte über die Abenteuer des Sohns von Odysseus.

Exequias de un emperador romano (»Exequien eines römischen Kaisers«, Ausschnitt), 1634–1645, Domenico Zampieri, Domenichino. Museo Nacional del Prado, Madrid.

Perspectiva de un anfiteatro romano (»Blick auf ein römisches Amphitheater«), um 1638, Domenico Gargiulo und Viviano Codazzi. Museo Nacional del Prado, Madrid.

Zu den Sammlungen seiner Eltern kommen die Gemälde der königlichen Paläste in Madrid, die dem jungen Infanten ebenfalls Szenen der antiken Welt zeigen und die Philipp IV., beraten von Velázquez, in Italien erstanden hatte. Am meisten über die Antike lernt der junge Karl sicher von den vierunddreißig großflächigen Gemälden, die einen der wichtigsten malerischen Zyklen des Madrider Palastes Buen Retiro bilden. Die Gemälde wurden im vierten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts von einigen der bedeutendsten Künstler der Epoche in Rom und Neapel gemalt: Ribera, Poussin, Lanfranco und Domenichino.

Dieser großartige Zyklus kann in drei Serien gegliedert werden. Die erste bilden sechzehn Gemälde, die die Vergnügungen der römischen Gesellschaft vor Augen führen: Athleten, Gladiatoren, Quadrigen, Tierkämpfe, Simulationen von Seeschlachten und Frauenkämpfe wie auf dem Gemälde Frauenkampf von Ribera. Die zweite Serie stellt mythologische und historische Szenen dar, in denen zum Beispiel Bacchus, das Luperkalienfest, Priapos und weitere Figuren gezeigt werden. Die dritte Serie blickt zurück auf die Heldentaten vergangener Kaiser und die wichtigsten Momente aus ihren Leben, in der Regel militärische Erfolge – wie der Triumphzug Konstantins in Rom –, außerdem Bestattungszeremonien und Apotheosen, in denen die Herrscher nach ihrem Tod geehrt wurden.

Carlo di Borbone in visita alla basilica di San Pietro (»Karl von Bourbon besichtigt den Petersdom«), 1745, Giovanni Paolo Pannini. Galleria nazionale di Capodimonte, Neapel.

Carlo di Borbone visita il papa Benedetto XIV nella coffee-house del Quirinale (»Karl von Bourbon besucht Papst Benedikt XIV. im Quirinalspalast«), 1746, Giovanni Paolo Pannini. Galleria nazionale di Capodimonte, Neapel.

Carlo di Borbone visita il papa Benedetto XIV nella coffee-house del Quirinale (»Karl von Bourbon besucht Papst Benedikt XIV. im Quirinalspalast«), Ausschnitt, 1746, Giovanni Paolo Pannini. Galleria nazionale di Capodimonte, Neapel.

Bei der Betrachtung dieser Gemälde ahnte der jugendliche Karl sicher, dass sein Ururgroßvater Philipp IV. durch sie Parallelen zwischen dem Zeitalter der klassischen Antike und seiner eigenen Regierungszeit herstellen wollte. Vermutlich hatte er dieses eindrucksvolle Gemälde des triumphalen Einzugs Konstantins in Rom, das Philipp IV. für den Palast Buen Retiro anfertigen ließ, vor Augen, als Karl 1745, bereits König des südlichen Italiens, den Maler Panini mit zwei Gemälden beauftragt: Auf dem ersten Gemälde wird sein eigener triumphaler Einzug zu Pferd am 3. November des Vorjahres in Rom, umgeben von einer Menschenmenge, gezeigt; auf dem zweiten sieht man, wie Karl sich zu Fuß dem Gemach nähert, in dem ihn Papst Benedikt XIV. mit seinem Hof erwartete.

Was der Habsburger Philipp IV. nicht geschafft hatte, sollte ihm, Karl von Bourbon, nach seinem militärischen Sieg über die Österreicher in Velletri gelingen. Auf dem Gemälde von Gargiulo und Codazzi sieht man, wie der prachtvolle Festzug Konstantins durch die Straßen Roms in Richtung des Kolosseums und des nach ihm benannten Triumphbogens zieht; auf dem Gemälde Paninis hingegen ist Karl, bereits König beider Sizilien, nach seiner Audienz beim Heiligen Vater im Quirinalspalast auf dem Weg zum Petersdom, die Kolonnaden Berninis im Hintergrund.

Die Ruinen klassischer Architektur, die den jungen Infanten am meisten beeinflussen, dürften aber nicht die eben genannten sein, da die Gebäude der Antike auf diesen Gemälden vom Zahn der Zeit unversehrt dargestellt werden. Es sind vielmehr die Gemälde mit Traumlandschaften, die Philipp IV. ebenfalls in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts zur Einrichtung des Palastes Buen Retiro erworben hatte. Gemeint sind die Landschaften von Claude Lorrain, genau genommen zwei davon: Paisaje con las tentaciones de san Antonio Abad (»Landschaft mit den Versuchungen des heiligen Antonius«), mit reizvollen Ruinen, die von drei Lichtquellen – dem Abendlicht, dem Licht der Lagerfeuer und einem übernatürlichen Kreuz am Himmel – beleuchtet werden, und Paisaje con el entierro de santa Serapia (»Landschaft mit der Grablegung der heiligen Serapia«), mit Blick auf das Kolosseum und andere Ruinen Roms 1639, die der Künstler aber vor einem ländlichen Hintergrund darstellte. Außer diesen beiden Gemälden muss man auch das sorgfältigste der Serie erwähnen, Paisaje con anacoreta y ruinas clásicas (»Landschaft mit Einsiedler und klassischen Ruinen«) von Jean Lemaire. Im Hintergrund ist ein Amphitheater in Ruinen erkennbar; links ein Gebäude, das vom Tempel der Roma inspiriert ist; im Mittelpunkt, neben dem greisen Einsiedler, der Obelisk, den Hadrian im Gedenken an Antinoos errichten ließ; rechts ein Sarkophag aus Porphyr ähnlich dem der heiligen Konstantia, gekrönt von einer Medici-Vase.

