Identität: Christ. Orientierung: schwul. Lebensstil: enthaltsam. - Wesley Hill - E-Book

Identität: Christ. Orientierung: schwul. Lebensstil: enthaltsam. E-Book

Wesley Hill

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Beschreibung

Wesley Hill ist schwul. Von seiner Teenagerzeit an fühlt er sich von Männern angezogen. Doch er ist überzeugt, dass Homosexualität nicht Gottes ursprünglicher schöpferischer Absicht für die Menschheit entspricht, und hat sich deshalb entschieden, sexuell enthaltsam zu leben. In großer Offenheit und Ehrlichkeit erzählt Hill von seinen inneren Kämpfen mit Einsamkeit und Scham und von seiner Sehnsucht nach erfüllenden Beziehungen und Angenommen-Sein. Seine intensives Nachdenken und theologisches Reflektieren bewirken einen Perspektivwechsel, der Hill auf den Weg bringt, seine wahre Identität zu erkennen. Doch die Frage bleibt: Gibt es innerhalb der christlichen Gemeinden einen Platz für Menschen wie ihn?

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Seitenzahl: 218

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Stimmen zum Buch

Dieses Buch ist sehr persönlich, dabei schonungslos offen und zugleich theologisch tief – eine seltene Kombination. Wesley Hill erzählt davon, was es für ihn bedeutet, als Christ mit stabilen homosexuellen Empfindungen zu leben, im kostbaren Gehorsam gegenüber Gottes Wort, das Sexualität der Ehe von Mann und Frau vorbehält.

Gerade wer dies anders sieht, sollte das Buch unbedingt lesen! Denn Hill zeichnet seine Erfahrungen, seine Kämpfe und Sehnsüchte wie auch seine im Glauben gewonnenen Gewissheiten in Gottes große Geschichte mit uns Menschen ein. Und diese Geschichte verheißt, dass das wahre Menschsein, wie Gott es sich für uns gedacht hat, sich nicht in der Bindung an einen Ehepartner, sondern in der Zugehörigkeit zu Christus realisiert.

Dieses Buch ist ein starkes Zeugnis für Gottes erneuernde Kraft im Leben von Christen, die nicht zulassen, dass ihre Sexualität definiert, wer sie sind. Es gibt mehr Christen, die diesen Weg für sich bezeugen, als wir denken. Wir müssen nur bereit sein, ihre Stimmen zu hören.

Prof. Dr. Christoph Raedel lehrt Systematische Theologiean der Freien Theologischen Hochschule Gießen undist Vorsitzender des Arbeitskreises für evangelikale Theologie

Wesley Hills Werk ist eine Kombination aus großer persönlicher Ehrlichkeit und tiefgehender pastoraler Reflexion. Sein akademisch begabter Verstand, eingesetzt zur sorgfältigen Exegese von Gottes Wort, hat ihn zu gegenkulturellen, aber biblischen Schlüssen und Handlungen geführt.

Wesleys Leidenschaft dafür, Jesus zu verherrlichen, indem er treu als ein christlicher Mann lebt, der „zufällig“ eine homosexuelle Orientierung besitzt, ist inspirierend für jeden sich abmühenden Gläubigen, der wünschte, die Dinge wären anders, als sie sind. Seine Einsichten und biblischen Überlegungen werden für viele Mitleidende eine wesentliche Hilfe darstellen, ihren Glauben in einer gefallenen Welt auszuleben.

Dieses Buch kann jedem Gläubigen lebensverändernde Ermutigung bieten, der sich danach sehnt, dem Gott treu zu sein, der Rettung vollbracht hat – eine Rettung, die schon jetzt ist und zugleich noch nicht. Denn wir, die wir in Christus sind, sind alle „reingewaschen und wartend“.

Tom Steller, Wissenschaftsdekan, Bethlehem College and Seminary

Wesley Hill hat ein mutiges Buch geschrieben. Seine Geschichte wird Anklang finden in der einzigartigen Erfahrung anderer Christen mit gleichgeschlechtlichen Empfindungen, die sie sich nicht selbst ausgesucht haben. Doch seine theologische Perspektive weitet seine Botschaft so aus, dass sie alle Gläubigen einschließt, die darum ringen, in einer gebrochenen Welt treu zu leben. Dieses Buch wird außerdem Gemeinden dazu herausfordern, zu Gemeinschaften teurer Liebe zu werden, in denen Männer und Frauen ehrlich voreinander sein können.

