Hexen Sexparty 1-6 - Luna Blanca - E-Book

Hexen Sexparty 1-6 E-Book

Luna Blanca

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Beschreibung

Abgeschlossener Roman von Luna Blanca, die gerne handfest, krass, pervers, lustig und düster schreibt. UMFANG: 260 Seiten / 77 300 Wörter plus 30 Seiten Erotik-Leseproben. Sonnhagen 1612: Auf dem Blocksberg trifft sich der weltweite Hexenorden. Alle finden zusammen, um mit viel Sex, Schlemmerei und Magie die Walpurgisnacht zu feiern. Unter Führung der Steinhexe Vanda wird eine okkulte Orgie vorbereitet. Samt Entführungen schöner Männer, peinlicher Sex-Beichten und spaßiger Spiele… Die hübsche Hexe Tyna vermisst ihre Freundin Iris. Sie erfährt, dass die Kräuterhexe vom Hexenjäger Oswald Crudelis in den Folterkeller der Burg des Fürsten Arnulf von Hagen verschleppt worden ist! Dort soll sie von ihrem Sexleben mit Satan berichten, um bald auf dem Scheiterhaufen zu brennen. Zusammen mit der Blumenhexe Florentina, der schwarzen Hexe Kali-Hagzissa, der Anushexe Anobella, der Voodoohexe Olisa, der Wüstenhexe Asifa und der Sauhexe Vulgaera macht sich Tyna auf, ihre Freundin zu retten. Was will der reiche Bauernsohn Jan von der Magd Gertrud? Was hat der Büttel Reinhardt Ehler mit dem naiven Dorf-August vor? Wie lauten die Wahrsagungen der Lichthexe Eminentia? Was verlangt die völlig enthemmte Wassernixe Aquanda vom Burschen Jost? Wie wirkt der Zaubertrank der Rauschhexe Hallu-Ulla? Fragen, die nicht nur überraschende Antworten finden, sondern in einen Strudel der abgrundtiefen Laster, der Lüste und des Leidens münden… Sind Sie bereit für heiteren Hexen-Sex und scheinheilige Skandale? Dann rauf auf den Lese-Besen und rein in die zauberhafte Buch-Bumserei! Luna Blanca entführt Sie in eine Welt voller bizarrem Sex inmitten der düsteren Zeit mittelalterlicher Hexenverfolgung. Das Ebook ist phantastisch geeignet für alle, die Folgendes mögen: einfühlsame und deftige Erotik, die langsam aufgebaut wird, eingebettet in eine sich zuspitzende Handlung voller Action, Spannung und Humor. Mit gefühlvoller Romantik, aber auch einer gut dosierten, wahnwitzigen Portion Ekel und Gewalt…

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Seitenzahl: 436

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HEXENSEXPARTY

# 1-6

Roman vonLuna Blanca

Dieses Ebook ist als Taschenbuch erhältlich.

Die sechs Teile dieses abgeschlossenen Romans sind auch als einzelne Ebooks lieferbar.

Aktuelle Infos zu Autorin, Verlag und Büchern

sind online erhältlich:

www.buchgeil.de

www.luna-blanca.com

Hinweise auf weitere Titel sowie Leseproben

finden Sie am Ende dieses Ebooks.

Originalausgabe

Erste Auflage Juni 2014

Copyright © 2014 by Ralf Stumpp Verlag,

Spaichinger Strasse 1, 78582 Balgheim

Cover-Design & Photos: Copyright © 2014 by Ralf Stumpp

Lektorat/Korrektorat: Dr. E.

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.

Für aktuelle Daten und Kontakt-Infos siehe obenstehende Web-Adressen.

Dieses Werk ist inklusive all seiner Teile urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung, Verbreitung und Weitergabe ohne schriftliche Erlaubnis des Verlages ist verboten.

Dies ist ein Werk der Phantasie. Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen wären rein zufällig und nicht von der Autorin beabsichtigt. Sexuell handelnde Personen sind volljährig in ihrer Eigenschaft als fiktive Figur.

ISBN 978-3-86441-050-5

INHALT

Hexen Sexparty #1-6

ROMAN VON LUNA BLANCA

TEIL 1

Eine fehlt!

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

TEIL 2

Ein Schmerz und eine Seele

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

TEIL 3

Hexen im Dorf!

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

TEIL 4

Kampf im Folterkeller

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

TEIL 5

Schwarzmagie und Schwesternblut

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

TEIL 6

Walpurgisnacht, die Geilheit lacht!

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

MEHR LIEFERBARE TITEL

A:EROTISCHE LESEPROBE

B:EROTISCHE LESEPROBE

C:GRUSLIGE LESEPROBE

TEIL 1

EINE FEHLT!

1

Das Kreischen der Hexen bei ihrem Anflug auf den Blocksberg klang etwas übergeschnappt, aber heiter. Jedes Mal, wenn eine Neue am sonnenüberfluteten Himmel auftauchte, ertönte das vielstimmige Hallo! der bereits Angekommenen. Beim Sinkflug und ganz besonders beim Landen erklangen anerkennendes Zungenschnalzen, fröhliches Pfeifen und übermütiges Kichern.

War eine Hexe schließlich gelandet und von ihrem Besen gesprungen, wurde sie von den anderen herzlich umarmt. Manchmal aber auch nur respektvoll und höflich begrüßt. Das kam ganz darauf an, wie nah man sich stand und wie grün man sich war. Die Hexen waren schon seit Urzeiten eine eingeschworene Gemeinschaft. Selbstverständlich gab es aber auch unter ihnen hin und wieder Streit, Missgunst und sogar langjährige Auseinandersetzungen.

Heute Abend und die ganze Nacht hindurch würden sie alle miteinander schlemmen, Späße treiben und wilden Sex haben. Zu Letzterem fehlten ihnen noch die Männer. Beileibe nicht alle Hexen lebten in Keuschheit oder fühlten sich zum eigenen Geschlecht hingezogen, auch wenn sich diese Vorurteile bisher die ganze Menschheitsgeschichte hindurch hartnäckig gehalten hatten. Einige von ihnen waren sogar ganz ausgebuffte, geifernd hungrige Feinschmeckerinnen der sexuellen Genüsse. Das zeigte sich schon an der Kleidung, in der manche Hexen zur heutigen Walpurgisnacht erschienen waren: Am gefälligsten wirkte die Blumenhexe Florentina, die bereits kichernd palaverte, umringt von einigen Bewunderinnen. Ihre drallen Busen waren von unzähligen Blüten und Rosenkelchen umrankt, allesamt nicht nur frisch gepflückt, sondern mit allerlei Wundermitteln in Farben und Formen noch bunter und fester gemacht. Ihre Brustwarzen waren mit winzigen Orchideenblüten nur knapp bedeckt. Große Teile der Felsplattform des Blocksbergs schienen vom betörenden Blumenduft ihres violett schimmernden Haars eingelullt zu sein.

Ganz anders hingegen, nämlich weitaus schmutziger und ordinärer, gab sich Vulgaera, von allen nur neckisch „Sauhexe“ genannt. Mit dicken fettigen Fingern fraß sie von einer mitgebrachten Hammelkeule, während sie sich grunzend und scherzhaft quiekend mit der schwarzen Voodoohexe Olisa unterhielt. Ihre Brüste, die feinporigen riesigen Fleischsäcken glichen, hingen über ihren gigantischen Bauch. Sie wurden mühsam gehalten und bedeckt von einem Konstrukt aus braunem Samt und Wolle. Nur die himmlischen Engel der Schwerkraft mochten wohl wissen, wie lange dieses noch halten würde!

Jene Voodoohexe kam aus einem fernen heißen Land. Dort trieben seltsame und gefährliche Tiere ihr Unwesen. Der Boden war von der unbarmherzigen Sonne ausgedörrt, so dass er überall ein gewaltiges Netz an tiefen Rissen aufwies. Olisa war recht züchtig gekleidet, da eingemummt in ein gelbes Fell mit vielen schwarzen Punkten. Sie war an eine durchweg hohe Temperatur gewöhnt und fror im hiesigen Mittelgebirgsklima, sofern sie sich nicht mit ihrer Kleidung vor der Kälte schützte. Trotz ihres umfangreichen Textils strahlte die Voodoohexe eine geheimnisvolle bezaubernde Erotik aus.

Aquanda, die Wasserhexe, war auch schon da, unübersehbar mit ihren blauen Haaren und dem langen, grüngeschuppten Fischschwanz, den sie anstatt Beinen besaß. Eigentlich war sie eher eine Nixe, hatte aber tiefreichende familiäre Wurzeln zum Bund der Hexen. Ihre Brüste waren eher klein, aber fest und wohlgeformt. Die Brustwarzen waren von dunkelgrünem, trockenem Seetang bedeckt. Wo sie auf ihrem fischigen nackten Unterleib ihre Scheide hatte, wusste niemand. Keine hatte sie je danach gefragt, keine wusste, wie sie den Geschlechtsakt vollzog. Niemals war sie dabei beobachtet worden. Sie pflegte sich in den heißen Phasen der alljährlichen Walpurgisnächte mit dem Mann ihrer Wahl zurückzuziehen und sich mit ihm an einem verborgenen Ort zu vergnügen. Ob es diesmal dazu kommen würde, dass man ihr kleines Geheimnis aufdeckte?

