Riven Rock - T.C. Boyle - E-Book

Riven Rock E-Book

T. C. Boyle

3,9

Beschreibung

Eine amerikanische Ehe: Der steinreiche Erbe Stanley McCormick heiratet im Jahr 1904 die schöne Katherine Dexter. Alles paßt zusammen: Reichtum, Schönheit, Prestige, Intelligenz. Doch McCormick leidet unter sexuellen Wahnvostellungen und kann nicht mit einer Frau allein gelassen werden - schon gar nicht mit der eigenen. Primatenforscher, Quacksalber und Freudianer versuchen sich als Ärzte, aber nur seine Frau und ein Pfleger bleiben ihm wirklich treu. Eine bizarre, anrührende Liebesromanze.

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Hanser E-Book
T. Coraghessan Boyle
Riven Rock
Roman
Aus dem Amerikanischen von Werner Richter
Carl Hanser Verlag
Die Originalausgabe erschien erstmals 1998
unter dem Titel Riven Rock bei Viking in New York.
ISBN 978-3-446-24390-3
© T. Coraghessan Boyle 1998
Alle Rechte der deutschen Ausgabe:
© Carl Hanser Verlag München Wien 1998/2013
Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Leutkirch
E-Book-Konvertierung: Beltz Bad Langensalza GmbH
Unser gesamtes lieferbares Programm und viele andere Informationen finden Sie unter www.hanser-literaturverlage.de
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DANKSAGUNG
Der Autor dankt folgenden Personen, die ihn beim Sammeln des Materials zu diesem Buch unterstützt haben: Armond Fields, Fran und Sheila McGinity, James Emerson und Cindy Knight.
FÜR KAREN KVASHAY
SEX IST EIN TALENT, DAS ICH NICHT HABE.
Gabriel García Márquez, Von der Liebe und anderen Dämonen

Inhalt

Prolog: 1927 Welt ohne Frauen
Teil I: Die Ära Hamilton
1. Wie seine Hand
2. Eva
3. Psychopathia sexualis
4. Hinterhältig, kleinlich, kindisch und blasiert
5. Giovannella Dimucci
6. Angeschirrt
7. Stanley unter Affen
Teil II: Die Ära Brush
1. In Liebe treu, doch die Hoffnung dahin
2. Schlicht und einfach
3. Die Kunst der Brautwerbung
4. Ein Schlitz reicht aus
5. Die Hochzeit des Jahres
6. Vom Tod und von Begonien
7. Prangins
Teil III: Die Ära Kempf
1. Wohltuender Stupor
2. La lune de miel
3. Auf unsicherem Boden
4. Ich habe dein Gesicht gesehen
5. In Anwesenheit von Damen
6. Krank, sehr krank
7. Drei Uhr nachmittags
8. Komm rein, Jack
Epilog: 1947 Welt ohne Mauern
Prolog
1927 Welt ohne Frauen
Zwanzig Jahre lang, zwanzig öde, einförmige Jahre lang, die mit dem verschlafenen, beständigen Murmeln eines im Rinnstein dahinplätschernden Wasserlaufs an ihm vorbeirannen, bekam Stanley McCormick keine Frau zu Gesicht. Weder seine Mutter noch seine Schwestern noch seine Frau. Keine Krankenschwester, keine Bibliothekarin, kein Mädchen mit Zöpfen auf dem Weg zur Schule, keine alte Jungfer, die gerade ihre Veranda fegte, keine Hausfrau im Streit mit dem Gemüsehändler, keine Hure, keinen Backfisch und keine Suffragette. Es war nicht seine freie Entscheidung. Stanley liebte seine Mutter, seine Frau, seine Schwestern, er liebte auch anderer Leute Mütter, Frauen, Schwestern und Töchter, aber er liebte sie eben zu sehr, liebte sie mit einer glühenden Leidenschaft, die an Haß erinnerte, die von Haß nicht zu unterscheiden war, und dieses Lieben und Hassen brachte Unheil über ihn und stieß ihn kopfüber in eine Welt ohne Frauen.
Mit neunundzwanzig heiratete er Katherine Dexter, eine Frau von Einfluß, Schönheit, Wohlstand und Ansehen, die ebenso kämpferisch und ungestüm war wie seine Mutter, mit einem herzzerreißenden Blick und einer Stimme so sanft und rein, daß sie wie ein Rauschmittel wirkte, und mit einunddreißig bekam er zum erstenmal den kalten Wolfsbiß der Fixierungsriemen zu spüren und betrat die einsame Welt der Männer. Damals war er innerlich ganz leer. Er war blockiert. Er sah Dinge, die nicht da waren, scheußliche, häßliche Dinge, Wesen aus dem Innersten seines Kopfes, die viel lebendiger waren als jedes Leben, das er je gekannt hatte, dazu hörte er Stimmen, die ohne Münder, Kehlen und Zungen sprachen, und jedesmal, wenn er aufsah, blickte er in das Gesicht eines Mannes.
Die Jahre häuften sich an. Stanley wurde vierzig, dann fünfzig. Und während dieser ganzen Zeit hatte er nur Kontakt zu einem einzigen Geschlecht – zu Männern mit ihren haarigen Handgelenken und eiskalten Blicken, den rauhen Meckerstimmen, dem Mundgeruch und dem klebrigen Schweiß, der in ihren Bärten glitzerte und ihre Hemden unter den Achseln dunkel färbte. Als wäre er einer Studentenverbindung beigetreten, die nie das Haus verließ, als wäre er ins Kloster gegangen oder als marschierte er im Gleichschritt mit der Fremdenlegion durch endlose unwegsame Sanddünen, und keine Oase in Sicht. Und wie fühlte sich Stanley dabei? Das hatte ihn nie jemand gefragt. Bestimmt nicht Dr. Hamilton – ebensowenig Dr. Hoch und Dr. Brush und Dr. Meyer. Aber wenn er darüber nachdachte, wenn er auch nur eine Minute lang über seine merkwürdige, entbehrungsreiche Lage nachdachte, dann fühlte er eine alles verschlingende schwarze Kluft in sich aufbrechen, als würde er entzweigerissen wie ein siamesischer Zwilling, den man von seiner anderen Hälfte trennte. Er war ein Mann ohne Ehefrau, ein Sohn ohne Mutter, ein Bruder ohne Schwestern.
Aber warum? Warum mußte das so sein? Weil er krank war, sehr krank, das wußte er. Und er wußte auch, warum er krank war. Es war ihretwegen, wegen dieser Huren, wegen der Frauen. Sie waren schuld. Und falls er seine Frau jemals wiedersehen sollte oder seine Mutter oder Anita oder Mary Virginia, dann wußte er genau, was er tun würde, so sicher wie morgens die Sonne emporsteigt und die Erde sich um ihre eigene Achse dreht: Er würde geradewegs auf sie zugehen, auf Katherine oder Mary Virginia oder die Frau des Präsidenten oder irgendeine von ihnen, und dann würde er ihnen zeigen, was ein richtiger Mann war, er würde sie dafür bezahlen lassen, ja, das würde er. So lagen die Dinge, und deshalb hatte er die letzten neunzehn Jahre in Riven Rock verbracht, auf dem fünfunddreißig Hektar großen Anwesen, das vom Geld seines Vaters erworben worden war, in seiner steinernen Villa mit den Gitterstangen vor den Fenstern und dem fest am Boden verschraubten Bett, mit Aussicht auf den stahlblauen Panzer des Pazifiks und die unnachgiebige Wand der Channel Islands – in seinem ureigenen Paradies, dem Ort, den keine Frau je schaute oder betrat.
Teil I
Die Ära Hamilton
1
Wie seine Hand
Wie seine Hand mit ihrem Gesicht in Berührung kam – ihrem süßen, pausbäckigen, provozierenden kleinen Vollmond von Ehefrauengesicht, das jede Nacht auf dem ehelichen Kopfkissen den Platz neben dem seinen fand –, das war für O’Kane ebenso ein Rätsel wie die gefurchte Wölbung des Himmels und der Regen, der wie etwas Zorniges, Unausrottbares auf die erschöpfte Landschaft fiel. Es war nicht spät – noch nicht einmal zehn. Und er war auch nicht wütend. Jedenfalls noch nicht. Im Gegenteil, er hatte gefeiert – hatte sich besudelt, wie sie wohl sagen würde, ordentlich einen draufgemacht, feste gefeiert, und dreimal Hoch dieses und jenes, und Hipp, hipp, hurra –, gefeiert mit Nick und Pat und Mart und mit Dr. Hamilton, ja, mit dem auch. Er hatte sein restliches Leben gefeiert, weil es gerade angeknipst worden war wie ein elektrischer Schalter und ihn mit hellem Licht überflutete, das ihm jetzt zu den Nasenlöchern und zu den Ohren, zum Mund und vermutlich auch zum Hintern herausströmte, obwohl er noch keine Gelegenheit gehabt hatte, dort unten nachzusehen, aber das würde er irgendwann auch noch tun, bestimmt. Dann war er nach Hause gekommen, und da hatte sie gewartet, war im Wohnzimmer auf und ab gepirscht wie eine unermüdliche kleine Rattenfresserin, mit gesträubtem Haar, angespannt und sprungbereit.