Mardi Keyes, L’Abri Gemeinschaft

Dies ist ein unglaublich wichtiges Buch. Es geht über die gewöhnlichen, gesichtslosen Argumente und christliche Rhetorik hinaus und stellt stattdessen die tatsächliche Geschichte eines Menschen dar – eine Geschichte, die von jemandem erzählt, der die Wahrheiten der Schrift bewahrt hat und sie im Leben ausgestaltet. Es ist eine freimütige, erkenntnisreiche, ehrliche, schöne, herzzerreißende, fesselnde Geschichte. Ich bete, dass viele Menschen sie lesen werden. Ich danke Wesley Hill für den Mut, diese Botschaft in einer Kultur zu teilen, die sie so dringend hören muss.

Dan Kimball, Autor von They Like Jesus But Not The Church

Wesley Hill

Identität: Christ.

Orientierung: schwul.

Lebensstil: enthaltsam.

Aus dem amerikanischen Englischvon Svenja Lueg

Published by arrangement with The Zondervan Corporation L.L.C., a subsidiary of HarperCollins Christian Publishing, Inc.

Copyright © 2010, 2016 by Wesley Hill

Titel der Originalausgabe: Washed and Waiting

© 2010, 2016 Wesley Hill

Veröffentlicht mit Zustimmung der Zondervan Corporation L.L.C., einem Imprint von HarperCollins Christian Publishing, Inc.

Bibelzitate folgen, wo nicht anders angegeben, Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Witten/Holzgerlingen.

Weitere verwendete Übersetzungen sind wie folgt gekennzeichnet:

NGÜ – Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen. Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft. Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

L17 – Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

© 2021 Brunnen Verlag GmbH, Gießen

Lektorat: Konstanze von der Pahlen

Umschlagfoto: shutterstock

Umschlaggestaltung: Daniela Sprenger

Satz: DTP Brunnen

ISBN Buch 978-3-7655-2103-4

ISBN E-Book 978-3-7655-7565-5

www.brunnen-verlag.de

Für meine Mitchristen, die mit ihrer sexuellen Identität ringen und auf die ihnen verheißene Erlösung hoffen.

Inhalt

Vorbemerkung des Autors

Danksagung

Einleitung

Auftakt: Reingewaschen. Wartend

Kapitel 1: Von einer Geschichte geprägt leben

Zwischenspiel: Der wunderschöne Einschnitt

Kapitel 2: Das Ende der Einsamkeit

Nachspiel: „Du bist Blitz und Liebe“

Kapitel 3: Die göttliche Auszeichnung

Nachwort von Kathryn Greene-McCreight

Anmerkungen

Vorbemerkung des Autors

Die Geschichten, die ich in diesem Buch erzähle, sind wahr. Doch in den meisten Fällen (außer wenn mir ausdrücklich die Erlaubnis erteilt wurde) habe ich die Namen und Charakteristika der dargestellten Personen geändert. In mindestens einem Fall habe ich basierend auf verschiedenen Beziehungen und Gesprächen, die ich hatte, eine zusammengesetzte Person geschaffen. All das habe ich getan, um die Privatsphäre von Freunden zu schützen, die nicht wollen, dass ihre Geschichte öffentlich bekannt gemacht wird.

Danksagung

Ohne die Ermutigung vieler Freunde wäre es mir unmöglich gewesen, dieses Buch zur Vollendung zu bringen. Ich bin denen zutiefst dankbar, die Kapitel und teilweise einen gesamten Entwurf des Manuskripts gelesen und mir konstruktives Feedback gegeben haben: Wayne Martindale, Alex Kirk, David Lincicum, Brian und Kristin Tabb, Todd Wilson, Luke Neff, Agnieszka Tennant, DeWayne Stallings, David Sims, Walter Moberly, Misty Irons, Noah Dennis, Roger und Haley Scharf, Jono Linebaugh und Kathryn Greene-McCreight.

Ein paar Freunde sind dabei weit über ihre Pflicht hinausgegangen. Charlie Shepherd und Tommy Grimm waren während des Schreibprozesses für mich da wie niemand sonst. Alan Jacobs las und kommentierte nicht nur verständnisvoll, er stellte auch Kontakte zu anderen her, die dabei halfen, das grobe Manuskript zu einem Buch werden zu lassen.

Mardi Keyes glaubte von Beginn an an dieses Buch; ich bin nicht sicher, ob ich den Mut gehabt hätte, auf die Veröffentlichung hinzuarbeiten, wenn sie und der Morgen nicht gewesen wären, an dem wir es durchgesprochen haben. Sie arbeitete das Manuskript dreimal mit äußerster Sorgfalt durch und machte zahlreiche hilfreiche Verbesserungsvorschläge.

