Ich hab´ dich lieb, kleines Brüderchen - Britta Frey - E-Book

Ich hab´ dich lieb, kleines Brüderchen E-Book

Britta Frey

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Beschreibung

Sie ist eine bemerkenswerte, eine wirklich erstaunliche Frau, und sie steht mit beiden Beinen mitten im Leben. Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Alle Kinder, die sie kennen, lieben sie und vertrauen ihr. Denn Dr. Hanna Martens ist die beste Freundin ihrer kleinen Patienten. Der Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Es gibt immer eine Menge Arbeit für sie, denn die lieben Kleinen mit ihrem oft großen Kummer wollen versorgt und umsorgt sein. Für diese Aufgabe gibt es keine bessere Ärztin als Dr. Hanna Martens! Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Dr. Jürgen Dornheim war ein äußerst sympathischer junger Mann von zweiunddreißig Jahren. Als ausgezeichneter Tierarzt hatte er sofort zugegriffen, als sich ihm die Chance bot, sich selbständig zu machen und eine eigene Tierarztpraxis zu überneh­men. Vor genau zwei Monaten war er nun in den Landkreis um Ögela und Wismor übergesiedelt und hatte die freigewordene Tierarztpraxis über­nommen. Natürlich waren seine junge Frau Marietta und seine siebenjährige Tochter Sybille gleich mit ihm gekommen. Gemeinsam lebten sie seit die­sem Tag in dem hübschen, am Wald­rand gelegenen Haus, in dem sich außer den privaten Räumen auch die Praxis befand. Sie hatten sich eigentlich alle schon recht gut in der neuen Umgebung eingewöhnt. Der junge Tierarzt bedauerte es nur, daß er sich gerade in dieser Zeit nicht so viel um seine keine Familie kümmern konnte, wie er es sich wünschte. Für ihn als neuen Mann im Landkreis gab es sehr viel zu tun und zu regeln. Mehr Zeit für die Familie hätte er sich gerade in dieser Zeit gewünscht, weil seine geliebte Marietta endlich, nach langer vergeblicher Zeit der Hoffnung, ihr zweites Kind erwartete. Schon in einigen Wochen würde es soweit sein, daß der neue Erdenbürger das Licht der Welt erblickte. Er würde in eine glückliche Familie, in einen blühenden Frühling hineingeboren werden. Wie an jedem Tag betrat Jürgen Dornheim nach Beendigung seiner Sprechstunden gegen Mittag seine Privatwohnung, um mit seiner Frau und seiner Tochter zu Mittag zu essen. »Hallo, mein kleines Mädchen«, begrüßte er zuerst liebevoll seine Tochter und wirbelte sie übermütig einige Male im Kreis herum. Erst nachdem er sie wieder auf den Fußboden gestellt hatte, kam er dazu, nun auch seine junge Frau zu begrüßen. Er wandte sich ihr zu und zog sie zärtlich an sich. »Wie geht es dir, Liebling?« fragte er fürsorglich. »Ist alles in Ordnung, auch mit unserem Sohn?«

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Kinderärztin Dr. Martens – 100 –Ich hab´ dich lieb, kleines Brüderchen

