Im kleinen Nordsee-Hafen 3 - Carolin von Campen - E-Book

Im kleinen Nordsee-Hafen 3 E-Book

Carolin von Campen

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Beschreibung

Bei einem Spaziergang in der Nähe des kleinen Nordsee-Hafens gerät Nina in ein schweres Unwetter. Zum Glück ist Rettungsschwimmer Johann zur Stelle und bringt die verängstigte Urlauberin in Sicherheit. Der muskulöse Mann mit der geheimnisvollen Aura verdreht Nina sofort den Kopf. Wenig später taucht auch noch Luca Schröder in Fischersbüttel auf - der Sänger mit den unwiderstehlichen Augen, mit dem Nina einst zur Schule ging. Damals war sie unsterblich in ihn verliebt ... Zwei Männer, zwei völlig unterschiedliche Gefühle - auf Nina wartet ein Sommer voller Turbulenzen, Überraschungen und Sommerküsse ...

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Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Titel

Hauptteil

Vorschau

Impressum

Caroline Steffens

Sommerküsse

im kleinen

Nordsee-Hafen

Bei einem Spaziergang in der Nähe des kleinen Nordsee-Hafens gerät Nina in ein schweres Unwetter. Zum Glück ist Rettungsschwimmer Johann zur Stelle und bringt die verängstigte Urlauberin in Sicherheit. Der muskulöse Mann mit der geheimnisvollen Aura verdreht Nina sofort den Kopf.

Wenig später taucht auch noch Luca Schröder in Fischersbüttel auf – der Sänger mit den unwiderstehlichen Augen, mit dem Nina einst zur Schule ging. Damals war sie unsterblich in ihn verliebt …

Zwei Männer, zwei völlig unterschiedliche Gefühle – auf Nina wartet ein Sommer voller Turbulenzen, Überraschungen und Sommerküsse …

Zwangsurlaub war nichts für Nina Maiwald. Es war schrecklich ungewohnt, mitten in der Woche frei zu haben. Auch wenn der Himmel blau und die Luft so warm und mild war wie an diesem Sommermorgen. Die Vierunddreißigjährige pustete sich eine blonde Ponysträhne aus der Stirn und schaute sich auf der gut besuchten Terrasse des schicken Eiscafés um. Faszinierend, dass es an einem Donnerstag um elf Uhr so voll war. Leute jeden Alters tranken Cappuccino, futterten Eis und Gebäck und plauderten unter edlen weißen Sonnenschirmen. Das konnten doch nicht alles Rentner und Studenten sein!

Seufzend blickte Nina wieder auf die silberne Dessertschale vor sich. Das Erdbeereis mit Schlagsahne hatte sich bereits in eine rosa-weiße Soße verwandelt. Sie war ein ziemlicher Süßigkeiten-Junkie, aber irgendwie war ihr der Appetit vergangen.

Aus Gewohnheit sah sie auf die Uhr ihres Handys. Normalerweise hätte sie jetzt schon den fünften Patienten behandelt. Nervös schlug sie die Beine übereinander. Es machte sie wahnsinnig, dass ihr unfähiger Chef sie dazu gezwungen hatte, ihren gesamten Jahresurlaub auf einmal zu nehmen. Kurzfristig hatte er sich entschieden, aus »steuerlichen Gründen« – wie er ihr frech grinsend mitgeteilt hatte – die gesamte Ergotherapie-Praxis zu renovieren und zu digitalisieren. Dieser raffgierige Kerl! Ihr kam es vor wie eine Strafe. Aber wofür?

Dafür, dass sie sich seit fünf Jahren dort ausnutzen ließ? Das würde zumindest Jenny sagen, dachte Nina, während sie ihre Freundin anlächelte, die in diesem Moment von der Toilette zurück- und auf sie zukam.

Die beiden Frauen waren gleichaltrig, und seit der Schulzeit verband sie eine enge Freundschaft, obwohl sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Die gertenschlanke Jenny Hansen hatte flammend rotes, kurz geschnittenes Haar und trug gern grellbunte Klamotten, während Nina mit ihrer blonden Mähne, dem Pony und ihrer Vorliebe für romantische Blümchenkleider eher brav wirkte. Außerdem war Jenny ein Freigeist und wechselte ihre Liebhaber ebenso häufig wie ihre Unterwäsche.

Nina musterte die Freundin bewundernd, deren riesige goldene Ohrhänger in der Sonne blitzten.