Michael und Emily Allen waren unermüdlich in ihrer Freundschaft, im Gebet und darin, weisen Rat zu geben. In späteren Phasen erhielten Denis und Margie Haack, Abraham Piper und Madison Trammel meine Überzeugung aufrecht, dass dieses Buch es verdiene, das Licht der Welt zu erblicken. Sie halfen auf konkrete Weise, das möglich zu machen. Dan Treier, John Wilson und Lil Copan schenkten mir großzügig ihre Zeit, um mir dabei zu helfen, den Veröffentlichungsprozess zu verstehen und mich hindurchzumanövrieren.

Dankbar bin ich Scott Hafemann, Mark Talbot, Todd Augustine, Tom und Julie Steller, David Michael, Dan und Liz Holst, Christ Mitchell sowie Ross und Barbie Anderson für ihre geistliche Leitung, ihre theologische und seelsorgerliche Aufsicht und ihr Gebet. Ohne diese Dinge wäre mein Leben – und damit dieses Buch – unermesslich viel ärmer. Vor allem aber bin ich dankbar für die anhaltende, sich selbst verschenkende Liebe meiner Familie, meiner Eltern, meiner Schwester und meines Schwagers sowie meines Bruders.

Für etwaige Fehltritte – geistliche, theologische, seelsorgerliche oder andere – bin selbstverständlich ich verantwortlich. Ohne die hier erwähnten Menschen gäbe es in diesem Buch weit mehr solcher Fehltritte, als sich dort ohnehin schon finden.

Abschließend bin ich meinem Lektor Ryan Pazdur sowie Dirk Buursma, Chris Fann und dem restlichen Team bei Zondervan besonders dankbar dafür, dass sie Vertrauen in die Botschaft dieses Buches hatten und das Risiko eingegangen sind, einen Neuling als Autor zu nehmen.

Einleitung

Zu dem Zeitpunkt, als ich in die Highschool kam, waren mir zwei Sachen klar geworden. Die erste war, dass ich Christ war. Meine Eltern hatten mit ihrer Erziehung dazu beigetragen, dass ich an Jesus glaubte. Während ich langsam unabhängiger von meiner Familie wurde, wusste ich, dass ich auch weiterhin Christ bleiben wollte – dass ich Christus vertraute, ihn lieben und ihm gehorchen wollte. Er war „für uns Menschen und zu unserm Heil“ gekreuzigt und von den Toten auferweckt worden, wie das Glaubensbekenntnis es ausdrückt.

Die zweite Sache war, dass ich schwul war. Solange ich denken kann, hatte ich mich schon als Kind auf eine leicht verwirrende Weise zu Männern hingezogen gefühlt. Nach der Pubertät war mir klar geworden, dass ich eine ständige, starke, unaufhörliche und exklusive sexuelle Anziehung zu Menschen meines Geschlechts empfand.

Seit dieser Zeit der Selbstentdeckung rang ich Woche für Woche damit, herauszufinden, wie ich treu leben konnte als ein Christ, der gleichgeschlechtliche Anziehung empfindet. In den schwersten Stunden dieses Kampfes habe ich nach Artikeln oder Büchern gesucht, die mir helfen konnten. Ich habe nach Dingen gesucht, die sozusagen in der Feuerprobe, also von anderen schwulen Christen, geschrieben worden waren – nach Büchern, die aus einem intensiven persönlichen Ringen sowohl mit Homosexualität als auch mit den Anforderungen des Evangeliums entstanden waren; Büchern, in denen ich eine Orientierungshilfe finden konnte.

Ich habe Dutzende, vielleicht Hunderte wissenschaftliche Artikel und Monografien entdeckt, die jene Abschnitte der Bibel diskutieren, die sich mit Homosexualität beschäftigen. Fachzeitschriften und Enzyklopädien boten mir unzählige Studien über die „psychosomatischen“, sozialen und möglicherweise genetischen Ursprünge von Homosexualität. Bücher über Geschichte und Soziologie beschrieben detailliert, wie verschiedene Kulturen und Epochen mit Menschen umgegangen sind, die sexuelles Verlangen nach anderen Personen desselben Geschlechts empfinden.