Paisaje con anacoreta y ruinas clásicas (»Landschaft mit Einsiedler und klassischen Ruinen«), 1636–1638, Jean Lemaire. Museo Nacional del Prado, Madrid.

Mausoleo romano de Miralpeix, Caspe, Zaragoza, (»Das römische Mausoleum von Miralpeix, Caspe, Zaragoza«), Gaspar de Gurrea y Aragón. Biblioteca Nacional de España.

El puente romano de Alcántara, Cáceres (»Die römische Brücke von Alcántara, Cáceres«), 1756, in: Flórez, E., España Sagrada.

Teatro de Emerita, Mérida, Badajoz (»Das Theater von Emerita, Mérida, Badajoz«), dokumentiert von Esteban Rodríguez während der Expedition des Marqués de Valdeflores, um 1753.

Mit seiner Leidenschaft für die Antike tritt Philipp V. in die Fußstapfen Philipps IV. Dasselbe lässt sich auch von Karl III. sagen, dessen Leidenschaft von der Gründung des Königreichs beider Sizilien noch verstärkt wird. Auf der anderen Seite spiegelt die Passion dieser drei Könige die archäologisch-antike Tradition Spaniens, die aus alten Zeiten stammt und in der außer den Gelehrten auch nicht wenige Adlige hervorstachen. Bereits Mitte des 15. Jahrhunderts, unter der Herrschaft Heinrichs IV. von Kastilien, beschreibt Alfonso de Palencia das antike Rom so, wie es zu diesem Zeitpunkt aussah, was das Feingefühl bezeugt, das die kastilischen Intellektuellen in der Frühzeit der Renaissance für die Antike hatten. Wenig später, noch im selben Jahrhundert, unternimmt Antonio de Nebrija archäologische Exkursionen, um die Via de la Plata und das Amphitheater von Mérida zu vermessen. Sein Gedicht De Emerita restituta lässt die Einstellung gegenüber der klassischen Vergangenheit erkennbar werden, die Ambrosio de Morales, Antonio Agustín, der Herzog von Villahermosa und der Graf von Guimerá im 16. Jahrhundert sowie Rodrigo Caro zu Beginn des 17. Jahrhunderts an den Tag legten. Nicht wenige Gelehrte der Zeit bereisen ganz Spanien auf der Suche nach Altertümern, die sie in ihre Sammlungen und epigraphischen Aufzeichnungen aufnehmen. Noch im 16. Jahrhundert legt Alfonso Chacón den Grundstein der frühchristlichen Archäologie, da er als Erster Katakomben und Grabbasiliken erforscht.

Teatro romano de Acinipo, Ronda, Málaga (»Das römische Theater von Acinipo, Ronda, Málaga«), dokumentiert von Esteban Rodríguez während der Expedition des Marqués de Valdeflores, um 1754. Real Academia de la Historia.

Rodrigo Caro, vielleicht der älteste der spanischen Archäologen, führte archäologische Erkundungen im andalusischen Italica durch, vor allem im Amphitheater, das dank Zeichnungen und Abbildungen seit Anfang des 16. Jahrhunderts bekannt ist. Caro trägt mit seinem »Lied an die Ruinen von Italica«, inspiriert von seinem ersten Besuch 1595, wie sonst niemand zur Verherrlichung dieser Stadt bei. Das Lied beginnt mit den berühmten Versen »Diese, oh Fabio, welch Schmerz, einsamen Fluren und welken Hügel waren einst das berühmte Italica« und versinkt später in der Ansicht der Ruinen: »Vom Palästra und den Thermen, im Vergessen versunken, schwebt elende Asche heran […]. Dieses zertrümmerte Amphitheater, gottlose Ehre der Götter, dessen Schande vom Gelb des Löwenzahns verkündet wird; dieses tragische Theater, oh Fabel der Zeit, war einst so majestätisch und ist nun zerstört.«

Zwei Werke des 16. Jahrhunderts ragen in der Literatur über die Antike besonders heraus: Las antigüedades de las ciudades de España (»Die Altertümer der Städte Spaniens«, Sevilla, 1575) von Ambrosio de Morales und Diálogos de las medallas, inscripciones y otras antigüedades (»Dialoge der Medaillen, Inschriften und anderer Altertümer«, 1587) von Antonio Agustín. In Letzterem zeigt der Autor ein tiefes dokumentarisches Gespür für die archäologische Arbeit, die dem Positivismus im Verständnis der Geschichte voraus ist, wie in den folgenden Worten deutlich wird: »Ich schenke Medaillen und Steintafeln mehr Glauben als jeglichen Worten der Schreiber.« Morales und Agustín sind gewiss die Ersten, die der Epigraphik und der Numismatik einen wissenschaftlichen Charakter verleihen, was die Antikenforschung mit einer präzisen Methode ausstattete. Morales ist seinerseits der erste Antikenforscher, der auf die Bedeutsamkeit keramischer Objekte zur archäologischen Datierung hinweist. Beide Autoren und einige ihrer Zeitgenossen, wie Lucena und Fernández Franco, sammeln antike Objekte, untersuchen Steine sowie Inschriften und erkunden Römerstraßen.

