Hoffnung in der Mulberry Lane - Rosie Clarke - E-Book
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Hoffnung in der Mulberry Lane E-Book

Rosie Clarke

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Beschreibung

Ein trostloser Winter liegt über London, aber die Freundschaft zueinander wärmt die Herzen in der Mulberry Lane…

1943, Mulberry Lane, London. Rose Merchant ist der Neuzugang in der Mulberry Lane und schnell fühlt sie sich dort Zuhause. Aber ein dunkles Geheimnis lastet auf ihren Schultern. Kann sie sich den anderen Frauen anvertrauen und ihnen davon erzählen? Oder wird sie ihre neue Heimat wieder verlieren? Ellie wohnt und arbeitet mittlerweile bei Mabel Tandy, die das kleine Wollgeschäft in der Straße führt. Mabel wird für Ellie und ihre kleine Tochter immer mehr zur Familie und mit bangem Herzen fragt sich Ellie, wie Peter wohl auf ihre kleine Tochter reagiert, wenn er aus dem Krieg heimkehrt. Ganz ähnliche Sorgen plagen auch Peggy, denn ihre Zwillinge werden immer größer und Laurence ist nach wie vor im Kriegseinsatz. Als die Nachricht eintrifft, dass er heimkehrt, weiß Peggy, dass es an der Zeit ist ihm die Wahrheit zu erzählen. Aber wie wird Laurence damit umgehen? Liebe, Tod und Hoffnung - Das Schicksal der Mulberry Lane in den Zeiten des Zweiten Weltkrieges.

Die große London-Saga für alle Fans von Donna Douglas, Katharina Fuchs und Ulrike Renk. Alle Titel der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Seitenzahl: 516

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Über das Buch

Ein trostloser Winter liegt über London, aber die Freundschaft zueinander wärmt die Herzen in der Mulberry Lane …

1943, Mulberry Lane, London. Rose Merchant ist der Neuzugang in der Mulberry Lane und schnell fühlt sie sich dort Zuhause. Aber ein dunkles Geheimnis lastet auf ihren Schultern. Kann sie sich den anderen Frauen anvertrauen und ihnen davon erzählen? Oder wird sie ihre neue Heimat wieder verlieren? Ellie wohnt und arbeitet mittlerweile bei Mabel Tandy, die das kleine Wollgeschäft in der Straße führt. Mabel wird für Ellie und ihre kleine Tochter immer mehr zur Familie und mit bangem Herzen fragt sich Ellie, wie Peter wohl auf ihre kleine Tochter reagiert, wenn er aus dem Krieg heimkehrt. Ganz ähnliche Sorgen plagen auch Peggy, denn ihre Zwillinge werden immer größer und Laurence ist nach wie vor im Kriegseinsatz. Als die Nachricht eintrifft, dass er heimkehrt, weiß Peggy, dass es an der Zeit ist ihm die Wahrheit zu erzählen. Aber wie wird Laurence damit umgehen? Liebe, Tod und Hoffnung – Das Schicksal der Mulberry Lane in den Zeiten des Zweiten Weltkrieges.

Die große London-Saga für alle Fans von Donna Douglas, Katharina Fuchs und Ulrike Renk. Alle Titel der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

Über Rosie Clarke

Rosie Clarke ist eine englische Autorin, die bereits seit vielen Jahren Romane schreibt. Sie lebt in Cambridgeshire, ist glücklich verheiratet und liebt das Leben mit ihrem Mann. Wenn sie nicht gerade faszinierende Geschichten über starke Frauen schreibt, dann verbringt sie ihre Zeit gerne in Marbella und genießt das gute Essen und die spanische Sonne. Allerdings hält sie es dort nie allzu lange aus, denn das Schreiben neuer Romane ist ihre größte Leidenschaft.

Uta Hege lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Saarbrücken. Mit dem Übersetzen englischer Titel hat sie ihre Reiseleidenschaft und ihre Liebe zu Büchern perfekt miteinander verbunden und ihren Traumberuf gefunden.

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Rosie Clarke

Hoffnung in der Mulberry Lane

Übersetzt aus dem Englischen von Uta Hege

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Impressum

1

Gerade als Peggy Ashley ihre Marmeladentörtchen in den Ofen schieben wollte, erklang eine laute Explosion, die sie vor Schreck zusammenfahren ließ. Krachend fiel das Kuchenblech auf den Linoleumboden, denn das schreckliche Geräusch der grässlichen V2-Raketen war so nah gewesen, dass sie sicher davon ausging, eins der Gebäude in der Nähe ihres Pubs war getroffen worden. Sie lief zur Tür und sah hinaus, aber die Rauchsäule stieg in der Ferne in den Himmel auf, was hieß, dass die direkte Nachbarschaft noch mal verschont geblieben war.

Die ersten Explosionen dieser Art hatten sie auf geborstene Gasleitungen geschoben, und erst im November 1944, nach der Katastrophe in New Cross in Südost-London, bei der während eines Angriffs auf das Kaufhaus Woolworth hundertsechzig Menschen umgekommen und hundert weitere schwer verwundet worden waren, hatte die Regierung ihnen offenbart, dass Deutschlands grauenhafte neue Waffe schuld an den geheimnisvollen Detonationen war.

»Da haben wir aber gerade noch mal Glück gehabt.«

Die Wirtin drehte sich nach ihrer Freundin Nellie um. Die hob bereits das Kuchenblech und das einzelne Törtchen, das daneben lag, vom Boden auf, schob es in den Ofen und entsorgte das Gebäck, das auf dem Fußboden gelandet war.

»Es hätte auch viel schlimmer kommen können.« Nellie bezog sich auf ihre Törtchen, doch Peggy wusste, dass bei dieser Explosion bestimmt jemand gestorben war, und lachte unter Tränen auf.

Als Nellie ihr Gesicht sah, legte sie ihr tröstend eine ihrer großen, abgearbeiteten Hände auf den Arm.

»Du darfst das nicht zu nah an dich heranlassen, Liebes«, bat sie in mitfühlendem Ton. Inzwischen waren Nellies Haare grau, und auch ihrem Gesicht waren die Spuren des Alters anzusehen. »Es ist nicht halb so schlimm wie die verdammten Bombenangriffe, denen wir 1940/41 ausgeliefert waren.«

»Nein, aber zumindest wussten wir da, wenn die Bomben kamen«, rief ihr Peggy in Erinnerung, denn damals hatten ihnen der Lärm der Flugzeuge und die Sirenen noch genügend Zeit gegeben, um sich irgendwo in Sicherheit zu bringen, und sie selbst hatte ihre Nachbarinnen, Nachbarn, Freundinnen und Freunde regelmäßig in den Keller ihres Pubs geführt, wo sie gemeinsam abgewartet hatten, bis die Angriffe vorbei gewesen waren. Doch im Dezember 1944 fielen die Bomben ohne Vorwarnung, und wenn die Explosionen zu hören waren, wusste man, es hatte wieder einmal irgendwen erwischt. Sie fuhr sich mit dem Ärmel ihres dünnen Wollpullovers durchs Gesicht. »Vor allem sind es nicht nur die verfluchten Bomben …«, fügte sie hinzu, weil in den letzten Jahren einfach eins zum anderen kam und bereits allzu viele Menschen, die ihr am Herzen lagen, umgekommen waren.

»Ich weiß.« Nellie bedachte sie mit einem mitleidigen Blick. »Am besten setzt du dich erst einmal hin, und ich mache uns einen Tee, Peggy.«

Sie hätte widersprechen wollen, schließlich hatte sie alle Hände voll zu tun, dann aber merkte sie, dass sie am ganzen Körper zitterte, und nahm gehorsam Platz. Ihre Tochter Janet ging mit Peggys Zwillingen spazieren, bevor sie mittags ihre eigene Tochter Maggie aus dem Kindergarten holen würde, und im Grunde hatte Peggy schon den größten Teil der morgendlichen Arbeiten geschafft.

»Ein Tee wäre jetzt schön«, erklärte sie und lächelte ihre Freundin an. »Was täte ich bloß ohne dich?«

»Das frage ich mich auch. Da ist es gut, dass meine Tochter mich im Augenblick nicht braucht. Ihr Mann ist momentan zu Hause und ganz vernarrt in seine kleine Tochter, aber das ist eigentlich jeder, der sie sieht. Mit ihren großen blauen Kulleraugen und den blonden Löckchen ist sie einfach allerliebst. Ich sage dir, wenn unsere Pearl erst größer ist, wird sie mal eine echte Herzensbrecherin.«

Peggy lachte, denn sie wusste, was für eine Freude einem Kinder machten, ganz egal, wie anstrengend sie manchmal auch waren. Ihre Zwillinge waren inzwischen drei und voller Energie. Der kleine Freddie war der Stärkere der beiden, und wenn er sich das von Fay gewollte Spielzeug oder Brötchen schnappte und damit davonlief, brüllte sie vor Zorn. Die beiden kosteten sie jede Menge Kraft, und trotzdem liebte sie sie mehr als alles andere. Sie waren Ables Kinder, und sie hatte sich bereits oft gefragt, was er wohl von den beiden halten würde, wenn er plötzlich in die Wirtschaft käme und erleben würde, wie sich das Geschwisterpaar nach Leibeskräften stritt.

