Ich hatte sie fast alle! - Paul Sahner - E-Book

Ich hatte sie fast alle! E-Book

Paul Sahner

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Beschreibung

Auf Samtpfoten durch die Promiwelt!

Das letzte Buch des berühmten Promireporters und Bestsellerautors!

Ihm offenbarten die Stars ihre intimsten Geheimnisse – Paul Sahner. Viele Namen wurden ihm während seines ereignisreichen Lebens gegeben: Reporterlegende, Menschenöffner, Gottvater der Intimbeichte. Kein Wunder, denn mit seiner samtenen Stimme und seinem fuchsigen Blick gelang ihm in Interviews, wovon alle Journalisten träumen: dass Menschen zu ihm Vertrauen fassten und Einblick in ihr Innerstes gewährten, egal ob sie Udo Jürgens, Michael Jackson oder Dalai Lama heißen.

In Sahners persönlichstem Buch offenbart er seine eigenen Geheimnisse und gewährt tiefe Einblicke hinter die Kulissen des People-Journalismus. Und endlich findet er selbst seinen Meister: Sahners Katze Socki nimmt ihm höchstpersönlich die Beichte ab – über Promis, Medien, Frauen, Zeitsignale.

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Seitenzahl: 470

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Für die Mitarbeit und Unterstützung bei der Texterfassung danken Verlag und Autor Herrn Thomas Veszelits.

Das Buch »Merci, Udo!«, aus dem ab »Mein ›kleiner Freund‹ entscheidet« zitiert wird, erschien 2015 im Herder Verlag, Freiburg im Breisgau. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.

Das Interview mit Maxim Biller erschien 2002 in der Zeitschrift MAX.Vielen Dank auch an Herrn Biller für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.

1. Auflage© 2015 by Blanvalet Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbHRedaktion: Angela KuepperUmschlaggestaltung: www.buerosued.deUmschlagmotiv: Christian Affonso GavinhaSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-16190-3www.blanvalet.de

Wie immer: für Martina

Inhalt

Vorwort Wer ist der Schönste?

Ich, Chef!

Was bin ich? Eine Qualitätskatze!

Sanitätssoldat Sahner meldet ungehorsam

»King of Diktiergerät«

Je jünger, desto besser

Unkenspiele

Panik in Budapest: Woody Allen in Todesangst

Hausverbot bei Königin Silvia von Schweden

Der Fluch von Lampedusa

Wunderheiler sterben früh

Lippenbekenntnisse des schönsten Mannes der Welt

Sind Sie glücklich, Sophia?

Die Polizistin

Ziemlich echte Freunde

Lieben Sie Paule?

Sexsymbol trifft Gottkönig

Ihn umgab ein großes Strahlen

Rache: Boris wollte mich im Starnberger See ertränken

Ein denkwürdiges Interview

Die bitteren Tränen des Papstes Benedikt XVI.

Chablis, Calvados und Cola Light

Gut geplanscht, Herr Minister?

Der goldene Tipp

Socki wird TV-Kritikerin

Wärst du besser Polizeireporter geblieben …

Der Kaiser und sein Harem

Mein Baby haut mich um

Ein netter Mensch wird kein Weltmeister

Das Parfüm und der Dieb

Nachwort

Nachwort des Verlags

BILDTEIL

Bildnachweis

VorwortWer ist der Schönste?

Alles begann mit einer Gegendarstellung.

Am Montag, dem 9. Juni 1975 schlug ich den neuen SPIEGEL auf. Es war mein Schicksal, im Heft Nr. 24 auf Seite 148 über folgende Personalie zu stolpern:

Peter Boenisch, 48, Top-Manager in Axel Springers Führungskorps und Deutschlands hübschester Kolumnist, errang einen forensischen Teilerfolg. Die Kleine Strafkammer 1 des Hamburger Landgerichts reduzierte vergangene Woche eine vom Hamburger Amtsgericht gegen Boenisch wegen Beleidigung verhängte Geldstrafe von 6000 Mark auf die Hälfte. Boenisch hatte in einer »Bild am Sonntag«-Kolumne einen niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordneten »Armleuchter« geheißen; jedoch nicht, wie das Amtsgericht annahm, »im Sinne von Arschloch«, sondern, wie jetzt die Strafkammervorsitzende Hella Lilie begründete, »in des Wortes milderer Bedeutung, etwa wie trübes Licht«.

Großartig. Diese Meldung las ich auf dem Balkon meiner damaligen Wohnung im Münchner Stadtteil Lehel, nur einen Katzensprung von der noblen Maximilianstraße entfernt. Die Mittagspause in der Sonne gehörte zu meinem entspannten Lebensstil, genauso wie das Tiroler Nussöl, um meine ganzjährige Bräune zu pflegen. Das musste sein, denn ich war Gesellschaftskolumnist bei der tz. Es war eine frische und aufstrebende Boulevardzeitung, die der traditionellen Abendzeitung mächtig einheizte. München trennte sich damals nicht in katholisch und evangelisch, sondern in AZ- und tz-Leserkreis.

Die tz war die Boulevardzeitung für Frauen. Warum wohl? Einer der Gründe, die tz zu kaufen, war Umfragen zufolge meine Kolumne »Treffpunkt«. Mit meinem Foto schön rund eingeklinkt. Schulterlange Matte, Seehundschnauzer, Messdienerblick. Ich sah aus wie ein Edelhippie. Meine Verehrerinnen, besonders jene, die es in meine Klatschspalte drängte, stritten sich, ob ich Jim Morrison, den kalifornischen Beach Boys oder doch mehr Barry Gibb von den Bee Gees ähnelte. Seltsamer Frauentratsch. Doch an jenem Tag, als ich im SPIEGEL das Bild von Peter Boenisch mit Spitznamen »Pepe« sah, wusste ich: Das ist eine Steilvorlage für meine Karriere.

Spontan beschloss ich, den größten Baum im Boulevard kongenialer Compañeros von Axel Caesar Springer anzupinkeln. Ich griff zum Telefon. In der damals noch handylosen Zeit hatte ich am Festnetz eine neun Meter lange Schnur, um in meiner Wohnung mobil zu sein. So konnte ich, ohne von meiner Sonnenliege aufzustehen, in Hamburg anrufen: bei der Chefredaktion vom SPIEGEL. Ich fasste mich kurz:

»Guten Tag, Paul Sahner spricht, stellen Sie mich bitte zu Erich Böhme durch«, forderte ich die Sekretärin auf. »Es ist dringend.«

Wie schnell es ging, überraschte mich. Offenbar dachte die Sekretärin des damaligen SPIEGEL-Chefs, ich hätte eine Skandalgeschichte über Franz Josef Strauß auf der Pfanne. Warum sonst würde ein Klatschreporter aus München anrufen?

Ähnlich reagierte Erich Böhme, als er am Telefon erwartungsvoll fragte: »Was verschafft uns die Ehre, Herr – wie war noch mal Ihr Name?«

»Sahner«, sagte ich und erklärte wie immer: »Wie Sahne mit Richard am Ende.«

Unbeirrt fuhr ich fort: »Unglaublich, Herr Böhme, seit wann recherchiert der SPIEGEL so schlampig?«

Ein Räuspern in der Leitung signalisierte, dass Böhme offensichtlich durch meine Frechheit pikiert war.

Ich setzte nach: »Es geht um Herrn Boenisch! Mag sein, dass er sich eine flotte Silbertolle föhnt, aber hübsch macht ihn seine Locke noch lange nicht. Den Titel, Deutschlands schönster Kolumnist zu sein, kann mit Fug und Recht nur einer für sich beanspruchen.«

»Wer?«, unterbrach mich Böhme barsch.

»Ich, Paul Sahner. Sie brauchen nur die tz aufzuschlagen …«

»Sonst geht’s Ihnen gut, Sie Scherzkeks?«, grummelte Böhme. »Wie heißen Sie noch mal?«

»Sahner, schauen Sie sich mein Foto an«, sagte ich hastig, aber ich hatte das Gefühl, dass Böhme längst aufgelegt hatte. Und so war es dann auch.

Meine innere Stimme quittierte: Netter Versuch. Immerhin hast du mit dem SPIEGEL-Chef gesprochen. Mehr nicht. Oder kommt noch was? Ich wartete. Doch nichts geschah.

Dann läutete das Telefon. Ein Funken Hoffnung: Der SPIEGEL?

Nein, das »tezetchen, unsere bienenfleißige Redaktionssekretärin,« war an der Strippe. »Wann lieferst du?«, monierte sie.

Vor lauter Aufregung wegen Boenisch hatte ich meine Klatschkolumne vergessen.

»Wo brennt’s denn?«, beschwichtigte ich die Sekretärin. »Ich habe eine super Geschichte, kommt gleich, sag’s dem Chef.«

Zum Schreiben kam ich nicht. Das Telefon läutete schon wieder. Diesmal war es tatsächlich der SPIEGEL. »Schöne Grüße von Herrn Böhme«, zwitscherte die Sekretärin. »Ich soll Ihnen ausrichten: Schreiben Sie einen Leserbrief zur Boenisch-Personalie.«

Bingo! An diesem Tag gab ich für die tz anstelle der ominösen super Geschichte nur die Gästeliste von einem Schickimicki-Fest durch. Ich hatte Wichtigeres zu dichten, meinen ersten SPIEGEL-Text. Die Redaktion setzte darüber als Überschrift:

Paul Sahner ist hübscher

Sie bezeichneten den »Bild am Sonntag«-Journalisten Peter Boenisch als »Deutschlands hübschesten Kolumnisten«. Dies ist falsch. Vielmehr ist richtig, daß ICH, Paul Sahner, der Gesellschaftskolumnist der Münchner Boulevardzeitung tz, allein diesen Titel verdiene. Und dies trotz meiner 7498 Gramm Übergewicht. Zugegebenermaßen kenne auch ich wenige Kollegen, deren grau meliertes Haar so locker fällt wie das von Boenisch. Die buschigen Augenbrauen des Springer-Mannes sind ebenso apart wie seine Kulleraugen treuherzig. Nur, bei aller Kollegialität: Keinesfalls hübsch kann man diesen Mund nennen, der ein fabelhaftes Porzellangebiß selbst dann zum Lachen entblößt, wenn es nicht einmal mehr was zum Lächeln gibt.