Die Wüstenhexe Asifa, die Sumpfhexe Lacuna, die Gelbhexe Xiannu und Anobella, die seltsam männlich wirkende Anushexe, waren ebenfalls vor kurzem eingetroffen. Sogar die grausig stinkende Aashexe Gäa war schon da. Ihr Gestank hielt sich in diesem Jahr sogar in Grenzen. Hatte sie womöglich gebadet oder sich gar ausgiebig die Zähne geputzt?

Spektakulär für den ganzen Hexenorden würde die Ankunft der gern gesehenen Hexen aus den nordischen Ländern sein; nämlich die der Eishexe Istapp und besonders die der beeindruckenden Weißhexe Druid. Respektvoll erwartet und von manchen argwöhnisch gefürchtet wurde das Eintreffen von Belua, der Satanshexe, die einen Pakt mit dem Gehörnten hatte.

Ja, Männer waren nötig, um heute die lange Nacht der Nächte unvergesslich zu machen in ihrem grenzenlosen Fleischgenuss… Noch ahnten diese nichts von ihrem sexuellen Glück, welches sie bald treffen würde wie der schnelle Pfeil des Jägers das ahnungslose Wild!

Die Männer würden die Hexen im Laufe des Nachmittags aus Sonnhagen entführen, dem Dorf, das unweit des diesjährig ausgewählten Blocksbergs lag. Wobei unweit relativ war: Sonnhagen befand sich etwa drei Stunden Fußmarsch entfernt von hier in unmittelbarer Nähe zur Burg des Fürsten Arnulf von Hagen. Für die Hexen war das ein Besenflug von wenig mehr als einer Viertelstunde.

Wie an jedem Nachmittag, der einer Walpurgisnacht voranging, würde es wieder spannend werden, wie mehr oder weniger freiwillig sich die Männer verschleppen ließen. Fast alle waren sie zunächst immer entsetzt, wütend oder eingeschüchtert. Doch das legte sich bald, wenn sie erkannten, dass ihnen keine ernsthafte Gefahr drohte außer totaler sexueller Erschöpfung. Vielen würde es letzten Endes sehr gefallen, von der aufgestachelten Hexenhorde auf die verruchteste Art vernascht zu werden! Einige Hexen sahen ausgesprochen gut aus, und zwar nicht nur die jüngeren. Fast alle von ihnen verstanden es, sich mittels ihrer Zauberkräfte viel schöner zu machen, als sie in Wirklichkeit waren. Selbst die älteste Fuchtel würde angesichts der dunklen Nacht, dem vorteilhaften Licht des warmen Hexenfeuers und vor allem der Macht ihrer Magie attraktiv wirken wie eine Prinzessin in der Blüte ihrer Jugend.

Sicherlich, es gab immer wieder Hexen, die sich einen Spaß daraus machten, die Männer zu erschrecken. Sei es erst kurz vor dem Geschlechtsakt oder schon während des Küssens, Fummelns oder Bumsens. Es war immer wieder erstaunlich, wie unterhaltsam und abwechslungsreich die Zaubertricks waren, die sie draufhatten. Da verwandelten sich beispielsweise glühende und vollbusige Schönheiten plötzlich in vierhundertjährige Mumien oder wiehernde Esel. Damit erschreckten sie die zuvor zu äußerster Geilheit getriebenen Männer bis zum Rande eines Nervenzusammenbruchs.

Überhaupt, die Männer an sich…. Das war schon eine merkwürdige Spezies! Einerseits scheinbar recht einfach gestrickt und oft von geradezu erschütternder und plumper Grobheit. Und dann wieder so unberechenbar sensibel und empfindlich, als wären sie launische Waschweiber in einem muskelbespannten Körper. Jedes Jahr aufs Neue war eine Walpurgisnacht nicht nur eine geballte Ansammlung vergnüglicher Ausschweifungen. Sie war zugleich auch eine interessante Studie des männlichen Verhaltens unter Einwirkung von extremstem Stress, geschickter Manipulation und raffinierter weiblicher Magie.

Keine der Hexen hatte jedoch den leisesten Schimmer einer Ahnung, was bald Ungeheuerliches passieren würde. Weder die Jungen noch die Alten. Die Geschehnisse während der diesjährigen Walpurgisnacht würden sich für gewöhnliche Gottesfürchtige und Angsthasen als überaus empörend erweisen und zugleich durchsetzt sein mit teuflisch gutem Sex! Sie würden für alle mystischen Zeiten zur ewigen Legende werden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die Hexen in späteren Zeitaltern immer wieder gerne von der Walpurgisnacht anno 1612 erzählten. Jener schicksalsträchtigen Nacht, als der berüchtigte Hexenverfolger des Spätmittelalters auf den Plan trat. Die Nacht, als die ansonsten friedlichen Festlichkeiten ausarteten in eine bunte Fleisch-Orgie der Wollust und des Wahnwitzes, durchsetzt mit Strafe, Sühne und säuischem Ekel.

Selbst in einer jetzt noch unendlich weit entfernt scheinenden Neuzeit würden sich die Erinnerungen an diese unvergessliche Zaubernacht halten, als ob sie in Stein gemeißelt wären. Und noch weit darüber hinaus bis in eine fantastische Zukunft hinein! Viel später, wenn die Hexen beschließen würden, in einer geheimen Geistwelt abseits der Menschen zu leben, tischte man bei Trinkgelagen mit Kräuterbier, Pilz-Tee und Tollkirschtorte sehr gerne immer wieder von neuem die Erzählungen über diese Walpurgisnacht auf.

Nun aber, als diese Zukunft noch sehr, sehr fern war, befanden sie sich allesamt in der bodenständigen Gegenwart des felsigen Blocksbergs; ausgelassen, etwas albern und voller Vorfreude! Jedenfalls, bis die bedrohlichen Schatten Gestalt annahmen, die bereits am Rande dieses sonnigen Nachmittages lauerten.

Wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf eine junge Schönheit richten, die an diesem letzten Tag des Aprils 1612 unruhig von einem Bein aufs andere trat. Ihren Besen noch in der rechten Hand, obwohl sie damit schon vor einer guten Stunde auf dem Berg gelandet war und ihn momentan nicht benötigte, suchte sie mit ihren hübschen dunklen Augen die Reihen der Hexen ab. Deren Anzahl vergrößerte sich, je länger der Tag fort schritt und je mehr von ihnen eintrudelten.

Die junge Hexe hieß Tyna. Ihre sehr langen, sehr hellen Haare standen farblich in starkem Kontrast zu ihren Augen, welche geheimnisvoll schimmerten wie schwarze Rubine aus den Schatztruhen fremder Völker. Das Haar war eigentlich kaum mehr hellblond zu nennen. Es schien fast weiß zu sein, besaß aber doch einen Hauch von zartem Gold, der es in der Sonne blitzen und leuchten ließ wie sprießender Weizen im Sommer.

Sie ist nicht da, dachte Tyna und runzelte sorgenvoll die Stirn. Sie ist sehr zuverlässig und immer pünktlich. Wir wollten die Ersten sein und uns vor allen anderen hier treffen. Und jetzt ist sie nirgends zu sehen!

Was sie dabei am meisten sorgte, war ihre Gefühlsschlange im Bauch. So pflegte sie ihren sechsten Sinn zu nennen, der stets in ihr nistete, ähnlich wie ein Bandwurm. Doch anders als dieser, war ihre Gefühlsschlange vielmehr nützlich als schädlich. Sie war natürlich nicht wirklich körperlich vorhanden, sondern eher in Geist und Seele verwurzelt und mit allen ihren Nervenenden verbunden. Am stärksten war sie in der Bauchgegend spürbar. Die Gefühlsschlange wand sich in ihr, warnte, erkannte Seelenzusammenhänge und zog kluge Schlussfolgerungen. Oft schlief sie oder ruhte zumindest. Nun aber war sie hellwach, aufgeregt, in Alarmbereitschaft!

Etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Etwas drohte schiefzulaufen. Im fernen Hintergrund, irgendwo dort draußen, braute sich Ungutes zusammen. Diese Walpurgisnacht würde nicht wie alle anderen zuvor sein. Jedenfalls nicht harmlos und ungestört – wenn man das überhaupt von irgendeiner bisherigen Walburga hatte behaupten können… Denn gemeinschaftliche Entführungen, verruchte Zaubereien, Fress-Orgien, Saufgelage, Sex-Exzesse und unzählige Schäferstündchen an allen möglichen und unmöglichen Orten waren eigentlich alles andere als harmlos zu bezeichnen.