Er hatte sie nicht schlagen wollen – er hatte sie bis dahin nur einmal geschlagen, vielleicht zweimal –, und das Komische war, daß er gar nicht wütend war, nur... gereizt. Und müde. Zu Tode erschöpft. Dieses Gequake, das sie ausstieß, dazu das greinende Baby im hinteren Zimmer, und die Art, wie sie ihm ständig ihr Gesicht entgegenschob, als wäre es ein Volleyball, gegerbt und genäht und prall aufgepumpt – sie gönnte es ihm nicht, nicht einmal das, nach all der nervenzerfetzenden Ungewißheit, die er die letzten zwei Monate durchgestanden hatte, und als der aufgeblasene Ball ihres Gesichts wieder auf ihn zusteuerte, so etwa zum fünfzigstenmal, da knallte er ihn ohne Umschweife zurück übers Netz, gerade so als wäre er wieder in der Schule und hechtete nach einem Angriff über den harten, festgetrampelten Boden des Volleyballplatzes. Daraufhin legte sie erst richtig los, und von da an fand er keinen Frieden mehr, sie war wie ein artesischer Brunnen, es sprudelte nur so aus ihr heraus, Tränen und Blut und Wut schlugen ihm entgegen, aber während er diesem verheulten Gesicht auswich, bis er so leer und ausgelaugt war, daß er in eine Finsternis taumelte, die schwärzer war als das letzte ersterbende Blinzeln des Bewußtseins, konnte er an nichts anderes denken als an Mrs. McCormick – Katherine – und daran, was für eine Dame sie war, dabei klebte Rosaleen an ihm wie ein Fliegenfänger und schrie herum, daß die Fensterscheiben barsten und das Dach einkrachte und die ganze schlafende, betäubte Stadt in einer tiefen Erdspalte verschwand.
Nicht lange davor, am Morgen dieses Tages, war alles anders gewesen. Er war bei Tagesanbruch aufgewacht und hatte sie neben sich liegen gesehen, die weichen Blütenblätter ihrer Lider, ihre Wimpern, ihre Lippen, die fragile Komposition ihres Gesichts, und er wollte sie küssen, wollte sich hinüberbeugen und mit dem Mund über den Flaum ihrer Wange streichen, doch er tat es nicht. Er wollte sie nicht wecken – und seinen Sohn auch nicht. Es war zu friedlich, dieses Unterwasserlicht, das verstohlene Ticken der Uhr, das erste Vogelgezwitscher, und er wollte nicht mit ihr über die McCormicks und die Besprechung reden, über seine Ängste und seine Hoffnungen – die er selbst kaum kannte. Also streifte er sein Nachthemd neben dem Bett ab und huschte nackt ins Wohnzimmer hinüber, den guten Anzug aus Donegal-Tweed über dem einen Arm und frische Unterwäsche über dem anderen, um sich dort wie ein Kleiderdieb anzuziehen. Dann verschwand er zur Tür hinaus in ein anderes Leben.
Man schrieb das Jahr 1908, und er war gerade fünfundzwanzig geworden. Knapp eins dreiundachtzig groß, hatte er die Boxerstatur seines Vaters geerbt (der den Prototyp in den neunziger Jahren bei einer Serie von zumeist siegreichen Faustkämpfen ohne Handschuhe gut genutzt hatte) und die versonnenen meergrünen Augen seiner Mutter, mit den zwei haselnußbraunen Uhrzeigern im rechten, die unveränderlich, jedenfalls in diesem Leben, drei Uhr anzeigten. Seine Mutter hatte immer gesagt, dieses chronometrische Auge würde ihm Glück bringen – großes Glück und Reichtum –, doch als er sie genauer befragte, schon mit zehn oder elf etwas skeptisch geworden, da deutete sie nur auf den Beweis und meinte, die Stunde sei vorherbestimmt. Aber was ist mit dir? fragte er dann und ließ den Blick über die farblosen Wände der vier Zimmer schweifen, die sie mit seiner Großmutter, Onkel Billy, seinen vier Schwestern und drei Cousinen teilten, wo ist denn dein Drei-Uhr-Glück geblieben? Und daraufhin nahm sie sein Gesicht in die Hände, die zarteste Berührung der Welt, und flüsterte: »Hier ist es, hier, ich halt’s in meinen Händen.«
Der Morgen verging wie im Flug. Zuerst war er im Haus in der White Street gewesen, wo man Mr. McCormick untergebracht hatte, um ihm die Belästigung durch andere Patienten zu ersparen, dann war er zum McLean Hospital aufgebrochen, und jetzt war er spät dran, deshalb ging er quer über den Rasen vor dem Verwaltungsgebäude, es war ein Tag wie ein nasser Lappen, obwohl es bereits die letzte Aprilwoche war, und er hätte den Göttern ein Opfer gebracht für einen einzigen Sonnenstrahl – er war spät dran und in Eile, und es kümmerte ihn einen Dreck, daß er Hut und Mantel im Pflegerzimmer liegengelassen hatte und die Aufschläge seiner Hose aus gutem Donegal-Tweed die Nässe aufsogen, als hätte er sich zwei Schwämme um die Knöchel gebunden. Es hätte ihn aber kümmern müssen, denn als der Schneider damals aus Ballyshannon gekommen und in die Pension ein paar Häuser weiter eingezogen war und seine Mutter ihm geraten hatte, diese Gelegenheit zu nutzen und sich einen guten Anzug nähen zu lassen, denn nur als ordentlich angezogener Zeitgenosse dürfe er je darauf hoffen, mit dem Kopf statt mit den Händen zu arbeiten, da hatte er achtzehn Dollar dafür hingelegt. Achtzehn gute harte Yankee-Dollars, die er im Bostoner Irrenhaus damit verdient hatte, daß er Blut, Kotze und noch Schlimmeres von den Wänden kratzte. Und jetzt waren die Schultern durchnäßt, die Feuchtigkeit kroch ihm die Schienbeine hoch, und das schöne Stück würde garantiert eingehen, doch was machte das schon? Es war zwei Minuten vor elf, das nasse Haar hing ihm in die Augen, aber Dr. Hamilton erwartete ihn. Wenn alles klappte, würde er sich sechs Anzüge kaufen können.
Es sah ihm gar nicht ähnlich, zu spät zu kommen – es war unprofessionell, und Dr. Hamilton legte großen Wert auf »die drei Ps«, wie er es nannte: Pünktlichkeit, Pflichterfüllung und Professionalität –, und O’Kane, der sowieso schon nervös war, fühlte sich wie ein Stück Speck in der Pfanne, während er über den feuchten Rasen rannte. Er schwitzte unter den Achseln, und die Haare hingen ihm wie Stricke ins Gesicht. Es sah ihm überhaupt nicht ähnlich, aber er lag im Zeitplan zurück, weil er sich in der White Street hatte aufhalten lassen, und dann noch einmal in der rückwärtigen Station, und beide Male wegen der Affen. Diese Affen. Er konnte an nichts anderes mehr denken. Und das war seltsam, denn es war ein typischer Tag, an dem die tobsüchtigen Spinner unruhig wurden – das passierte nicht nur bei Vollmond, sondern bei jedem Wetterumschwung, auch wenn beständige Düsternis nur von einem Wolkenbruch unterbrochen wurde –, und als er über das Gras hetzte, konnte er hören, wie Katzakis, der verrückte Grieche, und der andere, den sie den Schürzenmann nannten, in der geschlossenen Abteilung aufeinander einkreischten, ja, sie kreischten wie die Affen. Tobsüchtige kannte er in- und auswendig – das sollte er auch, nach sieben Jahren in der Branche –, dagegen waren seine Erfahrungen mit Hominiden, wie Dr. Hamilton sie nannte, eher beschränkt. Und wieso auch nicht? South Boston, Danvers und Waverley lagen ja nicht gerade im tropischen Dschungel.
Tatsächlich war O’Kane, abgesehen von den für Kinder üblichen Begegnungen mit Affen – bei Drehorgelspielern, in Zirkusmenagerien oder im Zoo –, einem solchen Tier auf Spuckweite nur ein einziges Mal nahe gekommen, und zwar in einer Kneipe. Er war eines Nachmittags auf ein Bier in Donnellys Bar gegangen, und als er von seinem Glas aufsah, saß neben ihm an der Theke ein Mann mit einem einäugigen Schimpansen an der Leine. Für einen Klaren und ein Bier zum Runterspülen ließ der Kerl den Affen sein Ding rausholen, ein Bierglas vollpissen und das Zeug dann auch noch trinken, als wär’s irischer Whiskey vom Feinsten – und der leckte sich sogar die Lippen danach. Als der Mann seinen dritten Drink intus hatte, sah er bedächtig den Tresen entlang und sagte, für einen halben Dollar Einsatz fordere er jeden in der Bar heraus, zum Armdrücken gegen sein Vieh anzutreten – gegen diesen mickrigen, einäugigen, halb glatzköpfigen Affen, der stank, als hätte man alle Seelen der Hölle im eigenen Saft geschmort und dann eine Woche lang in der Sonne trocknen lassen –, und es gab prompt viel Geschubse und jede Menge obszöne Kommentare, während sich die Kneipengäste um ihn drängten. Schließlich nahm ihn Frank Leary beim Wort, ein vierschrötiger, kräftiger, großmäuliger Stier von Mann, der bei der Eisenbahn arbeitete, aber das Vieh drückte Learys Handgelenk in Sekundenschnelle auf den Tresen und ließ erst wieder los, als seinem Gegner die Tränen in den Augen standen.