»Puh.« Jenny rümpfte die Nase und ließ sich wieder in den Korbstuhl fallen. »Es war so voll bei den Damen, da bin ich auf die Herrentoilette gegangen.«

Nina grinste. Das war typisch. Manchmal beneidete sie ihre Freundin um deren Schneid. Den brauchte die flippige Jenny als selbständige Eventmanagerin aber auch. Sie war ihr eigener Chef, lebte in den Tag hinein und hangelte sich von Job zu Job. Dafür tat sie aber auch nur, was sie liebte.

Was man von Nina nicht behaupten konnte. Sie war Ergotherapeutin und hatte sich zusätzlich in Kunsttherapie ausbilden lassen. In der Praxis, in der sie angestellt war, bekam sie aber selten Gelegenheit, mit den Patienten so zu arbeiten, wie sie es für richtig hielt. Ständig wurde sie von der Krankenkasse mit Einsparungen getriezt, und ihr Chef kam ihr eher wie ein Unternehmensberater als wie ein Therapeut vor.

»Hast du es dir jetzt mal überlegt?« Jenny zupfte ihren weiten giftgrünen Kaftan zurecht und sprach in dem typischen ungeduldigen Tonfall, den sie immer dann anschlug, wenn sie Nina zu etwas überreden wollte.

Nina zuckte mit den Schultern. Sie würde sich erstmal bedeckt halten, obwohl sie Jennys Idee gar nicht schlecht fand.

»Das ist im Grunde ein kostenloser Urlaub«, analysierte Jenny und fuhr sich mit einer lässigen Bewegung durch die kurzen Locken. »Wir hätten die ganze Bude für uns, du könntest jeden Tag an den Strand und wirst endlich mal richtig braun.«

Nina presste ein wenig beleidigt die Lippen zusammen und zermatschte mit dem Löffel eine Erdbeere. So bleich war sie nun auch wieder nicht! Aber natürlich wäre es verlockend, ein paar Wochen in Emmi Hansens hübschem Haus an der Nordsee zu verbringen. Jennys Tante hatte irgendwas mit der Bandscheibe und musste zur Kur. Da Jenny einen Job bei einem norddeutschen Musikfestival angenommen hatte, bot es sich an, dass sie in der Zeit Emmis Haus hütete. Und sie wollte Nina unbedingt dabei haben. Aber garantiert steckte noch mehr dahinter.

»Und wo ist der Haken?«, fragte sie und versuchte, mit der Getränkekarte eine Wespe zu verscheuchen, die jetzt aufdringlich um ihr Dessert kreiste.

»Es ist nur eine Kleinigkeit.« Jenny kratzte sich an ihrer von Sommersprossen übersäten Nase. »Wir müssen auf Pauli aufpassen.«

»Aha.« Nina gab sich geschlagen und schob die Eisschale beiseite. »Und wer ist das? Ein Papagei?«

Jenny schüttelte den Kopf, fischte eine Zitronenscheibe aus ihrem Glas und knabberte lässig daran. »Emmis neuer Hund. Süß, aber nicht gerade ein Schoßtier. Ungefähr so groß.« Sie hielt die Hand nur knapp unter Tischhöhe.

»Och nee.« Nina zog eine Schnute. »Ich spiel doch nicht den Babysitter für so ein Riesenvieh.«

»Er ist der liebste Hund der Welt«, sagte Jenny und hob belehrend den Zeigefinger. »Ein Labradoodle. Sehr verträglicher Mix. Sie hat mir Videos geschickt.«

Nina kannte die Rasse. Die zutraulichen Tiere, die eine Mischung aus Labrador und Großpudel waren, wurden sogar als Therapiehunde eingesetzt. Sie blickte auf Jennys Smartphone. Er sah wirklich niedlich aus mit dem grauen, wuscheligen Fell und den schwarzen Knopfaugen. Trotzdem. So ein Tier brauchte ja fast so viel Betreuung wie ein Kind!

»Ich weiß nicht«, sagte sie und nahm einen Schluck von ihrer Kräuterlimonade.

»Emmi darf Pauli nicht mit zur Kur nehmen, und eine Pension kann sie sich nicht leisten. Sie ist schon ganz verzweifelt.«

Nina schwieg und beobachtete, wie die Wespe in der Eissuppe zappelte.

