Hohlbein Classics - Horrortrip ins Schattenland - Wolfgang Hohlbein - E-Book

Hohlbein Classics - Horrortrip ins Schattenland E-Book

Wolfgang Hohlbein

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Beschreibung

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe "Hohlbein Classics" versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Die Story: Der Angriff der Schattenreiter ist gescheitert. Der magische Bund der Dreizehn ist endgültig zerfallen, und die Armee der Dämonen muss sich zurückziehen, um nicht völlig aufgerieben zu werden. Aber sie haben Janice Land in ihr dämonisches Reich entführt - und Raven sieht nur eine einzige Chance, die Frau, die er liebt, zu retten. Er muss selbst in die tiefsten Tiefen der Hölle vordringen, muss den Schattenreitern in ihren ureigensten Bereich folgen und sich dem Herrn dieses unterirdischen Höllenreichs zum Kampf stellen. Raven wagt etwas, was noch kein Sterblicher vor ihm gewagt hat: Er dringt in das Schattenland vor. Sein verzweifeltes Unternehmen wird zu einer apokalyptischen Reise durch ein Alptraumland, zu einer bizarren Konfrontation zwischen Mensch und Dämon, zu einem Horrortrip ins Schattenland.

"Horrortrip ins Schattenland" erschien erstmals am 28.06.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe "Gespenster-Krimi".

Der Autor: Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

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Seitenzahl: 158

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Inhalt

CoverHohlbein ClassicsÜber diese FolgeÜber den AutorTitelImpressumHorrortrip ins SchattenlandVorschau

Hohlbein Classics

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe »Hohlbein Classics« versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Über diese Folge

Horrortrip ins Schattenland

Ein Gespenster-Krimi

Der Angriff der Schattenreiter ist gescheitert. Der magische Bund der Dreizehn ist endgültig zerfallen, und die Armee der Dämonen muss sich zurückziehen, um nicht völlig aufgerieben zu werden. Aber sie haben Janice Land in ihr dämonisches Reich entführt – und Raven sieht nur eine einzige Chance, die Frau, die er liebt, zu retten. Er muss selbst in die tiefsten Tiefen der Hölle vordringen, muss den Schattenreitern in ihren ureigensten Bereich folgen und sich dem Herrn dieses unterirdischen Höllenreichs zum Kampf stellen. Raven wagt etwas, was noch kein Sterblicher vor ihm gewagt hat: Er dringt in das Schattenland vor. Sein verzweifeltes Unternehmen wird zu einer apokalyptischen Reise durch ein Alptraumland, zu einer bizarren Konfrontation zwischen Mensch und Dämon, zu einem Horrortrip ins Schattenland.

»Horrortrip ins Schattenland« erschien erstmals am 28.06.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe »Gespenster-Krimi«.

Über den Autor

Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

WOLFGANG

HOHLBEIN

Horrortrip ins Schattenland

Ein Gespenster-Krimi Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Aktualisierte Neuausgabe der im Bastei Lübbe Verlag erschienenen Romanhefte aus der Reihe Gespenster-Krimi

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von © shutterstock/Natykach Nataliia; shutterstock/Dmitry Natashin

E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-7325-1416-8

Horrortrip ins Schattenland

Ein Gespenster-Krimi von Henry Wolf

Für einen winzigen, nicht messbaren Augenblick spürte Raven Schmerz. Um ihn herum war Schwärze, ein absolutes, leeres Nichts, das von etwas Schwärzerem als Dunkelheit erfüllt war. Er versuchte, sich zu bewegen, doch er hatte jedes Gefühl für seinen Körper verloren. Er wollte schreien, aber selbst das ging nicht. Eine tödliche, lähmende Kälte kroch langsam in ihm empor, und obwohl er jede Beziehung zu seiner Umgebung verloren hatte und seine Glieder und seinen Leib nicht fühlte, hatte er das sichere Empfinden, sich zu bewegen, mit irrsinniger Geschwindigkeit durch diese fremdartige, schreckenerregende Welt zwischen den Dimensionen zu rasen ...