Nie habe ich jedoch ein Buch gefunden, mit dem ich mich identifizieren konnte; ein Buch, das versucht, ein wenig von der Verwirrung und dem Schmerz, dem Triumph, der Trauer und der Freude in Worte zu fassen, die mit dem Ringen einhergehen, als schwuler Mensch in Christus treu vor Gott und mit anderen zu leben. Vor Ihnen liegt das Ergebnis meines Versuchs, ein solches Buch zu schreiben.*

Meine Geschichte unterscheidet sich sehr von den Geschichten derer, die sich wie ich als „homosexueller Christ“ bezeichnen, aber sagen, sie seien „in ihrer Homosexualität geheiligt“. Diese Überzeugung begegnet mir immer wieder, vor allem in den protestantischen Großkirchen, weniger in evangelikalen Gemeinden, auch wenn sich das bald ändern könnte. Die Autoren dieser Geschichten bekennen sich zu einem tiefen Glauben an Christus und beanspruchen gleichzeitig für sich, den Heiligen Geist genau in und durch ihre sexuellen Beziehungen auf kraftvolle Weise zu erfahren. Diesen Christen zufolge ist ihre Homosexualität ein Ausdruck von Heiligkeit, ein Symbol und ein Kanal für Gottes Gnade in ihrem Leben.1

Ganz im Gegensatz dazu handelt meine eigene Geschichte davon, wie ich mich durch meine Homosexualität geistlich eher behindert als gestärkt gefühlt habe. Anders formuliert: Meine Geschichte bezeugt die Wahrheit des Standpunktes, den die christliche Kirche mit nahezu völliger Einstimmigkeit über Jahrhunderte vertreten hat. Diese Position besagt, dass Homosexualität nicht Gottes ursprünglicher schöpferischer Absicht für die Menschheit entspricht; dass sie vielmehr ein tragisches Zeichen dafür ist, dass das menschliche Wesen und menschliche Beziehungen durch die Sünde zerbrochen sind; dass sich daher die praktizierte Homosexualität gegen Gottes ausdrücklichen Willen für alle Menschen richtet, insbesondere für die, die auf Christus vertrauen.

Doch meine Geschichte unterscheidet sich auch von der, die viele andere in der Kirche erzählen, vor allem evangelikale Gläubige. Im Unterschied zu ihnen habe ich nie eine dramatische, heilsame Umkehrung meines homosexuellen Verlangens erfahren. Mit anderen Worten: Gottes Gegenwart in meinem Leben hat nicht dazu geführt, dass ich heterosexuell geworden bin. Wie Paulus habe ich Gott immer und immer wieder leidenschaftlich, verzweifelt und unter Tränen gebeten, diesen „Pfahl im Fleisch“ wegzunehmen. Ich habe Christen gehört, die ehemals schwule und lesbische Beziehungen geführt haben. Sie bezeugten, dass sie eine außergewöhnliche, entscheidende Veränderung in ihrer sexuellen Orientierung erlebt hatten und jetzt in normalen Ehen und größtenteils frei von homoerotischen Neigungen leben konnten.

Ich möchte nicht bestreiten, dass dies ein Beweis der Liebe, Gnade und Macht Gottes ist. Ich möchte auch nicht jemandes Hoffnung auf Gottes Fähigkeit schmälern, homosexuelles Verlangen (für manche) auf diese Weise zu verändern. Dennoch möchte ich sagen, dass dies nicht meiner Erfahrung entspricht. Und es entspricht auch nicht der Erfahrung vieler anderer schwuler und lesbischer Christen, die im Stillen darum ringen, gehorsam zu bleiben, während sie Tag für Tag mit uns in der Gemeinschaft der Kirche Gott anbeten und ihm dienen.

Daher behandelt dieses Buch weder die Frage, wie man als praktizierende homosexuelle Person gehorsam leben kann, noch wie man als vollständig geheilte oder ehemals homosexuelle Person im Glauben treu sein kann. J. I. Packer kommentiert das hoffnungsvolle Wort, das Paulus in 1. Korinther 6,9–11 an sexuelle Sünder richtet. Packer schreibt dazu: „Zusammen mit einigen Christen in Korinth feierte Paulus die moralische Kraft des Heiligen Geistes in Bezug auf heterosexuelle Herausforderungen; zusammen mit anderen Korinthern sind Homosexuelle heute dazu berufen, die moralische Kraft des Heiligen Geistes angesichts homosexueller Herausforderungen unter Beweis zu stellen, auszuleben und zu feiern.“2 Im vorliegenden Buch geht es darum, was es bedeutet, genau das zu tun – als nicht praktizierender, aber noch begehrender homosexueller Christ praktisch die Gnade Christi und die Macht des Heiligen Geistes im Hinblick auf Homosexualität zu beweisen, auszuleben und zu feiern.