Diego Hurtado de Mendoza ist einer der zahlreichen Aristokraten, die im 16. Jahrhundert durch ihre Vorliebe für diese Studien herausragen. Er fördert Ausgrabungen und wählt als Botschafter Philipps IV. in Rom fünfzig antike Statuen aus, die zu den besten der damals bekannten Statuen der Klassik gezählt werden können. Giulio Camillo widmet ihm zu Recht sein grundlegendes Werk der klassischen Kunst des Gedächtnisses L’idea del Teatro (»Die Idee des Theaters«), denn diese Kunst ist eine immaterielle Anwendung der sehr materiellen klassischen Architektur. Pedro de Toledo, ein im 15. Jahrhundert geborener Mann der Renaissance, erwirbt als Vizekönig von Neapel eine Vielzahl von Skulpturen, um seine Villa in Pozzuoli einzurichten, und ist so der klassizistischen Leidenschaft, die Karl III. in der Region auslösen sollte, zweihundert Jahre voraus.

Die archäologische Strömung breitet sich ab 1575 in ganz Spanien aus. Die Kommissare Philipps II., mit der Erstellung eines topographischen Verzeichnisses beauftragt, suchen hunderte Städte und Dörfer auf, um unter anderem die »im Ort bestehenden bedeutenden Bauwerke und bekannten Überreste alter Gebäude, Grabschriften, Schilder und sonstiger Gegenstände« zu vermerken. Die Zahl der Ortschaften, die den Fragebogen beantworten, beläuft sich auf siebenhundert, die erfassten Daten werden in sieben Bänden festgehalten: die Relaciones topográficas de los pueblos de España.

Der auffälligste Beitrag der Epoche zur Antike ist jedoch García de Silva zu verdanken, der als Gesandter von Philipp III. zum Schah von Persien reiste. Das Gefolge legte im Februar 1614 im Hafen von Lissabon ab und erreichte im November desselben Jahres Goa, die Hauptstadt von Portugiesisch-Indien und damals Teil der hispanischen Monarchie. Am 6. April 1618 betrachtet García die Ruinen von Takht-e Jamshid und identifiziert sie als Erster als Persepolis, jene Stadt, die von Dareios I. gegründet und von Alexander dem Großen 330 v. Chr. geplündert worden war. Er stellt außerdem zu Recht fest, dass die Symbole, die auf den Tempelwänden abgebildet sind, nicht nur bloße Verzierungen, sondern eine Schriftart, nämlich die Keilschrift, sind. Diese Neuigkeiten verbreiten sich dank des Briefes an den Marqués von Bedmar, in dem García seine Entdeckungen schildert, wie ein Lauffeuer in ganz Europa. Der Maler, der García begleitet, zeichnet die bemerkenswertesten Skulpturen und Reliefs sowie einige der Inschriften ab und kommt so den Pionieren der mittelöstlichen Archäologie dreihundert Jahre zuvor. Nachdem er eine beachtliche Sammlung wertvoller Objekte und Werke zusammengestellt hat, macht sich der Gesandte Philipps III. 1619 auf den Rückweg. Er wird allerdings bis 1624 in Indien aufgehalten, und als er sich endlich auf den Weg nach Spanien macht, stirbt er überraschend auf hoher See. Von seinem Schatz bleibt keine Spur, er hinterlässt jedoch die beste Beschreibung von Persien aus dieser Zeit in seinem Werk Totius legationis suae et indicarum rerum Persidisque comentarii, das 1667 ins Französische übersetzt wird. Das Manuskript wird im Nationalen Archäologiemuseum in Madrid aufbewahrt.

Antigüedades persas (»Persische Altertümer«), aus den Comentarios de Don Gaspar de Silva que contienen su viaje a la India y de ella a Persia. Cosas notables que vio en él y los sucesos de la embaxada al Sophi, um 1614–1624. Biblioteca Nacional de España.

Drei Jahre nachdem die Sammlung der Königin Christina von Schweden in Spanien angekommen ist und im selben Jahr, in dem die Sammlung des Marqués von Carpio Teil des königlichen Besitzes wird, beginnen die großen Reisen des Infanten Karl, zuerst nach Andalusien und von dort aus nach Italien. Am 28. November 1728 verlässt der Hofstaat Madrid und erreicht einen Monat später, am 2. Januar 1729, Badajoz. Am Fluss Caia treffen sich zum ersten Mal nach der Spaltung des Reiches die Könige von Spanien und Portugal. Anlass ist der Austausch von Prinzessinnen: Der Prinz von Asturien, Ferdinand, erhält die Infantin Barbara von Braganza, die Erstgeborene des Königs Johann V. von Portugal; im Gegenzug wird die Infantin Maria Viktoria von Bourbon Farnese an den portugiesischen Kronprinzen überreicht und so zur Kronprinzessin von Brasilien. Die beiden Eheschließungen finden am 19. Januar 1929 statt. Am darauffolgenden Tag wird in den Räumlichkeiten der Könige eine Oper aufgeführt, bei der auch Domenico Scarlatti, der Musiklehrer der neuen Fürstin von Asturien, anwesend ist.