Nach einer Ewigkeit begannen sich die substanzlosen Nebel vor ihm zusammenzuballen. Ein winziger roter Punkt erschien auf dem samtschwarzen Hintergrund, glühte auf, wurde zu einem flammenden, diabolischen Auge, das ihm mit gleichermaßen wachsamen wie spöttischen Blicken entgegenzustarren schien. Das Gefühl der Kälte wurde intensiver, überschritt die Grenze zum Schmerz und steigerte sich zur Qual.

Dünne, flimmernde Linien wuchsen aus dem roten Teufelsauge, verwoben sich zu einem asymmetrischen Spinnennetz und vergingen wieder. Er spürte, wie sich seine Geschwindigkeit steigerte, wie sein Gleiten zu einem irrsinnigen, nicht mehr zu bremsenden Sturz durch das Nichts wurde.

Langsam kroch ein neues Gefühl in ihm empor, gesellte sich zu der Kälte und seiner Verwirrung und begann seine Gedanken zu durchdringen: Angst.

Er versuchte sich zu erinnern, wie er hierhergekommen war, was ihn auf der anderen Seite dieses diabolischen Zwischenbereiches erwartete, aber hinter seiner Stirn war nichts als Chaos.

Der rote Fleck vor ihm wuchs beständig weiter. Er glaubte, vage Umrisse in dem wabernden Rot wahrzunehmen, aber das Bild vor seinen Augen verschwamm, sowie er sich darauf konzentrierte.

Erinnere dich an deinen Namen, wisperte eine Stimme in seinen Gedanken. Zuerst deinen Namen. Wer du bist. Was du bist. Alles andere kommt von selbst ...

Ein Trick, den sie ihm während seiner Spezialausbildung bei der Navy beigebracht hatten. Die sicherste Methode, wieder klar zu denken, wenn man einen Moment weggetreten war und die Orientierung verloren hatte. Aber diesmal funktionierte er nicht. Nicht vollständig wenigstens. Er erinnerte sich an seinen Namen: Raven. Und er glaubte sich zu erinnern, dass er durch ein Tor gegangen war. Tor? Nein, kein Tor im herkömmlichen Sinne, eher eine Barriere, die Grenze zu einem fremden, nicht für Menschen bestimmten Land, die für Sekundenbruchteile gefallen war.

Er stöhnte in Gedanken auf. Die Erinnerungen kamen zäh und widerwillig zurück. Es war das Tor ins ...

... Schattenland!

Aber im selben Moment, in dem der Begriff in seinen Gedanken entstand, explodierte der rote Punkt vor ihm, blähte sich zu ungeheurer Größe und Glut auf und streckte gierige, züngelnde Flammenarme nach ihm aus. Er spürte, wie seine Geschwindigkeit abermals wuchs. Unter der wogenden Oberfläche des roten Fleckes begannen sich Linien und Striche abzuzeichnen, als gerönne die Glut dort zu fester Materie. Er erkannte eine Höhle. Ein hoher, dreieckiger Raum, nach einer Seite hin offen, der Boden ein Haifischmaul voller gierig emporgereckter Felszähne und -speere.

Und er stürzte genau darauf zu!

Er tauchte in das flammende Rot ein und schrie gequält auf. Feuer schlug über seinem Körper zusammen, hüllte ihn ein und versengte jede einzelne Nervenfaser. Dann hatte er das Gefühl, durch eine gigantische, unsichtbare Glasscheibe zu fallen.

Er versuchte noch, sich im Sturz zusammenzukrümmen, um den Aufprall abzufangen, aber seine Reaktion kam viel zu spät. Er krachte auf den stahlharten Felsboden. Ein Felszacken zerfetzte seine Jacke und riss einen langen, blutigen Kratzer in seine Brust. Sein Kopf dröhnte. Irgendwo in seinem linken Bein pulsierte ein heißer, brennender Schmerz, und das Bild der Höhle verschwamm immer wieder vor seinen Augen.

Raven stöhnte. Seine Stimme hallte wie Hohngelächter an den feuchten, nach innen geneigten Felswänden wider. In seinen Ohren rauschte das Blut, und als er versuchte, sich aufzusetzen, zuckte ein wütender Schmerz durch seinen Rücken und ließ ihn wieder zurücksinken.

Aber er war bei Bewusstsein.

Er hatte etwas geschafft, was vorher noch keinem lebenden Menschen gelungen war: Er hatte das Schattenreich betreten. Ein Land, das nicht für Menschen gemacht war, in dem nichts Lebendes auf Dauer Bestand haben konnte.