Jedoch qualifizierte dieses Erlebnis O’Kane noch nicht gerade als Hominidenexperten, was er auch sofort eingestanden hätte, und er hatte am Vortag nach der Arbeit eine aufreibende Stunde in der Bibliothek mit dem Durchstöbern einer Enzyklopädie verbracht, in der vagen Hoffnung, irgend etwas daraus zu erfahren, was Mrs. McCormick imponieren würde. Oder, wenn er ihr schon nicht imponieren konnte, zumindest seine Blamage möglichst gering halten würde, sollte sie es sich plötzlich einfallen lassen, ihn zu diesem Thema ins Verhör zu nehmen. Die Bibliothek war für O’Kane ein fremder Ort, feuchter als eine chinesische Wäscherei und dreimal so kalt, die Beleuchtung war hominidisch primitiv und die Erleuchtung, die ihm die Enzyklopädie zum Thema Affen bot, in etwa ebenso schwach. Affen, so las er, sind hochintelligent und dem Menschen näher verwandt als alle übrigen Lebewesen. Es sind beliebte Tiere im Zoo und im Zirkus. Zudem spielen sie eine tragende Rolle in den Legenden und Volksmärchen vieler Länder. Nach einer Weile stand er auf, stellte den Band ins Regal zurück und wanderte zu Donnellys Bar hinüber, um dieses gewaltige Wissensreservoir mit Hilfe von einem oder zwei mnemonischen Whiskeys im Gehirn zu fixieren.
Und nun war er spät dran, sein einziger guter Anzug kroch ihm die Schienbeine hinauf, und er fragte sich, wie er Mrs. McCormick, der Eisprinzessin persönlich, die bahnbrechene Neuigkeit beibringen sollte, daß Affen beliebte Zoo- und Zirkustiere waren. Doch als er den Rand des Rasens erreichte und über das Mäuerchen flankte, den gefliesten Fußweg entlangging und die Treppe des Verwaltungsgebäudes erklomm, überraschte ihn das schillernde Wunderding seines überlasteten Hirns – schlagartig vergaß er die Affen und dachte an Kalifornien. Vielmehr dachte er gar nicht richtig daran, nicht wirklich – er hatte eine Vision, er erinnerte sich plötzlich und lebhaft an ein Grundstück dort, schimmernde Dattelpalmen unter dem flüssigen Gold der Sonne und Orangenbäume mit Früchten wie pralle Hinterteile, und am Rand des Anwesens ein gemütlicher kleiner Bungalow oder wie immer man die Dinger dort nannte –, und das war schon merkwürdig, mehr als das, wo er doch sein ganzes Leben lang nie weiter westlich als Springfield gekommen war. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, daß er sich wohl an einen dieser Aufkleber auf Apfelsinenkisten erinnerte, bei deren Anblick man sofort die Schneeschaufel hinschmeißen und den nächsten Zug nach Westen nehmen wollte. Aber da war es nun einmal, ob Realität oder Phantasie – dieses Kalifornien –, und es machte sich mit all seiner exotischen Herrlichkeit in seinem Kopf breit, wo eben noch die Affen gewesen waren.
Und dann, als er schließlich durch die breiten Facettenglastüren in den trüben, nach Bohnerwachs und Kohlenstaub riechenden Korridor trat, dachte er an seine Rosaleen zu Hause, Sorge und Freude seines Lebens, seit drei Monaten seine süße, scharfe, streitlustige Braut mit dem üppigen Kußmund und Mutter von Edward jr., seinem grünäugigen Sohn. Was würde sie dazu sagen, daß sie alle drei nach Kalifornien umziehen würden, und zwar wegen Mr. Stanley McCormick, dem früheren Mitbesitzer der McCormick-Mähmaschinenfabrik und der International Harvester Company, wegen Mr. McCormick und einer Horde Affen? Und was würde ihre Mutter dazu sagen und ihre Brüder mit den Blumenkohlohren und der zu kurz geratene Nörgelheini von Vater, der ihn sowieso am liebsten lebendig gehäutet hätte, weil er seiner Tochter ein Kind gemacht hatte? Als wäre alles nur seine Schuld, als hätte nicht auch sie damals ihre Chance gesehen und sie ergriffen – und hatte er etwa nicht seine Pflicht erfüllt, und saß sie nicht in diesem Moment behaglich in der kleinen Wohnung in der Chestnut Street, mit dem Baby und den neuen Gardinen und allem, was eine Frau sich sonst noch wünschen konnte?
Etwas steifbeinig trottete er an Dr. Cowles’ Sprechzimmer vorbei, strich sich das Haar glatt, kämpfte mit seiner Krawatte und versuchte, die Schultern so zu verrenken, daß sie in die klatschnassen Konturen des Anzugs paßten, und brachte ein knappes Winken in Richtung von Miss Ianucci zustande, Dr. Cowles’ Tippse. Miss Ianucci war eine Spaghettifresserin aus Italien, die nie eine genügend weite Bluse fand, um ihre beiden Apparate unterzubringen, sich ständig die Lippen leckte und die Beine mal in die eine, mal in die andere Richtung übereinanderschlug, sobald O’Kane die Gelegenheit für ein kleines Schwätzchen mit ihr fand – was im Grunde jedesmal war, wenn er bei ihr vorbeikam, außer es brannte irgendwo. Dauernd meckerten die Leute über die Einwanderer – mal über die Itaker, mal über die Polacken, über Knoblauchfresser und böhmische Bauerntrottel, und ausgerechnet sein Vater schimpfte am lautesten und heftigsten, dabei war es noch keine dreißig Jahre her, daß er selber in einem leeren Whiskeyfaß auf einem Transatlantikdampfer herübergemacht hatte –, aber wenn’s nach O’Kane gegangen wäre, konnten sie so viele Miss Ianuccis hereinlassen, wie sie wollten. Und wäre das nicht ein toller Job, am Ende der Gangway zu stehen und über jede einzelne zu urteilen? Nix da, die könnt ihr gleich wieder heimschicken – ist ja flach wie’n Bügelbrett. Die da? Na schön, nehmen wir sie. Kommen Sie doch mal rüber, Miss, hierherein bitte, in den Untersuchungsraum... Ein Mann könnte so eine ganze Rasse erschaffen, eine neue Züchtung, deren Hauptmerkmal die Titten wären – oder die Hüften oder lange Beine oder Stupsnasen oder schön anliegende Ohren. Bei den Hunden hatte es doch auch geklappt...
Jedenfalls mußte er sich diesmal mit einem Winken begnügen, weil ihm klar war, wie wichtig diese Besprechung für Dr. Hamilton war – und für ihn auch, für ihn und Rosaleen –, also hastete er weiter den Gang entlang, während Miss Ianucci sich einen Finger in den Mundwinkel schob und daran lutschte, die Beine mal dahin, mal dorthin übereinanderschlug und ihm das breiteste Lächeln der Welt schenkte. Vorbei an zwei Türen, an drei, und er mußte schwer an sich halten, um nicht zu rennen. Im Vorbeieilen sah er zum Porträt von John McLean auf, diesem ausgesprochen ernsten Philanthropen mit der Perücke auf dem Kopf, der im Jahr 1818 mit hunderttausend Dollar dafür gesorgt hatte, daß diese erhabene Anstalt eröffnet werden konnte, und obwohl er spät dran war, obwohl er wie ein Stück Dreck aussah, obwohl sich der Geruch von Angst und Hoffnung mit dem des Schweißes vermischte, der ihm herunterlief, als wäre es Mitte Juli und er würde die versammelte Familie McCormick einschließlich der Affen auf seinen Schultern einen Berg hinauftragen, ging ihm doch die Frage durch den Kopf, wenn auch nur den allerflüchtigsten Augenblick lang, was er selbst mit hunderttausend Dollar anfangen könnte – bestimmt würde er sie keinem karitativen Verein stiften, das stand mal fest, außer dem Edward-James-O’Kane-Wohltätigkeits-und-Treuhandfonds. Aber genug davon. Auf einmal war er da, am Ende des Gangs, es war drei nach elf, er atmete schwer und schwitzte, war völlig durchnäßt und klopfte mit gehetztem Blick ehrerbietig an das glatte lackierte Holz von Dr. Hamiltons Tür.
Von drinnen hörte er eine geraunte Unterhaltung, und sofort sank ihm der Mut. Genau das hatte er befürchtet, seitdem er von zu Hause aufgebrochen war in den dunklen eitrigen Schlund des Morgengrauens, er hatte es geahnt, während er Bettpfannen ausleerte und stocksteife Verrückte und einfache Schwachsinnige aus den Betten und von den vergitterten Fenstern zerrte: daß sie schon dasein würde. Was hieß, daß er sich verspätet hatte. Ganz offiziell. Er verfluchte sich selbst und klopfte erneut, diesmal ein wenig energischer, und fühlte sich noch mieser, als das Gemurmel nun abrupt verstummte, als hätte er sich in etwas eingemischt. Es herrschte jetzt eine qualvolle Stille, in der ihm der wahnwitzige Gedanke durch den Kopf schoß, sie könnten gerade verabreden, ganz auf ihn zu verzichten, dann hörte er Dr. Hamilton leise sagen: »Das muß er wohl sein«, und der letzte Rest von Gefaßtheit, den er eventuell noch aufgebracht hätte, verflog im selben Moment. »Herein«, rief der Arzt, und O’Kane spürte, wie er errötete, während er die Tür aufstieß und das Zimmer betrat.