Am 3. Februar kommt die königliche Familie in Sevilla an. Eine zeitgenössische Abbildung zeigt, wie der Festzug durch die Puerta de Triana in die Stadt einzieht. Die Monarchen besuchen auch die Stadt Cádiz, wohin der Marineminister José Patiño, die Casa de Contratación verlegt hatte, also die für die Leitung aller spanischen Expeditionen in die Neue Welt verantwortliche Behörde. Zur Feier dieses denkwürdigen Anlasses hat der erlauchte Minister den Stapellauf der Hércules organisiert, einem Schiff mit Platz für siebzig Kanonen. An Bord des Flaggschiffs reisen die Könige zum Hafen von Santa María und von dort an Land weiter bis nach Sanlúcar de Barrameda und Doñana, wo sie ihrer Leidenschaft für die Jagd frönen. Währenddessen reisen die Fürsten von Asturien, Ferdinand und Barbara, zusammen mit den Infanten Karl und Philipp auf luxuriösen Galeeren auf dem Guadalquivir, um sich dem Hof anzuschließen. Vier Tage sind sie von Sevilla nach Sanlúcar unterwegs, wo sie zum ersten Mal das Meer sehen. Zusammen mit ihren Eltern erleben sie hinter den Palastfenstern das Auslaufen der prächtigen Silberflotte, der flota de Indias, einer der größten, die je zusammengestellt wurden. Patiño hat dies organisiert, damit der König mit eigenen Augen sehen kann, dass Spanien wieder eine Seemacht ist. Einige Tage darauf lässt der Hof sich in Sevilla nieder, und Elisabeth Farneses Sammlerleidenschaft entfacht erneut. Sie ist begeistert von der Malerei Murillos und ersteht alle Gemälde des Sevillanischen Meisters, die ihr angeboten werden, viele von ihnen sind noch heute im Museo del Prado zu sehen. Vor allem aber konzentriert sie sich mit beharrlichem Eifer darauf, ihrem Erstgeborenen den Weg zu ebnen, um die italienischen Herzogtümer, die ihm als Erben der Farnese und der Medici zustehen, in Besitz zu nehmen. Am 9. November 1729 wird in Sevilla der Vertrag über Frieden, Einheit, Freundschaft und gegenseitigen Beistand von Spanien, Großbritannien, Frankreich und Holland unterzeichnet. In diesem Vertrag verpflichten sich die unterzeichnenden Mächte, dem Infanten Karl die Besitzausübung in Parma, Piacenza und der Toskana zu sichern. Um ihre Ziele jedoch vollständig zu erreichen, muss die Königin erst noch Bündnisse mit Österreich eingehen und erreichen, dass Frankreich ihren Plan tatsächlich unterstützt.

La familia de Felipe V (»Die Familie Philipps V.«), 1743, Louis-Michel Van Loo. Museo Nacional del Prado, Madrid.

Im Mittelpunkt sitzt König Philipp V. Zu seiner Rechten die Königin Elisabeth Farnese, zwischen den beiden der Infant Luis, Erzbischof Kardinal von Toledo. Um den Tisch der Infant Philipp (1720–1759), Herzog von Parma, mit seiner Frau Louise Elisabeth von Frankreich (1727–1759); die Infantinnen Maria Teresa, stehend, und Maria Antonia, mit Fächer. Rechts, stehend, Karl, König beider Sizilien (Karl III.), gemeinsam mit seiner Frau, Maria Amalia von Sachsen, sitzend. Auf der anderen Seite der Fürst von Asturien (Ferdinand VI.). Links neben ihm, sitzend, seine Gemahlin und spätere Königin Maria Barbara von Braganza, und neben ihr, ganz links, die Infantin Maria Anna Viktoria (Marianina) (1718–1781), Königin von Portugal. Auf dem Boden spielen Maria Luise, Tochter des Herzogs von Parma, und Maria Isabel, Tochter Karls III., mit einem Hündchen.

Im März 1730 setzt sich der Hof wieder in Bewegung, dieses Mal nach Granada. Bei ihrer Ankunft in der Hauptstadt des ehemaligen Nasriden-Reichs lassen sich die Könige im Alhambra-Palast nieder. Sie bewundern die Schönheit der Gebäude und ordnen an, dass die Fliesen, Reliefs und anderen Verzierungen sorgfältig erhalten werden. Die exotisch anmutenden arabischen Säle der Alhambra und insbesondere die Säle im Mudejar-Stil im Palast von Sevilla, dem Real Alcázar, wurden so das neue Zuhause der spanischen Königsfamilie und damit auch das Zuhause des Europas der Aufklärung. Die ausländischen Botschafter und die spanischen Minister mussten sich vor der Kulisse des Königlichen Alkazars und den umliegenden Gassen Sevillas wie in einem Märchen aus Tausend und einer Nacht fühlen, einem Werk, das zwischen 1704 und 1717 in französischer Fassung von Galland in zwölf Bänden erschienen war. Das Gefühl, in einer unwirklichen Welt zu leben, die sich von allem bisher Bekannten unterscheidet, war im Königlichen Alkazar in Sevilla noch stärker. Neben den Sälen und Innenhöfen im Mudejar-Stil, die an die Räumlichkeiten der Alhambra in Granada erinnern, gibt es andere Gebäude im reinsten Stil der Gotik, Renaissance oder des Barock, das den ausländischen Botschaftern einen beredten Eindruck von der vielschichtigen spanischen Geschichte und der einenden Macht der spanischen Kultur vermittelte.

Durch all dies wird während des Aufenthalts der königlichen Familie im Real Alcázar von Sevilla und in der Alhambra in Granada von 1729 und 1733 deutlich, wie sehr sie sich für die orientalische und insbesondere die arabische Kunst und Kultur interessiert, die einige Jahrzehnte später auch in der Literatur zu spüren ist. So lebendig beginnt also die Geschichte der Orientalistik, der in Europa nur ganz am Ende des Jahrhunderts dank Persönlichkeiten wie Beckford und Byron Aufmerksamkeit zukommt, die sich aber vor diesen Autoren während der Herrschaft Ferdinands VI. und Karls III. in Spanien bereits klar abzeichnet. Ferdinand VI. war es auch, der den libanesischen Maroniten Miguel Carisi nach Spanien brachte, um die Lehre der arabischen Sprache zu verbreiten und die orientalischen Manuskripte zu klassifizieren, die in der Bibliothek des Palastes El Escorial aufbewahrt wurden. Dank seiner Kulturpolitik wurden die Grundlagen gelegt, um die Monumente des arabischen Spaniens zu schätzen, vor allem der Alhambra in Granada, der Mezquita in Córdoba und der Synagoge El Tránsito in Toledo. Die königlichen Akademien der Geschichte und der Kunst (Real Academia de Historia und Real Academia de Bellas Artes) organisieren Studienreisen, deren Ergebnisse in den Antigüedades árabes en España (»Arabische Altertümer in Spanien«) veröffentlicht wurden. Wenig später werden Werke dieser Art auch in anderen Ländern Europas verfasst.