München, im Juni 1975

Paul Sahner

Unter diesem SPIEGEL-Brief (Nr. 25/1975) waren zwei Fotos abgebildet: die Journalisten Sahner, Boenisch. »Bei aller Kollegialität …«

Die Branche horchte auf. Häme und Schadenfreude gingen auf Boenischs Konto, mir schwappten Sympathie und Schulterklopfen entgegen. Offensichtlich hatte meine Aktion für allgemeine Heiterkeit gesorgt. Aber nicht nur. Einige Kollegen hielten mich für völlig durchgeknallt.

Bei einem Job in Hamburg lief Boenisch mir über den Weg. Er lachte wie immer dröhnend: »Ach Herr Sahner, es gibt Sie wirklich! Wie laufen Sie denn rum?«

Was für eine lächerliche Retourkutsche! Bisher hatten all die Schickeria-Schicksen meinen lässigen Look gerühmt. Breite Schlaghosen-Jeans, dicker Gürtel mit massiver Messingschnalle, Hemdkragen hochgeschlagen, die Knöpfe bis zum Bauchnabel geöffnet. Denn besonders stolz war ich auf mein tellergroßes Indianerkreuz aus massivem Silber, das auf meinem Brustpelz baumelte, Geschenk eines Hopi-Häuptlings aus Utah.

Boenisch lachte: »Wenn Sie ein Journalist mit Format werden wollen, was ich bezweifele, brauchen Sie unbedingt einen erstklassigen Schneider und handgenähte Budapester.«

Ich schaute auf meine ausgelatschten Treter und musste kapitulieren: Boenisch war oben, ich stotterte mein gebrauchtes Porsche-Cabrio ab. Pepe sah zwar aus wie ein hanseatischer Pfeffersack mit Londoner Schliff, aber er war nun mal der König des Boulevards. Ich beschloss, mein Outfit zu ändern. Zuerst mit Daniel Hechter, bevor mich bei einem Interview Nino Cerruti aufs Neue rügte: »Wie laufen Sie denn rum?«

Ich trennte mich von Hechter. Ninos edle Stoffe waren federleicht und knitterfrei. Selbst wenn man den Discorausch auf einer Parkbank ausschlief – in einem Cerruti-Anzug machte man am Morgen danach immer eine gute Figur.

Aber wozu erzähle ich das alles? Ich wollte nie meine Biografie schreiben. Es reicht doch, wenn ich vor allen Menschen, mit Vorliebe wildfremden, beim Bäcker, Metzger, Obst- und Gemüsehändler meine Anekdoten zum Besten gebe. Vor allem aber Taxifahrern. Die können mich ja nicht rausschmeißen.

Doch dann kam der Tag, an dem ich, aufgeputscht von einem aromatischen Yogi-Kräutertee, meiner Katze aus meinem Leben zu erzählen begann. Ich wusste nicht, was ich damit anrichtete. Socki schien mich sofort zu verstehen. Sie miaute herzzerreißend. So lange, bis ich kapierte, was sie meinte:

Aber bitte mit Kalbsleber!

1

Ich, Chef!

Nachdem ich Socki versorgt hatte, ließ ich mich am Küchentisch nieder, richtete den Blick durch das Fenster auf die Berge und begann ihr zu erzählen. Ganz klassisch.

Geboren wurde ich am 21. Juni im Jahre 1944 in Westfalen, in einer kleinen Stadt namens Bockum-Hövel. Meine Mutter Elisabeth war sehr fromm, las jeden Tag in der Bibel, spielte Marienlieder auf dem Klavier. Am Sonntag gingen wir in die Kirche. Ich musste immer mit meinen Schwestern mitgehen, in meinem schwarzen Kommunionsanzug, weißes Hemd, die Krawatte fest geknotet, die Schuhe blitzblank poliert. Ich schämte mich.

Walter, mein Vater, war sehr streng. Als preußischer Finanzbeamter hatte er eine trockene Art, aber er verstand es, Kritik und Tadel sachlich anzuwenden, und sprach mit mir von Mann zu Mann, nicht wie von Vater zu Sohn. Das gefiel mir, denn so gab er mir die Möglichkeit zu begreifen, warum er oft anderer Meinung war. Er fügte zu seinen Argumenten stets hinzu: »Überlege es dir noch einmal gründlich.«

»Überlege es dir noch einmal gründlich«, sagte nun auch Socki und sah von ihrem Napf auf. Da war etwas Zwingendes in ihrem Blick, das mich innehalten ließ. Wer jemals behauptet hat, ich hätte in meinen Interviews etwas geradezu Hypnotisches, um meinen Opfern pikante Details zu entlocken, der kennt Socki nicht.

»Du hast also vor, den Leuten von deinem schillernden Leben zu erzählen«, resümierte sie. »Schön und gut. Ich will dir keineswegs zu nahe treten, aber wäre es nicht ungleich besser, um nicht zu sagen authentischer, dein Leben im Spiegel eines Weggefährten zu betrachten …?«

Ich hatte keine Ahnung, worauf sie mit ihrem Gemaunze hinauswollte.

»Ich muss wohl deutlicher werden«, sagte Socki denn auch. »Geschichten von Mutter und Vater anno 44 sind ja ganz nett, aber da ist mehr drin. Um mit unserem gemeinsamen Freund Reich-Ranicki zu sprechen: ›Ich muss nörgeln.‹ Mit ein bisschen Kalbsleber ist es da nicht getan.«

Ich seufzte leicht ungehalten, was Sockis Redefluss jedoch nicht aufhalten konnte.

»Sieh es mal so. Wenn du beispielsweise mich deine Biografie erzählen ließest, würdest du nicht als Paul Sahner, Reporter, in die Geschichte eingehen, sondern zugleich als Entdecker junger, vielversprechender Talente, Begründer einer neuen Art Literatur …« Ihr Blick bekam etwas Visionäres, dann fuhr sie unbeirrt fort. »Und überhaupt. Der Mensch kann nicht immer nur an sich denken. Auf dem Zenit seines Ruhmes gilt es, die Begabung anderer anzuerkennen und ihnen den Stift in die Hand zu drücken. Oder in die Pfote.«

Darauf lief es also hinaus. Wie so oft wusste ich mich gegen Sockis Argumentation nicht zu wehren.

In meinem Berufsleben habe ich Tausende von Interviews geführt, etliche Skandale enthüllt und manche verschwiegen. Ich habe recherchiert, verblüfft, polarisiert, wurde verklagt, gehasst, hofiert und geliebt. Im persönlichen Gespräch ist es mir gelungen, Zugang zu den unterschiedlichsten Menschen zu finden. Manchmal habe ich auch von mir erzählt, wenn es der Sache dienlich war, denn Offenheit schafft eine Basis des Vertrauens, sie verbindet. Und doch habe ich immer eine gewisse Distanz zur Prominenz gewahrt. Nicht wenige haben sich über die Jahre hinweg gefragt, wer der Mann hinter der Schreibe ist, dem alle so bereitwillig ihre intimsten Geheimnisse beichten.

Nun aber, wo ich tatsächlich mal über mein eigenes Leben zu erzählen begann, unterbrach mich ausgerechnet meine Katze. Ich ahnte schon die Headlines: »Sahner wird senil. Biografie von der Katze verfasst.« Oder: »Andere in seinem Alter kommen wenigstens auf den Hund.« Oder am Ende gar: »Typisch Sahner: Alles für die Katz!«

Wer Katzen kennt, weiß, dass man ihnen nichts abschlagen kann. Und Socki hatte gar nicht mal unrecht. Schreiben, das liegt ihr im Blut. Mehr als vielen, die es täglich tun, davon können Verlage ein Lied singen. In der Tat hatte sie ihr Talent schon zu einem früheren Zeitpunkt unter Beweis gestellt, genauer gesagt mit einem Leserbrief anlässlich eines Stern-Beitrags vom 15. November 2012.

Sockis Stern-Leserbrief

Die Redaktion vom Stern hatte mal wieder ein Titelstoryproblem, genau wie BUNTE. Es war Montag. BUNTE entschied sich wie meistens, wenn Not an knackigen Themen herrscht, für einen Titel mit Caroline. Monaco, das lief bisher immer gut. Diesmal fand sich für die Nr. 47 vom 15. November 2012 im Archiv ein strahlendes Foto. Caroline mit Diadem, besetzt mit funkelnden Diamanten. Genauso glänzte die Headline: »Sie stiehlt Charlène die Show«.