Tyna fasste sich mit der linken Hand an ihren Bauch. Dort, wo jetzt tief drinnen ihre Gefühlsschlange nervös umherschlingerte und sie in Unruhe versetzte. Sie blickte auf den Stoff ihres Kleides, der ihren Bauch bedeckte. Das dunkelrote Kleid aus dünnem Leinen fiel locker über ihren schlanken Körper und umschmeichelte ihn zart und anschmiegsam. Der breite weiche Gürtel aus schwarzem Kalbsleder umspannte ihre Taille sanft aber fest. Ihre Füße steckten in knöchelhohen wendegenähten Schuhen aus dunkel gefärbtem Ziegenleder. Sie waren um die Waden zusätzlich mit dünnen Lederschnüren festgewickelt, um während eines Besenflugs auch ganz sicher nicht verloren zu gehen. Schuhe waren aufwändig herzustellen und ziemlich teuer, auch für Hexen. Würde sie sie verlieren, während sie über dichtgewachsenes Unterholz oder hohes Weidegras flöge, wären sie nur schwer wiederzufinden. Obwohl sie als junge Hexe bereits beachtliche magische Kräfte besaß, war sie weder allwissend noch übermächtig. Nicht einmal die älteren Hexen waren das. Jede von ihnen hatte okkulte Vorlieben, geheimes Spezialwissen und besondere Begabungen, welche manchmal erstaunliche Qualitäten bewiesen. Oft aber kam es vor, dass einer Hexe gerade ganz einfache Dinge wie ein verlorener Schuh in die Quere kamen und sie ratlos und ärgerlich machten.

Wo ist sie? dachte Tyna angestrengt. Liebe Schlange in meinem Innern, sag mir, wo meine beste Freundin Iris sich befindet! Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihr Bauchgefühl. Keine noch so leise Antwort war zu vernehmen oder zu fühlen. Stattdessen hörte sie weiterhin die Geräuschkulisse der fröhlichen und gackernden Hexen, von denen nun schon Dutzende den Blocksberg bevölkerten.

Wo ist Iris? Ist sie noch in ihrem Haus im Wald? Hat sie sich doch verspätet, dieses eine Mal? Und dann gleich um ganze Stunden?

2

Eine Explosion aus kaltem Nass zerriss die Stille wie ein Donnern und ein blauer Blitz. Sofort wurde es hell. Ihre Augen gaben den Blick frei auf eine graue Decke, die warme gelbe Flecken von Kerzenschein widerspiegelte. Nasses Haar kräuselte sich um Stirn, Ohren und Nacken. Wassertropfen perlten auf ihrer Gesichtshaut ab und liefen über die Wangen.

„Bist du nun wieder wach?“ schnarrte eine unangenehm hohe Männerstimme. Es hörte sich an, als kaute jemand während des Sprechens auf einem großen Stück Brot herum.

Sie atmete hörbar ein und hielt den Atem kurz an, während die Gedanken in ihrem klatschnassen Schädel umherzujagen begannen.

Ein Traum?

Nein.

Der Wald.

Männer mit Pferden.

Der Keller. Die Ohnmacht!

Das war es: Sie war bewusstlos gewesen und nun unsanft mit einem Schwall kalten Wassers geweckt worden. Kaum wurde ihr das bewusst, nahmen pochende Schmerzen von den Fingern ihrer linken Hand Besitz. Sie atmete keuchend aus.

Zaghaft versuchte sie die Hand zu heben, um zu sehen, was die Schmerzen verursachte. Ihre Gliedmaßen wollten ihr gehorchen, konnten es aber nicht. Hände und Beine waren gefesselt und fixierten sie auf die harte Unterlage, auf der sie lag. Es mochte eine Pritsche oder eine Bahre aus Holz sein, möglicherweise ein Tisch.

Wer hatte da gesprochen?

Eine hässliche Visage tauchte über ihr auf. Ein wüster grobschlächtiger Kerl mit einem stumpfen unförmigen Gesicht. Es bestand aus einer fast affenartig niedrigen Stirn, wirren erdbraunen Haaren und einer langen fleischigen Nase. Der Mann war von kräftiger Statur, hatte aber einen ungeheuren Buckel, welcher sich hinter seinem Kopf auftürmte. Seine wässrigen grauen Augen musterten sie kalt und abschätzend wie die eines gleichgültigen Metzgers, der ein Stück Fleisch begutachtet. Er trug ein grobes sandfarbenes Sackgewand, das mit einem faserigen Kälberstrick um seinen fetten Wanst festgebunden war.

In den Händen hielt er einen Holzeimer, mit dessen Inhalt er sie gerade begossen hatte. Jetzt warf er den leeren Eimer von sich und rieb sich tatkräftig die großen, ungepflegten Hände.

„Bist du wach?“ erklang das Schnarren nochmals, diesmal ungeduldiger und lauter. Die Stimme gehörte nicht dem Buckligen, den der bewegte seine dünnen Lippen um keinen Deut.

Iris gab ein Geräusch von sich, eine Mischung aus Husten, Krächzen und Räuspern. Das genügte offenbar als Antwort. „Wunderbar!“ frohlockte die unsympathische Stimme aus dem Hintergrund. „Dann kann es ja weitergehen mit unserer kleinen Befragung!“

Irgendwo im Raum ertönte ein Kratzen und Schaben wie von seltsamen Insekten oder Nagetieren. Was war das nur?

Inzwischen sah Iris etwas klarer. Die schemenhafte Helligkeit um sie herum war nun etwas abgemildert, erschien dunkler und kontrastreicher. Mehr Details tauchten vor ihrem Gesichtsfeld auf.

Neben dem Buckligen war jetzt eine zweite Gestalt zu sehen. Sie war größer und viel massiger als dieser, außerdem wesentlich vornehmer gekleidet. Es handelte sich wohl um einen Mönch, denn er trug das schwarze Haar zu einer kranzförmigen Tonsur frisiert. Sie wirkte wie eine zu kleine, etwas lächerliche Mütze auf seinem riesigen, teigigen Schädel. Bleiche, schweißglänzende Haut spannte sich über sein aufgequollenes Gesicht. Augen, Mund und Nase sahen darin seltsam verloren aus, erschienen sie doch auffallend klein zu sein im Verhältnis zur Größe des Kopfes. Die Nase war wie der Schnabel eines Raubvogels geformt. Jedoch nicht wie der eines stolzen Adlers, sondern vielmehr wie der eines verkümmerten Bussards. Die Äuglein waren zu Schlitzen zusammengekniffen und blitzten listig unter buschigen dunklen Brauen hervor. Der Mund war zierlich, aber die Lippen dennoch markant wie winzige frische Blutwürstchen und genauso rot. Als der Mann nun wieder zu sprechen begann, war zu sehen, dass sich kein Bissen Nahrung in seinem Mund befand, obwohl es so seltsam klang, als wären seine Backen voller Brot. Währenddessen waren nach einer kurzen Pause wieder die leisen Kratzgeräusche im Raum zu hören.

„Bist du nun endlich bereit, die Wahrheit zu sagen, Unglückselige?“ Die Mönchsgestalt trat näher zu ihr, während der Bucklige zurückwich oder von ihr zurückgeschoben wurde, so genau konnte Iris das nicht sehen. Der Kerl war ein riesiger Fleischberg. Unter einer dunkelbraunen Kutte aus feinem, glänzendem Samt zeichneten sich herabhängende Männerbrüste und ein enormer Bauch ab. Böse, vorwurfsvolle Augen funkelten sie von oben herab an, vernichtend aggressiv in ihrer Selbstherrlichkeit und Arroganz.

„Seid ihr… ein Mönch?“ brachte Iris hervor. Sie bemühte sich, die stechenden Schmerzen zu ignorieren, die in ihrer linken Hand rumorten. Was hatte sie dort für eine Verletzung? Hatten diese beiden Kreaturen ihr diese zugefügt? Sie versuchte, den Kopf anzuheben und einen Blick auf ihre Hand zu werfen. Kaum sah sie diese, zuckte sie zurück. Die Finger waren blutig und rotgeschwollen, als wären sie gequetscht worden.

„Ein Mönch!“ schnaubte der Dicke empört und stemmte seine dicken Arme in die Hüften. „Selbst in deiner misslichen Lage verstehst du dich noch auf Respektlosigkeiten und Provokationen, wie?“ Er drehte sich zu dem Buckligen um, der etwas abseits stand und die Szene gleichmütig beobachtete. Als sei er ein Gegenstand, den man vor der nächsten Benutzung beiseite gestellt hatte. „Es ist noch nicht lange her, da habe ich mich ihr vorgestellt. In ihrer schäbigen Baracke im Wald!“ knurrte der Dicke. „Und jetzt bezeichnet sie mich schlicht als Mönch!“

„E – e – er ist ein A – a – ein A – a!“ kauderwelschte der Bucklige plötzlich, wie wenn er sich verpflichtet fühlte, etwas zu sagen. Seine Stimme klang dunkel, kratzig und recht männlich, aber durchaus schwankend und ängstlich. „Ein A – a…“

„Ein Abt bin ich!“ zischte der Dicke leise und spürbar genervt von dem Sprachfehler des Buckligen. „Der Abt des Klosters Aureus Veritas, höchstpersönlich!“ Unter der Kutte, die seinen kurzen, dicken Hals halb bedeckte, blinkte etwas Goldenes: eine schwere Kette aus kostbarem Edelmetall.