Antigüedades árabes de España (»Arabische Altertümer in Spanien«), 1787 und 1804. Real Academia de Bellas Artes de San Fernando, Madrid.

An einer dieser Reisen im Jahre 1766 nimmt Juan de Villanueva teil, der gerade aus Italien zurückgekommen ist, wo er sechs Jahre als Stipendiat in Rom gelebt und Piranesi, Mengs und Winckelmann kennengelernt hat. Für diesen herausragenden neoklassizistischen Architekten – Schöpfer der Sternwarte von Madrid und des Prado-Museums – sind seine Besichtigungen von Pompeji und Herculaneum nicht unvereinbar mit seinen jetzigen Besichtigungen der Alhambra von Granada und der Mezquita von Córdoba. Tatsächlich haben die architektonischen Zeichnungen der arabischen Altertümer von Sánchez Sarabia während der Reise, an der auch Juan de Villanueva teilnimmt, als Vorlage die Abbildungen aus dem von Karl III. geförderten Werk Le antichità di Ercolano.

Jarrón nazarí de los escudos (»Nasriden-Vase mit Wappen«), Diego Sánchez Sarabia, 1762. Real ­Academia de Bellas Artes de San Fernando, Madrid.

Der Infant ist erst fünfzehn Jahre alt, als er seine große Reise beginnt, die ihn nach Italien führt und ihn gewissermaßen zu einem neuen Aeneas macht, denn Karl wird ein Reich begründen, das in den heldenhaften Zeiten der Antike das Tor war, durch das der trojanische Held das verheißene Land Ausonia betrat. Jahre später, als er Giovanni Battista Tiepolo nach Madrid bringt, um den Thronsaal und andere Säle des Neuen Palastes, der den niedergebrannten Alkazar ersetzt, zu bemalen, wählt er die Apotheose des Aeneas als Thema, da er sich zweifelsohne mit der Geschichte des trojanischen Prinzen identifiziert. Wie Aeneas, der bei seiner Ankunft in Italien die unterirdische Welt der Toten besuchen muss, hat auch Karl eine Verbindung mit dieser Schattenwelt, da er die Ausgrabung der vom Vesuv begrabenen Städte anordnet.

Während Tiepolo also die Apotheose des Aeneas malt, ist der neoklassizistische Künstler Mengs, der von Karl III. äußerst geschätzt wird, damit beauftragt, andere Saaldecken des Neuen Palastes mit den Apotheosen des Herkules und des Trajan zu bemalen, also des mythischen Gründers des spanischen Königshauses (Herkules) und des großen spanisch-römischen Kaisers (Trajan). Die Wahl des Letzteren, der zusammen mit Augustus der glorreichste Kaiser Roms war, zeigt, wie wichtig für Karl III. sein Aufenthalt in Sevilla war. Denn der Schatten von Trajan blieb lebendig in der andalusischen Metropole.

Von seinem Namen leitet sich der Name des bekannten Viertels Triana und der Puerta de Triana ab, jenes Tor, durch das der zukünftige König beider Sizilien in seiner Kindheit in Sevilla einzog. Die Erinnerung an Trajan blieb dort lebendig, da ihm der Glanz von Italica zu verdanken war, deren Ruinen sich in der Nähe der andalusischen Hauptstadt befinden. Einige Jahre vor dem Aufenthalt Philipps V. in Sevilla hatte Manuel Martí begonnen, die Ruinen von Italica auszugraben, außerdem wurden dessen Zeichnungen des Amphitheaters 1722 von Montfaucon veröffentlicht. Man kann also durchaus sagen, dass der Schatten Trajans und der Stadt Italica den Infanten Karl vor den Toren Sevillas verabschiedeten und ihn gewissermaßen bis zu den Ausgrabungen von Herculaneum und Pompeji begleiteten, die er später als König beider Sizilien veranlassen sollte.

Philipp V. und Elisabeth Farnese scheuen keine Kosten, um die Reise ihres Sohnes zu finanzieren, die von der Abreise in Sevilla bis zur Ankunft im toskanischen Hafen Livorno, wo Karl am 26. Dezember 1731 ankommt, zwei Monate dauert. Die Reise kostet die Staatskasse 786 112 Real, wozu man die andere halbe Million rechnen muss, die in Paris für die Reise gezahlt wird. Außerdem bestimmt der Monarch ein jährliches Kostgeld von 150 000 Dukaten für seinen Sohn und sagt ihm anderthalb Millionen Pesos zu, sobald er das Königreich beider Sizilien erobert hat. Diese Summe, schreibt Fernán-Núñez, sandte »die Königin Elisabeth ihrem Sohn, um mehrere Lehnsgüter zurückzugewinnen, die unter den Vizekönigen verkauft worden waren, um so seine Erträge und die Pracht seines Hofes zu vergrößern«. Aufgrund seiner Vielfalt und seines Ausmaßes ist das Gefolge seiner Königlichen Hoheit eines großen Herrschers würdig. Es besteht aus über einhundert Personen, von den Militärkräften zu seinem Schutz und den vielen anderen Bediensteten, die bei jedem Halt dazukommen, ganz abgesehen. Er führt große Mengen Silber und Schmuck (allein das Silbergeschirr hat einen geschätzten Wert von 246 298 Silber-Reales) sowie hunderte Kisten Gepäck mit sich, für deren Transport alle verfügbaren Karossen des Königshauses und einige Privatkarossen eingesetzt wurden. Außerdem werden zweihundert Lasttiere, einhundert Reittiere und acht Wägen mit je drei Maultieren benötigt. Eine Karawane dieser Ausmaße braucht nicht weniger als siebenundvierzig Tage bis zum französischen Hafen Antibes, wo die erste und längste Etappe auf dem Landweg endet. Im Hafen von Livorno erwartet ihn die Eskorte, die ihm seine Eltern bereitgestellt haben und die aus siebentausendvierhundert Fußsoldaten und Kavalleristen besteht, die unter Befehl von José Carrillo de Albornoz, dem Grafen von Montemar, stehen.