Jetzt wird es wieder schön bei uns

Britta Frey

Dr. Jürgen Dornheim war ein äußerst sympathischer junger Mann von zweiunddreißig Jahren. Als ausgezeichneter Tierarzt hatte er sofort zugegriffen, als sich ihm die Chance bot, sich selbständig zu machen und eine eigene Tierarztpraxis zu überneh­men. Vor genau zwei Monaten war er nun in den Landkreis um Ögela und Wismor übergesiedelt und hatte die freigewordene Tierarztpraxis über­nommen. Natürlich waren seine junge Frau Marietta und seine siebenjährige Tochter Sybille gleich mit ihm gekommen. Gemeinsam lebten sie seit die­sem Tag in dem hübschen, am Wald­rand gelegenen Haus, in dem sich außer den privaten Räumen auch die Praxis befand. Sie hatten sich eigentlich alle schon recht gut in der neuen Umgebung eingewöhnt. Der junge Tierarzt bedauerte es nur, daß er sich gerade in dieser Zeit nicht so viel um seine keine Familie kümmern konnte, wie er es sich wünschte. Für ihn als neuen Mann im Landkreis gab es sehr viel zu tun und zu regeln. Mehr Zeit für die Familie hätte er sich gerade in dieser Zeit gewünscht, weil seine geliebte Marietta endlich, nach langer vergeblicher Zeit der Hoffnung, ihr zweites Kind erwartete. Schon in einigen Wochen würde es soweit sein, daß der neue Erdenbürger das Licht der Welt erblickte. Er würde in eine glückliche Familie, in einen blühenden Frühling hineingeboren werden.

Wie an jedem Tag betrat Jürgen Dornheim nach Beendigung seiner Sprechstunden gegen Mittag seine Privatwohnung, um mit seiner Frau und seiner Tochter zu Mittag zu essen.

»Hallo, mein kleines Mädchen«, begrüßte er zuerst liebevoll seine Tochter und wirbelte sie übermütig einige Male im Kreis herum. Erst nachdem er sie wieder auf den Fußboden gestellt hatte, kam er dazu, nun auch seine junge Frau zu begrüßen. Er wandte sich ihr zu und zog sie zärtlich an sich.

»Wie geht es dir, Liebling?« fragte er fürsorglich. »Ist alles in Ordnung, auch mit unserem Sohn?« Sanft legte er seine Hand auf ihren gewölbten Leib.

»Es könnte nicht besser sein, Jürgen. Aber versteife dich nicht zu sehr auf einen Sohn. Ich habe es dir schon so oft gesagt. Es könnte ja durchaus ein…«

»Nichts sagen, Liebes. Was es auch wird, Hauptsache, es ist gesund. Ob Mädchen oder Junge, ich werde es genauso lieben wie unsere Sybille. Es ist für mich ein großes Wunder, daß uns noch einmal ein großes Glück zuteil wird. Du bist doch glücklich, nicht wahr?«

»Über alle Maßen, Jürgen. Ich kann an nichts anderes mehr denken. Wenn es nur schon bald soweit wäre.«

»Vati, wann bekomme ich denn endlich mein Hundebaby? Du hast es mir schon so lange versprochen.« Ungeduldig zupfte Sybille ihren Vater am Arm.

Jürgen Dornheim wandte sich seiner kleinen Tochter zu und fuhr ihr über das dunkle Haar.

»Es geht im Augenblick nicht, mein Schatz. Du weißt doch, daß wir in ganz kurzer Zeit ein Baby haben werden. Es ist dann nicht gut, wenn ein Tier hier in der Wohnung herumtollt. Du mußt also noch eine Weile abwarten, bis ich dir deinen Wunsch erfüllen kann. Du bist doch mein großes, verständiges Mädchen und verstehst, was ich dir damit sagen möchte, nicht wahr? Aber wenn ich Zeit habe nach meiner Nachmittagssprechstunde, zeige ich dir zwei niedliche Katzenkinder, die ein paar Tage hierbleiben müssen. So, und nun wollen wir erst einmal zu Mittag essen, ich muß anschließend zu einem Hausbesuch fahren. Komm, sei ein liebes Mädchen.«

»Ja, Vati«, antwortete Sybille leise und ging mit gesenktem Kopf in das kleine Eßzimmer hinüber und setzte sich auf ihren Platz.

Marietta und Jürgen blieben einen Moment allein zurück, und er sagte leise: »Eigentlich tut es mir leid, daß ich unserem Mädel seinen Wunsch noch nicht erfüllen kann, doch du hast es ja so gewollt.«

»Ja, ich habe es so gewollt, Jürgen. Du weißt selbst, wie gefährlich es sein kann. Wir haben uns so auf dieses Kind gefreut, ich will es durch nichts gefährden. Sybille wird ihre Enttäuschung schnell überwunden haben, wenn sie außerhalb der Wohnräume mit Tieren zusammenkommt. Gehen wir jetzt zu ihr, sonst wird das Essen noch kalt.«

»Einverstanden, Liebes.« Einen Arm um Mariettas Schulter gelegt, gingen sie beide zu Sybille hinüber.