Der Stern Nr. 47 spekulierte mit großartigem Katzencover auf die Kauflust von zwölf Millionen deutscher Katzenbesitzer und gewann das Rennen in den Zeitungsläden am Donnerstag. Der Titel: »Geliebtes Biest«. Unterzeile: »Haustyrann und Seelentröster. Die wundersame Zuneigung der Deutschen zu ihren Katzen.«

Socki rümpfte die Nase, als sie BUNTE mit der monegassischen Prinzessin auf dem Küchentisch sah, schnappte sich den Katzen-Stern und machte es sich auf der Terrasse mit Blick auf den Wilden Kaiser bequem. Sie verzog sich hinter ihrem winzigen Sonnenschirm, putzte ihre Sonnenbrille und wollte nicht gestört werden.

Sie las, anfangs begeistert. »Ich, Chef!« Auf einem Foto riss eine Katze ihr Maul wie ein Tiger auf, auf dem nächsten zermalmte ein liebliches Kätzchen einen Singvogel. Ein anderes ließ einen blauen Luftballon vom Bett aus gegen die Zimmerdecke steigen. Schließlich sah man noch einen gestreiften Katzenschwanz unter einem Schrank hervorlugen.

Socki gähnte gelangweilt. »Mein Dasein ist viel spannender als dieses dämliche Frauchen- und Herrchengeprahle. Ich werde den Menschen vom Stern jetzt einen gepfefferten Leserbrief über mein Leben schreiben.« Sie begann mit ihren flinken Krallen auf Martinas iPad zu hämmern. Nach zehn Minuten schob sie mir erwartungsvoll ihre Zeilen herüber. Dem Leuchten meiner Augen entnahm sie, dass ihr ein kleiner Wurf gelungen war. Ich füllte den Rest Kalbsleber in ihren Napf.

Am Montag, den 12. November 2012 rief ich meinen Freund und Kollegen Andreas Petzold an, einen der beiden Chefredakteure des Stern.

»Grüß dich, Andy, meine seltsame Katze hat sich in den Kopf gesetzt, dass sie den Leserbrief, den sie am Wochenende verfasst hat, veröffentlicht haben will.«

Petzold cool: »Dann soll sie ihn mir mailen.«

Socki, die selbstverständlich über ihre eigene Mailadresse verfügt, ließ ihre Pfoten über die Tastatur springen. Minuten später rief Petzold zurück: »Echt geil, wir haben uns kaputtgelacht. Sag deiner Katze, es wird der längste Leserbrief, den der Stern seit dem Ausscheiden von Henri Nannen veröffentlicht hat. Wir hauen eine Anzeige auf eine andere Seite.«

Drei Tage später stand es im Stern zu lesen:

Ich bin eine italienische Wildkatze und heiße Socki. Für Berlusconi, mein früheres Herrchen, musste ich einst scharfe Mäuse anschleppen und dann auch noch selber Bunga Bunga tanzen. Bäh! Ich riss also aus, streunte von Mailand runter in die Toskana. Dort adoptierte mich Martina, mein neues Frauchen. Ich begleitete sie nach München, wo ich seit sechs Jahren lebe. Mein neues Herrchen hat auch schon über Berlusconi geschrieben. Er ist Journalist. Und weil er wollte, dass ich seine Geschichten verstehe, besonders die ungedruckten, brachte er mir lesen bei. Manche Storys zerriss ich, weil sie mich interessierten wie feuchter Mäusedreck. Doch eines Tages kam er nach Hause mit der Wahnsinnsstory eines Hamburger Magazins.

Auf dem Titel streckte mir eine Katze die Zunge raus. Ätsch. Echt geil. Ich verspürte sofort Lust. Es war wohl ein Kater. »Geliebtes Biest«, stand darunter, und mein Herrchen schlug die Seite 110 auf, denn er hatte mir zwar Lesen, aber nicht Blättern beigebracht. Hach, war das lustig! Ich las von meiner Kollegin Penny, die rasend, wenn alle weg sind, »vergnüglich per Bewegungsmelder die Alarmanlage auslöst«.

So what, dachte ich und erinnerte Frauchen und Herrchen daran, wie ich kürzlich dem frechen Nachbarkater, Herrn Schmidt, die Zündholzschachtel abgejagt hatte, als er gerade unser schönes Bauernhaus abfackeln wollte. Dann las ich von Frau Müller, die ihrem Frauchen Julia in die Schuhe pinkelt, »und zwar in alle«, wenn sie das Haus verlässt. Das frustrierte mich. Warum schreibt denn, verdammt noch mal, keiner darüber, dass ich meine Menschen bescheiße, wenn sie mir statt frischer Kalbsleber fetten Tofu unterjubeln wollen.

Auch meine Kollegin, die eine schützende Plastikfolie zerkratzt, um auf Frauchens Matratze zu pinkeln, kann noch von mir lernen. Zum Beispiel, dass man sein Geschäft erst dann verrichtet, wenn Frauchen und Herrchen im Bett liegen. Affenkatzengeil allerdings fand ich die Geschichte über Menschen, die unsere Gewohnheiten so lieben, »dass sie seit 20 Jahren jeden Donnerstag den Stern lesen, nur um uns nicht zu verwirren«. Hey, das entlockte mir aber ein fröhliches Miau-miau-miau, fast hätte ich sogar vor Freude gepupst, weil mein Herrchen mir donnerstags auch immer nur die BUNTE gibt, um mich nicht zu verwirren. Nein, das habe ich mir jetzt nur so ausgedacht. Aber alles andere stimmt.

Socki Sahner, Lanzing

Seit ihrem Leserbrief meint Socki jedenfalls, sie sei ein aufsteigender Stern am Journalistenhimmel. Einmal den Namen gedruckt sehen und schon Starallüren. Sie hat sich sogar Premium-Businesskarten anfertigen lassen: Socki Sahner – Freelancer: spezialisiert auf knifflige Fälle.

Was sollte ich tun? Ihr Anliegen, meine Biografie zu schreiben, ignorieren? Ihr Talent verkümmern lassen? Oder sie ranlassen an den Text und es mir mit den Katzenhassern verderben?

»Du hast eh keine Wahl«, sagte sie charmant, wenn auch bestimmt, und spreizte die Pfoten, sodass ihre kleinen, scharfen Krallen sichtbar wurden. Doch es war nicht die subtile Androhung von Gewalt, die mich kapitulieren ließ, sondern der fuchsige Blick, gepaart mit der samtenen Stimme. Von wem sie sich das wohl abgeguckt hat …

2

Was bin ich? Eine Qualitätskatze!

Sockis Tagebuch

Freitag

Endlich komme nun ich, Socki, zu Wort. Es war letztlich ein Leichtes, Paul von der sogenannten Duplizität der Ereignisse zu überzeugen. Wie in seinem Fall war es auch bei mir ein Leserbrief, der meine Karriere vorantreiben sollte.

Da Paul mal wieder irgendwo im Reich der Prominenten unterwegs ist und das Schreiben seiner Biografie ruhen lässt, habe ich kurzerhand beschlossen zu übernehmen. Dann mal los!

Samstag

Ab heute schreibe ich jeden Tag. Zuerst über mich, schließlich gilt es, den Leser mit interessanten Details bei der Stange zu halten: Geboren bin ich im Zeichen des Vollmonds in San Gimignano. Von dieser toskanischen Stadt der Türme, man nennt es auch Manhattan des Mittelalters, hat mich das Schicksal nach Bayern verschlagen. Hier habe ich zwei Wohnsitze: eine lustige Schwabinger Studentenbude und im Chiemgau ein Bauernhaus unter Denkmalschutz. Mal bin ich eine großstädtische Luxusmieze, dann ein naturverbundener Freizeitjäger. Das Leben ist schön.

Sonntag

Kalbsleber ist meine Leibspeise. Sie enthält eine hohe Konzentration an Vitamin C und E, aber auch die wichtigen Vitamine B3 und B12 sind in diesem Organ vertreten. Der Mix macht schlau, was sich in meiner großartigen Idee niederschlägt, die Memoiren meines Herrchens gemeinsam mit ihm zu verfassen.

Sie zweifeln, dass Katzen schreiben können? Bitte, wenn Sie meinen, aber lesen Sie ruhig weiter …

Montag

Es gibt einige wichtige Dinge zu berichten. Gerade habe ich die Sonnenblumen im Garten inspiziert, die erstmals aus dem Boden sprießen. Mit ein bisschen Glück werden wir einen schönen Sommer haben. Herrchen überlegt, Kiwis an der Südseite unseres Landhauses anpflanzen zu lassen. Gefällt mir, der Mensch braucht Vitamine. Ich rieche auch schon Basilikum, es wächst von allein neben der Hauswand. Gesät hat es wahrscheinlich der Wind, zumal mein Herrchen kein passionierter Gärtner ist, sondern wachsen lässt, was wachsen will. Back to the roots!, heißt es da für mich. Rein ins Gebüsch, raus aufs Beet, und dazwischen ein bisschen nach Mäusen graben, vorzugsweise dort, wo frisch gesät wurde.

Dienstag

Unser Garten ist ein Paradies. Im Teich am Hang tummeln sich die Forellen. Ich mag aber keinen Fisch. Mal sehen, ob es heute Mittag wieder frische Kalbsleber gibt. Herrchen ist zum EDEKA gefahren, er ist gut vernetzt, hat dort die besten Beziehungen zum Tattoo-Metzger Gerhard. Der trägt täglich eine neue Pudelmütze, gestrickt von seiner Frau. Mir hat sie auch schon eine geschenkt. Ich weiß aber nicht, wozu! Katzen tragen keine Mützen. Sie halten sich die Ohren frei, um außerirdische Signale zu empfangen. Ein Schal wäre mir lieber gewesen, so wie beim Herrchen. Er kriegt sie von Baldessarini mit Rabatt. Dafür versprach er ihm, seine wuscheligen Halsturbane so zu tragen, dass das Markenschildchen sichtbar ist. Wenn das der Deal ist, bin ich auch gerne dabei.