Im Königlichen Alkazar von Sevilla überreicht Philipp V. seinem Sohn jenes Schwert, das sein Großvater Ludwig XIV. ihm zur Besteigung des spanischen Throns überreicht hat. Karl verlässt die andalusische Hauptstadt am 20. Oktober 1731, dreißig Tage später erreicht er Barcelona. Vor ihm reist der Ingenieur Juan Antonio Medrano, der die Straßen für den Tross vorbereitet. Der Ingenieur wird später einer der Lehrer des Prinzen sein, der sich zu dieser Zeit besonders für Bautechnik aller Art interessiert. Medrano wird auch der Erste sein, der die Zugänge zu Herculaneum öffnet, der Stadt, die vom Ausbruch des Vesuvs begraben wurde. Die Reise ist eine nicht endende Aufeinanderfolge von Ein- und Auszügen in Dörfern und Städten, deren Einwohner und Obrigkeiten das Gefolge mit Hochrufen, Behängen, Triumphbögen und anderen vorübergehenden Konstruktionen willkommen heißen. Dabei fehlen weder die Festessen mit zahlreichen Gästen noch die heiteren Jagdausflüge, die dank der Treffsicherheit seiner Königlichen Hoheit mit reicher Beute enden, von der Karl die schönsten Stücke seiner Mutter schickt.

Die Empfänge, die für Karl in den Dörfern und Städten abgehalten werden, durch die er reist, sind oft von volkstümlich-poetischer Art; manche Empfänge haben jedoch auch Momente, die besser zur Epoche der Aufklärung passen. So zum Beispiel am 25. Oktober, als Karl die hydraulischen Maschinen in der Nähe der Stadt Carpio gezeigt werden und ihm erklärt wird, wie sie funktionieren und welchen Nutzen sie für die umliegenden Felder haben. Joaquín de Montalegre, der Lehrer des jungen Infanten, klärt ihn darüber auf, dass diese Maschine vor zweihundert Jahren von einem Karmelitermönch erfunden worden war.

Die Stadt Almansa ist ein weiterer Höhepunkt der Reise, denn dort fand am 25. April 1707, also vierundzwanzig Jahre zuvor, die Schlacht zwischen Berwick und den Truppen des Erzherzogs Karl von Österreich statt, aus der Berwick als Sieger hervorging. Nach dem Essen besichtigt der Infant jene Säule, die an den Sieg erinnert, der Philipp V. im Spanischen Erbfolgekrieg endgültig den Thron verschafft hatte. Hier war eine Jagdpartie vorbereitet. In zweieinhalb Stunden erlegt der junge Karl fünfunddreißig Hasen und fast fünfzig Tauben. Während er den für seine Dynastie heiligen Ort durchstreift, denkt Karl an die Details dieser maßgeblichen Schlacht zurück, die er auswendig kennt und der er zweifelsohne seine Reise nach Italien und sogar sein Dasein verdankt.

Am Sonntag, den 11. November, zieht das Gefolge in Valencia ein. Die Stadt zeigt sich von ihrer besten Seite. Am Nachmittag besucht er eine Oper auf Spanisch. Am folgenden Tag besichtigt er, am Kopf eines Zugs vieler Kutschen, die Albufera. Bei seiner Ankunft schwimmen auf der Lagune unzählige Boote. Als Karl das Kapitänsschiff besteigt, ordnen sich alle anderen Boote zur Schlachtordnung und bilden einen Halbmond zum Angriff auf die schwarzen Wasservögel, die etwas größer als Hühner sind und das Wasser bedecken. Aufgescheucht fliegen sie wie ein dichtes Gewölk empor, der Augenblick, um sie abzuschießen. Am Abend wird der Infant erneut in die Oper eingeladen, diesmal auf Italienisch.

Die Weiterreise von Valencia nach Barcelona dauert zehn Tage. Unterwegs, in Las Balbas, kann sein Lehrer Montalegre zum ersten Mal den ästhetischen Geschmack des jungen Prinzen erkennen: Angesichts der Schönheit der Sandbänke des Ebro-Deltas beschließt Seine Hoheit, dass sie gemalt werden soll, was der beste Maler im naheliegenden Tortosa umgehend umsetzt. Auf diesem Gemälde fehlt nicht das malerische Häuschen, in dem Seine Hoheit die Nacht verbracht hat. Bei ihrer Ankunft in Barcelona am 21. November merkt Montalegre an, dass es »einer größeren und besseren Erklärung als meiner bedürfe, um all das zu beschreiben, was ich gesehen habe, denn es scheint, als wären Jahre für die Vorbereitungen auf die Feierlichkeiten zu Ehren des königlichen Infanten aufgebracht worden«. Deshalb wird ein lokaler Schriftsteller damit beauftragt, den Aufenthalt seiner Königlichen Hoheit in Barcelona festzuhalten. Der begeisterte Empfang, der Karl in Barcelona zuteilwird, ist von besonderer Bedeutung, da diese Stadt die letzte Bastion des Erzherzogs war, der ebenfalls Karl III. genannt wurde und vorübergehend beanspruchte, das traditionelle Spanien zu vertreten. Der Infant betritt die Stadt durch die Puerta del Ángel. Die Straßen sind mit kostbaren Teppichen und Behängen verziert. Bei der Puerta de los Capuchinos auf der Rambla ist ein Monument von drei Schiffen aufgestellt, die von den Wellen an die Felsen geschlagen werden. Als der Infant daran vorbeigeht, feuern die Schiffe Kanonen ab. Nur wenige Schritte weiter, vor der Casa de las Comedias, sind Balustraden und ein Dschungel aufgebaut, vor dem zwei Löwenfiguren zu Musik tanzen. Gegen elf Uhr erreicht der Infant den Palast und nimmt dort in aller Öffentlichkeit seine Mahlzeit zu sich. Am Abend wird das Feuerwerk gezündet, das vor dem Palast aufgebaut ist. Der Höhepunkt des Feuerwerks ist eine Sonne, die entzündet wird und sich daraufhin in ein Viva Carlos verwandelt. Nach dem Feuerwerk wird in den Sälen des Palastes eine Zarzuela, Venus und Adonis, aufgeführt, in der die Beziehung der Göttin der Schönheit mit dem schönen Jagdprinzen Adonis thematisiert wird, während in der Stadt die prächtige Festbeleuchtung scheint und ein Ambiente großer Festlichkeit herrscht. Am Abend des nächsten Tages veranstalten die Zünfte und Kammern eine Feier zu Ehren des Infanten. Es handelt sich dabei um einen Maskenball mit der Thematik der vier Weltgegenden. Höhepunkt des Balls ist die Einfahrt eines Triumphwagens mit der Göttin Fama, umgeben von einem wunderschönen Chor aus Nymphen, die die vier Weltgegenden darstellen.

