In der Zone - T.C. Boyle - E-Book

In der Zone E-Book

T. C. Boyle

4,7
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Sie werde Knochenkrebs bekommen, sagte man ihr. Die Mäuse seien Ungeheuer, so groß wie Hunde, und sollte sie in ihrem Garten Tomaten oder Gurken pflanzen, so werde sie nichts davon essen können, weil die Erde voller Gift sei." Drei Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl macht Mascha sich entgegen aller Warnungen und nur in Begleitung ihres Nachbarn Leonid auf den Weg in die Zone, fest entschlossen, ihr verlassenes Zuhause wiederzufinden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 38

Bewertungen
4,7 (16 Bewertungen)
13
1
2
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hanser eBook

T. Coraghessan Boyle

In der Zone

Carl Hanser Verlag

ISBN 978-3-446-23950-0

Sonderausgabe 2012

Alle Rechte vorbehalten

In der Zone © Carl Hanser Verlag 2012

Originalausgabe: In the Zone © T. Coraghessan Boyle 2011

E-Book Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Unser gesamtes lieferbares Programmund viele andere Informationen finden Sie unter:www.hanser-literaturverlage.de

Erfahren Sie mehr über uns und unsere Autoren auf www.facebook.com/HanserLiteraturverlage oder folgen Sie uns auf Twitter: www.twitter.com/hanserliteratur

www.tc-boyle.de

In der Zone

Sie werde Knochenkrebs bekommen, sagte man ihr. Die Mäuse seien Ungeheuer, so groß wie Hunde, und sollte sie in ihrem Garten Tomaten oder Gurken pflanzen, so werde sie nichts davon essen können, weil die Erde voller Gift sei. Und die Pilze, die sie so liebte? Die man nach einem Regen an schattigen Orten fand, die Steinpilze und Röhrlinge, deren Geschmack an den von Fleisch erinnerte? Die seien am schlimmsten. Die speicherten das Gift, das sich in ihrem Körper anreichern und strahlen und sie töten werde. Ob sie das denn wirklich wolle? Ob sie denn verrückt sei?

Nein, keineswegs. Und als sich ihr nach beinahe drei Jahren in einer menschenunwürdigen Wohnung in einem heruntergekommenen Wohnblock für Evakuierte in Kiew die Gelegenheit bot, in ihr verlassenes Dorf zurückzukehren, zögerte sie keinen Augenblick. Leonid Kowalenko – siebenundsechzig Jahre alt und Besitzer von Ohren, so groß wie die eines Esels – war ein Freund ihres verstorbenen Mannes Oleksyj gewesen. Seine Frau hatte Angst und wollte in Kiew bleiben, doch er kannte einen Mann, der einen Wagen hatte und Kontakt zu einem von der Miliz hatte, und der würde sie gegen ein kleines Schmiergeld hineinlassen. Zurück dorthin, wohin sie gehörte. Wo der Wald kühl und feucht und voller Schattenstreifen war und der Rauch vierundzwanzig Stunden am Tag wie eine Fahne über dem Kamin hing, so dass man ihn, wenn man in einer mondhellen Nacht zum Brunnen ging, dort sehen konnte: eine Erscheinung, die über dem Dach schwebte wie ein sehnsuchtsvoller Seufzer der Vorfahren.

»Was willst du dafür?« fragte sie Leonid, während sie auf dem Markt die mickrigen Kohlköpfe und matschigen Tomaten betrachtete, die Steckrüben, die sich anfühlten wie aufgeweichte Pappe, den überteuerten Honig in Gläsern ohne Waben. »Viel habe ich nämlich nicht.«

Er zuckte die Schultern und wog einen Kohlkopf in der Hand. Auf der Straße fuhren Reiche, sowohl korrupte als auch gebildete Reiche, in röhrenden, bullernden Wagen vorbei, die das Sonnenlicht als flächiges Gleißen zurückwarfen. »Für dich?« fragte er und musterte sie unter Augenbrauen hervor, die sich ausnahmen wie wild wuchernde Hecken. Er war ein stark behaarter Mann – Haare krochen aus dem Kragen und den Manschetten, aus den Nasenlöchern und den Muscheln seiner großen Ohren –, im Gegensatz zu Oleksyj, der bis zu seinem Tod, abgesehen von seinem Schamhaar und einem derart schütteren Bart, dass man kaum von einem Bart hatte sprechen können, so unbehaart wie ein Kleinkind gewesen war. »Für dich«, wiederholte er, als wäre der Handel bereits abgeschlossen, »ist nicht viel schon mehr als genug.«

Der Mann mit dem Wagen war jung, in den Dreißigern, schätzte sie, und er trug eine Lederjacke, als wäre er ein Bandit. Er rauchte ununterbrochen und zündete jede Zigarette am Stummel der vorherigen an. Anstatt sich zu unterhalten, ließ er das Radio laufen. Es rauschte und zischte und gab Fetzen von etwas von sich, was man in Prag oder Moskau vielleicht als Musik bezeichnete, aber für sie war es bloß irgendein Geräusch. Sie hatte sich auf den Rücksitz neben ihre beiden Taschen gesetzt, während Leonid, dessen breite, massige Schultern an dem billigen, zerrissenen Schonbezug aus Vinyl lehnten, auf dem Beifahrersitz saß. Es war Nacht. Die Straße war voller Schlaglöcher. In den Gräben quakten die Frösche, die aus der Winterstarre zum Leben erwachten und ihren Laich ablegten, der wie winzige, blasse, in durchscheinendes Gewebe gebündelte Trauben aussah. Als sie zu dem Kontrollposten und dem Zaun kamen, der die Sperrzone in einem Radius von dreißig Kilometern umschloss, stieg der junge Mann aus und redete mit dem Milizionär, während Leonid zum erstenmal in dieser Nacht eine Zigarette anzündete und sich umdrehte, um im trüben Licht des Wachhäuschens ihr Gesicht zu studieren. »Sei unbesorgt«, sagte er. »Nur ein kleines Schmiergeld.«