Der Specht soll mir ins Hirn hämmern, wenn das nicht ein Kruzifix aus purem Gold ist, welches da an der Kette hängt! dachte Iris mit wachsendem Grimm. Ein Mann der Kirche ist er also, und auch noch ein Abt… Für einen Geistlichen trägt ja recht weltlichen und protzigen Schmuck! Höflichkeit und Güte scheinen ihm fremd zu sein. Hat ER die Wunde an meiner Hand veranlasst? Sie versuchte sich an die Ereignisse der letzten Stunden zu erinnern, stocherte dabei aber nur in einem fast undurchdringlichen Nebel herum. Was war nur passiert? Warum war sie in der Gewalt dieser Leute?

Die Antwort hierauf war eigentlich naheliegend, ebenso der Grund für ihre Lage. Sie kannte den Abt zwar nicht, und von seinem Kloster Aureus Veritas hatte sie hier und da nur Unbestimmtes gehört, da es mehrere Tagesmärsche entfernt lag. Aber sie wusste, dass ihre Lebensumstände und ihre Berufung sie in Schwierigkeiten gebracht hatten. Zwar war sie noch recht jung, dafür aber schon seit einigen Jahren erfolgreich aktiv als Heilerin und Kräuterkundige. Und als noch weit mehr als das.

Einzelne Bildfragmente irrten durch ihren Geist, der von der Ohnmacht noch etwas verwirrt war. Sie sah ein kleines Haus vor ihrem inneren Auge. Ihr Holzhäuschen im Wald! Da war Hufgeklapper zu hören gewesen, Schritte und ein Gepolter. Ein harsches Klopfen war an diesem Morgen erklungen, als sie noch mit starken Kopfschmerzen im Halbschlaf gelegen hatte. Beinahe war ihr das Klopfen erschienen wie Hammerschläge, die gegen ihren Schädel knallten. Nur sehr widerwillig war sie nach unten zur Haustür gewankt und hatte geöffnet, arglos und nichts Böses ahnend. Männer hatten sich vor der Tür in Stellung gebracht, einige davon hoch zu Ross und schwer bewaffnet. Da war auch eine Kutsche mit zwei vorgespannten Pferden gewesen…

Dieser Abt hier hatte in der Kutsche gesessen, an das erinnerte sie sich nun genau. Auch sein Name fiel ihr ein. Er war ihr als Oswald Crudelis vorgestellt worden. Und er war auch kein gewöhnlicher Abt.

Er war einer der bekanntesten und gefährlichsten Inquisitoren des Landes und womöglich weit darüber hinaus! Ein unnachgiebiger, scharfsinniger Hexenjäger im Dienste der Kirche und des Papstes in Rom. Sein eifriges Ansinnen war es, jede Frau aufzuspüren, die auch nur den leisesten Verdacht erweckte, eine Hexe zu sein. Er schnüffelte und fahndete nach diesen Frauen, ging jeder noch so leichtfertigen Verunglimpfung nach und unterzog sie seinen ganz speziellen „Verhören“. Unter Bauern, Kaufleuten und sogar Rittern war bekannt, dass Oswald Crudelis sich für nahezu unfehlbar hielt, da so gut wie jede der von ihm Verhörten schließlich einknickte. Die eine früher, die andere später, alle von seiner Folter gepeinigt und halb verrückt vor Angst, Scham und Verzweiflung. Ausnahmslos alle gestanden sie letzten Endes ihre „Schuld“.

Die Schuld, eine Hexe zu sein. Die schwere Sünde, im Dienste höherer, finsterer Mächte zu stehen, die im Verborgenen wirkten, unabhängig und weit abseits vom hellen Glanz der Kirche. Dabei standen Hexen nicht unbedingt im Dienste finsterer Mächte, sondern hatten häufig ein geradezu göttliches, heilsames Ansinnen zum Wohle der Menschen!

Iris bemühte sich, die Mosaiksteine ihrer bruchstückhaften Erinnerung langsam wieder zusammenzufügen. Sie war am Morgen ohne Umschweife verhaftet und zur Burg geschafft worden. Zur Burg des Fürsten Arnulf von Hagen, in deren Schatten das Dorf Sonnhagen lag, unweit des Tannenwaldes, in dem ihre Hütte stand.

Sie konnte nun die Einzelheiten des Raumes um sie herum deutlich wahrnehmen. Auf langen, schmucklosen Tischen standen unheilvoll wirkende Gerätschaften aus Eisen. Zwei lange Ketten waren mit schweren Eisenbeschlägen an der Decke befestigt und hingen auf den Boden herab. Trübes Licht kam spärlich durch ein Fenster von weit oben. Es war lang, aber sehr schmal. Vergittert war es nicht; das war auch nicht nötig. Selbst eine Katze hätte Schwierigkeiten gehabt, sich durch den schmalen Lichtschlitz hinaus nach draußen zu winden. Auf der anderen Seite des Raumes war eine Tür in die unförmige, feuchte Steinwand eingelassen. Sie war mit einem ellenlangen Riegel verschlossen. Wuchtige Eichenbretter wurden von geschmiedeten Eisennägeln zusammengehalten, augenscheinlich gebaut für die Ewigkeit. Einige gelbe Bienenwachskerzen steckten auf Metallhaltern an den Wänden und erzeugten zusätzliches, unruhig flackerndes Licht. Zweifellos ein übler Folterkeller!

Die Quelle der Schab- und Kratzgeräusche war nun auch erkennbar. Unweit der soliden Türe stand ein schmales Pult, hinter dem ein recht klug aussehender Mann mit Papier und einem Tintenfass saß. Er kritzelte mit einem Federkiel auf einem Blatt herum. Offenbar ein Schreiber, der damit beauftragt war, während des Verhörs ein Protokoll zu führen.

Iris starrte an die Decke. War dieser Raum hier extra für den Inquisitor eingerichtet worden? Oder hatte er schon vor dessen Treiben existiert und bereits anderen zweifelhaften Gestalten für ihre ruchlosen Taten gedient? Jedenfalls hatten diese fleckige Steindecke wahrscheinlich schon etliche, wenn nicht gar unzählige glücklose Menschen gesehen. Bestimmt waren auch viele von ihnen beim Anblick dieser trostlosen grauen Decke gestorben. Vielleicht sogar unter grauenvollen Schmerzen unvorstellbaren Ausmaßes! Ohne Aussicht darauf, den blauen Himmel jemals wiederzusehen, jedenfalls nicht in diesem Leben.

Drohte ihr selbst das gleiche Schicksal? Würde sie die stille Schönheit und den würzigen Duft des geliebten, friedvollen Waldes nie mehr genießen dürfen?

Und gerade heute war dieses Unglück über sie hereingebrochen! An diesem wichtigsten Tag des Jahres, vielmehr der bedeutendsten Nacht für die Angehörigen ihres geheimen Ordens… Iris schloss die Augen. Sie wünschte sich nichts weiter als Dunkelheit, Ruhe, Frieden.

Schmerzen spürte sie nicht nur in ihrer Hand, sondern auch im Unterleib. Dort machte sich auch warme Feuchtigkeit bemerkbar. Blut.

Ihre Monatsblutung! Ihre weibliche Achillesferse. Die einzige Sache, die eine Hexe wirklich schwächen konnte und es auch unnachgiebig tat, Monat für Monat, sich unbeirrt jeder Magie widersetzend.

DESHALB konnten sie mich erwischen! Deshalb war ich unvorbereitet, schutzlos und ohne meinen Zauber! fluchte sie in sich hinein, erbittert vor Frust und nüchterner Erkenntnis. Wären sie nur ein paar Tage früher oder später gekommen, dann hätte ich mich verborgen, ihnen die Sinne vernebelt oder ihre Pferde im Galopp mit ihnen durchgehen lassen!

Jetzt war es zu spät für sämtliches Wenn und Aber. Ihre Blutung hatte sie in den Fängen, und mit ihr nahm eine tiefgreifende Hilflosigkeit von ihr Besitz. Viel schlimmer noch: Sie war im Moment ihrer größten Schwäche ausgerechnet in die Hände des grausamen Hexenjägers Oswald Crudelis geraten!