Mittwoch

Erst der dritte Tag, und schon reicht es mir, bin vom Schreiben total k. o., mein Kopf ist leer: Bin ich eine faule Katze, oder hat mich die erste Schreibblockade erwischt? Darunter sollen schon Ernest Hemingway, Truman Capote, Scott Fitzgerald, James Joyce gelitten haben. Aber ich? Nicht, dass Reich-Ranicki noch posthum höhnt, meine Schreibblockade sei »für die Leser ein Segen«. Wahrscheinlich muss ich es wie Herrchen machen: einen Stift nehmen und mit der Hand schreiben.

Freitag

Wie schreibt man einen Bestseller? Utta Danella hat das Erfolgsprinzip erklärt: Man muss ein Buch schreiben, dann achtzehnmal das Gleiche abschreiben und jeweils den Titel ändern. Dann steht beim Buchhändler eine ganze Staffel von demselben Autor im Regal, die Leute denken, das sind alles Bestseller, und kaufen ein Buch nach dem anderen! Mit diesem Trick hat Utta Danella über siebzig Millionen Bücher verkauft. Ganz easy, überall steht das Gleiche drin.

Samstag

Die Kalbsleber bringt Energie. Je blutiger, umso besser. Heute habe ich viel vor, ich will lernen, wie man recherchiert. Herrchen sagt: Man muss googeln, obwohl er das selbst nicht kann. Er lässt googeln. Von Claudia, seiner fleißigen Assistentin, und Martina, meinem Frauchen. Meinen ersten Versuch startete ich mit Soma Bay. Dort in Ägypten machen meine Herrschaften demnächst Urlaub. Ich gebe das Hotel Kempinski ein, die Suchmaschine spuckt aus: Kempowski, Walter, Schriftsteller, Tagebuch.

Sonntag

Ein toller Zufall. Auf Kempowskis Homepage steht ein Schlüsselsatz: »Wer ein guter Schriftsteller sein will, muss unbedingt Tagebuch führen.« Also dranbleiben! Ich will Kempowski nachahmen: »Die persönlichen Aufzeichnungen zu scheinbar alltäglichen und banalen Ereignissen, in denen der Autor ein detailliertes Bild seines jeweiligen Lebensabschnittes schildert, teilweise aus der Sicht späterer Jahre kommentiert, ergeben ein schonungslos bissiges bis böshumoriges Autorenporträt.« Schonungslos-bissig-bös-humorig. So muss ich meinen »Kempowski« über Herrchen schreiben, dann wird das Buch ein Hit!

Montag

Herrchen hält sich für ein Alphatier. Also werde ich über ihn schreiben wie über »an Hund«, so sagt man in Bayern. Ist aber ein Hund ein Alphatier? Muss ich checken! Was kann Herrchen? Die Dinge so drehen, wie es ihm passt. Mit dieser Nummer könnte er im Zirkus auftreten. Wie er die Leute einseift, das ist fürwahr große Oper. Figaro hin, Figaro her, tralala-la-la. Und noch etwas kann er so einmalig, dass man im deutschen Sprachgebrauch dafür sogar einen neuen Begriff erfand: Er »sahnert« ein!

Dienstag

Muss man als Autor jeden Tag schreiben? Themen hätte ich genug. Zum Beispiel: Herrchen kommt in neuen Schuhen nach Hause, bestimmt wieder Baldessarini. Himmelblau, Vanillegelb und Perlweiß. Sieht aus wie der mexikanische Schwanzlurch Axolotl. War es nicht ein Bestsellertitel? Etwas mit Roadkill? Ich googel’s heute nicht. Man muss auch mal Abstand nehmen von seinen Texten.

Freitag

Nach zwei Tagen Pause endlich wieder ein verrückter Tag. Wie Herrchen heute brüllte, das kam schon lange nicht mehr vor. Er brauste am Telefon auf: »Das reicht mir! Ich habe nicht nur braune Augen, sondern auch einen großen Arsch, und damit scheiße ich drauf.« Früher war er angeblich öfters so. Er führte sich auf wie Mario Adorf in »Kir Royal«, scherte sich um gar nichts. Wenn ihm etwas nicht passte, hielt er damit nicht lange hinterm Berg: »Du kannst mich mal …«, räsonierte er. So war mein Herrchen. Frauchen behauptet: Seit ich seine Katze bin, ist er viel sanfter geworden. Gibt’s so was? Ich hätte ihn angeblich »domestiziert« … Muss mal gleich ins Wikipedia, checken, was das ist.

Montag

Wie steht es mit den Urheberrechten, darf man Wikipedia frei zitieren? Der Satz über Domestizierung oder Domestikation ist wirklich schön, ich möchte ihn wörtlich übernehmen:

»Ein innerartlicher Veränderungsprozess von Wildtieren, damit ein Zusammenleben mit dem Menschen in dessen Haus (lateinisch domus) ermöglicht wird.«

Genau das Gleiche behauptet Herrchen über mich! Also, wer hat hier wen domestiziert? Ich habe noch nie gesagt, dass ich einen großen Arsch habe! Aber zugegeben, es wird spannend, über die Zähmung des widerspenstigen Paul Sahner zu schreiben. Die Katze als sanfter Dompteur. Wie das vor sich geht, kann ich besser schildern als irgendeine TV-Moderatorin, die etwas über ihren Stubentiger faselt. Resultat: Wenn Herrchen mal wieder nicht einschlafen kann, dröhnt seine Stimme durchs ganze Haus: »Sooocki! Socki, komm!« Kaum im Bett, schnurre ich. Und er schnarcht.

Mittwoch

Heute hat jemand Herrchen gefragt, ob ich eine Perserkatze bin. Diese Rassisten! Was spielt es für eine Rolle, ob ich eine Birma, Javanese, Somali, Main Coon, Perser, Türkisch Angora oder eine kanadische Snow-Shoe bin. So eine Schneeschuhkatze könnte ich sogar sein, mit meinen schneeweißen Pfoten, fein wie ein Velourshandschuh von Cucinelli. Wegen meiner Designerpfoten bin ich, und das muss doch jeder gleich auf den ersten Blick erkennen, eine Qualitätskatze! Den Ausdruck habe ich von Bastian Schweinsteiger. Über den FC Bayern spricht er als eine Mannschaft der Qualitätsspieler. Schwarz, weiß, gelb – keine Rasse. Warum fragt man danach bei uns Katzen, Pferden oder Hunden? Schluss mit der Diskriminierung: Ich bin eine Qualitätskatze aus Bella Italia, und basta!

3

Sanitätssoldat Sahner meldet ungehorsam

Sockis Tagebuch

Mittwoch

Paul hat die Seiten gegengelesen. Wollte einige meiner Tagebucheinträge streichen. Geht gar nicht! Ich habe einen auf altägyptische Katzengöttin gemacht und ihn von oben herab angestarrt – wie könnte er mir da etwas abschlagen?

Aber ich musste ihm versprechen, dass es ab jetzt mehr um ihn geht. Dass ich erzählerischer schreibe. Ich habe ein wenig recherchiert. War kein Ding. Ich beginne zu glauben, dass tatsächlich ein Romancier in mir steckt.

Donnerstag

Die Alpenregion um Lanzing im Chiemgau hat einiges mit Tibet gemeinsam, was man erst langsam entdeckt. Von Spiritualität erfasst, lässt der Blick zum Wilden Kaiser Zeit und Orientierung vergessen. Der Altbundespräsident Horst Köhler ist nur einer der Promis, die sich in diesem malerischen Winkel verstecken. Auch Volksmusik-Tralala Stefanie Hertel soll in der Gegend ein Knusperhäuschen haben, doch Herrchen lässt so was kalt. Velvet Underground ist sein Sommer. Längst hat er andere Interessen, als die Gesellschaft und ihre Partys zu belauern. Jetzt beobachtet er den Garten, zählt die Forellen im Bach, bewundert die Steinadler am Himmel. Und die Segelflieger, die ihren Flugplatz in der Nähe des Landhauses haben.

Dort verbringt Herrchen oft einen sonnigen Nachmittag und schaut den lautlosen Luftgleitern gebannt zu. Endlich sitzt er auf der richtigen Seite, während ich Lebenslaufforschung betreibe.

Von meinem Herrchen habe ich gehört, es gibt sechs große Aufgaben, die jeder Mensch lösen muss. Ob es gelungen ist, entnimmt man den Nachrufen, die Paul verfasst. Ich warte also auf den nächsten prominenten Todesfall, denn ich habe vergessen, was das für Aufgaben sein sollen. Ich fürchte, es ist mal wieder so ein menschengemachter Unsinn, der nichts mit dem wahren Lebenssinn zu tun hat, wie etwa die drei großen »F« im Leben einer Katze: Fellpflege, Feldmäuse, Vogelbeobachtung.