Jenny änderte offenbar ihre Taktik und appellierte nun an ihr weiches Herz. Kein schlechter Schachzug. Nina mochte Emmi. Sie war eine herzliche, humorvolle Frau. Vor zwei Jahren war ihr Mann verstorben, und seither lebte sie allein. Es wäre herzlos, ihr nicht zu helfen. Jenny war ein altes Biest.

»Du hast doch jetzt sowieso Zeit«, meinte sie und holte damit zum finalen Schlag aus, den sie damit unterstrich, dass sie die abgeknabberte Zitronenscheibe in den Aschenbecher warf.

»Danke«, sagte Nina ironisch. »Das hätte ich fast vergessen.« Sie ließ die Wespe auf ihren Löffel klettern, wo sie sich hektisch zu putzen begann.

Jenny, die wusste, dass sie auf der Zielgeraden war, überging die Bemerkung. Außerdem hatte sie Nina schon oft genug gepredigt, dass sie sich selbstständig machen sollte.

Ihre hellgrünen Augen und ihre Stimme wurden weicher. »Was willst du hier sechs Wochen lang allein machen? Du hältst es doch nicht aus, nichts zu tun zu haben.«

Die Wespe flog davon, und Nina sah ihr nach, wie sie über den Sonnenschirmen verschwand.

Jenny hatte ins Schwarze getroffen. Nichtstun machte sie tatsächlich verrückt. Normalerweise hätte sie eine interessante Reise gebucht, denn sie neigte zu einem gewissen Fernweh. Aber allein traute sie sich nicht, und vor acht Monaten hatte sie sich von ihrem langjährigen Freund getrennt. Sie war äußerst ungern Single. Achim trauerte sie zwar nicht im Geringsten hinterher, denn er hatte sich als untreuer Mistkerl entpuppt, aber sie hätte sich langsam lieber mit Familienplanung beschäftigt als mit Ü30-Singlepartys und Dating-Apps.

Der Gedanke daran ließ sie erschaudern. Sie blickte auf. »Wann müsste ich da sein?«

Ein kleines, zufriedenes Lächeln erschien auf Jennys Lippen. »Montag bringe ich Emmi nach Sylt in die Klinik. Aber an dem Tag habe ich einen wichtigen Termin, da kann ich Pauli nicht mitnehmen.«

Montag. Heute war Donnerstag. Nina überschlug, was sie bis dahin alles erledigen musste. Die Wohnung aufräumen, ihrer Nachbarin den Schlüssel für die Post geben, packen, einen neuen Bikini kaufen. Der Gedanke versetzte sie einen Moment in Panik. Doch dann fiel ihr ein, dass sie sich bei der Gelegenheit auch gleich ein paar schöne sommerliche Kleider  besorgen konnte, die ihren weiblichen Kurven schmeichelten. Und Schuhe. Vielleicht diese süßen Riemchensandalen, die sie im Ausverkauf gesehen hatte.

»Okay«, seufzte sie. »Du hast gewonnen. Ich bin Montag da.«

»Super.« Jenny lehnte sich zurück und grinste sie an. »Ich wusste, dass du Ja sagst!«

»Ich auch.« Nina war nicht ganz so begeistert. Hoffentlich würde sie das nicht bereuen.

»Warte ab, vielleicht lernst du ja einen süßen Fischer kennen.« Jenny zwinkerte. »Ich glaube, das wird der Sommer unseres Lebens!«

Nina zog eine kleine Grimasse. »Das sagst du aber jedes Jahr.«

»Aber dieses Mal stimmt es!« Jenny hob ihr Colaglas, und sie stießen an. Nina trank und schloss dabei die Augen. Ein aufregendes Prickeln machte sich in ihrer Magengegend breit. Aber an der Kräuterlimonade lag es nicht. Vielleicht hatte Jenny ja wirklich recht …

Am Montagnachmittag, dem Tag von Ninas Ankunft in Fischersbüttel, hatte es Dr. Johann Osterberg eilig. Die Sonne schien warm, und der Himmel war wolkenlos. Aus der Ferne klangen die Rufe der Möwen, und die Luft roch nach Salz und Meer.

Vom aufziehenden Gewitter war noch nichts zu spüren, außer einer frischen Brise, die dem Arzt die etwas wirren dunkelblonden Locken aus der Stirn wehte.