Aber er hatte auch nicht vor, lange hierzubleiben.

Raven versuchte noch einmal, sich aufzusetzen. Wieder schien sich eine glühende Zange in seinen Rücken zu bohren, aber er biss die Zähne zusammen und ignorierte den Schmerz, so gut es ging.

Stöhnend richtete er sich auf. Seine Augen tränten vor Schmerz, die Umrisse der Höhle schienen hinter einem blutigen Nebel zu verschwimmen. Er griff nach oben, hielt sich an einer Felszacke fest und zog sich ächzend in eine sitzende Position empor. Sein Körper quittierte jede noch so winzige Bewegung mit Schmerzen, aber darauf konnte er jetzt nicht achten. Er lehnte sich ächzend gegen den kalten, feuchten Stein, schloss für einen Moment die Augen und begann dann, seinen Körper zu inspizieren. Er fühlte sich an, als hätte ihn jemand stundenlang mit Hämmern bearbeitet. Aber es war nichts gebrochen, und bis auf ein paar oberflächliche Kratzer und Schnitte und eine ansehnliche Sammlung blauer Flecke und Beulen war er in Ordnung.

Er zog die Beine an, biss die Zähne zusammen und versuchte aufzustehen.

Ein Geräusch ließ ihn erstarren.

Raven drehte sich vorsichtig um. Das Geräusch widerholte sich. Ein leises, zaghaftes Schaben, das an das Schleifen von Metall auf Stein erinnerte und ihn unerklärlicherweise beunruhigte. Seine Augen suchten angestrengt das Dunkel im hinteren Teil der Höhle ab.

Raven fuhr mit einem entsetzten Keuchen zurück, als er sah, was das Geräusch verursacht hatte ...

Er hatte geglaubt, es hier nur mit den Schattenreitern und ihrem geheimnisvollen Herrscher zu tun zu haben. Aber das war ein Irrtum.

Das Schattenland hatte noch andere Bewohner.

Und er stand einem von ihnen gegenüber ...

***

Zu Anfang hatte sie sich gegen den Griff der schwarzen Giganten gewehrt. Aber sie hatte schnell eingesehen, wie sinnlos das war. Die Schattenreiter mochten den Großteil ihrer Macht eingebüßt haben, aber sie waren einem normalen Menschen noch immer überlegen.

Janice stieß ein leises Wimmern aus, während die vier riesigen Dämonen sie durch den Korridor schleiften. Sie erinnerte sich nur schemenhaft daran, wie sie hierhergekommen war. Die Reise durch das seltsame Zwischenreich, das hinter dem magischen Tor gewartet hatte, war von Schmerzen und einem Gefühl intensiver Kälte erfüllt gewesen. Danach waren sie in eine große, von unirdischem rotem Licht erfüllte Halle gelangt, von der zahlreiche Gänge und Korridore abzweigten. Janice hatte versucht, sich den Weg bis hierher zu merken, aber die Dämonen hatten sie durch ein wahres Labyrinth von Gängen, Hallen und großen, leeren Räumen geführt. Sie hatte bereits nach wenigen Augenblicken die Orientierung verloren.

Seltsam war, dass sie bisher auf kein lebendes Wesen gestoßen waren. Das gigantische unterirdische Labyrinth schien vollkommen ausgestorben zu sein. Ein muffiger, abgestandener Geruch strömte aus Decke und Wänden, und die Luft schmeckte bitter und verbraucht. Janice fühlte sich unwillkürlich an das Innere einer riesigen Gruft erinnert. Aber in der zollstarken Staubschicht auf dem Boden waren die Spuren zahlreicher Füße, und von irgendwoher drang ein leises, monotones Dröhnen. Flackernder roter Lichtschein erhellte die Gänge. Die Schattenreiter erreichten eine wuchtige Holztür am Ende des Ganges und blieben stehen. Janice spürte, wie sich der Griff um ihre Handgelenke verstärkte.

»Keinen Laut jetzt!«, zischte der Dämon. »Du redest nur, wenn du angesprochen wirst. Verstanden?«

Janice nickte mühsam. Seit die Unheimlichen sie aus dem Gasthaus entführt hatten, war jeder Widerstand in ihr erloschen. Sie wusste, dass Gegenwehr hier, im ureigensten Reich der Dämonen, sinnlos war.