Als erstes fiel ihm das Feuer auf – ein gewaltiges, verschwenderisches, knisterndes Lodern, das auf den getäfelten Wänden spielte und einen sanften Schein auf des Doktors Sammlung von Wachsmodellen des menschlichen Gehirns warf, das erste Feuer, das O’Kane in diesem Kamin je gesehen hatte, selbst in den düsteren, frostigen Nebeln des Januars oder Februars war der Kamin nie angezündet worden. Doch da brannte es, ein Feuer, das der Luft die Feuchtigkeit entzog und eine entspannte, gemütliche Atmosphäre schuf, wie es Dr. Hamilton zweifellos geplant hatte. Es war eine Überraschung, eine echte Überraschung, wie auch die Teekanne, die Karaffe mit Sherry und die kleinen Sandwiches, die auf dem niedrigen Tisch vor dem Sofa bereitstanden, und O’Kanes ohnehin hohe Achtung vor Hamilton stieg gleich noch etwas mehr: »Ach, hallo, Edward«, schnurrte der Arzt und erhob sich vom Schreibtischrand, um O’Kanes Hand zu ergreifen und fest zu drücken. »Wir wollten gerade anfangen.«
Jedem, der dieser Szene beigewohnt hätte, wäre der Händedruck nur gutmütig und herzlich erschienen, aber O’Kane spürte das schwarze Blut von Nervosität und Irritation durch Hamiltons fleischlose Finger und die feuchte Wölbung seiner Handfläche pulsieren: O’Kane hatte gefehlt, er war zu spät gekommen, er hatte »die drei Ps« verletzt und damit alles in Gefahr gebracht. Trotz aller Ermahnungen des Arztes vom Vortag und obwohl er das Frühstück ausgelassen hatte, früher als sonst von zu Hause aufgebrochen war, Anzug und Hemdkragen unter dem Anstaltskittel getragen hatte, um Zeit zu sparen, und obwohl die Affen im wilden Dschungel seines Gehirns herumgetobt waren, Liane für Liane, Minute für Minute, war er spät dran. Er hatte es falsch angefangen. Gleich von Beginn an.
Verlegen, mit rotem Gesicht, zu groß für seinen eingelaufenen Anzug, kam sich O’Kane in dem kleinen Raum vor wie ein keulenschwingender Höhlenmensch; er konnte nur den Kopf einziehen und eine Entschuldigung murmeln. Er sah, daß Mrs. McCormick schon da war – die junge Mrs. McCormick, die Ehefrau, nicht die Mutter. Die bestimmte jetzt, wo es langging, und die ältere Mrs. McCormick, Mr. McCormicks Mutter, war wieder in Chicago, wo sie in ihrem goldenen Nest saß, ihre goldenen Eier legte und die Dividende zählte. Was Stanleys – Mr. McCormicks – Pflege betraf, so hatte sie das Feld der jüngeren Frau überlassen. Einstweilen jedenfalls.
Da O’Kane weder Hut noch Mantel trug, konnte er sich nur kurz die Krawatte zurechtrücken und dann einen Diener vor Mrs. McCormick und der Frau vollführen, die in diesem Moment neben ihr auf dem Sofa aufgetaucht zu sein schien. Er war durcheinander. Irgendwie war er in Mrs. McCormicks Gegenwart immer durcheinander – ob er ihr nun die Tür aufhielt wie ein Lakai, wenn sie wie eine Prinzessin die Eingangshalle der White Street betrat, oder sich in all seiner Sprachlosigkeit darum bemühte, möglichst klug auf ihre vielschichtigen Fragen über die Fortschritte ihres Gatten zu antworten – beziehungsweise über deren Ausbleiben. Sie war eine Dame der Gesellschaft, das war sie, kalt wie ein wandelnder Leichnam, nichts als Pelz, Federn und Edelsteine, und O’Kane gehörte nicht zur Gesellschaft. Nicht im entferntesten. Er war nicht einmal Teil der Gesellschaft, die danach strebte, Teil der Gesellschaft zu sein. Er war Arbeiter, der Sohn eines Arbeiters, der Enkel eines Arbeiters und so weiter, bis zurück zu den Affen – oder zu Adam und Eva, je nachdem, woran man glaubte. Trotzdem, jedesmal wenn er sie sah, eingehüllt in die kalte, harte, schimmernde Schale ihrer Bostoner Schönheit, wäre er schrecklich gern jemand gewesen, der er nicht war, er wollte sie beeindrucken oder zum Lachen bringen, nahe bei ihr sein und ihr schmutzige Sachen ins Ohr flüstern, und es erforderte eine übermenschliche Willensanstrengung, sich einfach nur vorzubeugen, ihre behandschuhte Hand mit den Fingerspitzen zu berühren und sich dann an die ältere Frau neben ihr zu wenden, eine Frau mit einem Gesicht wie ein zerdrückter Vogel inmitten des Federgewirrs, das ihr Hut war, eine Frau, die er so gut wie die eigene Mutter kannte, die er aber irgendwie... nicht so recht...
Doch dann nahm er Platz – auf dem Stuhl, der dem Feuer am nächsten stand –, ein friedfertiges Lächeln auf den Lippen, unter den Achseln brach ihm schon wieder der Schweiß aus, aber er hatte einen Augenblick Zeit, um Atem zu schöpfen und die Erinnerung über sich hereinbrechen zu lassen: Diese alte Dame, die sich wie die Frau eines Bestattungsunternehmers kleidete, war Mrs. McCormicks Mutter, Mrs. Dexter. Natürlich. Dr. Hamilton sagte irgend etwas, aber O’Kane hörte nicht zu. Er spannte die Nackenmuskulatur an und verrenkte die Schultern, bis er Mrs. Dexters Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, dann verbreiterte er sein Lächeln zu einer Art seliger Grimasse. »Auch Ihnen einen schönen guten Morgen, Mrs. Dexter«, sagte er und hörte, wie sich der Killarney-Dialekt seines Vaters in seine dröhnende Stimme schlich, obwohl er dagegen anzukämpfen versuchte.
Dr. Hamilton unterbrach sich in dem, was er gerade hatte sagen wollen, um ihn schief anzusehen. »Und Ihnen ebenfalls, Mr. O’Kane«, gab die alte Lady fröhlich zurück, was den Arzt wieder zu beruhigen schien, denn er fuhr fort.
»Wie ich gerade sagte, Mrs. McCormick, falls die Bedingungen für Sie akzeptabel sind – und für Ihre Mutter natürlich –, dann, denke ich, sind wir uns einig. Ich habe mit meiner Gattin und den Thompson-Brüdern gesprochen, und der Umzug liegt ihnen sehr am Herzen – und natürlich Mr. McCormicks gute Pflege und sein Wohlergehen. Und Edward hier kann ja für sich selbst sprechen.«
O’Kane rutschte auf dem Stuhl herum. Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht begriffen, wieviel ihm das Ganze bedeutete – es war ein neuer Anfang, ein neues Leben, und zwar in einem Landesteil, der ihm so fremd war wie die dunkle Seite des Mondes. Aber darum ging es ja gerade: in Kalifornien war es nie dunkel, es schneite dort nicht, es gab weder Matsch noch Nieselregen, kein gefrorener Pferdemist lag auf den Straßen, und das Leben dort war nicht so eine Schinderei, daß man kaum noch wußte, ob man lebte oder tot war. Ein einziger Orangenhain konnte einem zum Leben reichen – die Früchte wuchsen praktisch von selbst, ohne auch nur gerüchteweise nach Arbeit zu klingen, sobald die Bäume im Boden steckten –, und mit fünf Hektar konnte man ein reicher Mann werden. Dort gab es Gold. Und Öl. Und den Pazifik. Und die Sonne. »Oh, mir liegt das auch am Herzen, sehr sogar«, sagte er und wich dem Blick der Ehefrau aus.
Wie alt war sie eigentlich? Sie konnte nicht älter als Anfang Dreißig sein, und da saß er, ein tüchtiger, kräftiger Ire aus dem Bostoner North End, mit breiten Schultern und sechsundachtzig Kilo auf der Waage, der routinemäßig den Irrsten der Irren ins Antlitz starrte, und hatte Angst, ihr in die Augen zu sehen? Er nahm sich zusammen, hob den Kopf und blickte ungefähr in ihre Richtung. »Selbst wenn es für immer hieße.«
»Und Ihre Frau – Mrs. O’Kane?« Zuerst dachte er wie viele der unglücklichen Kerle auf der Station, die Stimme käme von der Decke, doch dann wurde ihm klar, daß die alte Lady die Lippen bewegte. Er bemühte sich um eine aufmerksame Miene, als ihr Vogelgesicht ihm noch näher kam. »Wie steht sie dazu?«
»Rose?« Die Frage traf ihn unvorbereitet. Er sah seine Frau vor sich, wie sie in der Küche ihrer billigen Wohnung in einem Topf mit Brühe und Kartoffeln rührte, dumm wie ein Pantoffel, streitsüchtig, derb und laut – aber grundgütig, ein grundgütiges Mädchen, wie man selten eines fand, und die Mutter seines Sohnes. »Ich... ich hab’s ihr noch gar nicht erzählt, aber sie wird begeistert sein, da bin ich ganz sicher.«
»Aber das heißt, daß sie alles zurücklassen muß – ihre Eltern, ihre Verwandten, ihre früheren Schulfreundinnen, die Straßen, in denen sie aufwuchs«, beharrte Mrs. Dexter – was wollte die eigentlich von ihm? Sie beobachteten ihn beide, Mutter und Tochter, sie waren wie zwei Raubvögel, alle beide – scharfe Schnäbel, wachsame Augen, die auf die leiseste Regung im Gras lauerten. »Wo, sagten Sie doch, kommt sie her?«
Er hatte es nicht gesagt. Am liebsten hätte er Beacon Hill geantwortet, eine Adresse in der schicken Commonwealth Avenue angegeben, aber er tat es nicht. »Aus Charlestown«, murmelte er und starrte auf seine naßglänzenden Schuhe hinab. Er spürte, wie sich die Blicke der jüngeren Frau in ihn bohrten.