Die Pyrenäen werden am Morgen des 26. November überquert. Auch in Frankreich wird Seine Königliche Hoheit begeistert empfangen, in Perpignan wird er sogar mit denselben Ehrbezeichnungen empfangen, die dem König von Frankreich zuteilgeworden wären. Die Obrigkeiten richten eine lobpreisende Rede an Seine Hoheit und an die Könige von Spanien, da sie den Infanten Karl in Italien bereits als König der Lombardei sehen, der »dem Haus der Bourbonen die Tore öffnet, um sich des besten Teils Europas zu bemächtigen«. Außerhalb Spaniens sind die Eigenschaften des jungen Prinzen bereits bekannt, wo man beginnt, ihn als Verkörperung der hohen Bestimmung seiner Familie anzusehen.

Am Morgen des 3. Dezembers betrachtet Karl in Montpellier bewundernd eine berühmte Statue Ludwigs XIV. Dann besucht er den Heilpflanzengarten, den die Botaniker der Medizinischen Fakultät pflegen. Zusammen mit Buoncuore, dem Leibarzt S. K. H., erklären sie Karl die Eigenschaften der seltensten Pflanzen. Danach werden ihm im Anatomiesaal an einem Skelett aus Wachs die wichtigsten Funktionen der Knochen sowie deren Anordnung erklärt. Beeindruckt schreibt Karl seiner Mutter am selben Abend: »Heute Morgen habe ich die Statue von Ludwig XIV. gesehen, die prächtigste Statue, die man sich vorstellen kann; außerdem habe ich einen Garten gesehen, in dem es alle Arten von Heilpflanzen gibt.« Außerdem fügt er hinzu – und stellt dadurch sein präzises Urteilsvermögen in Sachen Militärtechnik unter Beweis –, dass die Zitadelle von Montpellier »nichts taugt«. Er räumt jedoch ein, dass er über zwei Stunden damit verbracht hat, »einzigartige Gegenstände« im Kabinett des Präsidenten De Bon zu bestaunen.

Nachdem sie den Ort Lunel passiert haben, wo Karl in ebendem Raum speist, in dem seine Mutter, die Königin, auf ihrer Reise von Italien nach Spanien übernachtet hatte, schlägt das bisher trockene Wetter um. Am 7. Dezember wird beschlossen, den Aufenthalt in Salon aufgrund der ungünstigen Wetterlage zu verlängern. Die Franzosen bringen diese Witterungsverhältnisse mit einer Prophezeiung des Nostradamus in Verbindung, dessen Grabstätte in der Franziskanerkirche dieser Stadt liegt. Die Prophezeiung »Quand Don Charles passera, le pont mouillé se trouvera« (»Wenn Don Karl vorbeizieht, wird er die Brücke nass vorfinden«) wird als eine Anspielung darauf verstanden, dass der Infant die Brücke über die Rhône im Regen überqueren wird.

Der Tross erreicht Cannes am 16. Dezember. Dort erwartet den Infanten der Chevalier von Orléans, eigens von Seiner Allerchristlichsten Majestät geschickt, dem König von Frankreich. Der folgende Tag, den S. K. H. in der Hafenstadt Antibes verbringt, ist besonders ereignisreich. Er wird unter Artilleriesalven empfangen, die Seemänner führen ihm zu Ehren Tänze auf und der Chevalier von Orléans überreicht ihm im Namen des französischen Herrschers einen kostbaren, mit Brillanten besetzen Degen. Beim Abschied in Sevilla wurde Karl von seinem erlauchten Vater mit jenem prachtvollen Degen beschenkt, den der von seinem Großvater Ludwig XIV. erhalten hatte; jetzt, beim Abschied des Urenkels Ludwigs XIV. aus Frankreich, wird er vom Herrscher dieser Nation mit einem nicht minder wertvollen Degen beschenkt.

Die von Philipp V. gesandten Streitkräfte sind bereits in Livorno eingetroffen. Miguel Regio, Kommandant der Flotte, die Karl und sein Gefolge übersetzen wird, hat alle Vorbereitungen abgeschlossen. Die neun Galeeren sind herausgeputzt, vor allem das Heck des Flaggschiffs. Die drei Galeeren, die der Großherzog der Toskana gesandt hat, sind ebenfalls komplett ausgestattet. Dazu kommen die englischen Schiffe unter Befehl von Admiral Wager. Das gesamte Gefolge von Karl ist bereits an Bord, aber der hütet wegen einer schweren Erkältung das Bett. Um die Langeweile des Wartens erträglicher zu machen, beschäftigt der Infant sich mit verschiedenen Zeichnungen und Erzählungen sowie mit einer kuriosen Krippe, die er gemeinsam mit seinem Beichtvater in dieser Vorweihnachtszeit zusammengestellt hat und die laut Montalegre »die geistreichste von allen« ist.