Ihr ganzes junges Leben lang hatte alles ganz normal funktioniert. Und jetzt passierte das, gerade am heutigen Tage der kommenden Walpurgisnacht! Iris hatte, wie alle Hexen im jüngeren Alter, eine fast schon gelangweilte Routine darin entwickelt, die immer wiederkehrenden Tage ihrer Monatsblutungen in äußerster Vorsicht und Unscheinbarkeit zu verbringen. Wohl wissend, dass jeder schwerwiegende Fehler in diesen Tagen der fast vollständigen Magielosigkeit sie teuer zu stehen kommen konnte. Ihr Fehler war es gewesen, zu glauben, dass das Eintreten ihrer Blutung kurz vor Beginn der Walpurgisnacht bedeutungslos sei. Stand doch das Treffen mit ihren vielen Schwestern aus aller Herren Länder unmittelbar bevor und würde ihr Kraft durch die Macht der Gemeinschaft verleihen…

Falsch gedacht! Mochten sich die ersten Hexen auf dem Blocksberg womöglich schon eingefunden haben – sie selbst war jetzt hier und ihres Zaubers beraubt. Wie sollte sie während ihrer machtlosen Tage die nötige geistige Schwingung erlangen, um andere Hexen per Gedankenaustausch um Hilfe zu rufen?

Iris roch stinkenden, sauren Atem. Sie verspürte einen Lufthauch wie aus einer kalten, unwirtlichen Höhle, in der ein dreckiger Bär haust. Sie öffnete die Augen und schrak zurück vor dem großen bleichen Gesicht des Inquisitors Oswald Crudelis, das kaum eine Handspanne vor dem ihren verharrte. Seine grausamen und boshaften Schweinsaugen taxierten sie abschätzend.

„Wer bin ich?“ fragte er gefährlich leise. Im Hintergrund kratzte und quietschte die Feder des Schreibers, der wohl fleißig alles mitschrieb, was gesprochen wurde.

Iris blickte ihren Peiniger an. Sie bemühte sich, ihren Abscheu vor seinem schlechten Ruf, seinem garstigen Benehmen und seinem widerwärtigen Aussehen zu verbergen.

„Ihr seid der Abt und Großinquisitor der heiligen Kirche, Oswald Crudelis“, sagte sie matt.

Entzückt und umschmeichelt von wahnhaft egozentrischem Stolz sah er auf die Gefesselte herab. Dann fuhr er sich eitel durch seine unförmige Mönchstonsur und streichelte sein Haar.

„Das bin ich, Weib!“ bestätigte er. „Du hast heute die einmalige Chance, deine verruchten Schandtaten vor mir persönlich zu beichten und damit deine Seele zu retten! Ist das nicht wundervoll? Ich werde dir vergeben und dir sogar einen Ablassbrief ausstellen, ohne dass es dich auch nur eine einzige Münze kosten wird!“

Es wird mich das Leben kosten! dachte Iris beklommen.

„Ich werde dir, als ein Stellvertreter Gottes auf Erden, deine Sünden vergeben. Sofern du sie nur vollständig beichtest und bereust!“ erklärte Oswald Crudelis feierlich, als verkünde er eine besonders gute Nachricht, für die er eigentlich unterwürfigen Dank erwartete. „Das Verhör muss gar nicht lange dauern, wenn du nur vernünftig bist, schwarzhaarige Teufelin!“ Bei den letzten Worten begann seine Stimme zu zittern. Ein unaufmerksamer Beobachter hätte das für Furcht gehalten. Tatsächlich aber war es sexuelle Erregung, gepaart mit der Vorfreude auf das perverse Verhör.

Crudelis wusste, dass seine ganz spezielle Befragung bis tief in die Nacht hinein dauern würde. Schon allein deshalb, weil ihm dabei immer noch mehr Einzelheiten und Fragen einfallen würden, um die Anklage mit einer Fülle von entsetzlichen Sünden größter Bandbreite anreichern zu können. Der Schreiber bekäme viel zu tun.

Es bereitete dem Inquisitor unsägliches Vergnügen, ein sündhaftes und widerborstiges Weibsbild zu unterjochen. Natürlich alles im Dienste seiner uneigennützigen, geistlichen Pflicht!

„Nur keine Sorge!“ säuselte er, und seine Stimme schnarrte jetzt nicht hoch und misstönend, sondern sie kroch in Iris´ Ohren wie widerlicher Schleim. „Ich werde deine Sünden aufdecken. Und dann werde ich dich reinwaschen davon!“

„Warum? Weil ihr ein Waschlappen seid?“ entfuhr es Iris, und sie wollte sich fast im selben Augenblick mahnend auf die Zunge beißen. Es war unklug, den Kerl herauszufordern. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass sie sich aus ihrer Lage irgendwie würde befreien können. Und sei es nur, indem sie lange genug am Leben blieb, um ihre magischen Kräfte wiederzuerlangen. Zwar hatte die Monatsblutung erst gestern angefangen. Doch vielleicht war das Schicksal barmherzig und stoppte die Blutung vorzeitig, damit ihr Zauber sich wieder entfalten konnte?

„Waschlappen“, hauchte Oswald Crudelis ungläubig, als hätte er nicht recht gehört. „So nennst du mich, ja?“ Er wurde vor Wut noch bleicher, als er ohnehin schon war. Seine Backen zitterten, und er verkrampfte die Hände vor seiner Brust. Er hatte kurze, dicke Wurstfinger, die genauso unansehnlich waren wie der Rest von ihm. Trotzdem beneidete Iris ihn um die Unversehrtheit seiner linken Hand. Die ihre brannte wie Feuer, lag blutend und verletzt neben ihr auf der Pritsche und bedurfte dringender Behandlung.

Crudelis drehte sich kurz um und rief mit vor Zorn bebender Stimme über seine runde Schulter hinweg: „Diese Beleidigung brauchst du nicht für die Nachwelt festhalten, Schreiber!“ Dann wandte er sich wieder seinem Opfer zu.

Er holte blitzschnell mit der rechten Hand aus. Ein Knall ertönte wie von einer speckigen Peitsche, die auf menschliche Haut trifft. Iris´ Kopf flog zur Seite. Auf ihrer Wange erblühte eine heiße, rote Blume der Schmerzen. Harte Wurstfinger bohrten sich in ihren Hals, bereit, zuzudrücken und zu würgen.

Ein verlegenes Räuspern ertönte. „Wo – wo – wollt ihr wirklich… Ich m – meine, eure sau – sau – sauberen H – Hä – Hände schmu – schmutzig machen?“ fragte der Bucklige aus dem Hintergrund.

Der Inquisitor besann sich und nahm seine Finger vom Hals der jungen Frau. „Natürlich nicht!“ sagte er und nestelte an seiner edlen, dunkelbraunen Kutte. Er bemühte sich, seinen schneller gewordenen Atem unter Kontrolle zu bekommen. „Ich werde mir die Hände an diesem Biest aus dem Wald nicht schmutzig machen! Das ist deine Aufgabe, Foltermeister!“ Er klatschte in die Hände.

Iris senkte ihren Blick nach unten, um ihre gebundenen Hände zu betrachten. Die Fesseln bestanden aus dünnen, aber starken Hanfseilen, die beinahe unzerstörbar wirkten. Beiläufig sah sie auf den Schritt des Abtes, wo etwas Merkwürdiges vor sich ging. Ein Zelt war aus dem feinen Samtstoff der Kutte hervorgewachsen. Nicht sehr beeindruckend zwar, aber unübersehbar verursacht von einer nur allzu natürlichen, männlichen Zeltstange!

Es erregt ihn, mir Gewalt anzutun! Iris ließ alle Hoffnung fahren, sich aus der Sache herausreden zu können. Mit bloßen Worten zumindest würde sie in diesem Keller nichts Vorteilhaftes für sich bewirken. Im Gegenteil! Ihr loses Mundwerk, welches sie stets nur sehr schwer unter Kontrolle hatte, sorgte dafür, dass ihre Lage immer explosiver wurde! Ihr musste eine tatkräftige Lösung einfallen, und zwar sehr rasch.

Bevor das brutale Schwein ihr ernsthaftes Leid zufügen konnte!

3

Drei Hexen tauchten in einer dreieckförmigen Formation am Himmel auf. Sie schienen zunächst mitten durch eine weiße Wolke zu fliegen. Man sah ganz weit oben, verschwommen in der Luft, ihre dunklen Umrisse. Die Besen wirkten aus der Entfernung klein wie Zahnstocher. Dann sausten sie zu dritt erdwärts.

Im Näherkommen sahen die anderen Hexen, dass es sich um Eminentia, Kali-Hagzissa und Suprema handelte.

„Wie haben die auf dem Weg hierher zusammengefunden?“ fragte sich die Sauhexe Vulgaera laut und kratzte sich ratlos am Vierfachkinn, während sie die elegante Landung der drei anerkennend beobachtete. „Die kommen doch aus völlig entgegengesetzten Ländern?“

Eminentia hatte als erste wieder festen Boden unter ihren Füßen. Sie war eine Lichthexe und damit eine überaus hellsichtige Seherin. Die Zukunft war für sie wie ein bereits geschriebenes Buch, in das sie hier und da Blicke werfen konnte und dabei anstrebte, es bald vollständig lesen zu können. Sie war eine grandiose Könnerin der weißmagischen Künste und stammte aus den tiefsten Wäldern Germaniens. Ihr Antlitz war wie das eines uralten, gütigen Engels. Ihre Haut war milchig weiß und schimmerte fast durchsichtig. Das hellblau glänzende Haar trug sie zu einem dicken, runden Knoten geflochten, der auf ihrem länglichen Schädel thronte. Gekleidet war sie in weiße Tücher, die auf komplizierte Weise zusammengebunden und mit ebenso weißen Kordeln verflochten waren.