Der Dämon ließ ihr Handgelenk los und stieß sie grob vor sich her. Das Holztor öffnete sich lautlos, als sie darauf zutraten. Dahinter lag eine riesige, von einer Hand voll rußender Fackeln nur unzureichend erleuchtete Halle. Der Boden war mit kostbarem Mosaik ausgelegt, und an den Wänden reihten sich große, minutiös gearbeitete Reiterstatuen.

Aber an all dies verschwendete Janice nur einen flüchtigen Blick. Ihre Konzentration wurde völlig von der Gestalt im Hintergrund der Halle gefangen genommen. Sie konnte sein Gesicht durch die große Entfernung nicht deutlich erkennen, aber selbst so schrak sie zusammen, als sie seine Augen sah.

»Tritt näher, Janice Land«, sagte der Assassine.

Janice zögerte, aber ein harter Fauststoß in den Rücken ließ sie vorwärts taumeln. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus, stolperte ein paar Schritte auf den Thron des Alten zu und fiel auf die Knie. Hinter ihr erklang dumpfes, schadenfrohes Gelächter.

Der Assassine sorgte mit einer kaum merklichen Handbewegung für Ruhe.

»Schweigt«, sagte er. »Es gibt keinen Grund für euch zu lachen. Ihr habt versagt, schändlich versagt. Ich habe euch ausgeschickt, einen einzelnen Mann zu töten. Einen einzelnen, verwundbaren Menschen. Dreizehn von euch sind ausgezogen, und nur vier kommen zurück – ohne die gestellte Aufgabe gelöst zu haben.«

Er sprach nicht einmal laut. Aber der Tonfall, in dem er die Worte hervorbrachte, ließ Janice schaudern.

»Es war nicht unsere Schuld, Herr«, sagte einer der Dämonen kleinlaut. »Wir ...«

»Schweig, habe ich gesagt!«, donnerte der Assassine. Er stand mit einem Ruck aus seinem Sitz auf und funkelte die Schattenreiter wütend an. Janice konnte jetzt erkennen, dass er fast so groß wie seine dämonischen Diener war.

Sie versuchte, ihr Entsetzen für einen Augenblick zu vergessen, und zwang sich, den Assassinen genauer zu betrachten. Der Mann hatte das Gesicht eines Greises, aber den Körper eines jungen Gottes. Die Hände, die aus den weiten Ärmeln seines Umhanges hervorsahen, waren kräftig und stark, und seine Bewegungen zeugten von Geschmeidigkeit und jugendlicher Kraft.

Der Blick des Assassinen senkte sich und bohrte sich für einen Moment in ihre Augen. Janice stöhnte auf. Die Augen des Assassinen waren schwarz – vollkommen. Groß, dicht beieinanderstehend und ohne sichtbare Pupille oder Iris wirkten sie wie zwei bodenlose Schächte, die in den Schädel des Alten hineinführten. Das waren keine menschlichen Augen, sondern die Augen eines Ungeheuers!

»Nun zu dir.« Die Lippen des Alten verzogen sich zu einem dünnen, grausamen Lächeln. Er starrte sie sekundenlang wortlos an, sprang dann von seinem erhöhten Thron herunter und kam mit federnden Schritten auf sie zu. Sein langes weißes Haar umrahmte den kantigen Schädel wie ein im Wind flatternder Umhang.

»Ich hoffe, du bist dir der Ehre bewusst, Janice«, sagte er höhnisch. »Du bist die erste Sterbliche, die mein Reich betritt. Aber du wirst es nicht wieder verlassen.« Er lachte meckernd. »Jedenfalls wirst du dann nicht mehr die sein, die du warst.«

Janice schauderte. Sie wusste nicht genau, was der Alte mit seinen Worten gemeint hatte. Aber sie hatte das Gefühl, dass das, was der Assassine ihr zugedacht hatte, schlimmer sein würde als der Tod.

»Aber noch ist es nicht so weit«, fuhr der Alte im Plauderton fort. »Zuerst wirst du uns helfen, deinen Freund zu fangen.«

»Raven? Er ist – hier?«, entfuhr es Janice.