»Und für Sie wäre das ja ebenso«, sagte die ältere. »Sind Sie denn bereit, den eigenen Eltern Lebewohl zu sagen – und das für so lange, wie Mr. McCormick brauchen wird, um wieder gesund zu werden?«
Es entstand eine Pause. Das Feuer knackte, und er fühlte, wie die Hitze die Feuchtigkeit aus seinen Hosen- und Ärmelaufschlägen und den enger werdenden Schultern seines Jacketts trieb. »Ja, Ma’am«, sagte er und warf einen raschen Blick auf die jüngere Frau. »Ich denke schon. Ganz bestimmt.«
Glücklicherweise nahm jetzt Hamilton das Gespräch in die Hand. »Am wichtigsten«, sagte oder vielmehr flüsterte er in dem narkotisierenden Tonfall, den er bei seinen Schützlingen anschlug, »ist Mr. McCormick. Je eher wir den Patienten verlegen und ihn auf eine ihm gemäße Weise in Kalifornien unterbringen, desto besser ist es für alle Beteiligten. Vor allem für den Patienten. Was er jetzt in erster Linie braucht, das ist eine ruhige Umgebung, ohne die belastenden Bedingungen, die zu seiner Blockierung geführt haben. Nur so können wir hoffen...« Er brach den Satz ab. Mrs. McCormick hatte sich geräuspert – das war alles: nur ein Räuspern –, und er hielt abrupt inne.
Dr. Hamilton – Dr. Gilbert Van Tassel Hamilton, der zukünftige Autor von Sex in der Ehe wie auch einer Studie über die sexuellen Neigungen der Affen, speziell der Paviane – war damals ein junger Mann, gerade einunddreißig, aber er hatte einen gepflegten Spitzbart und kämmte sich das mausgraue Haar streng nach hinten, um so ein paar Jahre älter auszusehen. Er trug das gleiche Pincenez mit Metallfassung wie Präsident Roosevelt und kleidete sich immer äußerst sorgfältig in aschfarbene Anzüge mit Weste und einer Krawatte von derart unergründlichem Blau, daß sie genausogut schwarz hätte sein können, so als könnte jede Zurschaustellung von Farbe sein Pflichtgefühl und seine Zielstrebigkeit unterminieren. (»Grelle Kleidung unbedingt vermeiden«, hatte er O’Kane gleich am Tag seiner Einstellung ermahnt, »weil sie die Katatoniker erregt und die Paranoiker nervös macht.«) Trotz seiner Jugend war er ein Fels der Beständigkeit, bis auf einen irritierenden kleinen Tic, dessen er sich selbst vermutlich gar nicht bewußt war: etwa alle dreißig Sekunden rutschten seine Augäpfel nach oben und verschwanden in einem so plötzlichen Spasmus hinter dem oberen Lid, daß es einem vorkam, als sähe man einem Spielautomaten bei der letzten Umdrehung der Walze zu. Natürlich wurde dieser Tic noch auffälliger, sobald er nervös oder gestreßt war. Als er jetzt Mrs. McCormick erwartungsvoll musterte, begannen seine Pupillen als Vorspiel zittrig zu tänzeln.
Auch O’Kane musterte sie. Er konnte nicht anders, als sie anzusehen, solange dies nicht unmittelbaren Blickkontakt bedeutete. Sie war faszinierend, ein echtes Studienobjekt, die Sorte Frau, die man sonst nur ganz flüchtig zu Gesicht bekam – als Silhouette hinter der Windschutzscheibe des langen, geschwungenen Wunders eines Packard-Automobils, als forsch kommandierende Gestalt inmitten von Türstehern und Gepäckträgern, als Porträtphotographie in einem Buch –, und wie hätte er sie auch nicht mit seiner Rosaleen vergleichen können? Wie sie da auf dem äußersten Rand des Sofas saß, in einer Pose wie aus dem Mädchenpensionat, das Grübchenkinn in die Höhe gereckt wie eine Wetterfahne, in dem Kleid aus blauem seidigem Material, das wahrscheinlich mehr kostete, als er in einem halben Jahr verdiente, war sie wie eine Außerirdische, wie die strahlende Vertreterin einer neuen, überlegenen Spezies, wenn da nicht eines wäre: ihr Mann war verrückt, genauso verrückt wie der Schürzenmann oder Katzakis, der Grieche, oder sonst einer von denen, und weder gute Manieren noch alles Geld der Welt konnten daran etwas ändern.
»Was diese Affen angeht...« begann sie, und O’Kane bemerkte, daß sie damit zum erstenmal das Wort ergriff, seitdem er den Raum betreten hatte.
Hamiltons Stimme wurde zu einem Nichts, zu einem geflüsterten Flüstern. »Ja?« hauchte er und lehnte sich gegen die Schreibtischkante, das ganze Gewicht lässig auf die linke Hinterbacke gestützt – der behandelnde Arzt in seinem Zimmer, kein Problem, nicht im geringsten. »Was ist mit ihnen? Falls Sie daran irgend etwas...«
»Sie sind notwendig, nicht wahr – Ihrer Einschätzung nach, Dr. Hamilton? Ich verstehe schon: um einen so vielversprechenden jungen Psychologen wie Sie an die Westküste zu locken, der dadurch seine Familie entwurzelt und seine Patienten hier am McLean aufgibt, bedarf es eines gewissen Quidproquo« – sie hob den Zeigefinger, um ihn zur Ruhe zu mahnen, da er vom Schreibtisch aufgesprungen war und sein Mund bereits im Nest seines Bartes zu arbeiten begann – »und dazu gehört wohl auch Ihr Hominidenlabor, zusätzlich zu Ihren Gehaltsforderungen, Übersiedlungszuschüssen und so weiter... aber besteht denn wirklich Hoffnung, daß diese Affen etwas zu Stanleys Heilung beitragen werden?«
Das war Hamiltons Stichwort, und fast ohne Augenrollen begann er eine Ansprache, die einem Trommler zur Ehre gereicht hätte. Er gab keine Versprechen – der Fall ihres Gatten sei komplizierter, als zunächst angenommen worden war, weitaus komplizierter –, doch er habe persönlich Dutzende von beinahe ebenso schweren Fällen behandelt, und diese Patienten hätten alle, mit der rechten Pflege, gewaltige Schritte in Richtung Gesundung, ja vollständige Genesung getan. Derzeit gebe es neue Ansätze, nicht nur bei der Behandlung von Dementia preacox beziehungsweise Schizophrenie, wie man es jetzt meistens nenne, sondern im gesamten Spektrum des menschlichen Verhaltens und der Psychologie, und neue Figuren wie Freud, Jung und Adler seien aufgetaucht, um auf den Arbeiten von Charcot, Krafft-Ebing, Havelock Ellis und Magnus Hirschfeld aufzubauen. O’Kane hatte das alles schon gehört, deshalb verlor er sich in Gedanken, die Wärme machte ihn schläfrig, der schwere Stoff seiner nassen Hose klebte an seinen Schenkeln wie eine zweite Haut – und es juckte, es juckte wie der Teufel. Hamilton redete weiter, mit hypnotischer, einschläfernder Stimme, und die Düsternis jenseits der Fenster war wie die Kulisse zu einem Wachtraum. Er kam wieder zu sich, als der Arzt endlich ihre Frage nach den Affen beantwortete.
»... und da die Verhaltenswissenschaft tatsächlich noch in den Kinderschuhen steckt«, sagte Hamilton, »und dies eines der ersten Hominidenlabors auf der Welt sein wird, Katherine« – (Katherine, jetzt nannte er sie schon Katherine!) –, »rechne ich aufrichtig damit, daß meine intensiven Studien mit den niederen Primaten eine ganze Reihe von Durchbrüchen für die menschliche Verhaltenskunde bringen werden, vor allem im Hinblick auf die sexuellen Neigungen.«
Aha, da war er also, dachte O’Kane, der Haken bei der Angelegenheit, jenes Thema, das man nicht in gemischter Gesellschaft besprach, die Sache, der sich Männer und Frauen besser nur zu zweit und im Dunkeln zuwandten. Er betrachtete das vollkommen gelassene Gesicht der Ehegattin, die schmalen Lippen, die kleine Stupsnase und die perfekten Ohren, und wartete auf eine Reaktion. Nichts. Keine Gemütsregung. Sie war selbst Wissenschaftlerin – die erste Absolventin des Massachusetts Institute of Technology –, und keine noch so seltsame Eigenart des menschlichen Organismus konnte sie aus der Fassung bringen. Sie war aus Eis. Aus vielen Schichten, ganzen Bergen davon – ein Gletscher in Menschengestalt, eine Eisprinzessin, ja, das war sie.