Dieses Buch wurde primär für solche homosexuellen Christen geschrieben, die bereits überzeugt sind, dass die Nachfolge Jesu sie zu dem herausfordernden, entbehrungsreichen Gehorsam verpflichtet, ihr homosexuelles Verlangen nicht zu nähren – weder durch private Fantasien noch durch körperliche Beziehungen zu anderen schwulen oder lesbischen Menschen.

Martin Hallett ist selbst ein homosexueller Christ, der einen Dienst für schwule und lesbische Menschen in Großbritannien namens True Freedom Trust leitet. Ihm zufolge gibt es „vermutlich fast so viele Christen mit homosexuellen Gefühlen, die nicht glauben, dass gleichgeschlechtlicher Sex für Christen richtig ist, wie es homosexuelle Christen gibt, die dessen Akzeptanz propagieren“3. Er schreibt weiter:

Einer meiner Freunde in Schweden (Erik) ist lutherischer Pastor. Er glaubt an die traditionelle biblische Lehre über Sexualität und empfindet selbst homosexuell. Bereits zu Beginn seiner Berufung als ordinierter Geistlicher beschloss er, mit seiner Sexualität stets offen umzugehen. […] Je mehr Evangelikale sich öffentlich dazu bekennen, desto weniger hoch wird der Preis dafür erscheinen. Und ich glaube, dass es eine ungeheure Auswirkung auf Gottes Reich haben wird […].

[Ich möchte] Gemeindeleiter, die homosexuell empfinden, aber glauben, dass gleichgeschlechtlicher Sex falsch ist, ermutigen, offener zu sein. Menschen wie Erik […] stellen keine winzige Minderheit im Hinblick auf die Homosexuellen in der Gemeinde dar. […] Ich wünschte, ihre Stimme könnte gehört werden, wenn sie sagen: „Wir glauben, dass unsere Homosexualität Teil unseres Wertes und unserer Begabung für die Gemeinde ist, aber gleichgeschlechtlicher Sex ist Sünde.“ Welchen Unterschied würde das für das Leben, das Zeugnis und die Zukunft des Leibes Christi machen.4

Zusammen mit Martin Hallett und seinem Freund Erik möchte ich auf meine bescheidene Weise dazu beitragen, das Schweigen zu brechen, das in vielen Gemeinden herrscht. Es ist kein Geheimnis, dass eine große Zahl homosexueller Christen Angst empfindet angesichts der Vorstellung, ihren Glaubensgeschwistern von ihrer sexuellen Neigung zu erzählen. Diejenigen, die ihren inneren Kampf offenlegen, bekennen häufig, dass sie ihn aus Angst und Scham jahrelang totgeschwiegen haben.

Keineswegs will ich in irgendeiner Weise zu diesem weitverbreiteten Schamgefühl beitragen. Vielmehr hoffe ich, dass dieses Buch andere homosexuelle Christen dazu ermutigt, den riskanten Schritt zu wagen und sich anderen Christen zu öffnen. Wenn sie das tun, werden sie möglicherweise feststellen, dass es geistlich gesünder ist, in vollem Umfang gekannt zu werden als hinter verschlossenen Türen zu verharren; dass das Licht besser ist als die Finsternis. Zumindest habe ich diese Erfahrung aus Gnade gemacht.

Während ich diese Überlegungen aufschrieb, dachte ich oft an eine Szene aus Richard Attenboroughs Shadowlands, einem eindrucksvollen Film über die späte Liebe zwischen C. S. Lewis und Joy Davidman. Ganz am Ende des Films hat Lewis die schlimmsten Kämpfe in seiner Trauer über Joys noch nicht lange zurückliegenden Krebstod durchlebt. Er hat an seinem Glauben an Gott festgehalten. Doch er wirkt älter, der Welt überdrüssiger und zynisch gegenüber einfachen Lösungen für das, was er früher als das „Problem des Schmerzes“ bezeichnet hatte. „Ich habe keine Antworten mehr“, sagt er, „nur das Leben, das ich gelebt habe.“ In vielerlei Hinsicht empfinde ich ähnlich im Hinblick auf das, was ich auf den folgenden Seiten geschrieben habe. Auf die Frage, wie man als homosexueller Christ gut vor Gott und mit anderen leben kann, ist am Ende des Tages das Leben, das ich durch die Kraft des Evangeliums zu leben versuche, die einzige „Antwort“, die ich zu bieten habe.