Vor über einem halben Jahr hatte sie den von ihrem Ehemann vor ihr versteckten Brief von Ables Freund entdeckt, in dem er schrieb, dass Able schwer verwundet und nach einer langen Zeit in einem Schweizer Krankenhaus heim nach Amerika geflogen worden wäre, um sich dort in einem Lazarett von den Verletzungen zu erholen. Lange Zeit hatte sie gefürchtet, dass der Vater ihrer Zwillinge nicht mehr am Leben wäre, aber eines Abends hatte jemand eine eindeutig von ihm geschriebene Karte durch den Briefschlitz in der Tür des Pubs geschoben, war dann allerdings sofort wieder verschwunden, ohne dass sie hätte sehen können, wer der Bote war. Dennoch hatte diese Karte sie auf die Idee gebracht, dass Able ihr vielleicht auch vorher schon einmal geschrieben haben könnte, und auf ihr Befragen hatte ihr der Postbote erklärt, er hätte ein paar Wochen vorher einen Luftpostbrief für sie dabeigehabt und Laurence übergeben, weil der gerade in der Küche stand. Darauf hatte sie die Sachen ihres Ehemanns durchsucht und tatsächlich in seinem Koffer den von Ables Freund an sie geschickten Brief entdeckt. Sie war vor Zorn so außer sich gewesen, dass sie Laurence umgehend verlassen hätte, wenn er damals nicht im Krankenhaus gelegen hätte, nachdem er bei einem Messerangriff, als er einer ihrer Freundinnen hatte helfen wollen, schwer verwundet worden war. Also hatte sie sich erst einmal damit begnügt, mehrere Briefe an den Mann, den sie von ganzem Herzen liebte, zu verfassen und zu hoffen, dass ihn einer dieser Briefe irgendwo erreichen würde, weil sie keine Ahnung hatte, ob er in den Staaten oder hier in England war. Bisher hatte er nicht noch einmal etwas von sich hören lassen, aber falls er eins der Schreiben, die sie ihm geschickt hatte, erhalten hatte, wüsste er, dass er der Vater ihrer beiden jüngsten Kinder war. Ach, käme er doch endlich zu Besuch oder riefe sie an, damit sie ihm erklären könnte, was geschehen war.

Seufzend nippte Peggy an dem ihr von Nellie eingeschenkten Tee. Warum nur war das Leben derart kompliziert? Selbst wenn ihr Liebster auf einmal bei ihr in der Küche stünde, könnte sie wohl kaum die beiden Kinder nehmen, um mit ihm fortzugehen. Ihr Ehemann, von dem sie sich bereits vor Jahren entfremdet hatte, war in einem Sanatorium an der Ostküste, wo sie ihn nicht besuchen und ihm nicht mal schreiben durfte, weil es hieß, man müsste dem Patienten jede Aufregung ersparen. Im Grunde aber hätte sie ihm sowieso nicht schreiben wollen, weil sie immer noch zutiefst verletzt und wütend über sein Verhalten war. Ihre Gefühle für den Mann, den sie einmal geliebt hatte, waren gemischt. Seine Verletzung rührte von dem heldenhaften Einsatz, um Maureen vor Schaden zu bewahren, doch sie als seine Frau hatte er ein ums andere Mal im Stich gelassen, und am Ende hatte seine Untreue dazu geführt, dass sie sich selbst mit Able Ronoscki, dem jungen amerikanischen Soldaten, eingelassen hatte, dem inzwischen ihre ganze Liebe galt. Trotz allem aber fühlte sie sich nach wie vor verpflichtet, weiterhin dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft ihres Mannes lief. Nicht ihm zuliebe, sondern weil sie selbst, Janet und die Kinder dort zu Hause waren, obwohl sie schon seit Längerem die Eröffnung eines eigenen Teesalons erwog. Ihr Unbehagen und die Unentschlossenheit, die deshalb an ihr nagten, waren der Grund dafür, dass sie den Tränen nahe war.

»Mr. Ashley ist noch immer ansteckend, und die Behandlung ist sehr schwierig«, hatte ihr der Arzt im Krankenhaus erklärt und Laurence mit dem Krankenwagen in das Sanatorium geschickt. »Vor allem ist er selbst sehr anfällig für weitere Infektionen. Wir können deshalb nicht erlauben, dass er in dem Sanatorium Besuch bekommt. Auch Briefe sind verboten, denn die regen ihn womöglich auf, und augenblicklich ist der Teil der Küste sowieso für die Zivilbevölkerung gesperrt.«

Peggy wusste, was er damit hatte sagen wollen. Seit dem D-Day, als die Alliierten ihren Gegenangriff in der Normandie gestartet hatten, brauchte man eine besondere Erlaubnis, wenn man an die Küste wollte, und woher sie die hätte bekommen sollen, hätte sie beim besten Willen nicht gewusst. Die Deutschen waren erst aus der Normandie und später aus Paris vertrieben worden, und die »Freien Franzosen« hatten den Triumphzug durch die Hauptstadt ihres Landes angeführt. Die Deutschen waren an vielen Orten in der Defensive, setzten ihre Kämpfe aber weiter fort und schafften es, die Alliierten immer noch zu überraschen, zum Beispiel, als sie aus den Ardennen ausgebrochen waren.

Hier in Großbritannien und diversen anderen Ländern in Europa richteten die grässlichen V2-Raketen fürchterliche Schäden an und riefen grenzenlose Panik unter den Bewohnern wach. Noch einmal hatten viele Londoner Familien ihre Kinder auf dem Land in Sicherheit gebracht, und Janet hatte überlegt, ob sie mit ihrer Tochter ebenfalls aufs Land fahren sollte, doch im Frühling würden sie und Ryan heiraten und in ein Haus in Hampstead ziehen.

»Er meint, wir könnten auch im Zug getroffen werden, während wir versuchen, irgendwo aufs Land zu fliehen«, hatte Janet ihr erklärt, denn auch die Gleise und die Züge wurden immer wieder bombardiert.

Und Peggy selbst blieb keine andere Wahl, als weiter hier im East End auszuharren. Dies war der Ort, an dem sie ihren und Laurence’ Lebensunterhalt verdiente, und wenn sie beschließen würde, mit den Zwillingen aufs Land zu flüchten, könnte niemand mehr die Wirtschaft weiterführen. Sie hätte Fay und Freddie vielleicht Janet mitgegeben, aber ihre Tochter hätte es wohl kaum geschafft, allein für die drei Kinder da zu sein. Mit der zwischenzeitlich fünfjährigen Maggie hatte sie schon genug Probleme, ohne nebenher noch ständig nach den beiden kleinen Streithähnen zu sehen.

O nein, sie würde hier in London bleiben und das Beste hoffe, wie zur Zeit der Bombardierungen 1940/41, als fast täglich Dutzende von Bomben auf die Stadt gefallen waren. Nur kamen die Explosionen jetzt so plötzlich, dass die Menschen keine Zeit mehr hatten, sich in Sicherheit zu bringen, weshalb Peggy gut verstehen konnte, dass erneut so viele Kinder aus der Stadt aufs Land verfrachtet worden waren.

Noch während sie dies dachte, tauchte Janet mit den beiden Kleinen auf. »Hi, Mum. Wir haben uns prächtig amüsiert, nicht wahr, ihr kleinen Streithähne?«, griff sie den Spitznamen der Mutter für die beiden auf.

Fay rannte auf die Mutter zu, zupfte an deren Rock und forderte mit Nachdruck einen Keks, doch Freddie blickte grinsend seine große Schwester an. Mittlerweile waren alle seine Zähne da, weshalb sein Lächeln rundherum bezaubernd war.

»Tante Mo … Mo … Bonbons«, sagte er, und Janet lachte auf.

»Er will damit sagen, dass Maureen den beiden je ein paar Geleebonbons gegeben hat. Sie wollte weder Geld noch meine Marken. Sie hat einfach den Löffel in das Glas gesteckt und den Zwillingen Geleebonbons geschenkt. Und dann haben sie sich den ganzen Schwung auf einmal in den Mund gestopft und hätten es verdient, dass ihnen davon übel wird.«

»Sie hat im Laden doch wohl nicht bedient?«, erkundigte sich Peggy überrascht. »Der kleine Gordon ist jetzt schließlich gerade einmal ein paar Wochen alt. Ich hoffe nur, sie mutet sich nicht zu viel zu. Wenn sie nicht aufpasst, fällt sie eines Tages vor Erschöpfung um, denn mit ihrem Ehemann hat sie es ja auch nicht leicht. Sie hat mir zwar nicht viel erzählt, aber ich weiß, dass er nach wie vor fürchterliche Schmerzen hat und in den letzten Wochen immer wieder zur Behandlung seines Beins im Krankenhaus gewesen ist.« Bei seiner Heimkehr Ende Juni hatte Maureen große Hoffnung gehabt, dass es ihm bald schon besser gehen würde, doch nach der schrecklichen Verwundung, die er sich im Kampf gegen die Feinde zugezogen hatte, tat sein Bein ihm immer noch sehr weh, und da er nicht im Rollstuhl sitzen wollte, war er fast den ganzen Tag zu Hause eingesperrt.