Nachdem Marietta das Mittagessen aufgetragen hatte, verlief die Mahlzeit ziemlich schweigsam. Sybille sagte kein einziges Wort und stocherte nur unlustig auf ihrem Teller in den Speisen herum.

Marietta war mit ihren Gedanken so mit dem zu erwartenden Baby beschäftigt, daß es ihr zunächst überhaupt nicht auffiel. Jürgen sagte mahnend zu seiner Tochter: »Was ist los, Schatz, warum ißt du nicht? Hast du keinen Hunger, oder schmeckt es dir nicht?«

Kopfschüttelnd mahnte da auch Marietta: »Nun iß schon, Sybille, es wird ja alles kalt.«

»Ich habe überhaupt keinen Hunger, Mutti. Darf ich hinauf in mein Zimmer gehen?«

»Unsinn, daß du keinen Hunger hast, mein Kind. Versuche es wenigstens, es schmeckt sehr gut. Du magst doch sonst so gern Sauerkraut und Kartoffelpüree. Ich habe zum Nachtisch noch Götterspeise. In dein Zimmer kannst du, wenn wir alle fertig sind.«

»Ich mag aber nicht und will auch nicht, Mutti.« Mit trotzigen Blicken sah Sybille ihre Mutter an.

»Wie du willst. Aber komme mir nicht in einer halben Stunde an und sage, du hast Hunger.«

*

Es war später Nachmittag. Im Kinderzimmer saß ein kleines Mädchen und spielte mit seiner Lieblingspuppe. Aber an diesem Nachmittag war es, wie so oft in der letzten Zeit, nicht ganz bei der Sache. Das Herz des kleinen Mädchens war traurig.

Ja, Sybille war sogar sehr traurig. Nun war sie schon den ganzen Nachmittag in ihrem Zimmer, und nicht ein einziges Mal war die Mutti bei ihr gewesen und hatte nach ihr geschaut. Die Mutti dachte immerzu nur an das neue Baby. Für sie hatte sie überhaupt keine Zeit mehr. Mit sehnsüchtigen Augen sah Sybille immer wieder zur Tür. Nachdem noch eine Weile vergangen war, schob sie achtlos ihre Spielsachen zur Seite und verließ mit langsamen, zögernden Schritten das hübsch eingerichtete Kinderzimmer. Leise schlich sie förmlich die Treppe hinunter. Als sie die Wohnzimmertür aufschob, sah sie ihre Mutti. Sie saß zurückgelehnt in einem der bequemen Sessel und hatte die Augen geschlossen. Auf Zehenspitzen schlich die Siebenjährige zu ihrer Mutti hin. Gerade als sie die Hand hob, um am Arm ihrer Mutter zu zupfen, sah sie die Strickarbeit in deren Händen. Die Hand zuckte zurück. Sybilles Augen füllten sich mit Tränen. Was die Mutti auch machte, es war wieder nur für das neue Baby. Sybille fühlte sich auf einmal noch mehr alleingelassen. Die Mutti, der Vati, niemand hatte sie mehr lieb. Vati hatte keine Zeit mehr, und die Mutti dachte nur an ihr Baby. Es war überhaupt nicht mehr schön daheim. Plötzlich kam Leben in die zierliche Gestalt Sybilles. Mit einem Ruck drehte sie sich um und lief aus dem Zimmer hinaus. Aber dieses Mal achtete sie nicht darauf, besonders leise zu sein. Nein, ganz im Gegenteil, mit einem lauten Knall schlug sie die Tür zu. Während sich ihre Augen mit Tränen füllten, hastete sie wie gejagt die Treppe hinauf, zurück in ihr Zimmer.