Auf dem Weg von der Praxis zu seiner Wohnung hatte er im Gehen den weißen Arztkittel abgestreift, in seine Tasche gestopft, und nun stand er in Jeans und weißem T-Shirt hinter einem parkenden Wohnmobil. Er kam sich ziemlich albern vor.

Dass er sich am helllichten Tag hier versteckte, weil er Angst vor einer Putzfrau hatte, das hätte er sich vor Kurzem noch nicht vorstellen können. Aber das war auch, bevor er die Bekanntschaft von Frauke Carstens gemacht hatte.

Vor wenigen Minuten hatte das Staubsaugergeräusch aufgehört, das er durch die gekippten Fenster vernommen hatte. Er seufzte und sah auf die Uhr. Normalerweise war die neugierige Reinigungshilfe um diese Uhrzeit doch schon längst fertig mit dem Saubermachen!

Unschlüssig kratzte er sich an seinem glatt rasierten Kinn und sah sich um. Die ruhige Straße des Neubaugebiets lag in nächster Nähe zur Praxis, in der er seit drei Wochen den ansässigen Arzt vertrat, aber zum Strand, der etwas außerhalb des Ortes lag und wo in einer Viertelstunde seine Schicht als Rettungsschwimmer begann, brauchte er mit dem Fahrrad zehn Minuten. Ohne Badehose konnte er seinen Dienst ja wohl schlecht antreten. Er musste beim Gedanken daran kurz grinsen, doch schnell wurde sein Blick ernst. Es half alles nichts. Er musste hineingehen.

Dabei war er so froh, wenn man ihn in Ruhe ließ. Er hatte als Arzt in einem Ferienort schon genug Kontakt zu Menschen. Allerdings, dachte er, während er auf die Tür starrte, beschränkte sich der auf das Versorgen von Wunden, Sonnenallergien, Hitzeschlägen und Sommergrippen.

»Sie sondern sich ganz schön ab, min Jung«, hatte Inga Schmidt, die Besitzerin des Café Seesternchen neulich gesagt, als sie bei ihm in der Praxis gewesen war. Die resolute Endvierzigerin war ja in Ordnung, aber es nervte ihn, dass sie ihn ständig unter Leute bringen wollte.

Die Tür ging auf, und Frauke Carstens kam heraus. Ihre spitze Nase in den Wind haltend.

Als sie sich entfernte, trat Johann vorsichtig hinter dem Bus hervor und eilte, ohne sich umzusehen, in seine Wohnung, die im ersten Stock eines schlichten Neubaus lag.

Sein Magen knurrte empfindlich, er hatte seit der knappen Mittagspause nichts mehr gegessen. Hastig zerrte er drinnen eine Packung Toast aus dem Schrank und machte sich ein Sandwich, als es an der Tür klingelte.

Eine Minute später ärgerte er sich schwarz, als er öffnete und Frauke Carstens vor sich sah.

»Doktor Osterberg!«, rief sie mit gespielter Überraschung. »Dann hab ich mich doch nicht getäuscht. Sie sind ja zu Hause!« Sie schlüpfte einfach an ihm vorbei in den Flur und machte sich sogleich an der Besenkammer zu schaffen. »Ich habe mein Fleckensalz vergessen!«

Johann schloss einen Moment die Augen. Was für eine Plage! Dann ging er wieder in die Küche.

»Und wie war Ihr Tag, Herr Doktor? Gibt es was Neues aus der Praxis? Der kleine Fiete hat immer noch seinen Schnupfen, wat? Na, die Anne hat wohl einfach zu wenig Zeit für den Bengel. Und is der olle Hauke mal bei Ihnen aufgetaucht?«

Johann räusperte sich. »Meine Schicht am Strand fängt gleich an, Frau Carstens.« Er sparte es sich, sie daran zu erinnern, dass er die Schweigepflicht ernst nahm. Seine Menschenkenntnis sagte ihm, dass sie das nicht im Geringsten stören würde.

»Was? Ach so, ja! Passen Sie up, dass Sie sich nicht überarbeiten, Herr Doktor«, sagte Frauke und hob den Zeigefinger. »Frau Pedersen meinte neulich auch, dass Sie ein büschen übertreiben.«

»Haben Sie jetzt Ihr Salz?« Er war zur Wohnungstür gegangen und drückte jetzt energisch die Klinke herunter.

Frauke hatte den Wink verstanden, kniff eingeschnappt die Lippen zusammen und trottete an ihm vorbei.