»Sagt die Frau, die selbst mit über vierzig Zwillinge bekommen und innerhalb von ein paar Wochen schon wieder mit ihrer Arbeit angefangen hat«, zog Jan sie auf und lachte, als sie das Gesicht verzog.

Peggy sah ihre Tochter an und fand, sie sähe momentan besonders reizend aus. Vor Kurzem war sie beim Friseur gewesen, und der hellere Farbton und die sanften Wellen standen ihr hervorragend. Und von dem Geld, das sie von ihrer Aushilfstätigkeit im Lebensmittelladen und im Wollgeschäft bekam, hatte sie sich ein paar ausnehmend schicke Kleidungsstücke zugelegt, darunter auch den grauen Tweedrock und das rosafarbene Twinset, das sie zu der Perlenkette trug, die ein Geschenk von Ryan gewesen war.

»Ich finde, du wirkst glücklich, mein Schatz.« Peggy war froh, dass Janet das durch den Verlust von ihrem Ehemann erlittene Trauma langsam überwand. Ihren Ehering hatte sie letztens in die Nachttischschublade gelegt und Ryan versprochen, ihn in ein paar Monaten zu heiraten. Wahrscheinlich wäre selbst ihr Vater von der Art beeindruckt, mit der Ryan sie hofierte, denn wenn er ins Pig & Whistle kam, um sie zum Tanzen oder Essen auszuführen, brachte er Janet jedes Mal Blumen und Peggy köstliche Pralinen mit. Für diese Dinge hatte Mike bei Kriegsbeginn kaum Zeit gehabt. Die beiden hatten überstürzt geheiratet, nachdem er eingezogen worden war, und noch bevor die kleine Maggie auf die Welt gekommen war, hatte er einen grauenhaften Schiffsunfall gehabt.

»Glücklich?« Janet erstarb das Lächeln auf den Lippen. »Ich glaube, dass ich glücklich werde«, stellte sie mit ernster Stimme fest. »Ich habe Ryan wirklich gern, und ich genieße es, wie sehr er mich verwöhnt, aber …« Sie schüttelte den Kopf und seufzte leise auf. »Ich habe Mike verloren und muss wieder nach vorne sehen. Vor allem betet Maggie Ryan an. Es geht mir nicht um all die wunderbaren Sachen, die er für sie kauft, sondern darum, dass er sie wie seine eigene Tochter liebt … und dass sie tut, was er ihr sagt. Dass sie in letzter Zeit erheblich netter zu den Zwillingen war, liegt nur daran, dass Ryan ihr erklärt hat, sie als die Älteste müsste mit gutem Beispiel vorangehen.«

Peggy nickte, denn sie wusste selbst, wie aufbrausend und egoistisch ihre Enkeltochter manchmal war. Doch wenn sie wollte, konnte sie auch durch und durch charmant sein, und sie betete den neuen Freund ihrer Mutter, den sie Daddy nannte, wirklich an. Auch Freddie kam mit ihr recht gut zurecht, im Grunde aber kam er einfach gut mit jedem aus. Es war die kleine Fay, mit der es regelmäßig Ärger gab. Sie war entsetzlich eifersüchtig, und wenn Freddie irgendwas mit Maggie teilte, schnappte sie es sich und ging damit auf ihren Bruder los. Und Maggie sah sie dabei an, als würde sie sie hassen, weshalb Peggy dankbar wegen der für März geplanten Hochzeit ihrer großen Tochter und des dann geplanten Umzugs in das Haus in Hampstead war. Sie hielt die permanenten Streitereien zwischen den drei Kindern kaum noch aus und wäre froh, wenn sie nicht mehr zusammenlebten, obwohl sie natürlich hoffte, ihre große Tochter und ihre Enkeltochter auch nach deren Auszug weiter möglichst oft zu sehen.

Im Gegensatz zu Maggie spielte Maureens Erstgeborener Robin wirklich schön mit Freddie, auch wenn ihre Freundin kaum noch Zeit hatte, bei ihr hereinzuschauen. Sie hatte Mabel Tandys Wollgeschäft inzwischen wieder aufgemacht und bot dort neben Wolle gut erhaltene gebrauchte Frauen- und Kinderkleidung an. Zu Anfang hatte sie kaum Umsatz gemacht, weil die Menschen nach dem Mord an Mabel einen möglichst großen Bogen um den Laden hatten machen wollen, aber die Gelegenheit, dort eigene Sachen zu verkaufen oder günstig irgendwelche Kleidung zu erstehen, war zu verlockend, um das Geschäft dauerhaft zu ignorieren.

Auch Peggy war zwei Wochen nach der Neueröffnung in Maureens Laden gegangen, weil es so gut wie keine neuen Anziehsachen irgendwo zu kaufen gab, und hatte dort ein wunderschönes graues Wollkostüm für sich gefunden, das wie angegossen saß.

»Sieht aus wie neu«, hatte sie überrascht zu Vera Brooks, die das Geschäft für Maureen leitete, gesagt.

»Die Frau, die es vorbeigebracht hat, hat gesagt, sie hätte es bei ihrer Hochzeit kurz vor Kriegsbeginn gekauft, nach der Geburt von ihrem Baby aber nicht mehr hineingepasst. Ich habe ihr gesagt, ich würde ihr dreißig Shilling dafür geben, weil es neu wahrscheinlich mindestens zehn Pfund gekostet hat, und Maureen meint, dass ich es für zwei Pfund verkaufen soll.«

»Ein echtes Schnäppchen«, hatte Peggy sich gefreut. »Ich habe einen hübschen rosafarbenen Pullover, der ganz ausgezeichnet dazu passt. Ich trage gern schicke Kleider, wenn ich in der Wirtschaft bin, doch so was Schönes habe ich schon ewig nirgends mehr entdeckt.«

»Sie haben ein paar der Kleidervorschriften gelockert«, hatte Vera ihr erzählt und das Kostüm zusammengelegt. »Ich glaube, dass es in den Läden langsam wieder eine größere Auswahl gibt – aber ein Stück aus derart guter Wolle wäre wahrscheinlich furchtbar teuer, und vor allem wird es sicherlich noch eine ganze Weile dauern, bis so etwas wieder angeboten wird.«

Peggy hatte zustimmend genickt und sich nach etwas, was sie Janet hätte mitbringen können, umgesehen, jedoch nichts entdeckt. Also hatte sie zum Schluss nur das Kostüm und Wolle für die Zwillinge gekauft. Die Jacke ihrer Tochter würde weiß und rosa, aber Freddie machte so viel Unfug, dass für seinen Pullover ihrer Meinung nach ein heller Grauton, auf dem man nicht sofort alle Flecken sähe, besser war.

*

Ein paar Tage später traf sie Maureen Hart, die mit dem jüngsten Sohn im Kinderwagen aus dem Lebensmittelladen kam. Sie schaute sich den süßen kleinen Jungen an und stellte fest, er schlüge ganz eindeutig seinem Vater nach.

»Warst du schon mal im Wollgeschäft?«, fragte Maureen.

Peggy nickte. »Ja, vorgestern habe ich dort was gekauft. Die Kleider, die ihr anbietet, sind sehr hübsch.«

»Vera versucht, nur wirklich gut erhaltene Sachen anzunehmen, weil wir schließlich keine Lumpensammler sind. Ein paar der Frauen sind beleidigt, wenn wir was nicht haben wollen, aber dann rät Vera ihnen, mit den Sachen auf den Markt zu gehen.«

»Und wie laufen die Geschäfte? Wie viel habt ihr bereits verkauft?«

»Wir können uns nicht beschweren, aber es kommt immer darauf an, was man uns bringt. Ein paar der Sachen werden wir, kaum dass sie an den Ständern hängen, sofort wieder los, und andere hängen ewig dort herum. Wenn ich die Kleider alle kaufen müsste, wäre ich wahrscheinlich längst schon pleite, aber schließlich nehmen wir die Sachen bloß in Kommission und zahlen erst, wenn wir sie losgeworden sind. Das heißt, wir können dabei nichts verlieren.«

»Das ist natürlich eine ausgezeichnete Idee«, rief Peggy aus und nickte zustimmend. »Oh, bevor ich es vergesse – du und Gordon, ihr beide seid natürlich auch in diesem Jahr zu meiner Weihnachtsfeier eingeladen. Meinst du, er hat Lust und schafft es, ein paar Stunden auszugehen?«

»Ich weiß es nicht«, meinte Maureen, wobei ihr die Sorge um den Ehemann deutlich anzuhören war. »An manchen Tagen kommt es mir so vor, als würde es ihm bereits viel besser gehen, und an anderen geht es ihm echt schlecht. Die Infektion ist zwar verheilt, aber es wird noch dauern, bis sein Bein wieder wie früher funktioniert. Er weigert sich, den Rollstuhl zu benutzen, den das Krankenhaus uns mitgegeben hat, das heißt, dass er das Bein zu oft belastet und es letztens, als er oben an der Treppe stand, dann einfach nachgegeben hat. Er ist dann auf dem Hosenboden bis ins Erdgeschoss gerutscht, und obwohl er abgesehen von ein paar blauen Flecken kaum was hatte, ist er, als er unten ankam, fast vor Wut geplatzt …«