Unten im Wohnzimmer wachte Marietta Dornheim durch das heftige Zuschlagen der Tür auf. Einen Moment wußte sie nicht so recht, durch was sie wach geworden war, dann wußte sie, es konnte nur irgendwo im Haus eine Tür oder ein Fenster zugeschlagen sein. Eigentlich sonderbar, denn es war doch überhaupt nicht windig draußen.

Wie lange habe ich wohl geschlafen? fragte sie sich und warf einen Blick auf ihre Uhr. Da hatte sie wahrhaftig länger als zwei Stunden geschlafen. Sybille, wo war das Mädel? Mein Gott, Sybille war den ganzen Nachmittag allein gewesen. Sie hatte sich nicht um sie gekümmert, sondern statt dessen geschlafen.

Schuldbewußt legte die junge Frau ihr Strickzeug zur Seite und erhob sich etwas schwerfällig, um nachzusehen, was ihr Mädel machte und wo es sich aufhielt.

In den unteren Räumen war Sybille nicht, so ging Marietta nach oben, um im Kinderzimmer nachzusehen. Als sie leise die Tür aufschob, atmete sie erleichtert auf, denn Sybille spielte mit ihrer Puppenstube. Wenn sie so friedlich spielte, hatte sie sie gewiß den Nachmittag über nicht vermißt.

»Na, mein Schatz, ich glaube, für heute hast du genug gespielt. Kommst du jetzt mit mir hinunter? Du warst heute überhaupt noch nicht an der frischen Luft.«

Ohne den Kopf zu heben, entgegnete Sybille: »Ich habe aber keine Lust, nach draußen zu gehen, Mutti. Ich möchte lieber noch ein bißchen spielen.«

»Du kannst morgen spielen, Schatz. Jetzt gehst du mit mir etwas an die frische Luft. Hast du noch immer keinen Hunger? Du hast heute Mittag doch kaum gegessen. Weißt du was, ich mache dir jetzt eine Tasse Kakao, und dazu ißt du ein Butterbrot.«

»Ich will aber nicht, Mutti. Ich will allein sein. Du hast ja den ganzen Nachmittag wieder keine Zeit gehabt. Du kannst ruhig nach unten gehen und weiter für das Baby stricken.«

»Sybille, was soll das?« Nun war Marietta doch betroffen.

»Es ist doch wahr, Mutti. Du denkst nur noch an das neue Baby. Für mich hast du keine Zeit mehr. Vati auch nicht. Er hält noch nicht einmal sein Versprechen. Dabei habe ich mich so sehr darauf gefreut, endlich ein kleines Hundebaby zu bekommen.«

»Vati hat dir doch erklärt, warum du noch etwas Geduld haben mußt, Sybille. Du mußt vernünftig sein. Du bist fast sieben Jahre alt und kommst im Herbst zur Schule. Und jetzt komm, sonst werde ich ernstlich böse mit dir.«

»Ja, Mutti.« Mit gesenktem Kopf erhob sich Sybille und folgte ihrer Mutti nach unten. Doch sie blieb an diesem Tag für die restlichen Stunden sehr scheu und in sich verschlossen.

In den folgenden Tagen spürte Marietta Dornheim immer deutlicher, daß es nun bald soweit sein würde. Es war für sie ganz normal, daß sie sich noch mehr als vorher mit dieser Erwartung beschäftigte. Es kam ihr aber überhaupt nicht zu Bewußtsein, daß sie dabei ihre kleine Tochter vernachlässigte. So fiel es ihr auch nicht auf, daß Sybille noch stiller, noch scheuer wurde. An einem der Abende, als sich der neue Erdenbürger wieder besonders bemerkbar machte, sagte Marietta zu ihrem Mann: »Ich denke, wir sollten morgen im Laufe des Tages Mutter anrufen, daß es bald soweit ist und wir Sybille zu ihr bringen.«

»Schön, Liebes. Sollten wir nicht noch ein paar Tage abwarten? Du hast doch noch über eine Woche Zeit bis zu deinem Stichtag.«

»Das stimmt schon, Jürgen. Ich muß aber damit rechnen, daß unser Kind ein paar Tage früher kommt. Wenn das geschieht, möchte ich, daß Sybille versorgt ist.«

»Gut, ich werde gleich morgen früh mit Mutter sprechen und es anschließend Sybille sagen.«

*

Clara Ponge war eine kleine, mollige Frau von sechsundfünfzig Jahren. Das kurzgeschnittene dunkle Haar zeigte noch keine graue Strähne und umrahmte ein gütiges Gesicht mit warmen dunklen Augen.

Clara Ponge, Marietta Dornheims Mutter, lebte in einem kleinen Einfamilienhaus am Rande von Lüneburg. Zuerst war sie nicht so begeistert davon gewesen, als Marietta mit ihrem Mann und der kleinen Sybille aus der Stadt fortgezogen war. Sehr einsam hatte sie sich gefühlt. Aber um nichts in der Welt hätte sie ihr eigenes Heim und damit ihre Selbständigkeit aufgegeben. Dabei hatten Marietta und Jürgen es lange genug versucht. Aber schließlich war Lüneburg ja nicht aus der Welt, und die Kinder konnten sie immer besuchen kommen.

Es war am Donnerstagmorgen, noch sehr früh, als plötzlich das Telefon ­läutete. Aufgeregt nahm sie den Hörer ab.

»Ponge«, meldete sie sich.

»Guten Morgen, Mutter, ich bin es, Marietta. Ich habe dich doch nicht aus dem Bett geholt?«

»Aber nein, Mädel. Du weißt doch, daß ich Frühaufsteherin bin. Bedeutet dein Anruf, daß es bald soweit ist?«

»Ja, Mutter, in ungefähr einer Woche. Ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob es dir recht ist, wenn Jürgen schon heute gegen Abend Sybille bringt.«

»Natürlich ist es mir recht, Marietta. Ich freue mich schon auf mein Mäuschen. Du weißt ja, daß Sybille hier bei mir gut aufgehoben ist. Wir werden uns schöne Tage machen. Wie geht es dir denn? Hast du große Schwierigkeiten?«

»Die üblichen, Mutter. Natürlich kann ich mich nicht mehr sehr gut bewegen. Aber es ist ja nur noch für eine kurze Zeit. Dann ist alles vorbei. Ich kann es kaum noch erwarten, endlich mein Kind in den Armen halten zu können. Du weißt ja, wie glücklich es mich macht, jetzt, nach sieben Jahren noch einmal Mutter zu werden. Wir sind darüber alle sehr glücklich.«

»Ich freue mich ebenfalls, Marietta. Sag Sybille, daß ich schon auf sie warte. Es ist alles für ihren Aufenthalt bei mir vorbereitet.«

»Ich werde es ihr sagen, Mutter. Im Augenblick schläft sie noch. Sie weiß noch nicht, daß Jürgen sie schon heute zu dir bringt. Aber ich möchte das Mädel versorgt wissen, wenn ich plötzlich und unerwartet in die Klinik muß. Also, mach’s gut, Mutter.«

»Du auch, du auch. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, daß du es bald und gut überstanden hast. Meine besten Wünsche begleiten dich.«

»Danke, Mutter, und paß mir gut auf mein Mäuschen auf.«

*

Sybilles Verschlossenheit an diesem Morgen hatte einen Grund. Als das Mädchen wach wurde und nach unten ging, hörte es gerade noch die Mutti sagen: »Es ist nun mal so, daß wir das Mädel in der kommenden Zeit hier nicht brauchen können.« Hier nicht brauchen können, diese Worte trafen die Siebenjährige wie ein Schlag und gruben sich sofort in ihr kleines Herz ein. Vati und Mutti konnten sie nicht brauchen. So war es also. Als dann völlig unverhofft der Vati vor ihr stand, war es eine ganz normale Reaktion, daß es vor einer liebevollen Be­rührung zurückwich.

Marietta Dornheim bemerkte sofort, daß mit Sybille etwas nicht in Ordnung war. Sie schob es jedoch noch immer der Enttäuschung Sybilles vom vergangenen Tag zu und stellte keine Fragen. Sie überging ihr Verhalten und sagte weich: »Guten Morgen, Sybille, wir beide frühstücken jetzt zusammen, und danach möchte ich mit meinem großen Mädchen sprechen. Deine Milch steht schon bereit, ich mach dir noch dein Butterbrot. Was soll ich dir auf deine Schnitte geben? Marmelade, Wurst oder Käse? Ein weichgekochtes Ei habe ich auch noch für dich.«

»Nur Marmelade, Mutti, und ein Ei möchte ich heute auch nicht.«

»Wie du möchtest, mein Schatz.«

Als Sybille wenig später fertig war, griff Marietta Dornheim über den Tisch hinweg nach Sybilles Händen. Obwohl diese ihr ihre Hände entziehen wollte, ließ Marietta es nicht zu und sagte eindringlich: »Du mußt mir jetzt einmal genau zuhören, mein Mädel, und du mußt vernünftig sein. Ich habe heute morgen schon mit der Omi telefoniert.«

»Kommt Omi uns besuchen?« In Sybilles Augen erschien ein erwartungsvolles Leuchten. Aber im nächsten Moment erlosch es, als Marietta sagte: »Nein, die Omi kommt nicht zu uns. Vati wird dich heute, wenn seine Sprechstunde zu Ende ist, nach Lüneburg zur Omi bringen. Du darfst so lange bei ihr bleiben, bis ich mit unserem Baby wieder aus der Klinik nach Hause komme. Freust du dich nicht darüber, daß du bei der Omi bleiben darfst? Du hast die Omi doch lieb, nicht wahr?«

»Ja, Mutti, ich habe die Omi lieb. Wenn Vati will, dann kann er mich auch sofort zur Omi bringen. Wenn ihr mich hier nicht brauchen könnt, ist es sowieso egal.«

»Aber Mädel, du mußt das doch verstehen. Es ist doch nur, bis das Baby da ist. Sieh mal, wenn ich plötzlich in die Klinik muß, bist du noch viel zu klein, um allein hier im Haus bleiben zu können. Manchmal geht so etwas sehr schnell. Bei der Omi bist du gut aufgehoben. Also, kann ich mich darauf verlassen, daß du mein großes, vernünftiges Mädchen bist?«

»Ja, Mutti. Darf ich jetzt nach oben gehen und spielen?«

»Geh nur, Sybille. Ich räume hier nur auf, danach komme ich zu dir. Gemeinsam packen wir dann deinen Koffer. Du kannst dir ja inzwischen schon mal die Spielsachen zurechtlegen, die du mit zur Omi nehmen möchtest. Einverstanden?«

»Ja, Mutti«, entgegnete Sybille leise und mit gesenktem Kopf. Hastig entzog sie ihrer Mutter ihre Hände und war einen Moment später aus der Küche verschwunden.

Kopfschüttelnd sah Marietta hinter ihrer Tochter her. Sie war ein wenig ratlos.

Verhielten sich Kinder immer so eigenartig, wenn in einer Familie Nachwuchs erwartet wurde? Oder verhielt sie sich dem Mädchen gegenüber nicht richtig?

*

Jürgen Dornheim fand an diesem Tag keine Zeit, seine Mittagspause wahrzunehmen.

Erst nachdem seine Nachmittagssprechstunde vorüber war, betrat er wieder seine Privatwohnung.

Seine erste Frage galt wieder dem Befinden seiner jungen Frau, die müde und abgespannt wirkte.

»Du sollst dich doch nicht übernehmen, Liebes. Was du im Augenblick nicht schaffen kannst, laß einfach liegen, bis ich dafür Zeit habe.« Besorgt umfaßte er ihre rundlich gewordene Figur.