Mit meinen Anfang dreißig fühle ich mich noch sehr jung und spüre die Notwendigkeit, zu wachsen – sowohl in meinem Verständnis von christlicher Nachfolge als auch in meinem Verständnis von menschlicher Sexualität. Es liegen noch immer Wege für eine mögliche Heilung vor mir, die ich erkunden will. Ich hoffe auch, dass ich in Zukunft weitere Seelsorge und geistliche Anleitung erhalten werde. Aber aus ebendiesem Grund, dass ich mich noch inmitten der schmerzhaften und verwirrenden Phase befinde, in der ich versuche, eine Identität für mich zu formen als Christ, der mit Homosexualität ringt, eben aus diesem Grund ist es mir vielleicht möglich, anderen eine hilfreiche Perspektive zu bieten – anderen, die wie ich ohne jeden Zweifel wissen, dass sie Jesus nachfolgen wollen, und die gleichzeitig Tag für Tag mit homosexuellem Verlangen ringen.

Hauptsächlich schreibe ich also als homosexueller Christ für andere homosexuelle Christen. Ich schreibe für diejenigen, die mit dem Gefühl aufgewachsen sind, in gewisser Form Aliens zu sein, und die Mühe haben herauszufinden, warum. Ich schreibe für schwule und lesbische Christen, die Angst davor haben, was ihre Eltern denken mögen, wenn sie die Anziehung entdecken, mit denen ihre Söhne oder Töchter seit Jahren ringen. Ich schreibe für die schwulen und lesbischen Christen, die jemand Heterosexuelles geheiratet haben in einem letzten verzweifelten Versuch, ihre sexuelle Orientierung zu ändern; die feststellen, dass ihr homosexuelles Verlangen heute noch genauso stark ist wie eh und je. Ich habe all die schwulen und lesbischen Christen im Kopf, die hinter verschlossenen Türen leben; die verzweifelt ihren Glaubensgeschwistern ihr tiefstes Geheimnis mitteilen wollen, sich dazu aber nicht in der Lage fühlen.

Ich schreibe für Leute in ihren späten Zwanzigern oder sogar Dreißigern und Vierzigern und darüber hinaus, die zum ersten Mal in ihrem Leben das Erwachen homosexueller Impulse und homosexuellen Verlangens erleben; die zu Tode erschrocken sind, weil sie sich fragen, was das bedeutet und wie sie damit umgehen sollen. Ich schreibe für schwule und lesbische Menschen, die verletzende Ablehnung von Christen erlebt haben und dennoch überzeugt sind, dass Gott will, dass sie versuchen, ein reines und treues Leben innerhalb der fehlerhaften und oftmals verletzenden Gemeinschaft der Gemeinde zu führen. Ich schreibe für homosexuelle Menschen, die versucht haben – und versuchen –, „heterosexuell zu werden“ und keinen Erfolg damit haben; die sich zum x-ten Mal fragen, was genau Gott eigentlich von ihnen will.

Aber ich habe auch andere vor Augen – Eltern, Brüder und Schwestern, Verwandte, die nicht zur engsten Familie gehören, gute Freunde, Pastoren, Jugendleiter und Seelsorger –, die homosexuellen Christen nahestehen und helfen wollen, sie in Richtung Heilung, Ganzwerden und geistlicher Reife zu führen. Ich hoffe, dass auch sie dieses Buch lesen und vom Nachdenken über die Erfahrungen, die ich beschreibe, profitieren werden.

Und ich hoffe, dass es andere gibt, die „zufällig mitbekommen“, was ich schreibe – andere, die selbst lang und erbittert mit andauerndem und ungewolltem Verlangen oder anderen Lasten kämpfen, die in mancher Hinsicht denen von schwulen und lesbischen Christen ähnlich sind – Substanzabhängigkeiten, Essstörungen, mentalen und emotionalen Störungen verschiedener Art. Wenn Christen in diesen und anderen Umständen etwas von dem, was ich sage, auf ihre eigenen Situationen anwenden können, freue ich mich. Der Kampf eines Christen mit Homosexualität ist in vielerlei Hinsicht einzigartig, aber nicht völlig. Die Dynamik von menschlicher Sündhaftigkeit sowie göttlichem Erbarmen und göttlicher Gnade funktionieren für uns alle gleich, unabhängig von den konkreten Versuchungen oder Schwächen, mit denen wir konfrontiert sind.