Johann wollte sich gerade innerlich beglückwünschen, als sie sich auf der Schwelle blitzschnell umdrehte und mit dem Zeigefinger knapp vor seiner Nase in die Luft piekte.

»Was soll das mit Afrika, Herr Doktor?«

Johann kniff die Augen zusammen. »Wie bitte?«

»Na ja«, fuhr Frauke geschäftig und ohne eine Spur von Verlegenheit fort. »Nicht dass ich in Ihren Sachen schnüffeln würde, aber das war ja nicht zu übersehen!«

Das schien ihr eine ausreichende Erklärung dafür zu sein, dass sie offenbar über Johanns Bewerbungssituation bestens informiert war. Er hatte die Jobangebote und die Anschreiben, die er nach Namibia geschickt hatte, ausgedruckt liegen lassen.

»Das würde ich Ihnen aber nicht raten, da hinzugehen. Viel zu weit weg, und so heiß ist es da, und diese ganzen Krankheiten … nee, nee, nee. Suchen Sie sich doch hier ne Deern, und bleiben Sie in Fischersbüttel!«

»Danke, dass Sie sich Gedanken um mein Privatleben machen, Frau Carstens«, sagte er, und die Ironie in seiner Stimme war nicht zu verkennen. »Und danke auch für Ihren Besuch.«

Er hielt ihr mit einem Lächeln die Tür auf. Es war nicht das, was Frauke sich erhofft hatte, aber sie fügte sich und verließ die Wohnung.

Der Arzt fühlte sich, als hätte er mit einem Drachen gekämpft, und schlug die Tür hinter ihr zu. Seufzend fuhr er sich durchs Haar und sah auf seine Armbanduhr.

Verdammt! Nur noch fünf Minuten! Er schnappte sich eine Badehose aus dem Schrank, warf die angebrochene Packung Toastbrot in seinen Rucksack und rannte aus dem Haus.

Mit finsterer Miene raste er kurz darauf mit seinem schwarzen Mountainbike den Radweg über die grasbewachsenen Dünen entlang.

Eine Frechheit, dass diese Person hinter ihm her geschnüffelt hatte. Und immer dieses Gerede, er solle sich eine Frau suchen. Er schüttelte ärgerlich den Kopf. Das war nun wirklich das Allerletzte, was er wollte! Im Gegenteil. Es war gut, so wenig Kontakt wie möglich zur Damenwelt zu haben. Schließlich wollte er nach seiner schrecklichen Scheidung endlich in Frieden leben. Namibia war in dieser Hinsicht ideal. Natürlich gab es auch dort Frauen, aber als leitender Arzt der Zentralklinik in Windhoek hätte er sicher keine Sekunde Zeit. Dafür würde er schon sorgen.

Während Johann grübelnd zum Strand fuhr, waren auch Nina und Pauli auf dem Weg dorthin. Obwohl im Wetterbericht die Rede von einem Orkan gewesen war, hatte Nina das luftige, zitronengelbe Kleid mit dem recht tiefen, herzförmigen Ausschnitt angezogen, das sie sich neu gekauft hatte, und die ebenfalls neuen, zierlichen Sandalen. Falls sie wirklich auf einen süßen Fischer treffen würde!

Vergnügt blickte sie in den Himmel und schirmte mit der Hand die Augen gegen die Sonne ab. Es war keine Wolke zu sehen.

»Von wegen Gewitter«, sagte sie belustigt zu dem großen grauen Hund, der sie aus seinen schwarzen Knopfaugen treuherzig ansah, und bückte sich, um ihn zu streicheln. »Die spinnen doch alle, nicht wahr, Pauli?«

Das wuschelige Tier legte den Kopf schief und gab ein freundliches Bellen zur Antwort. Nina lächelte. Dass er sie so schnell ins Herz geschlossen hatte, schmeichelte ihr sehr, und sie belohnte ihn großzügig mit Leckerlis.

Nina war heute Morgen hier angekommen und war entzückt. Von dem hübschen Hafenort und dem kleinen, weiß getünchten Fischerhaus, das in zweiter Reihe stand und gemütlich mit viel Holz und alten Möbeln eingerichtet war. Das Dachzimmer mit der schönen Gaube, der romantischen Rosentapete und dem verschnörkelten Bauernbett war so heimelig und reizend, dass Nina sich sofort wie zu Hause gefühlt hatte. Jenny hatte sie zwar nur kurz gesehen, aber sie hatten immerhin noch einen Tee in der gemütlichen Wohnküche im Erdgeschoss getrunken, von der aus man einen schönen Blick in den blühenden Innenhof hatte.