Als Karl genesen ist und der Nordwind nachlässt, wird beschlossen, dass die Zeit gekommen ist, die Segel zu setzen, und am Morgen des 23. Dezember, gegen zehn Uhr, geht Karl an Bord des Flaggschiffs. Nur kurz nachdem das Geschwader abgelegt hat, kommt der Wind stärker als davor wieder auf. Aufgrund des starken Seegangs ist das Weihnachtsfest des Jahres 1731 das bisher stürmischste des jungen Infanten. An Bord spielen sich dramatische Situationen ab, die eine drohende Katastrophe fürchten lassen, aber Karl zeigt sich durchgehend ruhig. Bei ruhiger See läuft der Infant und Herzog am 27. Dezember 1731 endlich im Hafen von Livorno ein. Im Namen des Großherzogs und dessen Schwester, der Kurfürstin, wird er vom Kriegssekretär und vielen weiteren florentinischen Herren willkommen geheißen. Mit einem goldbestickten Gehrock aus violettem Samt und einem mit Reiherfedern verziertem Hut luxuriös gekleidet, den Degen Ludwigs XIV. an seiner Seite und das Goldene Vlies auf seiner Brust, erreicht Seine Königliche Hoheit eine mit grünem Tuch bedeckte Treppe, über die sich ein großer Triumphbogen erhebt, geschmückt mit den Wappen Spaniens, während aus allen Festungen und Türmen der Hafenstadt Artilleriesalven abgefeuert werden.

In Livorno wiederholt sich der Prunk von Valencia und Barcelona. Die anwesenden Minister verschiedener Nationen wetteifern darum, das Wohlwollen des heranwachsenden Herrschers zu gewinnen. Die Franzosen beschenken ihn mit einem nächtlichen Konzert auf einem Triumphwagen. Die Engländer errichten auf dem Platz einen ebenso triumphalen Bogen mit Malereien, die auf den Infanten und seine Mission in Italien anspielen.

Die Holländer und Deutschen organisieren ein Pferderennen vor dem Palast. Die Hebräer erbauen am selben Ort eine große Maschine voller Lebensmittel und Wein, die von den Armen bestürmt wird, sobald Karl das Zeichen gibt. Der Höhepunkt der Feierlichkeiten ist ein Fußballspiel beziehungsweise ein italienisches Calcio. Da es dem Prinzen so gefällt, wünscht er, dass für die Dauer der Festtage täglich eines veranstaltet wird. Montalegre betont in seinen Aufzeichnungen besonders eine der lateinischen Inschriften, die auf dem Triumphwagen der Franzosen zu lesen ist und mit den Worten »Regio Principi Carolo«, also »dem königlichen Prinzen Karl«, beginnt. Ihren Majestäten sendet er eine Breve descrizione des Triumphbogens der Briten und merkt an, dass »all die vielen Nationen, aus denen diese Stadt besteht, den Königlichen Infanten betrachten, als ob er ihr gegenwärtiger Herrscher wäre, und ihn bejubeln, als ob es den gewissen Großherzog bereits nicht mehr gäbe«. Dank seiner Sympathie, der Würde, die er ausstrahlt und der Aufmerksamkeit, die er allem widmet, was ihn umgibt, fliegt Karl die Zuneigung der Bevölkerung förmlich zu, »denn er spricht zu ihnen mit enormer Zuneigung, behandelt die Florentiner sehr schmeichlerisch und alle freuen sich wie verrückt über S. K. H.«.

Arco triunfal levantado en Livorno en 1732 para recibir a D. Carlos de Borbón (»Triumphbogen in Livorno 1732 anlässlich der Ankunft Karls von Bourbon«), F. Ruggieri. Biblioteca Riccardiana, Florenz.

Welche sind wohl die beiden ersten Ausfahrten des Infanten auf italienischem Boden? Seine erste führt ihn zu einem Sanktuarium, in dem ein Heiligenbild Unserer Lieben Frau von Montenegro, die für die Einwohner des Landes sehr wichtig ist, verehrt wird. Seine zweite Ausfahrt ist ein Jagdausflug in einem Wald der Kapuzinermönche. Mit seiner ersten Handlung offenbart er seine Religiosität, im Einklang mit der Frömmigkeit des Volkes, mit seiner zweiten Handlung glänzt er mit seinem Geschick im Umgang mit Waffen und mit seiner guten körperlichen Verfassung. Aber weder die Jungfrau von Montenegro noch seine Jagdausflüge können ihn vor einer Erkrankung an Windpocken bewahren, die den Hof sehr beunruhigt. Das ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass sein Bruder Ludwig I. in etwa demselben Alter an dieser Krankheit gestorben war. Die Haut des Infanten ist über und über mit Pusteln bedeckt, aber Karl ist ein kräftiger Junge und erholt sich bald. »Nach Gott verdanke ich meine Gesundheit Buoncuore«, schreibt er seinen Eltern. Und da in Italien bereits über seine Hochzeit gemunkelt wird und es mehrere Kandidatinnen gibt, obwohl er mit seinen fünfzehn Jahre noch sehr jung ist, schreibt er seinen Eltern: »Wie von Ihren Majestäten angeordnet, habe ich dem Grafen gesagt, dass ich in Bezug auf eine Heirat nichts ohne die Genehmigung Eurer Majestäten tun werde.«