Ihr vollkommenes Gegenstück war Kali-Hagzissa, die fast völlig schwarz aussah bis auf ihre dunkelrot gefärbte Haut und das Weiß ihrer Augäpfel. An ihrer Nase prangte ein großer, goldglänzender Ring mit kunstvollen Verzierungen. Ansonsten hatte alles die Farbe von Holzkohle: Die langen, fast bis zum Boden reichenden Haare, der Sari aus reiner Seide und die Sandalen, die sie an ihren roten Füßen trug. Ganz anders als Eminentia war sie nicht auf einem Strohbesen mit Eichenholzstiel geflogen, sondern auf einem schwarzgestrichenen Bambusrohr, an dessen Ende ein Bündel Reisig befestigt war. Kali-Hagzissa war eine glühende Anhängerin der weiblichen Göttin Kali ihres geheimnisvollen Landes. Das exotische Reich, dem sie entstammte, war von einer Vielzahl von Menschen bevölkert, außerdem von gigantischen plumpen Tieren mit Rüsseln und anderen Kuriositäten. Am Abend jeder Walpurgisnacht wusste Kali-Hagzissa viel Spannendes zu erzählen. Sprachliche Hürden gab es dabei kaum, obwohl die Hexen unterschiedlicher kaum sein konnten und aus den verschiedensten Winkeln der Erde stammten. Ihnen allen gemein waren gute Kenntnisse in Tabalusz-Wro, jener okkulten Sprache, in der sich nicht nur Hexen weltweit verständigen konnten. Tabalusz-Wro wurde auch von Vampiren, allerlei Geistwesen und Dämonen verstanden. Diese Sprache war sogar im Jenseits bekannt, weswegen man durch sie sogar mit den Toten aus der Schattenwelt Kontakt aufnehmen konnte.

Kali-Hagzissa gehörte zu den Hexen, deren Weg zur Feier der Walburga am weitesten war. Wie allen anderen war auch ihr diese Nacht und das Treffen mit ihren Schwestern hochheilig, weswegen sie keine Mühen scheute, dem alljährlichen Treiben beizuwohnen. Zu der Reise hierher war sie schon vor zwei Monden aufgebrochen. Genauso lange würde später ihr Rückflug sein, unterbrochen von vielen kleinen Pausen und Zwischenstationen. Doch das ganze Leben war ihrer Ansicht nach eine einzige Reise, und das lange, aufregende Leben einer Hexe ganz besonders. So störte sie das Vagabundieren in keiner Weise. Zusammen mit ihrem schwarzen Bambusbesen hatte sie schon viele Länder überflogen und bereist.

Der Besen von Suprema hingegen bestand aus einem langen, dünnen Friedhofskreuz mit längst verblichener Beschriftung. Am unteren Ende des Kreuzes war ein dichtes, großes Büschel gelbgrünen Farns verwachsen, welches das Friedhofskreuz wie die Karikatur eines Besens aussehen ließ.

Suprema war die Todeshexe im Bunde. Sie wurde von vielen Hexen achtsam bewundert und von einigen stets furchtsam beäugt. Als Herrin über das Reich der Toten verlegte sie ihren Wohnort von einem Kirchhof zum anderen. Sie schlief in frischen, noch leeren Gräbern oder regengeschützt in Gruften reicher Verstorbener, zu denen sie sich Zugang verschaffte. Wie fast alle Hexen verfügte sie über die Fähigkeit, bei Bedarf mit ihrer nahen Umgebung optisch zu verschmelzen und sich damit mit einer äußerst guten Tarnung weitgehend unsichtbar zu machen. Deshalb gelang ihr das Nächtigen auf Friedhöfen gut und meist unbemerkt von Gärtnern und Totengräbern. Freilich gab es darüber hinaus allerlei magische Hilfsmittel, die eine Hexentarnung bei Bedarf noch perfekter machen konnten.

Es war ein offenes Geheimnis, dass Suprema starke Verbindungen zum Vampirismus hatte und etliche ranghohe Mitglieder der weitverzweigten Familien der Vampire persönlich kannte. Böse Zungen behaupteten manchmal, meist unter Einfluss von zu viel Kräuterwein oder einer besonders kräftigen Pilzsuppe, Suprema wäre gar selbst ein Vampir. Doch dem war nicht so. Weder litt sie unter Blutdurst noch hatte sie eine Allergie gegen Sonnenlicht und Kruzifixe. Zumal sie ja sogar ihr geliebtes Friedhofskreuz als Reitbesen benutzte! Nadelspitze Reißzähne, ähnlich denen eines Vampires, besaß sie nicht. Allerdings hatte sie eine lange Reihe ungewöhnlich kräftiger Zähne, die als gefährliche Waffe einsetzbar und denen eines Vampirs ebenbürtig waren.

Als die drei Nachzüglerinnen die umherstehenden Hexen fröhlich begrüßt und sich nach dem langen Flug ausgiebig gereckt und gestreckt hatten, sahen sie sich nach ihrer Hexenmeisterin um.

Die steinerne Vanda war längst da. Wie immer hatte sie niemand kommen gehört oder gesehen. Es war, als wäre sie plötzlich erschienen wie ein Sandsturm, den man zunächst nur als laues Lüftchen wahrnimmt und erst wirklich bemerkt, wenn er allgegenwärtig ist. Still und starr wie eine Statue verharrte Vanda auf der felsigen Anhöhe des Blocksbergs inmitten der Hexenschar. Sehr mager, krumm, schief und unendlich alt und verhutzelt, war sie dennoch ihrer aller unangefochtene Anführerin. Ohne zu sprechen, ohne jemanden anzusehen und ohne sich zu bewegen, schaffte sie es binnen weniger Augenblicke, sämtliche Hexen zum Schweigen zu bringen. Kein Flüstern und kein Raunen waren mehr zu hören, als schließlich ausnahmslos jede Hexe Vanda bemerkt hatte. Fasziniert und auch etwas neidisch mussten die Hexen ihrer Meisterin mal wieder zugestehen, dass sie es geschafft hatte, sich wie jedes Jahr zur Walpurgisnacht auf rätselhafte Weise in ihre Mitte zu schleichen.

Es war nicht klar, welche der Hexen das Loblied auf die steinerne Vanda zuerst anstimmte. Es wurde immer gesungen, wenn die Anführerin zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder auf der Bildfläche erschienen war. Ohne zu zögern stimmten alle Hexen in das Lied mit ein. Sie sangen ihr Loblied auf die steinerne Vanda mal recht oder mal schlecht, mal betörend schön oder auch garstig brummend, immer aber begeistert, voller Inbrunst und erfüllt von aufrichtiger, bedingungsloser Liebe:

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„Steinhexe Vanda, heilig dein Name!

Steinhexe Vanda, eilige Dame!

Steinhexe Vanda, grell wie der Blitz!

Steinhexe Vanda, schnell schwillt dein Schlitz!

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Steinhexe Vanda, dein Reich ist schon hier!

Steinhexe Vanda, trink gleich Kräuterbier!

Steinhexe Vanda, dein Wille Gesetz!

Steinhexe Vanda, so chille doch jetzt!

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Steinhexe Vanda, vom Schwanze verwöhnt!

Steinhexe Vanda, von Pflanze bedröhnt!

Steinhexe Vanda, sä´ ewig breit Samen

Steinhexe Vanda, in Ewigkeit, Amen!“

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Als schließlich kein Laut mehr zu hören war, nicht mal ein Atmen, seufzte Vanda. Ihr steinalter, eingefallener Brustkorb hob und senkte sich unter dem riesigen, grauen Wolltuch, in das sie ihren Leib gehüllt hatte.

Bewundernd musterten die Hexen die Älteste unter ihnen. Vanda hatte den Vollmond in ihrem Leben schon viele tausend Male auf- und untergehen sehen und die Sonne noch sehr viel öfter. Ihr Gesicht, umhüllt von einer weiten, wollenen Kapuze, hatte unzählige Furchen und Falten, welche selbst das kleinste Fleckchen ihrer wettergegerbten, ledernen Haut durchzogen. Das Gesicht wirkte so hohlwangig und eingefallen, dass sich darunter die Formen ihres Schädels deutlich abzeichneten. Ihre blauen Augen waren wässerig trüb und lagen tief in den Höhlen. Ihre Hände waren klauenartig, die Finger dünn und mit Hornhaut überzogen. Die Nägel standen lang und gelb von den Fingerkuppen ab. Ihre Busen erinnerten mehr an ausgetrocknete, zusammengerollte Ziegenhäute als an die Brüste einer Frau. Damit sie nicht beim Gehen darüber stolperte, hatte sie sie kurzerhand über die Schultern nach hinten geworfen, wo sie wie ein kleiner Rucksack an ihr herabhingen. Das war sehr praktisch: Beim Schlafen und Ruhen dienten sie als Nackenkissen.