Meiner Erfahrung nach hat mich mein Bestreben, als schwuler Christ meinen Glauben zu leben, in drei hauptsächliche Kämpfe verwickelt. Der erste bestand und besteht in dem Ringen darum, zu verstehen, was genau das Evangelium von homosexuellen Christen fordert; zu verstehen, warum es zu verlangen scheint, dass ich meinem homosexuellen Verlangen nicht nachkomme – und zu verstehen, wie das Evangelium mich tatsächlich dazu befähigt, diese Forderung zu erfüllen. Das erste Kapitel dieses Buches, „Von einer Geschichte geprägt leben“, widmet sich diesen Fragen.

Zweitens: Als Christ heftiges homoerotisches Verlangen zu erleben, bedeutet für mich Einsamkeit – Gefühle der Isolation, Angst davor, für den Rest meines Lebens mit meiner Gebrochenheit allein zu sein, Angst, dass niemand langfristig da sein wird, der diesen Weg mit mir geht. Die meisten homosexuellen Christen, die davon überzeugt sind, dass gleichgeschlechtlicher Sex keine Option ist, werden, wie ich vermute, zu dem Schluss kommen, dass das Zölibat die beste oder einzige Option ist, um ein Leben zu führen, das der Forderung des Evangeliums im Hinblick auf Reinheit gerecht wird. Und aufgrund dessen werden die meisten schwulen oder lesbischen Christen Einsamkeit erleben.

Es stellen sich also folgende Fragen: Wie können wir mit dieser Einsamkeit leben? Ist Erleichterung möglich? Welchen Trost bietet das Evangelium? Antworten darauf bilden den Schwerpunkt von Kapitel 2, „Das Ende der Einsamkeit“.

In meinem Leben und im Leben vieler anderer verursacht die Scham einen permanenten Kampf, während wir uns bemühen, das Leben Christi und seines Geistes als homosexuell Empfindende auszuleben. Schuldgefühle aufgrund von homosexueller Sünde, ein nagendes, unerschütterliches Gefühl, „beschädigte Ware“ zu sein, das Empfinden, irreparabel kaputt zu sein und daher regelmäßig und unvermeidbar Gott zu missfallen – all diese Gefühle scheinen bei vielen gleichgeschlechtlich orientierten Christen eine dominante Rolle zu spielen. In Kapitel 3, „Die göttliche Auszeichnung“, wende ich mich diesem Kampf zu. Ich versuche, die Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, die zum Herzschlag meines Lebens geworden ist: dass wir homosexuelle Christen mit den Worten von C. S. Lewis sogar „Teil der göttlichen Freude“5 sein können. Wir können Gott gefallen. Wir können wirklich sein Wohlgefallen inmitten von sexueller Gebrochenheit erleben. Wir können am Ende an seiner Herrlichkeit teilhaben.

Drei Minibiografien von homosexuellen Christen sind über diese Kapitel verstreut. Die erste beinhaltet meine eigene Lebensgeschichte. Ich habe außerdem die Geschichte von Henri Nouwen, dem inzwischen verstorbenen schwulen katholischen Autor, der viel über Spiritualität geschrieben hat, sowie die Geschichte des homoerotisch empfindenden jesuitischen Dichters Gerard Manley Hopkins aus dem 19. Jahrhundert mit eingebunden. Ich hoffe, dass die Mühsal und die Triumphe von drei homosexuellen Christen aus dem echten Leben Lesern helfen mögen, einen Bezug zu dem eher theoretischen Material in den Hauptkapiteln des Buches zu finden.

Es ist mein Gebet, dass Gott die Überlegungen in diesem Buch gebrauchen möge, um anderen zu helfen, treu vor ihm zu leben bis zu der Zeit, wenn er alles neu macht. Bis dahin warten wir voller Hoffnung (Römer 8,25), reingewaschen durch seinen Sohn und seinen Geist (1. Korinther 6,11).

Bevor es weitergeht, möchte ich kurz die Terminologie beschreiben, die auf den folgenden Seiten verwendet wird. In diesem Buch habe ich mich dazu entschlossen, keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Bezeichnungen für Homosexualität zu treffen. Also gebrauche ich zum Beispiel „gleichgeschlechtliche Anziehung“, „homosexuelles Verlangen“, „Homosexualität“ und verwandte Begriffe austauschbar. Ebenso habe ich vielfältige Bezeichnungen für schwule und lesbische Menschen verwendet. Anstatt strikt bei einem Begriff wie „homosexueller Christ“ zu bleiben, bezeichne ich mich selbst auch als „schwuler Christ“ oder als „Christ, der homosexuelles Verlangen erlebt“. Für mich sind all diese Begriffe synonym. Zwar lassen sie Raum für Missverständnisse; meiner Meinung nach überwiegen die Vorteile ihres Gebrauchs jedoch die potenziellen Gefahren. Bei keinem dieser Begriffe sollte zwangsläufig angenommen werden, er impliziere homosexuelle Praktiken. In jedem dieser Fälle lege ich meistens die Betonung auf die sexuelle Orientierung der Person, nicht auf das entsprechende Verhalten.