Der Assassine nickte triumphierend. »Er war dumm genug, dir zu folgen. Wir mussten uns nicht einmal die Mühe machen, ihm eine Falle zu stellen. Er ist freiwillig gekommen. Und du wirst mir dabei helfen, ihm endgültig das zuteilwerden zu lassen, was ihm gebührt.«

Janice wunderte sich fast selbst, woher sie den Mut nahm, dem Alten weiter ins Gesicht zu blicken. Sie schluckte schwer, schüttelte mühsam den Kopf und stand schwerfällig auf.

»Das glaube ich nicht«, sagte sie.

Der Alte lächelte böse. »So?«

»Du kannst mich nicht zwingen«, sagte Janice tapfer.

»Bist du sicher?«

Janice nickte. Ihre Finger zitterten so stark, dass sie die Hände gegen die Schenkel pressen musste, aber die Angst in ihrem Inneren wurde allmählich von Trotz verdrängt. »Du kannst mich vielleicht umbringen«, sagte sie, »aber du kannst mich nicht zwingen, dir dabei zu helfen, Raven zu töten.«

»Kann ich das nicht?« Der Alte machte eine beiläufige Handbewegung. Ein Schattenreiter trat hinter Janice, drehte ihr die Arme auf den Rücken und zwang sie erneut auf die Knie.

»Ich kann dich zwingen, zu was immer ich will«, sagte der Assassine ruhig.

Janice lachte trotzig. »Versuche es. Du kannst mich foltern, wenn du willst, aber ...«

»Das wird nicht nötig sein«, fuhr ihr der Assassine ins Wort. »Es gibt andere Methoden, einen Menschen gefügig zu machen. Bessere. Vor mir sind schon Männer auf den Knien gekrochen und haben mich angefleht, sie zu töten. Und du glaubst, mir widerstehen zu können?« Er lachte hoch und schrill und warf den Kopf in den Nacken. »Ich weiß nicht, was ich mehr bewundern soll, Janice – deinen Mut oder deine Dummheit«, fuhr er nach einer Weile fort. »Aber du brauchst dir keine Sorge zu machen – ich habe nicht vor, dich zu foltern.« Er schwieg einen Moment und ließ seinen Blick nachdenklich über Janiceʼ Körper gleiten. Seine unmenschlichen Augen schienen gierig aufzuflammen. »Dein Leib ist viel zu schön, um entstellt zu werden. Vielleicht«, erklärte er mit spöttischem Kichern, »finden wir noch eine bessere Verwendung dafür. Nein, Janice. Du wirst mir freiwillig helfen, diesen Narren zu vernichten. Und du wirst es sogar gern tun. Schon in wenigen Stunden wirst du meine treu ergebene Dienerin sein.« Er atmete hörbar ein, drehte sich dann mit einem Ruck um und ging zu seinem Thron zurück.

»Schafft sie fort«, befahl er barsch.

Janice wurde grob hochgerissen und mit einem unsanften Stoß in Richtung Tür getrieben.

»Bringt sie in die Halle der Särge«, befahl der Alte. »Danach kommt ihr wieder. Wir müssen noch einige Vorbereitungen treffen, um unseren Freund gebührend zu empfangen.«

***

Card atmete hörbar auf, als er den Laufsteg verlassen und das schwankende Deck der Fähre gegen das solide Kopfsteinpflaster des Hafens eingetauscht hatte. Die Überfahrt war stürmisch gewesen. Hohe Wellen hatten die kleine Fähre gründlich durchgeschüttelt und Ladung und Passagiere mehr als einmal durcheinandergeworfen, und Card hatte selbst jetzt noch das Gefühl, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen. Der Horizont schien immer noch vor ihm auf- und abzuhüpfen. Aus einer offen stehenden Lagerhalle wehte durchdringender Fischgeruch zu ihm herüber und ließ seinen gemarterten Magen vollends revoltieren.

Er verzog das Gesicht und schloss für einen Moment die Augen, aber dadurch wurde es auch nicht besser. Im Gegenteil.

»Mister Card?«

Card sah verwirrt auf und zog die Schultern zusammen, als ein eisiger Windstoß von der Seeseite aus in den Hafen fuhr und Menschen und Gebäude mit einem feinen Sprühregen eiskalten Salzwassers überschüttete. Vor ihm stand ein junger, schmalbrüstiger Mann mit kurz geschnittenem Haar und einer überdimensionalen Nickelbrille.

»Inspektor Card?«, wiederholte er.

Card nickte. »Stimmt. Sie erwarten mich?«

»Kemmler«, sagte der Junge und streckte Card die Hand entgegen. »Sergeant Kemmler, um genau zu sein. Ich soll Sie abholen, Sir.«

Card ignorierte die ausgestreckte Hand und betrachtete Kemmler stattdessen genauer. Der Junge kann höchstens zwanzig Jahre alt sein, schätzte er. Allerhöchstens. Sein Gesicht war von einer unnatürlichen, nervösen Blässe, und die übergroße Brille, die bei jedem anderen vielleicht komisch gewirkt hätte, gab seinen Augen einen seltsam melancholischen Ausdruck. Nicht der Typ des Polizisten, diagnostizierte Card. Dieser Junge passte vielleicht hinter einen Bankschalter oder in die Außendienstmannschaft einer Versicherungsgesellschaft, aber nicht hinter den Schreibtisch eines Kriminalbeamten.

»Ich nehme an, Sie sind mit dem Wagen da«, sagte Card knapp.

Kemmler nickte verwirrt und zog seine Hand zurück. »Ich – ja«, antwortete er unsicher. »Er steht gleich dahinten.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf einen dunkelblauen Ford, der direkt in der Hafeneinfahrt geparkt war. »Ich hole nur rasch Ihr Gepäck, und ...«

»Das ist unnötig«, unterbrach ihn Card. »Ich habe alles hier.« Er nahm seine Reisetasche auf, machte einen Schritt und sah den Sergeanten erwartungsvoll an. »Können wir?«

Kemmler blinzelte nervös und nickte dann hastig. »Sicher.« Er drehte sich um, griff in die Jackentasche und zog die Wagenschlüssel hervor. Card bemerkte, dass seine Finger vor Kälte zitterten. Wahrscheinlich hatte er schon eine geraume Weile in der beißenden Kälte gestanden und auf ihn gewartet. Card hatte die Fähre als letzter Passagier verlassen. Nicht dass ihn irgendetwas auf dem Boot fasziniert hätte – Card hasste Schiffe jeder Art, und Wassermengen, die über den Inhalt einer Badewanne hinausgingen, waren ihm zuwider –, aber er hatte vom Deck der Fähre einen ausgezeichneten Blick über die Insel. Und es gehörte zu seinen Gewohnheiten, sich möglichst viele Details seiner Umgebung einzuprägen, ganz egal, wo er war.

»Also«, sagte er, nachdem sie in den Wagen gestiegen und Kemmler den Motor angelassen hatte. »Was ist passiert?«

Kemmler sah überrascht auf. »Ich dachte, Sie ...«

Card brachte ihn mit einer raschen Handbewegung zum Schweigen.

»Natürlich weiß ich, was passiert ist. In groben Zügen. Aber Ihr Anruf war alles andere als klar«, erklärte er vorwurfsvoll. »Um genau zu sein, war er fast unverständlich. Fassen Sie Ihre Berichte immer so ab?«

Kemmler wurde noch eine Spur blasser und schluckte. »Normalerweise nicht«, sagte er nach einer Pause. »Aber – es ist viel passiert, was wir uns auch jetzt noch nicht erklären können. Außerdem«, fügte er trotzig hinzu, »sind Sie ja gekommen.«

Card lächelte humorlos. »Das lag weniger an Ihrem Bericht, junger Mann«, sagte er, wobei er das Wort Sergeant absichtlich vermied, »sondern daran, dass Mister Raven und ich gewissermaßen – Freunde sind.«

Kemmler legte den Gang ein und fuhr los. »Wenn das so ist, dann ist Ihr Freund in Schwierigkeiten«, sagte er, ohne Card anzusehen. Cards linke Augenbraue rutschte ein Stück nach oben. »Ach?«

Kemmler nickte. »Er ist verschwunden. Er und seine Verlobte. Spurlos verschwunden.«

»Sie verdächtigen ihn?«, fragte Card.

»Sagen wir, ich möchte mich mit ihm unterhalten. Ich und noch eine ganze Menge anderer Leute«, entgegnete Kemmler. »Immerhin war er der Letzte, der Inspektor Belders lebend gesehen hat.«