Dann sprach Vanda, und ihre Stimme klang genauso, wie sie selbst aussah. Es war, als spräche ein tausend Jahre alter Baum mit Stimmbändern aus wurmstichigem, fauligem Holz: „Sind wir vollzählig?“

„Ja!“ bestätigten mehrere Hexen.

„Ja!“ echoten mit kurzer Verzögerung einige weitere. Dann setzten noch andere an, um die Frage zu bejahen. Doch sie wurden von einer dunklen, festen Stimme übertönt.

„Wir sind nicht vollzählig! Eine fehlt!“

Alle Hexen drehten sich in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Eminentia die Lichthexe stand da, ihren Strohbesen mit dem kerzengeraden, glatten Eichenholzstiel neben sich auf den Boden gestemmt, und sah freundlich aber bestimmt in die Runde.

„Eine fehlt, und zwar eine von den jungen Schwestern!“ erklärte sie. „Um welche es sich handelt, ist mir noch nicht ganz klar. Ihr Name fällt mir gleich ein…“ Sie bekam glasige Augen und starrte ins Leere, da ihr hellsichtiger Geist in ihrem Innern nach der Antwort suchte.

„Iris ist es! Sie fehlt, und ich weiß nicht, wo sie ist!“ rief ein junges Ding, das am Rande der Menge stand. Alle Augen richteten sich auf die Hexe, die es gewagt hatte, Eminentia zu unterbrechen. Sie stand da in ihrem dunkelroten Kleid aus Leinen, das von einem schwarzen Ledergürtel straff an ihren schlanken, anmutigen Körper gepresst wurde. Das hellblonde, fast weiße Haar hing ihr bis über den wohlgeformten Po hinab. Ihr Gesicht war außergewöhnlich hübsch: schlank und zierlich, aber weiblich rund und puppenhaft weich, mit großen, dunklen Augen, vollen Lippen und wohlproportionierter, kleiner Nase. Eigentlich sah das arme junge Hexchen eher anmutig als bedrohlich oder respekteinflößend aus, weswegen gerade die älteren Hexen feixten oder leicht herablassend ihre recht großen und krummen Nasen rümpften.

Vanda richtete ohne Umschweife direkt das Wort an sie: „Wer ist Iris, Kleine? Und wer bist du?“

„Ich bin Tyna“, antwortete die junge Hexe. „Iris ist meine beste Freundin. Sie lebt im Tannenwald, ganz hier in der Nähe, unweit des Dorfes Sonnhagen. Wir hatten ausgemacht, uns hier auf dem Blocksberg als eine der ersten zu treffen, vor allen anderen.“

„So, so.“ Die steinerne Vanda nickte bedächtig. „Die Jugend mal wieder. Noch keine hundert Jahre alt, und immer die Ersten sein wollen! Ungeduld, gekreuzt mit Naseweisheit!“ Ein vereinzeltes Lachen ertönte aus der Gruppe der Hexen, verstummte aber sogleich wieder.

„Sie ist nicht gekommen!“ bekräftigte Tyna sorgenvoll. „Iris ist immer pünktlich. Es ist ihr Lebensprinzip. Seit ich mit ihr befreundet bin, war sie noch nicht ein einziges Mal unzuverlässig.“

„Ich kenne nicht alle euch Hexen mit all euren Einzelheiten“, sagte Vanda. „Helfe mir mal ein bisschen auf die Sprünge, kleine Tyna. Immerhin bin ich schon reichlich alt, und Alter ist Gift fürs Gedächtnis, selbst für ein so durchtriebenes Weibsbild wie ich es bin. Was macht diese Iris im Tannenwald? Warum glaubst du, ist sie noch nicht da? Du weißt…“ Sie runzelte die Stirn, was angesichts ihrer zahllosen Falten kaum noch sichtbar war. „Du weißt, wir haben heute große Pläne! Die Festvorbereitungen, die Entführungen der Männer, der Zaubertrank, das Essen…“

„Iris ist eine Kräuterhexe, aber noch nicht so erfahren. Etwa so jung wie ich. Wir beide haben die Hexenweihe zur selben Zeit bekommen. Erinnerst du dich noch daran, Vanda? Es war zu der Zeit, als wir für den Blocksberg der damaligen Walpurgisnacht einen hohen Felsen am Meer ausgewählt hatten! In dem Land mit den vielen Kakteen. Es mag jetzt schon zwei Dutzend Monde her sein.“

Langsam und nachdenklich nickte Vanda. „Ja, ich glaube, ich erinnere mich“, bestätigte sie gütig. „Das ist aber schon lange her! Na, so ganz blutjung bist du demzufolge dann aber auch nicht mehr, junge Maid!“

Tyna nickte hastig und etwas eingeschüchtert. Sie fuhr fort: „Eben weil wir für die diesjährige Walburga diesen Blocksberg hier ausgesucht hatten, hat sich Iris ganz besonders gefreut. Denn er liegt in ihrem Wirkungsbereich, in der Nähe ihres Waldes und ihres Hauses.“

„Ich verstehe“, sagte Wanda grüblerisch und mit knorriger Grabesruhe. „Gerade weil Iris sich darüber freut, dass die Walpurgisnacht mit all ihren Schwestern in der unmittelbaren Nähe ihres Zuhauses stattfindet, wäre sie heute auf jeden Fall pünktlich zur Stelle gewesen. Aus reiner Vorfreude und aus Respekt vor dem seltenen Ereignis…“

Tyna nickte.

„Jedoch ist ihr vermutlich etwas sehr Wichtiges dazwischen gekommen.“ Vanda zupfte sich an einer Warze am Kinn, die dieses vermutlich schon seit weit über tausend Jahren verunzierte. „Da sie eine Kräuterhexe ist, muss sie vielleicht einfach einen Notfall behandeln? Vielleicht hat ein Kind von giftigen Beeren genascht? Oder ein alter Bauer leidet unter Schwindelanfällen und lahmem Blut und benötigt einen Aderlass?“

„In dem Fall hätte Iris mir eine Nachricht geschickt“, wandte Tyna ein. „Sie hat einige Raben, die sie schon mehrmals mit Botschaften auf Papier zu mir geschickt hat, auch über sehr weite Strecken.“

„Damit beschäftigt ihr jungen Hexchen euch also? Nun denn.“ Vanda wiegte ihren zerbrechlich wirkenden Kopf hin und her. Die weite Kapuze wankte und gab einige hauchdünne Strähnen weißen Haares frei. „Da kein Rabe mit einer Botschaft eingetroffen ist und du nicht weißt, wo sie sich befindet, werden wir einfach nachschauen. Das ist das Naheliegende. Du kennst vermutlich ihren genauen Wohnort im Wald?“

Tyna bejahte es.

„Dann fliege mit zwei anderen Hexen hin und hole sie! Sorge dafür, dass wir bald vollzählig sind. Heute Nacht sollen neben dem ganzen Spaß auch unsere magischen Beschwörungsrituale nicht zu kurz kommen. Für diese ist es vorteilhaft, wenn wir alle ohne Ausnahme vereint und mit Herz und Geist eng verbunden sind! Keine Sorgen über fehlende Schwestern sollen unser Herz trüben.“

Tyna gehorchte gerne und eilig. Rasch fanden sich zwei Hexen, die sie begleiten wollten. Es handelte sich um die gutmütige und hilfsbereite Sauhexe Vulgaera und um Hallu-Ulla, die Rauschhexe. Hallu-Ulla hatte aufgrund des übermäßigen Genusses von allerlei Beerenbier, Tränken und Pilzgerichten öfters Halluzinationen. Sie war eine vielgeübte Meisterin in der Kunst des gepflegten Berauschens. Passend dazu war ihr Besen ein originelles Gerät von doppeltem Nutzen. Zum einen war er so etwas wie eine Wasserpfeife, denn der hohle, dünne Holzstiel hatte ein Mundstück am oberen Ende. Er mündete unten in einem bauchigen, kleinen Holzgefäß, welches einen zusätzlichen Ausgang mit dem Chillum für eine Rauchmischung hatte. Zum anderen war es auch ein Haarbesen: Unterhalb des Gefäßes war ein dichtes, starkes Bündel schwarzer Pferdehaare zusammengebunden. Dieses wurde so gut wie nie zum Wischen benutzt, diente aber bei Landungen auf hartem Boden als weicher Stoßdämpfer für das Holzgefäß.

Tyna, Vulgaera und Hallu-Ulla hockten sich auf ihre Besen, nahmen etwas Anlauf und erhoben sich in die Lüfte. Immer höher stiegen sie hinauf. Der Wind fing leise an zu rauschen. Während es langsam um sie herum kühler wurde, je höher es ging, sahen sie weit unter sich die Hexen, die sich daran machten, weitere Vorbereitungen für die heißeste Walpurgisnacht aller Zeiten zu treffen.