Montag

Durststrecke. Seit Wochen kein Nachruf. Der BUNTE-Leser erfährt nichts aus Paules aufregendem Leben. Paule ist der Kosename von Paul. So wurde er von Monti genannt. Deutschlands einst mächtigster Plattenboss Egmont »Monti« Lüftner spielte mit Paul Tennis. Mit den Jahren ähnelte es mehr Hobby-Pingpong. Aber gerade das gefiel Monti, so einer ohne Ehrgeiz am Netz, das kann nur ein Freund, und er nahm Paul wie seinen Ziehsohn auf. Fortan nannte er ihn liebevoll Pauli oder Paule. Paule hat auch einen Nachruf auf Monti geschrieben, der allerdings mit ihm selber anfing. Dafür ist er bekannt. Erst er und dann die anderen. Auch Monti war ein Selbstdarstellungskünstler erster Klasse. Seine Affären ließen ihn zwar als Helden glänzen, aber auch über seine Frauen sprach er nie schlecht: »Sie alle haben einen guten Geschmack.« Das war Montis bester Satz. Die Nähe zum Toten erzeugt Glaubwürdigkeit. So wird Paule in den Nachrufen zum Korrespondenten aus der eigenen Welt. Im Moment sind die Passagiere für die Himmelfahrt ausgegangen. Aber ich weiß, wie ich die erinnerungslose Phase überwinde. Von Basti, dem vierjährigen Neffen, habe ich vor seinem ersten Flug folgende Bemerkung aufgeschnappt: »Heute fliege ich in den Himmel, wo die Toten leben.« – Gefällt mir: Tote leben.

Dienstag

Ich werde Paule – Pauli gefällt mir nicht mal alternativ – befragen. Über seine Kindheit, Jugend, Bundeswehr und die erste Liebe. Für DIE ZEIT. Mit dem fertigen Interview werde ich mich direkt an Giovanni di Lorenzo wenden, den Chefredakteur, wen denn sonst! Immer oben einsteigen, lehrt mich Paule, denn unten tritt sich die Masse platt. Auch Paule ist durch die Beharrlichkeit das geworden, was er ist: eine Reporterlegende. Wenn er etwas will, ruft er bei Pontius und Pilatus an. Er würde sich nicht scheuen, im Büro von Angela Merkel anzurufen, um zu fragen, ob man dort weiß, wo Udo Walz gerade steckt. Er würde sagen: »Ich habe schon vor einer Stunde bei Udo angerufen, ihm auf die Mailbox gesprochen, aber er hat noch nicht zurückgerufen.« Die Kanzlerin soll’s richten, damit sich Udo gefälligst bei Paule meldet. Dringend. Ja, geht’s noch! Nur um zu checken, ob Udo vielleicht die neue Nummer von Prinz Eisenherz im Schwarzwald hat. Wer solch eine Chuzpe nicht draufhat, kann kein Reporter werden. Rausgeschmissen durch die Tür, zurückgekehrt durch den Kamin. Nur so läuft’s. Also arbeite ich an einer neuen Paule-Schnitte für DIE ZEIT. Gnadenlos.

Mittwoch

Über seine Jugend und all das hat Paule ja schon ein bisschen erzählt. Schwenken wir doch lieber gleich hin zu interessanteren Zeiten. Ich sage nur »die crazy Sixties«.

Um mich in die Zeit des Geschehens zu versetzen, rufe ich im Internet auf, was Anfang der Sechziger aus jeder Radiostation in Deutschland dudelte. Lale Andersen sang das Lied einer griechischen Hafenhure, »Ein Schiff wird kommen«. Paule hat es damals schicksalhaft nach Hamburg verschlagen. Der große Hafen. Das Schiff kam nicht, aber einer Hure ist er dort begegnet.

Donnerstag

Lanzing. Paule fläzt sich auf dem Bett, die Glotze läuft. Scharapowa beim Aufschlag. Doppelfehler. Die Tennis-Weltranglistenzweite aus Russland scheidet in Singapur aus. Paule liegt auf dem Rücken. Sein iPhone rutscht ihm aus der Hand, fällt auf sein Gesicht. Der richtige Zeitpunkt, um in amorpher Sprache ein Interview mit ihm zu führen. Schließlich verfasse ich nicht nur literarische Texte, sondern bin mit sämtlichen Techniken der schreibenden Zunft vertraut.

Ich dachte, ich muss sterben

Socki: Hey Paule, ich habe gerade von deiner Chefin eine Hymne auf Ursula von der Leyen in BUNTE gelesen. Du auch?

Paule (noch benommen): Uschi wer?

Paule (noch benommen): Uschi wer?

Socki: Na, unsere Verteidigungsministerin, die mit der Dreiwetter-Taft-Frisur. War gerade in Afghanistan auf Truppenbesuch. Bei der Ankunft sah sie aus wie Schneewittchen unter den sieben Riesen. Aber ihre Locken hielten stramm gegen den Westwind.

Paule: Ach, das Röschen. Da muss ich an meine Musterung denken, bei dem Kreiswehrersatzamt in Detmold 1964. Vor der Kommission meldete ich mich als Kriegsdienstverweigerer. »Das hätten Sie vorher schriftlich einreichen müssen«, raunzte der Major. »Ich hatte mit vierzehn eine Meningitis, seitdem habe ich chronische Kopfschmerzen. Ich kann keinen Stahlhelm tragen«, wehrte ich mich.

Socki: Hirnhautentzündung ist grundsätzlich lebensbedrohlich. Hat dich eine Zecke gebissen?

Paule: Die Kopfschmerzen fingen beim Sportunterricht auf dem Neusprachlichen Gymnasium in Hamm an. Wir spielten Sitzfußball in der Halle. Bei diesem Spiel darf man sich nur in sitzender Haltung fortbewegen, stützt sich mit den Armen, läuft praktisch auf den Händen. Man kickt den Ball mit den Füßen, der Torwart muss auch sitzen. Echt beknackt.

Socki: Du hast aber sicher ein Tor gemacht?!

Paule: Nein, plötzlich fühlte ich mich total schwach, ging regelrecht k. o. Wegen der brutalen Kopfschmerzen, die mich überfielen, konnte ich mich kaum mehr bewegen. Zwei Mitschüler trugen mich nach Hause. Meine Mutter dachte, ich hätte mir den Knöchel verstaucht. Weil ich weder stehen noch gehen konnte, brachte sie mich zuerst zu einem Orthopäden. Der ließ mich sofort mit dem Notarzt ins Krankenhaus einliefern. Dort wurde ein Zeckenbiss festgestellt. Dadurch wurde ich mit einem Virus infiziert, der eine lebensgefährliche Entzündung der Hirnhäute auslöst. Mein Zustand war kritisch, ich bekam Bewusstseinsstörungen. Auf der Intensivstation wurde mein Rückenmark punktiert, um das Nervenwasser zu untersuchen.

Socki: Klingt schrecklich.

Paule: Ich konnte kaum reden, kaum atmen, nichts essen. Ich fühlte mich, als ob mein ganzes Leben mit einem unsichtbaren Schlauch aus mir herausgesaugt würde. Ich dachte, ich muss sterben.

Socki (seufzend): Was war deine Rettung?

Paule: Ich hatte drei Lumbalpunktionen. Beim dritten Mal, es war in der Nacht, unterschrieb ich die Einverständniserklärung zum Eingriff selbst, weil das Krankenhaus meine Eltern nicht erreichen konnte. Die Ärzte machten mir nichts vor: Querschnittslähmung drohte oder Koma, aus dem ich womöglich nicht aufgewacht wäre. Diese Naherfahrung mit einer lebenslänglichen Behinderung oder Tod hatte mich verändert. Mein Zimmernachbar, der dieselbe Krankheit hatte, starb neben mir. Ein anderer überlebte mit Hirnschaden. Ich hatte mir noch auf der Intensivstation geschworen: Wenn ich heil rauskomme, will ich leben, leben, leben. Wild und drauflos. Ich war mir auch sicher, es würde mir bis zu meinem Tod nie wieder etwas zustoßen. Es war, als hätte ich mit meiner Hirnhautentzündung im Leben den Teufelszoll an die Hölle bezahlt.

Als ich nach sechs Monaten aus dem Krankenhaus entlassen wurde, konnte ich meine Beine immer noch nicht richtig bewegen. Die Lücken in meinem Gedächtnis erschreckten mich. Ich hatte fast alles vergessen, was ich bisher gelernt hatte. Latein futsch, keinen blassen Schimmer von Mathe, Chemie und Physik. Das laufende Schuljahr war verloren. Da kam Onkel Willi ins Spiel, der Priester in unserer Familie.

Socki: Ach ja, schon von ihm gehört, ein cooler Vogel.

Paule: Kann man sagen. Als Geistlicher im Zweiten Weltkrieg verlor er an der Ostfront ein Bein. Er war hochgebildet, sprach fünf Sprachen, widmete sich der Bibelforschung, Kardinal Graf Galen, sein Kommilitone in Münster, wollte ihn sogar in den Vatikan holen. Onkel Willi lehnte ab. Er hatte eine Freundin. Bei ihm in Gelsenkirchen-Buer bekam ich Nachhilfeunterricht. Ich weiß nicht, wie er das geschafft hatte, aber schon nach einigen Monaten war ich wieder fit im Kopf. Vor allem in Latein.

Socki: Dein Lieblingszitat auf Lateinisch?

Paule:Audiatur et altera pars – man höre auch die Gegenseite. Keine Story ohne kontroverse Statements.

Socki (abschätzig): Gallia est omnis divisa, in partes tres, quarum unam incolunt … Lach nicht so dämlich, als italienische Wildkatze habe ich selbstverständlich das kleine Latinum.

Paule (bleibt gelassen): Onkel Willi wollte, dass ich auf ein Jesuitengymnasium gehe, was ich später auch befolgte, auf dem Canisianum in Lüdinghausen. Dort gibt es übrigens ein wunderbares Wasserschloss. Aber nur für eine kurze Zeit, weil daraus eine unappetitliche Geschichte wurde. Vielleicht erzähle ich sie später, am besten in Verbindung mit Kardinal Ratzinger. Ich bin ihm als Reporter im Vatikan begegnet.