»Das kann ich nachvollziehen«, stimmte ihr Peggy lächelnd zu. »Männer sind wie kleine Jungen. Sie denken, dass sie alles können, und wenn sie dann ins Stolpern kommen, ist vor allem ihr Stolz verletzt.«

»Dann macht Freddie also weiter jede Menge Unfug?«

»Pausenlos«, gab Peggy lachend zu und dachte voller Stolz an Freddies ausgeprägte Abenteuerlust. »Er hat nicht einen Mucks gesagt, nachdem er gestern Nachmittag wie Gordon die gesamte Flurtreppe hinuntergepurzelt ist. Die beiden Mädchen standen oben, und ich glaube, eine von den beiden hat ihm einen Schubs gegeben, aber Freddie hat die zwei nur böse angeguckt und keinen Ton gesagt.«

»Oje, um das Problem beneide ich dich nicht«, stellte Maureen mit mitfühlender Stimme fest. »Da habe ich wirklich Glück, denn Shirley liebt die beiden Kleinen, und Robin weicht ihr nicht von der Seite. Sobald sie aus der Schule kommt, belagert er sie, aber das macht es einfacher für mich, weil sie mir echt eine große Hilfe ist.«

Peggy nickte, denn die junge Shirley war als kleines Mädchen ein verwöhntes Einzelkind gewesen und hatte Maureen das Leben schwergemacht. Dann aber war sie mit der Großmutter aufs Land gezogen, und die unsanfte Behandlung durch die Leute dort hatte ihr klargemacht, wie glücklich sie sich schätzen konnte, als sie später wieder zu Maureen und deren Gran gekommen war. Maureen war für sie da gewesen, lange, ehe sie die Frau von ihrem Dad geworden war, und Shirley betete sie so wie Maggie Ryan an.

Die beiden Frauen gingen lächelnd wieder ihrer Wege, und als Peggy ihrer Freundin hinterhersah, kam ihr der Gedanke, dass sie sich in all den Jahren, seit sie sich kannten, nie gestritten hatten, weshalb ihre Freundschaft etwas ganz Besonderes war. Mit Janet stritt sich Peggy regelmäßig, aber ihre Freundin war trotz der Probleme, die sie selbst hatte, immer für sie da.

Auf ihrem Weg zum Pig & Whistle sah sie einen hochgewachsenen Mann in Uniform, der um die Ecke bog. Sie starrte ihn kurz an und lächelte, als sie erkannte, wer es war.

»Tom Barton!«, rief sie aus. »Wie geht es dir? Bist du etwa noch mal gewachsen, seit du zur Armee gegangen bist?«

»Das liegt bestimmt an all dem Training«, meinte er und lachte fröhlich auf. »Sie sehen wieder mal bezaubernd aus, Peggy. Ich habe ein paar Tage Urlaub, daher dachte ich, ich komme heim und sehe mal, ob mich irgendwer für ein paar Nächte bei sich aufnehmen kann.«

»Komm doch zu uns«, bot ihm Peggy an, während er sich den schweren Seesack über eine Schulter schwang. »Annes Mann hat gerade auch zwei Wochen frei. Er hat die Ausbildung zum Offizier beendet, und sie machen Urlaub auf dem Land, deswegen ist Annes Zimmer im Moment frei.«

Tom zögerte. »Sind Sie sich sicher, dass sie nichts dagegen hat?«

»Natürlich bin ich das«, beruhigte Peggy ihn. »Und selbstverständlich übernachtest du bei uns, nachdem du mir in der Vergangenheit so oft geholfen hast. Ich habe noch ein Gästezimmer frei, aber da türmt sich Janets Zeug. Sie kauft schon Möbel für das Haus, in das sie nach der Hochzeit ziehen wird – und ich habe gesagt, dass sie sie erst einmal dort lagern kann.«

»Janet wird heiraten? Maureen hat mir erzählt, dass sie verlobt ist, als sie mir vor ein paar Monaten geschrieben hat.«

»Aber erst im Frühjahr«, klärte Peggy ihn mit etwas wehmütiger Stimme auf, denn bevor Maggie nicht das Haus verließe, hörten auch die Streitereien zwischen ihren Zwillingen nicht auf. »Hast du in letzter Zeit mal wieder was von deinem Dad gehört?« Toms Vater Jack war auch bei der Armee, doch es war unwahrscheinlich, dass die zwei sich dort begegnet waren.

»Vor einem Vierteljahr kam eine Postkarte von ihm, aber er ist anscheinend irgendwo in Übersee, und Post von dort ist schließlich immer ewig unterwegs.«

Tatsächlich wusste sie aus eigener, leidvoller Erfahrung, dass Briefe oft erst nach Monaten oder noch später ankamen, wenn überhaupt. Sie ging voran in ihre warme Küche, in der Nellie gerade Tee aufsetzte und anfing zu strahlen, als sie sah, wer hinter ihr erschien.

»Wen haben wir denn da? Du kommst genau zur rechten Zeit für eine schöne Tasse Tee.«

»Und ein Stück Apfelkuchen«, fügte Peggy noch hinzu. »Reg hat eine ganze Kiste Äpfel irgendwo ergattert, und das nutze ich jetzt aus. Zwar ist der Apfelkuchen nicht so gut wie vor dem Krieg, weil ich die Butter und den Zucker rationieren muss …« Sie seufzte, denn obwohl inzwischen manche Sachen wieder leichter zu bekommen waren, wurden andere noch strenger rationiert.

»Ich mag ihn sowieso am liebsten, wenn er nicht so süß ist«, meinte Tom und stellte seinen Seesack auf dem Boden ab, als er von Nellie einen Becher starken schwarzen Tee serviert bekam. Er nippte vorsichtig daran und stellte anerkennend fest: »Genau so mag ich meinen Tee. In der Kantine der Armee gibt es genug zu essen, aber leider lässt die Qualität derart zu wünschen übrig, dass ich meist nur Speck, Pommes frites und Sandwiches esse, wenn es so was gibt …«

»Dann gehst du sicher, wenn du dich nicht vorsiehst, wie ein Hefekuchen auf«, bemerkte Nellie Zunge schnalzend, aber da der attraktive, junge Mann nicht ein Gramm Fett auf den Rippen hatte, lachten alle drei.

»Also gefällt es dir bei der Armee?«, erkundigte sich Peggy lächelnd, denn genau wie alle anderen in der Gegend hatte sie den Jungen einfach gern.

»Ich liebe es«, gab er zurück. »Ich dachte eigentlich, ich würde nach dem Krieg ein eigenes Unternehmen aufziehen wollen, aber nun bleibe ich vielleicht auf Dauer dort, weil man da schließlich auch Karriere machen kann.«

»Genau dasselbe hat Annes Mann gesagt, auch wenn sie selbst nicht wirklich etwas davon hält. Sie sagt, in Friedenzeiten würden die Soldaten sonst wo stationiert, und ihre Frauen zögen ihnen dann hinterher. Aber sie würde lieber hier in London bleiben, um in ihren Job als Lehrerin zurückzukehren, wenn ihre Kleine etwas älter ist.«

»Dann haben sie also ein kleines Mädchen?«, fragte Tom, und weil er seit seiner Zeit in Maureens Laden beinahe alle Leute in der Gegend kannte, freute er sich zu erfahren, was es für Neuigkeiten gab und wie es allen ging. »Und Maureen hat mittlerweile ihren zweiten Sohn.«

»Genau.«

»Da hat sich Gordon bestimmt sehr gefreut«, bemerkte er mit einem breiten Grinsen und sah Peggy fragend an. »Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie mich hier aufnehmen wollen, Peggy?«

»Red doch keinen Unsinn. Ja, natürlich. Komm, ich zeige dir dein Zimmer«, forderte ihn Peggy auf, als er seinen Tee getrunken und den Kuchen aufgegessen hatte.

Kaum dass er sich von seinem Platz erhoben hatte, klopfte es vernehmlich an der Hintertür, und eine hübsche, junge Frau betrat den Raum.

»Oh, hallo, Rose«, begrüßte Peggy sie. »Sieh nur, wer in den nächsten Tagen bei uns wohnen wird.«

»Rose …« Tom lächelte die junge Frau, die er bewunderte, seitdem sie sich zum ersten Mal begegnet waren, an. »Wie geht es dir – und Jimmy?«

Jimmy war ihr Freund und ebenfalls bei der Armee.