»Ja, ich verstehe«, sagte sie, wobei sie die Lippen schürzte und O’Kane einen Blick zuwarf, der ihn auf der Stelle verdorren ließ, so als hätte er den Gesprächsgegenstand aufgebracht, »aber Affen sind ja wohl eine Sache und Menschen eine andere. Ich kann wirklich nicht recht einsehen, wie sich irgendeine Ihrer Entdeckungen zum Thema der« – hier hielt sie inne, wenn auch nur für einen Sekundenbruchteil – »geschlechtlichen Neigungen von Affen auf den Fall meines Mannes anwenden ließe. Es ist mir einfach nicht einsichtig.«
Dies war ein kritischer Moment, in den sich nun O’Kane, angespornt von der Hitze des Feuers, der Enge des Zimmers und der plötzlichen Furcht, die ganze Sache – Orangenbäume, Bungalow und so weiter – könne wie ein Kartenhaus zusammenstürzen, plötzlich mit einer eigenen Wortmeldung einschaltete: »Aber wir werden ihm die allerbeste Pflege zukommen lassen, Ma’am, ich und die Thompson-Brüder und Dr. Hamilton und Dr. Meyer auch. Ihr Mann hat speziell um uns gebeten, wissen Sie, und wir verspüren eine echte... echtes Mitgefühl für ihn, was wir bei den anderen Patienten nicht immer tun... er ist so ein Gentleman, das will ich sagen, und wird bestimmt bald gesund. Und ich hab zwar zugegebenermaßen keine Ahnung von Affen – von Hominiden, meine ich –, aber ich bin jung und guten Willens, und ich kann dazulernen, wirklich. Sie werden sehen.«
Es herrschte Schweigen. Mrs. McCormick – Katherine – blickte verdutzt drein, als hätte plötzlich der Stuhl oder der Hutständer zu sprechen begonnen, aber die alte Dame wirkte höchst zufrieden – auf ihren Lippen lag ein eingefrorenes, gütiges Altjungfernlächeln –, Dr. Hamiltons Augäpfel tanzten, und er strich sich aus Effekthascherei kurz über den Bart, bevor er die schweren Geschütze auffuhr. »Ganz recht, Edward: es wird für uns alle ein Lernprozeß sein, wie auch für die Wissenschaft an sich, und abgesehen davon, daß wir Mr. McCormick helfen, werden wir eine großartige Gelegenheit haben, etwas Gutes und Wertvolles für die gesamte Menschheit zu tun, und... was noch viel wichtiger ist« – hier breitete er die Hände mit der schwungvollen Gebärde eines alternden Charakterdarstellers aus – »für jeden armen, bedauernswerten Menschen, der ebenso leidet wie Ihr Gatte, Katherine.« Mit festem Blick sah er sie an. Er sprach jetzt langsamer, schraubte sein Redetempo herunter, bis jedes Wort ein eigener Absatz hätte sein können. »Und für jede Frau, die mit ihrem Gatten leidet.«
Die Worte des Arztes hingen einen Augenblick lang im Raum, während der Regen gegen die Scheiben prasselte und die Wachsmodelle – Corpus callosum, Medulla oblongata, Epiphyse – leuchteten, als wären sie zum Leben erwacht. Ganz leise, so leise, daß O’Kane gar nicht sicher sein konnte, ob er ihn wirklich wahrgenommen hatte, ertönte der verstörte Schrei des Schürzenmannes über das regennasse Gelände. Und dann, urplötzlich und ohne Vorwarnung, begann Mrs. McCormick, Katherine, die Eisprinzessin, zu weinen. Zuerst holte sie hörbar Luft, so als hätte jemand sie mit einer Nadel gepikt, dann schmolz das Eis, und im nächsten Moment heulte sie sich die Seele aus dem Leib.
Sie versuchte das Gesicht unter der Hutkrempe zu verbergen und beugte sich vor, um in ihrer Handtasche nach einem Schnupftuch zu suchen, doch O’Kane sah dieses Gesicht nackt und wie verwandelt, zerdrückt wie eine Blume, und er sah in den großen, verschlossenen Augen den Schmerz erblühen. Für ihn war es eine Offenbarung: sie war trotz allem ein Mensch, ja mehr als das, sie war eine Frau, durch und durch, und nie war sie mehr Frau gewesen als in diesem Moment. Ihre Schultern bebten, ihr Atem ging keuchend, und als ihre Mutter den Arm ausstreckte, um sie zu trösten, spürte O’Kane, wie etwas in seinem Inneren nachgab. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte das Kommando übernommen, sie angefaßt und bei der Hand ergriffen, aber er saß nur schwitzend auf seinem Stuhl, während das Feuer knackte, ihr das Weinen in der Kehle steckenblieb und der Arzt die Hände rang, und murmelte leise: »Schon gut, schon gut«, wieder und immer wieder, wie ein Idiot.
Und dann blickte sie auf, die Flammen spiegelten sich im Schimmer ihrer Augen und beschienen ihr nasses Gesicht, so daß es an das Antlitz einer gepeinigten Märtyrerin unter den Menschenfressern erinnerte. Als sie nach einer langen, qualvollen Weile endlich sprach, klang ihre Stimme sehr leise und dünn, so dünn, daß sie kaum zu hören war. »Sie wollen also bei Ihrem Verbot bleiben?«
Hamilton war überrascht. Er tastete hinter sich nach der Schreibtischkante, ließ sich einen kurzen Moment lang darauf nieder und fuhr dann wie elektrisiert wieder hoch. »Was für ein Verbot? Wovon sprechen Sie?«
Mit winziger, kläglicher Stimme: »Keine Besucher.«
Hamilton richtete sich auf und stieß einen so tiefen, rasselnden und kummervollen Seufzer aus, daß man meinen konnte, es habe ihm gerade die Lungen von innen nach außen gekrempelt. Seine Augäpfel tanzten und tanzten gleich noch einmal. »Tut mir leid.«
»Nicht einmal seine Frau?«
Doch Hamilton schwang bereits den Kopf von rechts nach links wie ein menschliches Metronom, und O’Kane, der in gebannter Stille wie festgenagelt auf seinem Stuhl saß, konnte das Doppelkinn sehen, das der Arzt in weiter Zukunft als Markenzeichen höchster Seriosität vor sich hertragen würde. Der Mann war ein Meister im Verhandeln, und er wußte genau, wann es nachzugeben und wann es hart zu bleiben galt. »Nicht einmal seine Frau«, sagte er.
Lange nachdem Hamilton verschwunden war und Nick und Pat Thompson sich aus Gründen der ehelichen Harmonie entschuldigt hatten, saß O’Kane mit Martin, dem dritten und jüngsten der Thompson-Brüder, vor einem Bier und einem Teller mit kalten Bohnen in Tomatensoße, gekochten Eiern, Salzhering und Cracker. Es war nach neun, und in der Kneipe wetterten die Lichter und der Lärm gegen den kalten Regen und die leblosen Straßen draußen an. O’Kane schlug ein Ei auf und fühlte sich dabei selbst wie weichgekocht von all dem gesegneten Whiskey und dem guten, reinigenden Boston-Bier, das durch seine Adern rann, und er schälte dieses Ei, als wäre es der kostbare, zerbrechliche Schädel eines Säuglings – oder eines Affen. Mart, dessen Augen glänzten und dem die Haare vom Scheitel abstanden wie einem Moorhuhn die Federn, betrachtete ihn dabei so hingerissen, als hätte er etwas Derartiges noch nie gesehen. Er hatte einen breiten Schädel und breite Schultern wie seine Brüder, aber er war noch jung – gerade erst zwanzig –, und vom Brustkorb abwärts war nicht viel an ihm dran. O’Kane schob die Eierschalen auf dem nackten Wirtshaustisch sorgfältig zusammen, ein Stück nach dem anderen, dann biß er das blanke Ei entzwei und spülte es mit einem Schluck Bier hinunter.
»Ich muß jetzt los«, sagte Mart seufzend. »Wenn ich morgen zur Arbeit kommen will.«
O’Kane antwortete: »Ja, ich weiß, was du meinst«, aber das war reine Formsache. Er selbst wollte nicht aufbrechen, noch nicht. Er wollte lieber... sein Ei aufessen, um etwas im Magen zu haben, und dann noch ein Bier trinken. Allerdings keinen Whiskey mehr: davon hatte er genug. Soviel war ihm klar.
Rosaleen würde auf ihn warten. Oder nein: sie wartete seit drei Stunden oder länger auf ihn und lauerte ihm mittlerweile auf wie eine Attentäterin, fuchsteufelswild und zur Weißglut gereizt, ihre Stimme schlug dann immer jene andere, höhere, schrillere Tonlage an, die anklagende, die schmähende, Schuld einflößende Tonlage. Einen Trunkenbold und einen Emporkömmling würde sie ihn nennen, eine Marionette der McCormicks, sie würde seinen Tweedanzug verhöhnen und lautstark über Kalifornien lästern.
»Noch eins?« fragte O’Kane.