4

„Bist du das, Jan?“ Gertruds Schritte wurden langsamer, als sie die Gestalt ängstlich zu erkennen versuchte. Es handelte sich um einen Mann, hochgewachsen und breitschultrig. Er trug halblanges Haar und hatte die Nachmittagssonne schräg hinter sich im Rücken, weswegen er sehr dunkel erschien.

Der Mann hob beide Arme und bog sie seitwärts nach oben. Seine Finger formte er zu gebogenen Hörnern. „Ich bin der Leibhaftige!“ knurrte er und wankte auf sie zu.

Gertrud stockte das Herz in ihrer Brust. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Endlich aber erkannte sie ihn und lächelte erleichtert. „Jan, du Untier! Mich so zu erschrecken… Hast du mir aufgelauert?“

„Ich lauere dir jeden Tag auf!“ antwortete Jan verschmitzt und bewegte sich noch näher auf sie zu. „Merkst du das denn nicht, schöne Magd?“

Schmeichler! dachte Gertrud, doch freute sie sich über seine Worte und hoffte, dass sie voll und ganz ehrlich gemeint waren.

Mehr Licht fiel nun auf den jungen Mann, und was es erhellte, war überaus gut anzusehen. Jan war der Sohn eines wohlhabenden Großbauern. Er trug neben einer groben, dunkelgrünen Stoffhose eine Weste aus schwarzem Kuhleder und ein dünnes, weißes Leinenhemd. Sein Gesicht war männlich herb und kantig, mit großem, vorstehendem Kinn, strahlend braunen Augen voll warmer Herzlichkeit und dunkelblondem, lockigem Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte.

Wie süß und drall sie doch ist! stellte er fest, während er dicht vor ihr stehenblieb und zufrieden bemerkte, dass sie nicht schüchtern zurückwich. In der Tat, Gertrud war eine attraktive Magd. Nicht allzu schlank, sondern recht kurvenreich. Diese Kurven betonten ihre üppige Weiblichkeit auf betörende Weise. Unter ihrem halblangen, schlichten Kleid aus grauer Wolle zeichneten sich ihre Brüste sehr deutlich ab. Groß, fest und wohlgeformt verhießen sie zugleich aufregende Abenteuer und warme Geborgenheit. Ihr Gesicht war rund und von gesunder, kräftiger Farbe. Himmlisch blaue Augen schienen wie Elfenlichter unter ihren kastanienfarbigen Brauen hervor. Ihr brünettes Haar trug sie zu einem langen, breiten Zopf gebunden, der bis zu ihrer Hüfte herabbaumelte. Auf ihrem Rücken hing ein fein geflochtener Korb. Er war leer.

„Im Ernst!“ beteuerte Jan. „Ich bin dir nachgestiegen. Nicht nur aus Zuneigung und Neugierde. Auch, weil es sich für ein hilfloses, hübsches Mägdelein nicht ziert, allein im Wald herumzuirren.“

Gertrud stemmte ihre ärmellosen Arme in die Hüften und verzog die vollen Lippen zu einer gespielt affektierten Schnute. „Ich irre nicht im Wald herum!“ widersprach sie schnippisch. „Ich suche Beeren für das Fest.“

„Für die Kuchen?“ fragte Jan.

„Für diese, ja, und auch einfach nur zum Knabbern“, bestätigte Gertrud. „Ich muss mich etwas beeilen. Die Kuchen werden schon gebacken. Es wurden zwar schon Beeren gesammelt, aber sie reichen nicht. Ich habe mich bereit erklärt, noch welche zu suchen.“

„Sind überhaupt schon Beeren reif? Jetzt, Ende April?“

„Wenige… Die meisten sind noch ziemlich sauer. Aber wir süßen sie mit Honig. Hauptsache, es gibt ein paar schöne rote Früchte zu den Kuchen.“

„Sollen wir zusammen hingehen heute Abend?“ fragte er und wechselte unvermittelt das Thema.

Sie errötete und wich einen Schritt zurück. „Auf das Fest? Das… das geht doch nicht.“

„Warum nicht?“

„Das weißt du doch. Du bist ein Bauer. Dein Vater hat einen großen Hof. Ich bin eine einfache Magd. Wie sieht das denn aus, wenn wir zusammen unterm Maibaum sitzen?“

„Gut sieht das aus!“ Er strahlte sie aufmunternd an. „Außerdem werden wir nicht sitzen, sondern tanzen!“

„Mit dir in den Mai tanzen?“ Gertrud errötete noch mehr. Ihre zarten Bäckchen hatten bereits die Farben reifer Himbeeren angenommen. Sie schwieg jetzt, doch war ihr anzumerken, dass sie der Idee, die er da so forsch geäußert hatte, durchaus nicht abgeneigt war. Es bedurfte nur einer geschickten männlichen Überzeugungstaktik.

„Schau“, sagte er und legte sanft seine große, herbe Hand auf ihren rechten Oberarm. Sie zuckte etwas zusammen, aber sie ließ die Hand da, wo sie war, und machte keinen Versuch, sie abzuschütteln. „Schau, wir haben doch schon einmal miteinander getanzt! Letztes Jahr im Herbst, am Erntedankfest.“

„Das war etwas anderes“, entgegnete sie. „Es war reiner Übermut. Alle im Dorf waren angetrunken vom Wein und Most. Es hat sich spontan ergeben. Keiner hat sich etwas dabei gedacht oder es ernst genommen.“

„Das hätten sie aber besser. Glaubst du nicht, dass ich es ernst mit dir meine? Den ganzen langen Winter über habe ich nur an dich gedacht!“ Er sah sie offen und mit entwaffnender Herzlichkeit an.

„Ich bin eine Magd“, wiederholte sie steif.

„Die Musik habe ich schon von dir gehört“, antwortete er und zwinkerte sie an. „Dass du eine Magd bist, passt doch wunderbar! Du weißt, was Arbeit ist, kennst die Landwirtschaft und wohnst schon lange in Sonnhagen. Ich habe dich schon schön gefunden, als ich noch ein kleiner Junge war und du ein kleines Mädchen!“

Gertrud trat verlegen von einem Bein aufs andere. Jan führte langsam seine andere Hand auf ihren linken Oberarm, so dass er sie nun mit beiden Händen berührte. Was für schmale Schultern sie doch hatte für eine so rundlich gebaute, starke, junge Frau! In ihm wuchs sein Beschützerinstinkt in ungeahnte Höhen. Sein Begehren meldete sich. Er spürte ein wohliges Kribbeln im Bauch und bekam einen trockenen Mund.

„Was sagen deine Eltern dazu, wenn du zum Tanz in den Mai mit der Magd vom Nachbarhof auftauchst?“ wollte sie zweifelnd wissen.

„Nicht mit irgendeiner Magd“, berichtigte er sie. „Mit dir, Gertrud! Was sollen sie schon sagen? Ich bin ihr einziger Sohn, seit mein Bruder am Bluthusten gestorben ist. Meine beiden Schwestern werden den Hof später bestimmt nicht alleine führen wollen.“

„Was ist mit der Lena?“ fragte sie misstrauisch. Sie erinnerte sich nur allzu gut an die kesse junge Bäuerin, die Jan schon früher nachgestellt hatte. Sie war zwar ein gutes Jahr älter als er, aber recht hübsch. Außerdem hatte sie sehr wohlhabende Eltern. Ihr Vater besaß einen der größten Bauernhöfe in Sonnhagen. Zu allem Übel aber war Lena sehr schlank. Mit langen, schmalen Beinen, Wespentaille und hohlwangigem, zierlichem Gesicht war sie der Traum vieler Bauernsöhne in Sonnhagen und Umgebung.

„Was soll mit ihr schon sein? Sie passt nicht zu mir, ist herrschsüchtig und viel zu besitzergreifend. Eine Frau mit gutem Herz und angenehmem Wesen ist mir viel lieber als eine reiche angehende Hof-Erbin.“ Jans Worte hinterließen bei Gertrud einen tiefen Eindruck von Aufrichtigkeit und waren nachvollziehbar. Die junge Magd war drauf und dran zu glauben, dass die Sache mit dem gutaussehenden Kerl etwas werden könnte. Vielleicht schon heute, am letzten Apriltag? Und in der Nacht zum ersten Mai?

Ausschlaggebend für die folgende Umarmung war der helle Schrei eines Kauzes oder eines anderen gefiederten Waldbewohners. Der Schrei war weder erschreckend laut noch bedrohlich, bot aber einen willkommenen Grund für Gertrud, in die Arme des kräftigen Mannes zu schlüpfen.

Jan empfing sie und umschloss ihren weichen, fülligen Oberkörper mit zärtlicher Kraft. Er machte die Augen zu und sog die Luft tief ein, roch ihren einzigartigen Duft nach frischgewaschenen Haaren, Blumen, Körpercreme und etwas süßlichem Schweiß.

Gertruds Nase genoss die ungewohnt männlichen Ausdünstungen, die sie so plötzlich umgaben. Sie wünschte sich, dass dieser Augenblick lange andauern möge, am besten bis zum heutigen Abend, an dem das Maifest begänne. Und ja