»Ich habe keine Ahnung, wo er ist«, erklärte sie und runzelte die Stirn. »Es ist schon über eine Woche her, seit ich den letzten Brief von ihm bekommen habe, aber er hat mir gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen soll, weil es eben manchmal eine ganze Weile dauert, bis die Post durchkommt. Ansonsten bin ich frech und gut gelaunt wie eh und je.«

»So ist es bei meinem Vater auch. Ich habe keine Ahnung, wo er steckt, und er schickt immer nur die Postkarten, die die Armee ihm zur Verfügung stellt, damit ich weiß, dass er wohlauf ist. Die Leute denken, dass der Krieg jetzt fast vorbei ist, aber trotzdem finden weiter schwere Kämpfe an verschiedenen Orten statt, und mir ist klar, dass es in letzter Zeit echt heftig für ihn war. Wir haben einen Code, und selbst wenn er mir nicht die Wahrheit schreiben kann, weiß ich immer genau Bescheid …«

Rose nickte ängstlich, wandte sich dann aber Peggy zu. »Ich bringe Ihnen Ihre Sachen aus dem Laden, Peggy, und nachdem wir heute Morgen Rübensirup hereinbekommen haben, habe ich, obwohl die nicht auf Ihrer Liste standen, davon auch zwei Büchsen mitgebracht.«

»Danke, Rose. Dann gibt es morgen endlich wieder einmal Siruptarte. Die meisten Gäste mögen sie, und außerdem kann ich den Sirup auch für andere Kuchen nehmen, wenn es mal wieder keinen Zucker gibt.«

Sie wandte sich an Tom, und mühsam riss er sich von Roses Anblick los.

»Am besten gehen wir langsam rauf, in zehn Minuten muss ich nämlich drüben aufmachen …«

»Natürlich. War mir eine Freude, dich zu sehen, Rose.« Er folgte Peggy in den Flur und weiter in das obere Geschoss. »Ich helfe Ihnen gern drüben in der Bar, solange ich zu Hause bin«, bot er ihr an.

»Du willst in deinem Urlaub arbeiten?«, erkundigte sich Peggy und bedachte ihn mit einem neugierigen Blick,

»Von unserer Familie gibt es jetzt nur noch Dad und mich.« Nach einer kurzen Pause fügte Tom hinzu: »Ich nehme an, Maureen hat Ihnen erzählt, dass meine Ma gestorben ist. Und da ich keine Freundin habe, kämen mir ein paar Stunden in der Wirtschaft, wo ich mit den Gästen und alten Freunden reden kann, nun gerade recht.«

»Das mit deiner Mutter tut mir leid.«

Mit einem gleichmütigen Achselzucken meinte er: »Dad hat mir geschrieben, dass sie nicht mehr lebt. Er denkt, es wäre das Beste für sie gewesen, denn schließlich hätte sie wahrscheinlich sowieso den Rest ihres Lebens in der Anstalt zugebracht. Ich nehme an, dass auch in ihrem Inneren irgendwas gestorben ist, als Sam auf diesem Trümmergrundstück umgekommen ist, und es dann für sie ganz einfach keinen Grund zum Weiterleben gab.« Mit einem neuerlichen Schulterzucken schüttelte er diese traurigen Gedanken ab. »Wie sieht es aus? Können Sie mich in der Wirtschaft brauchen oder nicht?«

»Natürlich kann ich dich dort brauchen«, gab die Wirtin prompt zurück. »Obwohl die gute Nellie kommt, sooft sie kann, und Anne und Janet, wenn sie hier sind, auch gelegentlich hinter dem Tresen stehen. Dazu kommt freitagabends noch Irene aus dem Frisiersalon, und donnerstag- und samstagabends kommt der alte Ned und hilft mir in der Bar und tauscht die Fässer für mich aus. Irene hilft in der Küche aus und kümmert sich dazu noch um die Kinder, damit Janet an den Freitagen mit Ryan ausgehen kann, aber solange Anne nicht wieder da ist, kann ich jede zusätzliche Hilfe brauchen, die ich kriegen kann.«

Tom sah zufrieden aus, und Peggy ließ ihn erst einmal in Ruhe auspacken. Nach der Abreise ihrer Freundin hatte sie das Bett sofort frisch bezogen, und statt seine Kleider in den Schrank zu hängen, könnte er sie in der kleinen Kommode unterbringen, die zwischen den Möbeln ihrer Tochter in dem anderen Gästezimmer stand. Auf diese Weise blieben die von Anne zurückgelassenen Sachen unberührt.

Bei ihrer Rückkehr in die Küche hörte sie, dass Janet mit den Zwillingen zurückgekommen war. Sie war mit ihnen in den Läusepark gegangen, der so hieß, weil dort die Obdachlosen schliefen, und zwar winzig, aber für den jungen Freddie groß genug war, um sich richtig auszutoben, was bei all der Energie, die er besaß, auch nötig war. Bei der Geburt war er nicht ganz gesund gewesen, deshalb war es Peggy eine ganz besondere Freude, dass er jetzt so munter war.

Bevor Janet noch mal etwas sagen konnte, hörten alle einen lauten Knall, und Fay fing an zu weinen und zog an Peggys Rock.

Die Mutter nahm das Mädchen auf den Arm und sagte tröstend: »Keine Angst, mein Schatz. Das ist nur Thor, der wieder mal mit seinem Hammer klopft.« Sie hatte ihren Kindern, wenn es gewitterte, des Öfteren das Märchen vom Gott Thor erzählt, der durch den Himmel stapfte und mit seinem Hammer auf die Wolken schlug. Natürlich war der Knall in diesem Fall kein Donner, sondern eine weitere V2-Rakete, die in ihrer Gegend eingeschlagen war, in ihrem Alter aber konnten das die Zwillinge noch nicht verstehen. Auch wenn der junge Freddie sie mit einem ernsten Blick bedachte, der ihr zeigte, dass er mehr begriff, als sie vermutet hatte, denn er war sehr klug und einfühlsam und spürte offenkundig ihre Angst.

Er schlang ihr seine Ärmchen um die Beine und erklärte tröstend: »Freddie Muma lieb.«

»Ich weiß, mein Schatz. Und deine Muma hat dich auch lieb«, gab sie zurück und fuhr ihm durch das Haar, das seit seiner Geburt stark nachgedunkelt war. Er wurde Able immer ähnlicher, und plötzlich stieg in Peggy ein Gefühl von grenzenloser Sehnsucht auf. Ach, käme Able doch zu ihr ins Pig & Whistle oder schriebe ihr zumindest noch mal einen Brief …

2

»Alles in Ordnung, Schatz?«, fragte Maureen, als sie nach Hause kam und Shirley Weihnachtskarten basteln sah. »Wo sind dein Dad und Gran?«

»Gran hatte Kopfschmerzen. Sie hat sich hingelegt, und Dad hackt draußen Holz.«

Maureen trat ans Fenster und sah sorgenvoll hinaus. Ihr Mann bestand darauf, das Holz, das sie aufgrund der Kohleknappheit für den Ofen in der Küche brauchten, selbst zu hacken, doch sie hatte immer Angst, wenn er das tat, denn jedes Mal, wenn er die Axt schwang, brachte ihn sein schwaches Bein ein wenig aus dem Gleichgewicht. Obwohl die Wunde gut verheilte, hatte er nach wie vor Schmerzen, und die Muskeln waren trotz all der Übungen, die er täglich machte, immer noch erheblich schwächer als in seinem anderen Bein. Er hätte ihr das Hacken überlassen sollen, als sie ihn allerdings darum gebeten hatte, war er aus der Haut gefahren.

»Verdammt noch mal, ich bin kein kleines Kind und auch kein Idiot! Ich weiß, dass ich zu so gut wie nichts zu gebrauchen bin, aber das bisschen Anzündholz kriege ich schon noch klein.«

Also hatte sie ihm diese Arbeit überlassen, denn es tat ihr in der Seele weh, mitanzusehen, wie schwierig Dinge, die er früher mühelos erledigt hatte, nun für ihn waren – und was vielleicht noch schlimmer war, dass er es immer noch nicht wieder schaffte, ihr auch nachts im Bett ein guter Ehemann zu sein. Vielleicht war er ja deshalb so gereizt.

Nach seiner Heimkehr hatte er es kaum erwarten können, sie im Arm zu halten und zu küssen und mit seinen Händen die Konturen ihres Rückens und der vollen Brüste nachzuziehen. Obwohl sie nach der zweiten Schwangerschaft ein wenig zugenommen hatte, fühlte sie sich durchaus wohl in ihrer Haut, doch Gordon hatte seine Fähigkeit zur körperlichen Liebe bisher nicht zurückerlangt und war aus diesem Grund verängstigt und verletzt.

»Du musst erst ganz gesund werden«, hatte Maureen versucht, ihn aufzubauen, und ihm die Tränen aus dem Gesicht gewischt. »Du bist zu Hause, Gordon, und es macht uns alle furchtbar glücklich, dass du heimgekommen bist.«

»Ich wüsste nicht, weshalb ihr euch darüber freuen solltet, dass ein nutzloses Stück Fleisch zu euch zurückgekommen ist«, hatte er gemurmelt und sich von ihr abgewandt.

Am Morgen hatte er den Tee gekocht, und seit dem Augenblick bestand er darauf, alle Arbeiten zu übernehmen, zu denen er als Invalide fähig war. Er schälte die Kartoffeln, schrubbte Töpfe oder quälte sich mit irgendwelchen anderen Tätigkeiten, die sie selbst oder Hilda ohne Mühe weiter hätten selbst ausführen können, ab.