Irgendwer am Tresen hinter ihm – er verzichtete darauf, sich umzudrehen – brüllte gerade: »Du verdammter Narr, hätt ich gewußt, daß du das Ding einsalzen würdest, anstatt es zu räuchern oder wenigstens zu dörren, zum Teufel noch mal, dann hätt ich den Kadaver doch lieber einem Waisenhaus gespendet.«
Mart schien seltsam lange für eine Antwort zu brauchen. Seine Augen waren klein und wirkten im Verhältnis zu seinem ungeschlachten Schädel noch kleiner, und als O’Kane hoffnungsfroh in sie hineinblickte, vor sich im Geiste schon das gelbliche Prickeln eines letzten schalen, hinauszögernden Biers, da sah er nichts als zwei mattgraue Pünktchen, schwach sichtbare Himmelskörper im All dieses riesigen dumpfen Gesichts, die sich rasch entfernten. Mart zuckte die Achseln. Kratzte sich am Bein. »Wieso eigentlich nicht?« sagte er schließlich, und seine Aussprache hätte klarer sein können, wesentlich klarer. »Gut«, sagte er. »Klar doch. Eins noch.«
Es war die Neige ihres Freudenfestes: halbvolle Gläser, kalte Bohnen mit Hering, das Gebrüll und der Gestank unmäßig trinkender Fremder, die sich auf allen Seiten um sie drängten, die tote, ausgewaschene Aprilnacht, der Regen, der die Scheiben hinuntergeiferte – vor allem aber war da der immer noch in der Luft hängende bierselige Glanz ihrer goldenen Kalifornien-Bruderschaft. In zwei Wochen würden sie in einem eigenen Eisenbahnwaggon aufbrechen – einem Waggon namens Mayflower, speziell angefertigt von der Pullman Company, mit verriegelbaren Türen und gesicherten Fenstern, und war O’Kane etwa der einzige, dem die reine, strahlende Schönheit dieses klingenden Namens auffiel? Ein Omen war es, nichts anderes. Sie waren die Pilgerväter, sie würden Plymouth Rock und North Boston und Waverley verlassen für das Paradies im Westen, für Hibiskus und Jasmin, für die Mandarinen und Orangen und Datteln, die dort von den Palmen regneten, einfach nur zur Belohnung dafür, daß man auf der Welt war.
Nie wieder würden sie einen Eimer Kohlen kaufen müssen, solange sie lebten. Und Mäntel – ihre Mäntel konnten sie wegwerfen, und die mottenzerfressenen Schals und Handschuhe gleich hinterher. Und falls das alles noch nicht reichte: ihre mageren McLean-Gehälter würden in dem Moment verdoppelt, da sie mit Mr. McCormick in den Zug stiegen. Das bedeutete vierzig Dollar pro Woche für O’Kane, und er hoffte nur, daß all die Grapefruit-Farmer, Cowboys, Erdölbarone, Hidalgos und Señoritas von Santa Barbara ihm etwas übrigließen, für das er sie ausgeben konnte. Wenn er der Phantasie kurz freien Lauf ließ, dann spürte er diese vierzig Dollar schon in seiner Tasche, zwei Zehner und ein Zwanziger, oder auch vier Zehner oder acht Fünfer. Vierzig Scheine aus festem grünem Papier oder ein klimpernder Sack voll Silbermünzen. Er fühlte sich, als hätte er in der Lotterie gewonnen.
Doch dann dachte er wieder an Rosaleen – hatte sie so lebendig vor Augen, als stünde sie direkt vor ihm und durchbohrte ihn mit Blicken, die Kiefer vor Wut und Entrüstung aufeinandergepreßt, mit neunzehn bereits eine fette Matrone, und immer wollte sie mehr, mehr, mehr von ihm, als wäre er ein Dukatenscheißer – oder einer der McCormicks. Sie gehörte zu der Sorte, die einem Ärger machte, wenn man nach der Arbeit noch ein bißchen herumzog, selbst wenn’s nur für ein, zwei Gläschen war, sogar am Samstag, weil sie sich wie ein kleines Kind aufführte, wie ein Baby, das immer Angst hatte, etwas zu verpassen – aber ließ man sie selber ein bißchen kosten, trank sie gleich wie ein Brauereipferd. Aber sicher. Und um nichts in der Welt werde sie Mama und Papa und ihre frommen Brüder im Stich lassen und mit seinesgleichen um den halben Globus juckeln, und er müsse ja wohl nicht minder verrückt sein als seine Irren und Schwachsinnigen, wenn er glaubte, daß sie auch nur einen einzigen Schritt von hier weg tun würde, schließlich sei es, bei Christus und allen Heiligen, in Waverley doch schon schlimm genug. Das hatte sie ihm gesagt, immer und immer wieder. Kalifornien! Alle vier Silben hatte sie ihm ins Gesicht gespien wie die Kerne einer sauren, ungenießbaren Frucht. Eher fahr ich einmal in die Hölle und zurück.
Etwas drehte sich in seinem Magen um, der heilige Whiskey brannte dort unten in einem Meer von Bier und versengte den harten weißen Klumpen aus Eiweiß, als wäre er Papier und finge gerade Feuer, und er fragte sich kurz, ob ihm wohl übel werden würde. Aber er kämpfte es nieder, wirbelte auf seinem Stuhl herum und rief »Bedienung!« in Richtung der Theke, ohne irgendwen speziell anzusprechen. Er sah dort nur eine verschwommene Masse, nichts weiter. »Bedienung! Noch zwei für uns hier!«
Dr. Hamilton hatte die ersten zwei Runden gezahlt, wie ein Kumpel, wie ein Wesen aus Fleisch und Blut und ein Freund der arbeitenden Bevölkerung, da mußte es wohl halb sechs oder sechs gewesen sein, vor den Fenstern war es noch hell, obwohl man bei dem trüben Regenwetter kaum Tag und Nacht auseinanderhalten konnte. O’Kane hätte den Doktor nie als geselligen, nicht mal als fröhlichen Menschen beschrieben – dafür hatte er zu viele Sorgenfalten, war zu sehr Pedant und Wissenschaftler –, doch heute abend war der Mann beinahe beschwingt, für seine Verhältnisse jedenfalls, riß ein paar abgedroschene Witze und brachte einen Toast auf »die heilende Sonne und den lauen Zephyr Kaliforniens« aus. Bis in die Bartwurzeln strahlte er vor Stolz und Befriedigung – er würde seine Affen kriegen, und noch dazu in Kalifornien, und von nun an würde man ihn als den persönlichen Psychiater von Stanley Robert McCormick kennen, von den McCormicks aus Chicago. Selbstverständlich würde er von einem der bedeutendsten Männer seines Faches betreut werden, von Dr. Adolph Meyer, aber Dr. Meyer würde fünfeinhalbtausend Kilometer weit weg in seinem eigenen Jagdgebiet am Pathologischen Institut von New York sein – und das war ein sehr weiter Weg.
Sie waren alle aufgestanden, um dem Doktor die Hand zu schütteln, als er ging (nach etwa einer Stunde, in der er an einem einzigen schalen Bier genuckelt hatte wie eine unverheiratete Tante, die ihren dritten Preis bei einer Blumenschau feierte), und alle hatten sich rundherum gut gefühlt. Und dann hatte Nick eine Runde Whiskey gezahlt, und O’Kane war darangegangen, die vormittägliche Besprechung für alle am Tisch zu schildern. Die Thompsons hungerten nach Einzelheiten – immerhin betraf all das auch ihr Leben und ihr Schicksal und das ihrer Familien –, deshalb beugten sie sich weit vor und füllten den Platz über dem kleinen Tisch völlig aus mit ihren massigen Köpfen, den wuchtigen Armen und den kruden Bergen ihrer Schultern. Zu dem Treffen hatte man nicht sie eingeladen, sondern nur O’Kane, denn O’Kane war Oberpfleger und Dr. Hamiltons rechte Hand, nicht sie, obgleich Nick und Pat älter als er und zudem länger am McLean Hospital waren. Keiner von beiden schien es ihm übelzunehmen – wenigstens zeigten sie es nicht –, dennoch fühlte sich O’Kane genötigt, ihnen einen möglichst lückenlosen Bericht zu geben, mit etlichen dramatischen Zwischentönen und Ausschmückungen natürlich. Er war Ire und liebte es, ein Publikum zu haben.
Er erzählte ihnen, wie er geschwitzt hatte, um rechtzeitig dort anzukommen, wie nervös und unsicher er gewesen war, wie er über den nassen Rasen gesprintet war, in seinem Rücken das Geheul des Griechen und des Schürzenmanns, vorbei an Miss Ianuccis Schreibtisch, ohne eine Pause einzulegen – hier ließ er ihnen einen Augenblick lang Zeit für das Bild von Miss Ianucci mit ihren lasziven Beinen und ihrer ungebändigten, ausladenden Vorderfront in der knappen Bluse –, und dann beschrieb er Mrs. McCormick, was sie angehabt hatte, und wie er von der alten Lady, Mrs. Dexter, ausgefragt worden war. All das war nett, er genoß es. Doch als er zu Mrs. McCormicks – Katherines – Zusammenbruch kam, da konnte er ihn einfach nicht richtig schildern, nicht einmal ansatzweise. »Sie war wie ein Kind«, sagte er und versuchte die Szene mit den Händen nachzubilden, »wie ein kleines, verirrtes Kind. Mitten in Hamiltons Sprechzimmer fing sie an zu weinen, und weder ihre Mutter noch irgend jemand sonst konnte etwas tun. Es war so... ich hätte beinahe selbst geweint.«
»Na sicher«, sagte Nick. Er sprach knurrend wie ein Kettenhund, und der Rauch seiner Zigarette ließ ihn die Augen zusammenkneifen, bis sie nur noch kleine Schlitze in der kahlen Wand seines Gesichts waren. »Und das soll wohl beweisen, daß sie ein Mensch ist, genau wie wir Bauern?«
Pat kicherte. Marts Blick irrte über den Tisch. In der Nähe der Theke krachte es, darauf folgte ein Fluch und dann ein kurzer Applaus. Nick saß reglos da, riesenhaft und mit zusammengekniffenen Augen, und beobachtete O’Kane.