Jenny hatte heute einen wichtigen Termin mit einem Künstler, den sie für einige Sommerkonzerte engagieren wollte. Die meisten der kleinen Konzerte sollten in verschiedenen umliegenden Gemeinden stattfinden, aber auch direkt in Fischersbüttel. Sogar in Emmis hübschem Weinlokal, das im Moment ja geschlossen war, wollte Jenny etwas veranstalten. Nina fand ihre Planung ziemlich kurzfristig, aber sie kannte das schon von ihr. Ein wenig Chaos war immer dabei.

Sie selbst würde jetzt erstmal einen Strandspaziergang mit Pauli unternehmen. Sie hatte in einer Broschüre gelesen, dass es dort auch einen Abschnitt gab, an dem Hunde erlaubt waren. Sie könnte endlos Stöckchen und seinen Ball werfen, und sie könnte die Weite und das herrliche Meer genießen. Nachdem sie sich eben in dem reizenden Café Seesternchen mit Apfelkuchen gestärkt hatte – er war so gut gewesen, dass sie sogar noch ein zweites Stück bestellt hatte – brauchten sie jetzt beide Bewegung. 

Sie schlenderte mit Pauli an der Kaimauer entlang und ließ den Blick über die hübschen bunten Fischerboote schweifen, die friedlich im Hafenbecken schaukelten.

Auf den Buhnen hockten Seemöwen mit gelben Schnäbeln und blitzenden Augen und hielten Ausschau nach Leckerbissen, die die Touristen fallen ließen, die in Shorts und Sonnenhüten, mit Handys und Kameras in der Hand hier flanierten. Sie standen in kleinen Grüppchen vor dem Souvenirladen, schleckten Eis oder aßen Fischbrötchen und genossen den sonnigen Ferientag an der Küste. Es duftete köstlich, und Nina musste sich zusammenreißen, nicht noch eines der leckeren Fischbrötchen zu kaufen, als sie am Kutterglück vorbeikam, einem kleinen Laden, in dem fangfrischer Fisch angeboten wurde. Der Laden schien wirklich zu brummen. Die Stehtische waren alle besetzt, und Nina sah ihm Vorbeigehen, dass viele der Gäste zu ihrem deftigen Snack ein edles Glas eisgekühlten Weißwein oder Champagner tranken.

Sie hob beeindruckt die Brauen. Das würde sie sich auf jeden Fall auch einmal gönnen.

Pauli strebte Richtung Deich, wo er offenbar eine unwiderstehliche Mischung aus Seevögeln und Schafen gewittert hatte. Nina ließ sich von ihm ziehen und hob vergnügt lächelnd den Blick zu dem hübschen Leuchtturm, der am Ende des Hafens in den blauen Himmel ragte.

Gemeinsam erklommen sie die Stufen zum Deich, und Ninas Herz pochte aufgeregt. Da war es. Das weite Meer. Und es duftete so herrlich würzig nach Salz und Muscheln und ewigem Sommer. Sie konnte sich gar nicht sattsehen an dem wunderbaren Anblick.

Die Flut kam, das hatte sie im Gezeitenkalender gelesen. Eigentlich hatte sie die vielen Zahlentabellen überhaupt nicht verstanden, aber Inga Schmidt, die nette Besitzerin des Seesternchens, hatte ihr geholfen, als sie gesehen hatte, dass sie so verzweifelt darin geblättert hatte.

»Gehen Sie aber bloß nicht zu weit«, hatte sie mit ernster Miene gesagt, »Heute kommt ein dickes Unwetter. Da ist es lebensgefährlich, am Meer zu sein!«

Nina hatte sich höflich bedankt, aber insgeheim die Augen gerollt. Natürlich wusste sie, dass das Wetter an der Küste schnell umschlagen konnte, aber sie hatte noch massenhaft Zeit, bevor es regnen würde. Wenn das Gewitter überhaupt kam.

Zufrieden schlenderte sie mit Pauli den Deich entlang und sah in der Ferne den feinsandigen Strand mit den bunten Strandkörben und dem Pfahlbauhaus der Rettungsschwimmer, über dem die gelbe Flagge wehte.