Apropos Hilda. Hatte Shirley nicht gesagt, sie hätte Kopfweh und sich deswegen etwas hingelegt? Das war so untypisch für ihre Gran, dass Maureen ängstlich in den ersten Stock lief, um nach ihr zu sehen. Sie hatte Schuldgefühle, weil sie Gordon bei der Großmutter gelassen hatte, als sie erst im Lebensmittelladen und danach beim Großhändler gewesen war. Im Wollgeschäft kam Vera Brooks auch ohne sie zurecht, und sie war wirklich froh, dass sie bereit gewesen war, den Job zu übernehmen und in die Wohnung hinter dem Geschäft zu ziehen. So gut standen die Dinge in dem anderen Laden augenblicklich nicht. Zwar hatte Janet ein paar Stunden übernommen, und an drei Tagen die Woche kam die junge Rose, doch zweimal in der Woche musste sie auch weiterhin in die Fabrik. Das war zwar lächerlich, weil ältere Frauen, die die Arbeit hätten weitermachen wollen, entlassen worden waren, aber selbst wenn sie als Vollzeitkraft den Laden übernommen hätte, würde sie dort nur so lange bleiben wollen, bis Jimmy wieder einmal Urlaub hätte, um ihn dann zu heiraten.

Maureen hatte das Wollgeschäft von Mabel Tandy in der Hoffnung übernommen, dass Gordon irgendwann einmal den Lebensmittelladen würde führen wollen. Der Laden hatte immer ihrer Großmutter gehört, weshalb er nach dem Tod ihres Vaters nicht an dessen Witwe Violet, sondern an Maureen übergegangen war. Trotzdem wohnte Violet nach wie vor in der Wohnung über dem Geschäft und fertigte dort maßgeschneiderte Korsetts für ihre Kundschaft an. Wenn sie dort endlich ausziehen würde, fände sich wahrscheinlich jemand, der den Laden führen und dort würde wohnen wollen, denn die meisten Leute, die sich bisher um den Job beworben hatten, suchten gleichzeitig auch eine Bleibe in der Nähe des Geschäfts. Im Grunde aber hoffte Maureen immer noch, dass Gordon diesen Laden würde übernehmen wollen, wenn er weit genug genesen war.

Sie müsste einfach daran glauben, dass er irgendwann wieder ganz der Alte wäre, auch wenn es ein langwieriger Prozess wäre. Er war frustriert, weil es nicht schneller ging, aber egal, was er auch sagte oder tat, dürfte sie selbst nicht die Zuversicht verlieren. Er brauchte ihre Kraft, und sie war dankbar für die Ausbildung zur Schwesternhelferin, denn wenn sie nicht schon unzählige andere Männer hätte furchtbar leiden sehen, wäre sie wahrscheinlich jedes Mal in Tränen ausgebrochen, wenn sein Bein mal wieder seinen Dienst versagte oder er sich mit den Übungen quälte, die zur Stärkung seiner Muskeln unerlässlich waren. Wobei sie wusste, dass sich Gordon glücklich schätzen konnte, weil sie ihm das Bein nicht einfach abgenommen hatten und er nicht auf Dauer auf den Rollstuhl angewiesen war. Tatsächlich kam er mit dem dünnen, bleichen Bein und seiner Krücke sogar ziemlich gut zurecht.

Inzwischen hatte sie Grans Schlafzimmer erreicht, trat lautlos ein, und als sie an das Bett trat, schlug die Großmutter die Augen auf und lächelte sie an.

»Jetzt sieh nicht so besorgt drein«, schalt sie. »Ich hatte Kopfweh, und da Shirley wieder da war und sich um die Kleinen kümmern konnte, habe ich mich etwas hingelegt.«

Maureen nahm auf dem Bettrand Platz, wobei ihr die Gewissensbisse deutlich anzusehen waren. »Es tut mir leid. Ich sollte dich nicht so beanspruchen.«

»Papperlapapp«, erklärte die Großmutter entschieden und bedachte sie mit einem bösen Blick. »Wie sähe denn mein Leben ohne dich und die drei Kinder aus? Wenn es euch nicht gäbe, würde ich vor Langeweile sterben, das weißt du genauso gut wie ich. Vor allem fühle ich mich jetzt schon wieder deutlich besser, also mach kein solches Aufheben um mich, mein Schatz.«

»Du solltest trotzdem mal zum Arzt gehen«, meinte die Enkelin, obwohl sie wusste, dass sie sich den Atem hätte sparen können.

»Wenn du es sagst«, gab ihre Gran zurück. »Auch wenn du dich wohl eher um Gordon sorgen solltest, weil er wieder mal so unvernünftig ist, das Holz zu hacken, was mit seinem Bein doch sicher nicht ungefährlich ist. Geh also schon mal runter, und ich komme sofort nach.«

Lächelnd gab Maureen der alten Dame einen Kuss auf die Wange. Sie war eine wirklich zähe alte Frau und würde, wie sie selbst immer sagte, lieber in den Sielen sterben als den lieben, langen Tag herumzusitzen und vor Langeweile zu vergehen. Sie war ihr Leben lang nie untätig gewesen, und anscheinend hatte ihre Enkeltochter diesen Fleiß von ihr geerbt, auch wenn sie es mit all der Arbeit neben ihrem kranken Mann und den drei Kindern vielleicht etwas übertrieb.

Als sie nach unten in die Küche kam, hatte der liebe Gordon bereits einen Stapel Holzscheite und Anzündholz vom Hof hereingeschleppt. Er lächelte sie an, und während eines kurzen Augenblicks war er wieder der Mann, in den sie sich verliebt hatte.

»Geht es Hilda gut, Liebes? Ich fand, sie sah ein bisschen blass aus, deshalb habe ich ihr vorgeschlagen, sich ein bisschen hinzulegen, und zu meiner Überraschung hat sie das dann tatsächlich getan.«

»Und mir zuliebe wäre sie sogar bereit, zum Arzt zu gehen. Was meiner Meinung nach das Beste ist. Wahrscheinlich bürde ich ihr einfach zu viel auf …«

»Aber sie ist keine Invalidin, und so würde sie auch nicht behandelt werden wollen. Sie war schon immer eine starke Frau, und daran wird sich auch nichts ändern, Maureen.«

Sie nickte zustimmend und lächelte ihn an. Heute wirkte er ungewöhnlich aufgekratzt, deswegen meinte sie: »Wir sind zu Peggys Weihnachtsfeier eingeladen …«

»Das ist nett. Warum gehen wir nicht für ein, zwei Stunden hin und nehmen die Kinder einfach mit? Das würde Shirley doch sicher gefallen, oder, Schatz?«

»O ja«, stimmte ihm das Mädchen strahlend zu. »Ich habe Tante Peggy und den kleinen Freddie wirklich gern. Fay nicht ganz so, aber Maggie ist in Ordnung – oder wenigstens viel netter als sie früher war.«

Der Vater runzelte die Stirn. »Hast du denn keine Freundinnen in deinem Alter, die du vielleicht gern mal zum Tee einladend würdest?«

»Darf ich, Mum?«, wandte sich Shirley an Maureen. »Ich würde sehr gern mal Carol Brooks und ein paar andere Freundinnen aus der Schule einladen – falls das nicht zu viel Mühe macht.«

»Das wäre wirklich schön«, erwiderte Maureen und freute sich, als sie die Kleine lächeln sah. »Am besten in der Woche vor den Weihnachtsferien. Dann stellen wir einen kleinen Baum auf, falls wir einen kriegen, dekorieren die Küche, besorgen ein paar kleine Geschenke, und ihr könnt Scharade oder irgendwelche anderen Spiele spielen.«

Die Tochter strahlte, und auch Gordon schien sich über diesen Vorschlag sehr zu freuen. Warum nur war Maureen nicht selbst auf die Idee gekommen? Vielleicht dachte sie in letzter Zeit ja tatsächlich viel zu viel an ihre Läden, doch solange Gordon nicht mehr Arbeit übernehmen konnte, hatte sie nun einmal keine andere Wahl.

»Okay, und jetzt hilf deiner Mutter mit dem Mittagessen«, sagte er, und sofort sprang das Mädchen auf. »Und nach dem Essen, Maureen, gibt es ein paar Dinge, über die ich mit dir reden muss.«

*

Rose fing an zu kichern, als der junge Mann in Uniform über die Straße kam und grüßend die Hand an seine Mütze hob.

»Aber hallo, Captain Barton«, zog sie ihn gutmütig auf.

»Red doch keinen Unsinn«, bat er sie mit einem Lächeln, denn er liebte ihren Spott. »Weiter als zum Private habe ich es bisher schließlich nicht gebracht. Ich habe jetzt den ersten Teil der Ausbildung beendet, und nach meinem Urlaub schicken sie mich an die Front, aber befördert haben sie mich ja noch nicht.«

»Das wird auf jeden Fall noch kommen«, stellte sie mit einem Blitzen in den Augen fest. »Ich gehe sicher davon aus, dass du es bald zum Captain bringen wirst.«

»Du hast dich nicht verändert.« Anerkennend ließ er seinen Blick an ihr hinunterwandern, und dann fragte er sie das, was er sie gleich nach seiner Rückkehr hätte fragen wollen. »Bist du nun mit Jimmy verheiratet?«

»Er kommt erst Weihnachten zurück. Dann gehen wir aufs Standesamt, und Peggy richtet eine kleine Feier für uns aus. Eine Hochzeit in der Kirche ganz in Weiß wäre vielleicht nicht passend, denn wenn Jimmy Urlaub hat, lebt er schließlich schon jetzt mit mir in deinem Haus.«

»Aber du hättest eine Hochzeit ganz in Weiß auf jeden Fall verdient, und wenn du mich genommen hättest, hätte ich darauf bestanden, dich in einem wunderschönen Hochzeitskleid zu sehen.«

»Vielleicht entscheide ich mich ja noch einmal um«, zog Rose ihn auf, obwohl es sie ein bisschen traurig machte, dass es Jimmy reichte, wenn sie seinen Ring am Finger trug. Trotzdem liebte sie nur Jimmy, und im Grunde glaubte sie eigentlich nicht, dass der ein paar Jahre jüngere Tom sie liebte, und vor allem würde er für sie für alle Zeit der nette Junge bleiben, den sie beim Besuch des Lebensmittelladens aufgezogen hatte, auch wenn er inzwischen durch und durch erwachsen war. »Aber nun muss ich erst mal –«

Bevor sie ihren Satz beenden konnte, kam ein kleiner Junge, dicht gefolgt von Peggys Enkeltochter Maggie und deren Mutter, aus dem Hof des Pubs gestürzt. Janet packte ihre Tochter, Freddie aber lief mit einem aufgeregten Kichern weiter bis zu Rose. Sie fing ihn lachend auf, hob ihn schwungvoll über den Kopf, sah zu ihm auf und stellte fest, dass er infolge der gelungenen Flucht durchaus mit sich zufrieden war.

»Die beiden haben sich mit Fay gezankt«, erklärte Janet ihr erschöpft. »Maggies Kindergarten hat bis Januar zugemacht, und wenn die drei zusammen sind, gibt es alle fünf Minuten Streit. Sie haben sich mal wieder gegen Fay verbündet, weil sie manchmal echt gemein sein kann.«

»Oje.« Rose hob die Brauen an.

Danach wandte sie sich an Tom, als Freddie sich in ihren Armen wand, um abermals zu fliehen. Er schnappte sich den Kleinen, hob in hoch, und sofort wurde Freddie still und sah ihn neugierig mit seinen sanften grauen Augen an. Dann fuhr er ihm mit seinen kleinen Händen durchs Gesicht und sagte ehrfürchtig: »Sol…at.«

»Du musst dem Captain salutieren«, forderte Rose ihn schelmisch auf, und kichernd legte Freddie eine Hand an seine Stirn, denn dieses ganz besondere Spiel hatte sie schon des Öfteren mit ihm gespielt. Seit Peggys Mann im Sanatorium war, besuchte Rose ihre Freundin wieder häufiger in deren Pub. Mitunter half sie abends in der Wirtschaft aus, doch meist vertrieb sie sich die Zeit mit Kaffee oder einem leckeren Kakao, plauderte mit Janet oder spielte mit den Zwillingen, wenn Peggy bei der Arbeit war. Sie mochte Freddie lieber als die kleine Fay, obwohl sie sie das niemals hätte spüren lassen, aber der kleine Junge hatte neben einem ausgeprägten Sinn fürs Abenteuer ein sehr freundliches und umgängliches Wesen und erinnerte sie oft an ihren kleinen Bruder und die glücklichere Zeit, bevor ihr Vater angefangen hatte, die Familie zu hassen, und zum Mörder seiner eigenen Frau geworden war.

»Captain Tom …«, brabbelte Freddie, und Tom grinste, denn von nun an würde er für Freddie sicherlich für alle Zeit ein Captain sein.

»Du bist ein freches Luder, Rose«, schalt er sie scherzhaft, weil er wusste, dass sie Spaß verstand. »Und dich bringen wir jetzt nach Hause«, wandte er sich an das Kind, das lachend nach dem Barett, das auf seinem Kopf saß, griff. »Schön, dass wir uns getroffen haben, Rose.«

»Schön, dass du wieder da bist«, antwortete sie, ehe sie winkend weiterging. Sie mochte Tom und hatte ihn schon immer gerngehabt. Vielleicht zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort … Ihr Herz aber gehörte seit dem ersten Treffen Jimmy, auch wenn sie ihm das nicht sofort hatte zeigen können, weil er sich nicht hatte binden wollen. Nachdem bereits so viele Männer nicht mehr aus dem Krieg zurückgekommen waren, hatte er das Schicksal nicht herausfordern und sich verlieben wollen, doch nachdem sie sich dann über Monate hinweg geschrieben hatten, hatte er ihr plötzlich einen Verlobungsring geschenkt. Sie hatte seinen Antrag angenommen und gedacht, es würde mit der Eheschließung nicht mehr lange dauern, Jimmy hatte allerdings ein besonderes Training bei der Truppe absolvieren müssen, weshalb bisher nicht die Zeit dafür gewesen war. Mittlerweile war das Standesamt aber gebucht, sie würden kurz vor Weihnachten getraut, und nach einer kurzen Hochzeitsreise ginge es für Jimmy nach dem Abschluss seines Lehrgangs abermals nach Übersee.

Rose hatte wissen wollen, worum es bei der Ausbildung gegangen war, das hatte Jimmy jedoch nicht verraten dürfen, und sie wusste nur, dass er befördert worden war und die Uniform des Captains ihm ganz ausgezeichnet stand. Im Grunde aber fuhr sie wegen seines hohen Rangs inzwischen regelmäßig furchtsam aus dem Schlaf hoch, weil er aus ihrer Sicht als Captain Arbeiten verrichten musste, die in höchstem Maß gefährlich waren. Ihretwegen hätte er auch einfach Sergeant bleiben können, wenn er dafür sicher wäre, doch sie wusste, dass er zur Armee gegangen war, um seinem Land zu helfen, und auch wenn er nicht darüber reden durfte, würde er mit seiner neuen Tätigkeit genau das tun.

Sie selbst wollte bloß, dass er nach Hause käme, um mit ihr aufs Standesamt zu gehen, und dass endlich wieder Frieden wäre, aber auch wenn manche Leute sagten, dass ein Ende des verdammten Krieges abzusehen wäre, fielen noch immer Bomben auf die Städte ihres Heimatlandes, und sie hatte Angst, dass Hitler längst noch nicht geschlagen war.

*

Captain Jimmy Morgan salutierte seinem Kommandeur und fragte sich, was er verbrochen hatte, um von seinem Vorgesetzten einbestellt zu werden, doch das Sprengstofftraining war hervorragend verlaufen, und sein Ausbilder hatte versprochen, ihn in seinem Bericht deswegen lobend zu erwähnen.

»Ah, Morgan.« General Cowdrey salutierte ebenfalls. »Vielen Dank, dass Sie so prompt erschienen sind. Ich wollte kurz mit Ihnen über einen Auftrag sprechen, den wir für Sie haben und der wirklich wichtig ist.«

Jimmys Nackenhaare sträubten sich. Anscheinend hatten jetzt auch seine Vorgesetzten mitbekommen, dass er gut mit Sprengstoff umgehen konnte und ein hohes Maß an Geistesgegenwart besaß.

»Ich bin zu allem bereit, Sir«, antwortete er, obwohl er gleichzeitig an Rose und die geplante Hochzeit dachte, zu der es nun sicher nicht mehr käme, weil er spürte, weshalb er um das Gespräch gebeten worden war. Er hätte Rose niemals versprechen sollen, mit ihr aufs Standesamt zu gehen, denn ihm war klar gewesen, dass daraus nichts würde, aber sie war einfach reizend, und er hätte ihr alles Mögliche vorgeflunkert, nur damit sie glücklich war.

»Sie kennen das Ausmaß der Zerstörung, das durch die V2-Raketen angerichtet wird?«, fragte der General, und Jimmy nickte stumm. »Wir haben versucht, ihre Fabriken aus der Luft zu bombardieren, aber das ist nicht leicht, und jetzt haben wir unserer Meinung nach eine Geheimfabrik entdeckt, in der sie die verdammten Dinger produzieren. Und dabei kommen Sie ins Spiel. Wir brauchen Sie und noch zwei andere freiwillige Sprengstoffspezialisten, die im Schutz der Dunkelheit mit Fallschirmen dort landen, um das Werk dann in die Luft zu jagen – glauben Sie, dass das zu schaffen ist?«

»Wenn Sie mich das fragen, glauben Sie anscheinend, dass das möglich ist«, gab Jimmy ruhig zurück, obwohl ihm ein kalter Schauder über den Rücken lief. Natürlich war dem Bastard klar, dass dies ein unmöglicher Auftrag war und ihre Chancen, lebend wieder heimzukommen, eher bescheiden waren. »Aber ich selbst kann das erst beurteilen, wenn ich Einzelheiten weiß.«

»So ist es recht«, erklärte ihm der General jovial, und Jimmy hätte ihm sein gönnerhaftes Lächeln gern mit seiner Faust aus dem Gesicht gewischt. »Sie erhalten vor dem Einsatz übermorgen selbstverständlich noch genaue Anweisungen, und genauso selbstverständlich suchen Sie sich Ihre Leute selbst aus.«

Jimmy atmete tief durch. »Vielen Dank für Ihr Vertrauen, Sir … aber darf ich Sie etwas fragen?«

Sein Vorgesetzter nickte knapp.