Socki: Schweif nicht ab! Wie kam es, dass man dich als Meningitisopfer wehrtauglich erklärte?

Paule: Der Musterungsarzt, ein Major, befahl: »Ziehen Sie sich aus.« Als ich nackt dastand, erhob er sich vom Tisch, baute sich vor mir auf, schaute mir erst in die Augen, dann auf den Schwanz und fragte: »Onanieren Sie?« – »Sie auch?«, schoss ich zurück. Der Major bekam einen Tobsuchtsanfall und brüllte: »Du Wichser! Was bist du für ein kleines mieses Arschloch. Tauglich!«

Socki: Schon damals große Schnauze …

Paule: Ja gut, ich wäre sowieso nicht durchgerutscht und vom Dienst befreit worden. Der Major hatte mich von vornherein auf dem Kieker. Seine abschließenden Worte waren eine Drohung: »Warten Sie ab, diese Dreistigkeit werden wir Ihnen beim Bund schon austreiben.«

Socki: Noch einen draufgelegt?

Paule: Schon angezogen, sagte ich: »Sie wollten wissen, ob ich onaniere.« Das war die Steilvorlage, so läuft es unter Männern … »Weiß Ihre Frau davon?«

Socki: Damit warst du stigmatisiert.

Paule: Der Vorfall landete in meiner Personalakte. Der Major hat mich später mit Wochenendarrest zugeschissen.

Socki: Wann gewöhnst du dir diesen Barrasjargon endlich ab?

Paule: Das Soldatenleben prägt.

Socki: Noch was auf Lager?

Paule: Alle wichsen, aber keiner kommt. Das war der Lieblingsspruch des Majors.

Socki: Entsetzlich! Ursula von der Leyen hat so einen gepflegten Wortschatz. Liest sie vielleicht BUNTE bei Udo Walz?

Paule: Uschi muss einen anderen Coiffeur haben. Eine Frisur wie bei einem frisch geföhnten Afghanen im Wind, das ist nicht Udos Styling.

Socki: Wer war der Verteidigungsminister zu deiner Rekrutenzeit?

Paule: Strauß? Nein, der war später, oder warte mal – früher?

Socki: War es nicht der Mann mit der Elvis-Tolle?

Paule: Helmut Schmidt, der kam viel später.

Socki: Na ja, muss man nicht kennen. Aber ich google jetzt mal. Deutscher Verteidigungsminister 1965 … das war Kai-Uwe von Hassel.

Paule: Es tobte der Kalte Krieg, aber die Leute kümmerte es kaum. Es gab noch keine Jauchs, Plasbergs oder Anne Wills, die ihre Talk-Süppchen im Fernsehen kochten. Fröhlich genossen die Deutschen das Wirtschaftswunder, machten Urlaub in Rimini, bestellten bei Neckermann. Der Verteidigungsminister war höchstens ein Thema für den SPIEGEL.

Socki: Einen Verteidigungsminister hast du auf dem Gewissen.

Paule: Einspruch. Rudolf Scharping brachte nicht ich zu Fall. Als er für BUNTE mit seiner Gräfin auf Mallorca baden ging, hatte er schon andere Dinge im Kopf als den Bundeswehreinsatz auf dem Balkan. Er wollte leben, so wie jeder andere auch, ein Privatmensch sein, keine Politik, keine Öffentlichkeit mehr, diesen Eindruck hatte ich. Eigentlich half ich ihm, einen geheimen Wunsch zu verwirklichen: privat glücklich zu sein.

Socki: Gut. Heben wir uns den Scharping für ein späteres Kapitel auf, und gehen wir über zu den Saufritualen. Die sind berüchtigt!

Paule: Ich feierte mit meinen Kumpeln bei Lambrusco und einem Joint im Steinbruch, der unterhalb des Hermannsdenkmals liegt. Es waren auch Studentinnen von der Detmolder Musikschule dabei. Die wildesten waren die Geigerinnen.

Socki: Mit dem ersten Vollrausch wird der Knabe zum Mann, sagte schon Bismarck.

Paule: In meine erste wilde Party stürzte ich mich mit fünfzehn. Wir kauften kistenweise Bier, Wein und Schnaps. Wir wollten sehen, wie es sich anfühlt, wenn man total betrunken ist. Es war im August, es war sehr heiß. Ich sagte, damit der Alkohol schneller wirkt, muss das Gesöff warm sein. Also stellten wir das Zeug in die Sonne, bis es fast kochte.

Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Nur … als ich irgendwann auf meiner Schlafcouch im Wohnzimmer die Augen öffnete, sah ich die Tapete. Sie war aus Seide, und meine Eltern waren mächtig stolz auf diese Errungenschaft. Jetzt war sie vollgekotzt. Von oben bis unten. Mein Vater rüttelte mich wach und schnauzte mich an: Wie konnte das passieren?

Meine Fahne stank zum Himmel. Mein Vater, dessen cholerische Anfälle ich fürchtete, verhielt sich erstaunlich ruhig.

Socki: Mach’s nicht so spannend. Ich muss bald …

Paule: Er sagte nur: »Ich werde dafür sorgen, dass du die nächsten drei Jahre bis zu deinem achtzehnten Geburtstag keinen Alkohol mehr anrührst.« Dann ging er zu seiner rollenden Flaschenbar, damals der letzte Schrei, und fischte eine »Betonbuddel« heraus.

Socki: Häää, was ist das denn?

Paule: Steinhäger, ein Wacholderschnaps, ostwestfälische Hausmarke, man nannte sie »Betonbuddel« wegen der braunen Steinflasche. Die stellte mein Vater auf den Tisch, schickte meine Mutter und meine beiden Schwestern hinaus und befahl: »Trinken!« Mir war noch hundeelend. Ich kotzte mir die Seele aus dem Leib und schwor meinem Vater, nie wieder Alkohol anzurühren. Nützte nichts. Ich musste schlucken, mindestens die halbe Flasche wegputzen. Danach habe ich wieder gereihert, war drei Tage krank, sogar meine Augen waren entzündet. Blutunterlaufen wie bei einem balinesischen Kampfhahn. Aber die Erziehungsmaßnahme meines Vaters war nachhaltig. Die nächsten zweieinhalb Jahre rührte ich keinen einzigen Tropfen Alkohol an.

Socki: Dein Dad, war er in Ordnung?

Paule: Hab dir ja schon erzählt, wie streng er war.

Socki: Also keiner, mit dem man Pferde stehlen konnte.

Paule: Aber das Geld zusammenhalten konnte er. Das habe ich von ihm gelernt. Mein Vater hatte in der Hinsicht so einige Tricks auf Lager. Das fing schon beim Einkaufen an, wenn er mal ein neues Sakko brauchte, was aber selten genug vorkam. Einmal, in einem Kaufhaus in Dortmund, hatte er lange alles anprobiert und gewartet, bis der Verkäufer sich einem anderen Kunden zuwandte. Dann lockerte er unauffällig einen Knopf am Anzug und beschwerte sich beim Verkäufer: »Schauen Sie, das Teil ist beschädigt, schlecht für Ihr renommiertes Haus, aber ich würde den Anzug nehmen, wenn ich einen Preisnachlass bekomme.«

Socki: Cleveres Kerlchen.

Paule: Er konnte damit ein paar Mark herausschinden, genug für die längste Bockwurst der Welt: Dortmund war in den Fünfzigerjahren berühmt dafür. Wie gesagt, er war extrem sparsam. Er hielt es mit dem Sprichwort: »Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.«

Socki: Und deine Mutter?

Paule: Sie war emanzipiert – im Rahmen dessen, was in ihrer Zeit möglich war. Und sie war fromm, das weißt du ja. Als bekennende Marianerin war sie einmal auf Pilgerreise in Lourdes und zweimal im Vatikan. Mit achtundachtzig Jahren litt sie schwer an Demenz, sodass wir sie in einem katholischen Altenpflegeheim in Bad Lippspringe unterbrachten. Sie fühlte sich wohl dort und ging gern im Park spazieren. Meine Schwestern waren oft bei ihr, nachdem mein Vater ja schon mit neunundsechzig gestorben war. Meine Schwester Brigitte war auch in der letzten Stunde an Mutters Sterbebett. Ich war daheim in München, als sie mich anrief: »Du musst dringend kommen!« Ich nahm das nächste Flugzeug, doch es war zu spät. Mutter war tot. Ich legte mich zu ihr, streifte ihren Ehering ab und sprach mit ihr. Ich war mir sicher, dass sie mich noch hörte. »Mutti, ich danke dir«, sagte ich zu ihr. »Du hast alles richtig gemacht.«

Später erzählte Brigitte unserer Schwester Renata und mir, was sich kurz vor Mutters Tod ereignet hatte. Obwohl sie in den letzten Monaten nur unzusammenhängend geredet hatte, sang unsere Mutter auf einmal laut und deutlich Lieder, die sie in ihrer Jungmädchenzeit gelernt hatte: »Gegrüßest seist du, Königin«, »Maria Maienkönigin«, »Maria, breit dein Mantel aus« … »Ihr hättet ihre Augen sehen sollen, sie leuchteten förmlich«, sagte Brigitte. »Sie kannte jede Zeile. Ich benetzte ihre trockenen Lippen mit Wasser. Sie dankte es mir mit einem strahlenden Lächeln. ›Guck mal, Brigittchen!‹, rief sie dann glückselig. ›Engelein! Juhu! Ich komme!‹«

Socki (streift tröstend um Pauls Bein): Da fehlen mir die Worte. Man hat eben nur eine Mutter. Auch wenn ich nicht weiß, wo meine abgeblieben ist.