Es gibt allerdings einen Sprachgebrauch, den ich zu vermeiden versucht habe. Anstatt jemanden als „einen Homosexuellen“ zu bezeichnen, habe ich mich bemüht, „schwul“ oder „homosexuell“ immer als Adjektiv in Wortkombinationen wie „schwuler Christ“ oder „homosexuelle Person“ zu verwenden, nie aber als Nomen. Auf diese Weise hoffe ich, das subtile sprachliche Signal zu senden, dass schwul zu sein nicht den wichtigsten Aspekt meiner Identität oder der Identität irgendeiner anderen homosexuell empfindenden Person darstellt. Ich bin zuallererst Christ, bevor ich irgendetwas anderes bin. Meine Homosexualität stellt eine Facette meiner Persönlichkeit dar. Ich glaube, dass sie eines Tages – entweder in diesem Leben oder in der Auferstehung – verblassen wird. Aber meine Identität als Christ – als jemand, der durch den Heiligen Geist Teil des Leibes Christi ist – wird bleiben.

*Während ich diese Einleitung vorbereitete, stolperte ich über folgenden Kommentar von Philip Yancey: „Vieles, was ich über Depressionen, Zweifel, Selbstmord, Leid oder Homosexualität lese, scheint von Leuten geschrieben worden zu sein, die von einer mit dem christlichen Glauben zu vereinbarenden Schlussfolgerung ausgehen, aber niemals dieselben schrecklichen Phasen durchgemacht haben wie jemand, der tatsächlich gegen Depressionen, Zweifel, Selbstmord, Leid oder Homosexualität kämpft. Auf einen Menschen, der diesen Kampf tatsächlich überlebt hat, wirkt so etwas viel zu sachlich und unterkühlt“ (Philip Yancey, Warum ich heute noch glaube [Wuppertal: Brockhaus, 2002], 307–308). Ich hoffe, im Folgenden etwas davon zu vermitteln, was es bedeutet, die qualvolle Reise des Ringens mit Homosexualität überlebt zu haben – oder eher noch mitten im Überlebenskampf zu stecken.

Auftakt

Reingewaschen. Wartend.

Reingewaschen. Wartend.

Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.

1. Korinther 6,11 (L17)

Sogar wir seufzen innerlich noch, weil die volle Verwirklichung dessen noch aussteht, wozu wir als Gottes Söhne und Töchter bestimmt sind: Wir warten darauf, dass auch unser Körper erlöst wird. … Da wir also das, worauf wir hoffen, noch nicht sehen, warten wir unbeirrbar, bis es sich erfüllt.

Römer 8,23.25 (NGÜ)

Die Pubertät ereilte mich erst spät oder zumindest empfand ich es zu der Zeit so. Ich war fast dreizehn Jahre alt. Doch während sie für meine Freunde einen aufregenden Wirbelwind voller Veränderungen darstellte, jagte sie mir Angst ein. Vom Beginn dieser verwirrenden Monate an entdeckte ich ein seltsames neues Verlangen – mir war damals nicht klar, dass es sexuell war – nach anderen Jungs in meinem Alter. Ich begann zu bemerken, wie die Muskeln meiner männlichen Freunde sich stärker ausprägten und ihr Haar wuchs. Ich war davon fasziniert. Wann immer ich konnte, warf ich ihnen heimliche Blicke zu. Ich versuchte, dabei nicht ertappt zu werden, obwohl ich mir unsicher war, warum ich es für notwendig hielt, so geheim zu tun.

Ich erinnere mich noch an einen Ausflug, den meine Gemeindegruppe zum Flughafenkontrollturm unternahm. Irgendwann entzogen sich einige von meinen Freunden dem strengen Blick unserer Jungscharleiter. Sie begannen, die Souvenirläden und Zeitschriftenständer des Flughafens zu erkunden. Während ich mit ihnen durch einen der Terminals lief, fühlte ich mich rebellisch und sorglos. Ich lachte. In einem der Läden fanden die Jungs Playboy-