Auf einmal spürte O’Kane die Wut in sich aufwallen – was wußten die denn schon, sie waren ja nicht dabeigewesen, keiner von ihnen –, und ehe er weiter nachdenken konnte, verteidigte er sie, die Eisprinzessin höchstpersönlich. »Du kannst noch so kaltschnäuzig sein, Nick, und ich sag dir, ich war genauso, wirklich – bis heute früh. Aber weißt du, weswegen sie losgeheult hat? Wegen Dr. Hamilton. ›Keine Besucher‹, sagte der, ›nicht einmal seine Frau‹, und das hat ihr wirklich zugesetzt. Die Frau liebt ihren Mann, ganz egal, wie verrückt er ist, und sie möchte bei ihm sein – so einfach ist das. Und mich kümmert’s nicht, was du dazu meinst.«
Darauf waren sie alle still, zogen an ihren Zigaretten und schoben gemessen ihre Gläser auf dem Tisch herum, und alle drei betrachteten ihn aus identischen Augen. Dann sagte Pat nachdenklich: »Angeblich geht’s ihr doch nur ums Geld. Ihr Alter ist im Irrenhaus, und sie kann die ganzen McCormick-Millionen praktisch einsacken.«
»Ist sogar nach dem Gesetz berechtigt dazu.« Nick massierte seinen Zigarettenstummel im Aschenbecher. Sein Kopf schwebte nach oben wie ein Luftballon, hüpfte an der straffen Schnur seines Halses über dem Tisch. »Solange die McCormicks sie nicht auszahlen oder die Ehe annullieren lassen. Sie ist seine Frau, und damit hat sich’s. Aber mal ganz abgesehen davon – ich würde sagen, Eddie hat sich in sie verguckt, stimmt’s, Eddie?« Er lehnte sich zurück, die Arme vor der Brust verschränkt, und griente seine Brüder an. »Wer wird wohl Rosaleen die schlechte Nachricht überbringen – du vielleicht, Pattie? Oder du, Mart?«
Alle drei lachten los, klatschten auf den Tisch und bohrten sich die Finger in die Ohren, während O’Kane ein dümmliches Grinsen aufsetzte und den Kopf senkte – alles Teil des Rituals. Innerlich aber kochte er: sie hatten ja keine Ahnung, waren nicht dabeigewesen, hatten sie nicht gesehen.
»Aber wie ich schon sagte«, fuhr Nick fort, und vom Rauch und vom Alkohol war seine Stimme jetzt so rauh, daß sie nur noch wie ein Krächzen klang, »abgesehen davon hat Dr. Hamilton ganz recht, vollkommen und ohne jede Frage – man darf Mr. McCormick keine Besucher gestatten, und schon gar nicht seine Frau. Und ebensowenig seine Mutter oder seine Schwester – oder überhaupt irgendeine Frau. Jedenfalls nicht nach dem, was er dieser kleinen Krankenschwester aus Rhode Island angetan hat, wie hieß sie noch – Florabelle? Christabel? So ähnlich.«
»Arabella«, sagte O’Kane. »Arabella Doane.«
Nick schüttelte den Kopf, und jetzt lachte niemand mehr. Alle starrten in die langen Tunnel ihrer Biergläser, streckten die Beine unter dem Tisch aus und schauten sich geistesabwesend um, als sähen sie die Bar zum erstenmal. Mart unterdrückte einen Rülpser und fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Das war ein Verbrechen«, sagte Nick schließlich, »ein echtes Verbrechen. Und ganz ehrlich, ich frage mich, weshalb ich eigentlich für so einen Mann bis nach Kalifornien fahren soll.«
Dazu konnte O’Kane nichts sagen. Er dachte an Arabella Doane. Sie war ein Schatten in einem dunklen Winkel seiner Gedanken, eine Katze, die man kurz hochhob, um sie zu streicheln, und wieder absetzte, wenn sie zu schnurren aufhörte. Er erinnerte sich an ihr Haar – erstaunliches Haar, genau von der Farbe reifer Pfirsiche – und an das Medaillon mit der Miniatur von Florence Nightingale darin, der Lady mit der Lampe, das sie immer trug. O’Kane wußte von diesem Medaillon, das zwischen ihren Brüsten hing, weil er damit gespielt hatte, und er kannte den süß-sauren Geschmack ihres Mundes, wie ein frisch aufgebrochener Apfel, und ihren merkwürdigen wilden Duft, wenn sie erregt war. Das war noch bevor Mr. Stanley McCormick sie erwischt hatte – und wie ihm das gelungen war, konnte sich niemand erklären. Aber er hatte sie erwischt, und wenn sie sich nicht lange genug hätte losreißen können, um nach Hilfe zu schreien, dann wäre es ihr übel ergangen, wirklich übel, so daß man am Ende die Polizei und vielleicht sogar den Leichenbeschauer hätte holen müssen... Jetzt war sie wieder zu Hause, in Rhode Island bei ihrer Mutter, aber wie sie damals ausgesehen hatte, wie ihr Blick ins Leere gegangen und alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war, so daß sich jede Wimper und jedes Haar auf ihrem Kopf wie Pinselstriche in Öl abgezeichnet hatten, daran erinnerte er sich jetzt mit unendlicher Traurigkeit.
Vorne an der Theke stimmten zwei Betrunkene in Arbeitskleidung gerade eine klagende, etwas holpernde Version von »In the Sweet By and By« an, die Köpfe tief auf den polierten Mahagonitresen gesenkt, und mit einem Mal wurde O’Kane so deprimiert, daß er sich fühlte, als wäre ein Berg über ihm zusammengebrochen. Er machte einen Fehler, da war er sich sicher, das Ganze war verkehrt, absolut falsch und nicht wiedergutzumachen, und Kalifornien war kein Traum, sondern ein Alptraum, eine gefährliche Falle. Mit einemMann wie dem. Arabella Doane, Katherine Dexter McCormick. In the sweet by and by, sangen die beiden, und jetzt fiel ein Chor von rauhen, whiskeygeschwängerten Stimmen in ihr Lied ein, die der Verheißung des Refrains hohnsprachen: We shall meet on that beautiful shore.
Dann aber stieß Pat seinen Bruder an und sagte: »Der Bursche ist gestört, Nick – das kannst du ihm doch nicht zum Vorwurf machen. Er braucht Hilfe, sonst nix, genau wie jeder andere Patient.«
»Stimmt«, hörte sich O’Kane sagen, und damit war der Augenblick vorbei. Arabella Doanes Schicksal war bedauerlich – eine maßlose Scheußlichkeit –, jetzt aber hatten sie eine Mission, und diese Mission hieß Mr. Stanley McCormick. Er sollte wieder gesund werden – dafür würden sie sorgen –, und wenn er wieder gesund war, würde er sie belohnen, und dann würden sie ihre Orangenhaine und Bungalows und so weiter bekommen. Das war’s, darum ging es.
Plötzlich, vielleicht lag es am Whiskey – gewiß war es so, natürlich –, fühlte er sich von einer eigenartigen pulsierenden Begeisterung gepackt, die wie eine Rakete in ihm losging, und er konnte kaum an sich halten. Am liebsten wäre er aufgesprungen, um zu tanzen, eine Parade anzuführen, in einem Faß den Niagarafall hinunterzurollen. »Komm schon«, sagte er, »Kopf hoch, Nick. Schließlich sind wir hier, um zu feiern, oder?« Und im nächsten Moment, vom raschen Aufstehen pochte das Blut in seinen Ohren, war er auf den Beinen und grölte: »Wer trinkt mit mir?« Und schon standen die Thompsons von ihren Stühlen auf wie zum Leben erwachte Denkmäler, und sie stießen mit ihren Bierkrügen an, daß es nur so schepperte. »Auf Kalifornien!« brüllte er, und seine Stimme schwang sich eine Oktave empor, um die Grabesmelodie der zwei Besoffenen an der Theke zu übertönen. »Auf Kalifornien!«
Jetzt aber waren nur noch O’Kane, Mart und der Hering übrig. Die Sänger hatten sich längst verabschiedet, ebenso wie Nick und Pat und Dr. Hamilton. Die Cracker waren altbacken, das Ei schmeckte wie Zellstoff. Und hier kam das letzte Bier, serviert auf einem feuchten Korkuntersetzer, genau wie das erste. Er hob es an die Lippen, aber es roch irgendwie komisch – es roch nach Essig, nach Schimmel, wie die warme gelbe Flüssigkeit in dem Glas des Schimpansen damals –, und er stellte es unangetastet zurück, stand ruckartig vom Tisch auf, verabschiedete sich von Marts gespenstisch verschwimmenden Augen und bahnte sich einen Weg zur Tür, wo ihm irgendwer praktischerweise Hut und Mantel entgegenschob. Und dann war er draußen, fünf Querstraßen von zu Hause, und der Wind trieb ihm den Regen in den Kragen.