Brüderchen in der Pinkewanne

Nach dieser anrührenden Geschichte brauchen wir beide offenbar eine Pause. Socki schaut aus dem Fenster. Sie rührt sich nicht. Diese trügerische Stille täuscht. Ich bin mir sicher, sie hat etwas entdeckt. Nur was? Auf einmal duckt sie sich, schleicht zur Wand, die Tür zur Terrasse ist offen, sie startet durch, schießt wie eine Kanonenkugel nach draußen. Himmel, hätte ich mir denken können: Sie hat zwei Feldmäuse erspäht, die im Vorgarten wahrscheinlich vom ewigen Leben träumten. Wie man eine Maus professionell filetiert, damit könnte sie in jeder Kochshow im Katzen-TV auftreten.

Ich blättere derweil in der BILD-Zeitung, um nach »Post von Wagner« zu schauen. Es ist ein Brief an seine tote Mutter drin, der so beginnt: »Wenn du diese Zeilen liest …« Weiter komme ich nicht. In meinem Schoß raschelt es, Socki bohrt ihren Kopf durch die aufgeschlagene Doppelseite und summt süß wie ein Engelchen.

Socki: Hey, du Nesthäkchen, hatten dich deine Schwestern schön verwöhnt?

Paule (legt die Zeitung weg): Meine Schwestern, Renata und Brigitte, umsorgten mich liebevoll, aber etwas hat mir gestunken. Als ich noch ganz klein war und als nach dem Krieg große Not herrschte, war freitags immer Badetag. Da wurde in der Küche eine Zinkwanne auf den Tisch gestellt, heißes Wasser aus großen Töpfen eingefüllt und wir Kinder der Reihe nach gewaschen. Meine beiden Schwestern zuerst, ich am Schluss. Vor dieser Pinke, die in der Wanne inzwischen trüb dümpelte, hatte ich mich fürchterlich geekelt. Außerdem war das Wasser immer schon kalt, bis ich drankam.

Socki: Das ist Usus! Die Ältesten zuerst.

Paule: Ich wollte deshalb auch ganz schnell erwachsen werden, vermutlich fing ich deshalb an, viel zu lesen und früh zu schreiben.

Socki (zielstrebig): Wann ging deine Unschuld flöten?

Paule: Mit fünfzehn bei einem flotten Dreier.

Socki: Miau!

Paule: Wir sind von Bockum-Hövel nach Hamm umgezogen, in die Borbergstraße. Das Finanzamt lag um die Ecke, mein Vater wurde zum Steuerrat befördert. Es war schon eine bessere Gegend, und alle Jungs von der Straße waren verrückt nach der Beate. Ich hatte Heimvorteil. Sie wohnte mit ihren Eltern in meiner Nähe. Beate war ein Jahr älter.

Socki: Also sechzehn, und sie sah aus wie die junge Sophia Loren?

Paule: Die hatte ich interviewt, aber leider erst, als sie schon sechzig wurde. Zu meiner Jugendzeit gab es einen Kultfilm »Fieber im Blut«, der uns alle packte. Mit Warren Beatty und Natalie Wood. Beate hatte die gleichen langen Haare, verführerische Mandelaugen, trug bauschige Petticoats mit Rüschen und Spitzen, und sie hatte mit sechzehn schon einen prachtvollen Busen. Ich nannte sie Natty – nach Natalie Wood.

Socki: Wie hast du Natty rumgekriegt?

Paule: Mit einem Trick. Ich war schwach in Mathe, Natty sollte mir Nachhilfeunterricht geben. Das hat sogar mein Vater eingefädelt, schließlich war Natty die Tochter seines Amtskollegen. Sie war nicht nur schön, sondern auch klug. Eine Einserschülerin. Na ja, erfahren war sie auch, für ihr Alter schon ein kleines Biest. Sie konnte die Jungs um den Finger wickeln. Ich war total verrückt nach ihr. Mit Petting fing es an. Mathebuch in der linken Hand, mit der rechten fummelte ich unter ihrem Petticoat. Ihre Mutter hatte in der Küche zu tun.

Socki: Das war alles?

Paule: Beate ließ mich zappeln. Aber als unsere Eltern einmal gemeinsam bei einem Fest der Oberfinanzdirektion Hamm waren, nutzte ich meine sturmfreie Bude schnell für eine kleine Party. Sie lud ihre Freundin Lilli ein, ich brachte meinen Freund Martin mit. Wir hatten etwas getrunken, Cola mit Rum machte uns locker, Beate holte hinter Mutters Klavier einen Hula-Hoop-Reifen hervor, das war damals der letzte Schrei. Ich schlüpfte mit Beate und Lilli in den Hawaiireifen. Es war zu eng zum Tanzen. Wir rieben uns aneinander.

Socki: Boah ey …

Paule: Wir hatten »Only You« von Elvis Presley aufgelegt. Lilli und Beate begannen zu strippen. Martin wurde es zu heiß, er verkrümelte sich schwitzend ins Haus seiner Eltern auf der anderen Straßenseite. Mich zogen die beiden Mädels bei dem Hula-Hoop-Schwung aus. Als wir alle drei nackt waren, ist es passiert, wie von Zauberhand gesteuert. Es war irre, aber ist es nicht peinlich, darüber zu schreiben?

Socki: Bist du ein Spießer? Aus diesem flotten Dreier hätte Udo Jürgens ein Lied gemacht, Rod Stewart ein Musical. Außerdem hast du ein Alibi.

Paule: Welches?

Socki (altklug): »Der Teufel hat den Schnaps gemacht, um uns zu verderben …«

I Can’t Get No Satisfaction

Wir wechseln den Platz. Raus in den Garten. Die Kirchturmuhr schlägt eine halbe Stunde, doch wie spät es ist, hat für Socki keine Bedeutung. Ich muss mich anpassen, mein Handy abschalten. Sockis Jagdfieber ist im Moment abgeflaut, zwischendurch schaut sie nur verträumt den Schmetterlingen nach. Ihre Augen verraten, dass sie auch mal gerne fliegen würde, aber die Konsequenzen wären hart: nie mehr frische Kalbsleber schlabbern dürfen, sondern auf den Veganmodus aus Polenstaub und Blütensaft umsteigen müssen. Socki sieht schon an mir, was so eine Diät bewirkt: kein Alkohol, kein Kaffee, nur zwei Salat-Shakes am Tag und dazu Brennnesseltee. Zwei Kilo in einer Woche abgenommen. Das stresst. Martina ist nicht begeistert. So überrascht mich die nächste Frage nicht …

Socki: Schluckspechte haben bei der Bundeswehr das Paradies, für die Abstinenzler ist es die Hölle. Wie kann man sie überleben?

Paule: Indem man säuft wie ein Loch. Von der Entziehungskur meines Vaters war ich bald geheilt. Den Schrecken vom einstigen Vollrausch ertränkte ich im Apfelkorn. Diesen Fusel säuft man in Ostfriesland schon zum Frühstück. Ich wollte erwachsen sein und zur Clique gehören. Beim Barras wurde jeden Abend und bei jeder Gelegenheit gesoffen, dass es nur so krachte.

Socki (trällert): Vor der Kaserne, bei dem großen Tor, stand eine Laterne … Wohin bist du eingerückt?

Paule: Zuerst bei den Panzergrenadieren im lippischen Augustendorf, danach Leer in Ostfriesland, drei Monate lang. Stahlhelm musste ich nicht tragen. Ich wurde den Sanitätern zugeteilt. Die anderen Kameraden nannten uns Nillenflicker.

Socki: Da warst du auf dem Philipp-Rösler-Weg: Krankenwärter, Stabsarzt, Gesundheitsminister … Wärst du bloß dabeigeblieben, dann wäre ich heute eine Bundesgesundheitskatze im Rang eines Staatssekretärs oder wenigstens deine Assistentin.

Paule: Koautorin ist besser.

Socki: Aber wärst du Minister, hätten wir einen Dienstwagen mit Chauffeur, und mit der Bundesbahn könnten wir umsonst fahren. Jedes Wochenende nach Bella Italia, auch Katzen überfällt schon mal Heimweh.

Paule: Kein Thema. In den Sechzigern dachte keiner an das Morgen. Karriere war ein Fremdwort. Ein bisschen Geld verdienen, und dann ins volle Leben. Yeah, yeah, yeah. Das war die Devise. Wichtig war die Popmusik. Die Bands, die wie aus dem Nichts auftauchten. Pink Floyd, Supertramp, The Doors, Genesis, Fleetwood Mac, Queen, aber auch Songwriter wie Bob Dylan, Cat Stevens, Joan Baez, David Bowie, Lou Reed, Leonard Cohen. Sie verbanden damals Gleichgesinnte auf der ganzen Welt, wie heute das Internet.

Die neuen Platten waren der Grund, warum man sich traf: um sie gemeinsam in sturmfreien Buden anzuhören, darüber zu diskutieren, kollektiv zu trinken, zu rauchen und zu lieben, immer gierig auf die nächste Platte. Das Herz raste, der Kopf glühte, Bob Dylan röhrte: »Like A Rolling Stone«.

Socki: Heute schütten sich Promis Eiswasser über den Kopf, stellen die Fotos ins Netz. So doof können nur Menschen sein.