»Wie wollen Sie uns dort wieder rausholen?«

»Gar nicht, fürchte ich«, gestand der General, und seine Miene wurde ernst. »Deswegen brauchen wir für diesen Job auch einen unverheirateten Mann. Vom Ort des Anschlags müssen Sie versuchen, bis zur Schweizer Grenze zu gelangen, und wenn Sie es bis dorthin schaffen und sie überqueren, holen wir Sie heim. Aber ich will ganz ehrlich sein … Sie kommen vom Ort des Anschlags sicher nicht mehr weg …«

»Dann schicken Sie uns also auf ein Himmelfahrtskommando?«, vergewisserte sich Jimmy, wobei ihm die Verbitterung deutlich anzuhören war.

Zum ersten Mal verzog sein Vorgesetzter, der sich offenkundig unbehaglich fühlte, das Gesicht. »Die Sprengstoffausbildung war freiwillig und nur für Männer, die keine Familien haben. Daraus hätten Sie schließen müssen, dass Sie einen solchen Auftrag kriegen könnten – auch wenn Sie natürlich niemand zwingen kann.«

Jimmy zögerte. Wie hatte er so dumm sein können, nicht sofort zu erkennen, warum bloß alleinstehende Männer zu den Sprengstoffkursen zugelassen worden waren? Das hieß, am besten sagte Rose die Hochzeit wieder ab.

»Sie wissen selbst, dass ich den Auftrag annehmen muss. Solange Deutschland diese Waffen hat, sind Menschen, die ich liebe, in Gefahr. Jemand muss die weitere Produktion verhindern – und in meiner Gruppe gibt es niemand Besseren als mich.« Das war die Wahrheit und der Grund, warum die Wahl auf ihn gefallen war, und trotzdem tat ihm der Gedanke, dass er Rose wahrscheinlich niemals wiedersehen würde, in der Seele weh.

»Genau.« Der General gab ihm die Hand. »Ich musste Ihnen gegenüber völlig ehrlich sein, Morgan, aber ich glaube fest an Sie. Ich glaube, dass Sie diese Aufgabe erfüllen werden – und auch wenn die anderen es für ausgeschlossen halten und ich ebenfalls nicht gerade zuversichtlich bin, kommen Sie von dort ja vielleicht doch noch einmal weg. Ich hoffe sehr, dass Sie unseren Zynismus Lügen strafen und zurückkommen.« Er salutierte Jimmy abermals.

Die schriftlichen Befehle in der Hand, wandte Jimmy sich zum Gehen. In zwei Stunden müsste er mit den von ihn gewählten beiden Männern zur Besprechung in den Konferenzraum, aber vorher schriebe er noch zwei Briefe an Rose. Den einen, in dem er sie um die Verschiebung ihrer Hochzeit bitten müsste, würde er ihr schicken – und den anderen würde man ihr übergeben, falls er während dieses Einsatzes ums Leben kam.

3

Janet sah sich in dem großen, freistehenden Haus in Hampstead um. Schon die Fassade hatte sie beeindruckt, und auch innen war es wunderschön. Einen so hübschen marmornen Kamin hatte sie noch nie zuvor gesehen, und der Fliesenboden im Foyer war wirklich elegant. Die bisherigen Eigentümer hatten beinahe alle Möbel mitgenommen, als sie zu Beginn des Krieges aus London weggezogen waren, weshalb es keine Betten, Sofas, Tische oder Stühle gab, doch ein paar große Stücke wie den Raumteiler, die zwei mit hübschen Schnitzereien versehenen Regale und die Einbauschränke oben hatten sie zurückgelassen, weil sie extra für das Haus gebaut und viel zu schwer gewesen wären, um sie zu transportieren.

»Brauchen wir denn ein so großes Haus?«, erkundigte sie sich, denn für das Esszimmer und den Salon bräuchten sie jede Menge Mobiliar, obwohl das kleine Wohnzimmer, durch das man in den Garten blickte, wirklich reizend war. Falls sie das Haus erwarben, würde dies ihr Zimmer werden, dachte sie, auch wenn sie mit dem Garten jede Menge Arbeit haben würde, weil er momentan die reinste Wildnis war. »Woher sollen wir all die Möbel nehmen, um die Räume einzurichten?«

»Wir könnten erst mal alte Möbel nehmen, und nach dem Krieg kannst du dir aussuchen, was du stattdessen haben willst«, schlug Ryan vor.

»Rosemary hat in dem Haus in Devon auch vor allem alte Möbel, und die fand ich echt schön. Aber bist du dir ganz sicher, dass du all die Sachen, die wir bräuchten, auch bekommst?«

»Auf jeden Fall.« Er lächelte sie an. »Mein Großvater hat mir ein Häuschen auf dem Land vererbt, das voll mit wunderbaren, alten Möbeln ist. Ich habe einen Interessenten für das Haus und könnte bestimmt auch das Mobiliar verkaufen, aber wenn du möchtest, fahren wir vorher hin, und du suchst dir die Stücke, die du haben möchtest, aus.«

»Du verwöhnst mich, Ryan. Ich hätte nie gedacht, dass du ein so prächtiges Haus für uns aussuchst.«

»Du bist es wert, mein Schatz. Ich weiß, dass wir bisher nur unsere Maggie haben, aber schließlich hoffe ich auf weitere Kinder – und dann wäre dieses Haus mit Sicherheit nicht mehr zu groß. Es hat fünf Schlafzimmer, und neben unserem Zimmer gibt es ein eigenes Bad und einen Raum zum Ankleiden, aber wenn wir erst mehr Kinder haben, kriegen wir die Zimmer bestimmt voll – und vielleicht will ja deine Mutter irgendwann mal zu uns ziehen …«

»Sie wird den Pub erst aufgeben, wenn sie dazu gezwungen wird … oder wenn Able kommt.« Mit einem Seufzer fügte Jan hinzu: »Es macht mich immer furchtbar traurig, wenn sie ihre Post durchsieht und wieder keinen Brief von ihm erhalten hat.«

»Vielleicht hat er ja ihre Briefe nie bekommen, weil sie schließlich keine Ahnung hatte, wohin sie sie hätte schicken sollen. Aber wenn er einmal hier war, kommt er ja vielleicht noch einmal wieder, wenn es möglich ist.«

»Was denkst du, wo er ist? Ich frage mich die ganze Zeit, ob er sie wirklich liebt. Ich meine, warum hat er nur die Karte durch den Briefschlitz in der Tür geworfen, ohne reinzukommen und zu sehen, wie es ihr geht?« Sie runzelte die Stirn. »Natürlich war es schlimm, dass Dad den Brief versteckt hat, in dem stand, dass Able lebt – aber wieso hat er meine Mutter nicht besucht, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden ist?«

»Er ist Amerikaner«, rief ihr Ryan mit nachdenklicher Stimme in Erinnerung. »Es kommt wahrscheinlich darauf an, ob er noch kämpfen kann – und schließlich haben wir keine Ahnung, wie schwer er verwundet war. Falls sie ihn halb tot aus dem Meer gezogen haben und er kaum noch wusste, wer er war, ist er vielleicht verstümmelt oder grauenhaft vernarbt.«

»Das wäre Mum egal. Sie liebt ihn und erinnert sich an ihn, sobald sie Freddie sieht. Selbst ich kann sehen, wie sehr er ihm ähnelt.«

Ryan nickte unglücklich. »Der Krieg ist eine Bestie, Jan, und deine Mum ist nicht die Einzige, die fürchterlich gelitten hat.«

»Ich habe deine Frau und deine Kinder nicht vergessen, Ryan«, meinte Janet, denn sie würde immer daran denken, wie er nach dem Tod seiner Familie zutiefst verzweifelt zu ihr in den Pub gekommen war. In dieser Nacht hatte sie ihn erst behutsam, aber später voller Leidenschaft geküsst, dann hatte sie sich jedoch entschieden von ihm losgemacht, denn schließlich hatte sie in jener Zeit noch Mike, der im Krankenhaus lag, gehabt.

»Nein, Ryan, nicht jetzt – und auch nicht so«, hatte sie ihm sanft erklärt. »Bitte halt mich nicht für lieblos, doch das wäre verkehrt. Du trauerst, und ich bin mir noch nicht sicher, was ich will. Aber so will ich es auf keinen Fall …«

Er hatte sie zornig angefunkelt, jedoch schließlich genickt. »Ich weiß, das wäre falsch. Aber du schickst mich hoffentlich wohl nicht endgültig weg?«

»Wir sollten abwarten und sehen, was passiert«, hatte sie geantwortet.

Inzwischen war Janet so weit, sich ihm zu öffnen. Sie hatte endlich ihren Ehering in eine Schublade gelegt und müsste Ryan nur noch sagen, dass sie sich bereits darauf freute, bald das Bett mit ihm zu teilen, denn mittlerweile wünschte sie sich, wenn sie schlafen ging, er läge neben ihr.

»Wann fahren wir zum Haus von deinem Onkel, um uns dort die Möbel anzusehen?«

»Wie wäre es mit nächstem Sonntag?«, schlug ihr Ryan vor. »Ich habe diesen Sonntag Dienst, aber der Sonntag drauf wäre perfekt, denn schließlich habe ich nach Weihnachten ein bisschen frei. Wie sieht es bei dir aus?«