Paule: Die Popmusik hat ihren Stellenwert eingebüßt. Die Stars werden durch Marketing und TV-Werbung oder YouTube gemacht. Ich kann mich erinnern, 1964 war ein wichtiges Jahr, weil die Rolling Stones aufgetaucht sind. Wer das nicht registrierte, lebte hinterm Mond. Die Beatles hatten schon ihren Durchbruch geschafft, mit »Please Please Me« ihren ersten weltweiten Nummer-eins-Hit gelandet, aber ich schwärmte ab Mitte der Sechziger für Cream. Die erste Supergruppe aus England, die Blues, Hard- und Psychedelic-Rock gemeingefährlich mischte. Jack Bruce spielte Bass, als wäre es ein Soloinstrument. Ginger Baker bediente das Schlagzeug wie ein Durchgeknallter. Eric Clapton mit seinen sehnsuchtsvollen Gitarrensoli erklärten die Fans für Gott.

Socki: Und der absolute Tophit der Sechziger?

Paule: »Satisfaction« von den Rolling Stones: »I Can’t Get No … Satisfaction …«

Socki: Apropos …

Socki muss mal. Sie hat es schon angekündigt, konnte es aber bis jetzt aushalten. Meine Geschichten scheinen sie zu fesseln. Wenn Katzen pinkeln, ist es fast wie ein heiliges Ritual. Sie verdrehen ihre Augen und beamen sich weg. Katzen sind wasserscheu. Aber wenn man sie beim Pinkeln mit Wasser besprenkelt, zucken sie nicht mal mit den Wimpern. Man kann sie mit einem Kübel Wasser übergießen, sie laufen nicht weg. Sie pinkeln. Also nütze ich die Pause und mache das Gleiche.

So auf Augenhöhe mit Socki ist es schon ein erhebendes Gefühl. Da setze ich mich sogar hin, was ich sonst nicht mache. Sonst könnte mich Socki noch mit Roger Willemsen verwechseln. Der hat sich in einer Talkshow geoutet, ein »Kniepinkler« zu sein. Das heißt, er geht dabei in die Hocke. Wenn schon, dann ein Thronpisser. Da denke ich an die Bundeswehr. Ja, das Vokabular vom dreckigen Dutzend. Es lässt mich nicht los. Pisser, Kacker, Flachwixer, Schlappschwanz, Taubenficker – das wären auch gute Buchtitel. »Der Tastenficker« war schon auf der Bestsellerliste. Allerdings hinter meinem »Merci, Udo!«. Aus solchen Überlegungen reißt mich Socki nun heraus. Wir wechseln das Örtchen und ziehen uns wieder auf die Terrasse zurück.

Dad hielt Journalisten für Betrüger

Socki: Kannst du mir jetzt sagen, wie viele Streifen du beim Bund hattest?

Paule: Ich hatte einen Streifen auf der Schulterklappe: Gefreiter Sahner. Aber ein Oberfeldwebel in der Kompanie, der mich hasste, degradierte mich zurück auf einfachen Sanitätssoldaten. Ich schrieb damals ein Gedicht darüber, so im Stil von Wolf Biermann:

Soldat Soldat in grauer Norm / Soldat Soldat in Uniform / … Soldat, Soldat sein ist kein Spiel, / Soldat sein hat nur eins zum Ziel, / zu morden, fremde Horden.

Socki: Als gelernter Expisspottschwenker – ist heute bei dir noch Erste Hilfe drin?

Paule: Kaum.

Socki: Aber Blut kannst du sehen?

Paule: Weder Blut noch Krankheit machen mir etwas aus. Ich fürchte den Tod nicht, solange ich lebe.

Socki: Wie wär’s mit Schießen?

Paule: Die Ausbildung an der Waffe hatte ich in der Grundausbildung absolvieren müssen. Schnellfeuerpistole und Uzi, das ist eine israelische MG-Pistole, bei der Bundeswehr unter der Bezeichnung MP2 eingeführt. Bei den Übungen musste ich auf Pappkameraden ballern. Immer ins Herz, befahlen die Vorgesetzten.

Socki: Auch mit der Kalaschnikow?

Paule: Man zeigte sie uns bei der Bundeswehr, auch wie man sie zerlegt, aber schießen konnte ich damit nicht. Ich hatte sie nicht mal in der Hand.

Socki: Was dann?

Paule: Karten. Beim Barras kam ich auf den Zockertrip. Es überkam mich wie eine Sucht.

Socki: Lenk nicht ab!

Paule: Stopp Socki, das ist die Pointe zum Zocken. Die kommt noch. Ich konnte nur begrenzt studieren, aber das Schreiben interessierte mich. Es war mein Traum, unbedingt Journalist zu werden. Nicht Schriftsteller. Der braucht für ein Buch Jahre. Ich wollte, dass die Leute mich jeden Tag lesen. Ich liebte Zeitungen, schon der Geruch der Druckerschwärze war für mich wie ein betörendes Parfüm, und Papier fasste sich sinnlich an.

Socki: Ein Papierfetischist. Das muss deinen Dad, den ehrbaren Beamten, aus der Fassung gebracht haben.

Paule: Mein Vater war strikt dagegen. Er bestand darauf, dass ich etwas Vernünftiges werde, etwa Steuerberater. Er hätte gute Beziehungen, würde mich lotsen. Ich wehrte mich. Mein Vater ließ nicht mit sich reden. Er lästerte. »Journalisten sind Betrüger. Sie schreiben, was sie wollen, zimmern sich ihre Welt zusammen, wie es ihnen passt.«

Socki: An Vorurteilen ist immer etwas dran.

Paule: Wie wahr. Ich merkte, dass etwas nicht stimmte, und löcherte meinen Vater so lange, bis er Farbe bekannte. Es war nach dem Krieg, er ging einmal die Woche am Sonntag zu seiner Skatrunde. Da waren der Apotheker dabei, der Pfarrer, der Arzt, der Bürgermeister und ein Journalist. »Na toll«, sagte ich. »Nein«, unterbrach mein Vater. »Der Journalist hat immer gewonnen.« – »Weil er cleverer war als ihr«, trumpfte ich auf. – »Nein«, schimpfte Vater. »Er hat uns über den Tisch gezogen. Wenn er die Karten gemischt hat, hielt er mindestens drei Asse oder zwei Bauern in der Hand. Er hat betrogen.« Seitdem waren für meinen Vater alle Journalisten Gauner, nur weil einer ihn und seine Kumpel abgezockt hatte.

Socki: Beamte sind angeblich anständige Leute. Da muss dein Dad doch eine berufliche Alternative für dich gehabt haben.

Paule: Katholischer Geistlicher. In unserer Familie, wo noch sein Großvater als Bergmann unter Tage schuftete und zwei Söhne hatte, wurde sein älterer Bruder Willi katholischer Pfarrer. Das entsprach der Tradition bei den Sahners. Einer musste immer Priester werden. Onkel Willi studierte sogar Theologie an der Universität in Münster, machte einen zweifachen Dr. Dr. Er war ein Studienkollege des damals berühmten Kardinals Graf von Galen, genannt »der Löwe von Münster«. Diesen Ehrennamen erhielt er wegen seines mutigen Widerstands gegen das NS-Regime. Er hatte im Münsterland während des Krieges in der katholischen Bevölkerung mehr Einfluss als die Nazis. Die ließen ihn auch zunächst gewähren, um das fromme Volk vom Münsterland nicht aufzuwiegeln.

Socki: Wollte dich dein Dad etwa als Kardinal sehen?

Paule: Möglich, jedenfalls war er froh, dass ich wenigstens Messdiener wurde …

Socki: … nur um später als Journalist mit dem Latinum zu prahlen. Also, weiter geht’s …

Paule: Reicht’s noch nicht? Können wir uns nicht über interessantere Dinge unterhalten als über den Barras und Skat?

Socki: Gemach, gemach. Wie begann deine journalistische Ausbildung?

Paule: Ich lernte richtig Skat. Die Bundeswehrzeit war für mich die Universität fürs Kartenspiel. Beim Skat zockte ich viele ab. Irgendwann fing ich mit Black Jack an, Poker und zum Schluss noch Backgammon. Diese Mischung aus Strategie und Glück machte mich süchtig.

Socki: Hat das irgendetwas mit meiner Frage zu tun, oder bist du schon wieder off topic?

Paule: Nur Geduld! Etwa zehn Jahre später, schon als Klatschkolumnist bei der Münchner tz, war ich bei den Dreharbeiten für »Hallo Peter«, eine Musikshow mit Peter Kraus, der seine musikalischen Stargäste nicht nur im Studio, sondern in fernen Ländern und exotischen Plätzen begrüßte, auf den Bahamas. Dort spielte ich drei Tage am Strand ununterbrochen Backgammon. Ich vergaß alles um mich herum, sodass ich nicht ein einziges Mal im Meer geschwommen bin.

Wir spielten im Schatten, aber die Sonne knallte auf unsere Hände. Ich merkte es nicht. Schon am ersten Abend waren sie krebsrot und brannten wie Feuer.

Und es kam noch krasser. Am Airport auf den Rückflug wartend, vertiefte ich mich mit einem Kollegen so ins Backgammon, dass ich den letzten Aufruf zum Einsteigen überhörte. Auf einmal waren alle Fluggäste weg. Ich saß mit dem Gegenspieler ganz allein in der Halle. Gespenstisch. Eine Stewardess schaffte uns in letzter Sekunde an Bord.

Socki: Wie denn das?

Paule: