Intelligent atheistisch oder dumm gläubig? - Anton Weiß - E-Book

Intelligent atheistisch oder dumm gläubig? E-Book

Anton Weiß

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Beschreibung

Das Buch ist eine Auseinandersetzung mit atheistischem Denken sowohl von philosophischer als auch naturwissenschaftlicher Seite her, dem der Autor die Sicht eines gläubigen Menschen als gleichwertig gegenüberstellt. Er zeigt auf, dass logisch-rationales Denken begrenzt ist und keine Aussagen über ein Jenseits des Verstandes machen kann. Auch jede wissenschaftliche Aussage bewegt sich immer innerhalb dessen, was der Verstand erfassen kann. Damit erhebt sich der Verstand zum Maßstab für die Wirklichkeit, was er aber in seiner Bedingtheit nicht sein kann.

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Anton Weiß

Intelligent atheistisch oder dumm gläubig?

Eine Auseinandersetzung mit Schmidt-Salomon und Richard Dawkins

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Erste Vorbemerkung

Zweite Vorbemerkung

Dritte Vorbemerkung

Einige Begriffs-Definitionen

1 Möglichkeit und Begrenztheit unseres Welterfassens

Logik und Empirie

Kausales und akausales Geschehen

Was können wir wissen?

2 Gott – ein Bild des Menschen?

Das Theodizee-Problem

3 Evolution oder Schöpfung?

Evolution als Tatsache?

Die „Zufälligkeit“ der Mutation

Gibt es wirklich natürliche Selektion?

Blinder Zufall oder Zielgerichtetheit?

Intelligentes Wirken in der Natur?

4 Die Bedeutung des Ichs

Der Mensch – nur ein funktionierender Apparat?

Geist und Gehirn

5 Überlegungen zur Ethik

Einzelne ethische Probleme

Schlussgedanke

Nachwort

Literatur

Impressum neobooks

Erste Vorbemerkung

Bevor Sie dieses Buch lesen, sollten Sie Ihre Einstellung überprüfen. Sollten Sie die Einstellung haben, dass alles, was von einem Vertreter der religiösen Haltung vorgebracht werden kann, nur Unsinn sein kann, dann sollten Sie nicht zu diesem Buch greifen. Nur wenn Sie sich einigermaßen sicher sind, dass Sie offen sind für einen Standpunkt, der u. U. Ihrem entgegengesetzt ist, dann könnte das Lesen dieses Buches für Sie vielleicht, so hoffe ich, ein Gewinn sein.

Zweite Vorbemerkung

Der Anlass für diese Abhandlung war das Buch von Michael Schmidt-Salomon und seiner Tochter Lea „Leibniz war kein Butterkeks.“ Die große Zustimmung, die dieses Buch erfahren hat, hat mich nachdenklich gemacht und zum Widerspruch herausgefordert.

Das dort vorgestellte und bekämpfte Gottesbild war für meinen Geschmack so primitiv, dass ich eine Rezension bei Amazon.de zu diesem Buch schrieb. Ich zitiere sie hier:

Mit Verlaub: Das Gottesbild, das Schmidt-Salomon aufs Korn nimmt, ist hanebüchen und so primitiv, dass es ja der westliche Mensch längst über Bord geworfen hat. Es ist seinem Niveau nicht würdig, solche Pappkameraden von Gott und Religion hinzustellen und dann abzuschießen.

Warum setzt er sich nicht mit einer religiösen Haltung auseinander, wie sie z. B. in der spirituellen Advaita-Literatur sichtbar wird? Fehlen ihm da die Argumente oder kennt er sie nicht? Ich denke dabei nicht nur an Nisargadatta Maharaj, R. S. Balsekar, Karl Renz, R. Linchitz, Jed McKenna, Toni Parsons, Nathan Gill u.v.a., sondern an all die ernstzunehmenden Sucher, die zu Settings von diesen Leuten gehen. Sie alle sind davon überzeugt, dass es einen „Urgrund des Seins“ oder wie auch immer man das nennen will, was man als Quelle allen Daseins bezeichnen könnte, gibt. Es sind alles Menschen, die auf dem Erkenntnisstand des heute üblichen wissenschaftlichen Wissens stehen und dennoch in ihrem Leben nach etwas streben, was als „Befreiung vom Ich“ bezeichnet werden könnte, was letztlich der Kern jeder Religion ist. Es ist eine Hoffnung, ein intuitives Wissen, dass es ein Leben aus dem Jenseits des Ichs, das sich mit dem Verstand identifiziert, geben muss.

Dann würde sich zeigen, dass „Logik und Empirie“, die beiden Grundpfeiler des Schmidt-Salomon’schen Denkens, überhaupt nicht geeignet sind, über diese Dimension des menschlichen Lebens Aussagen zu machen. Dass es diese Dimension gibt, wird allein schon darin sichtbar, dass der Mensch im Tiefschlaf existiert, jenseits von Logik und Empirie. Wer auf Logik und Empirie setzt, wird immer nur das finden, was seiner Logik und Empirie zugänglich ist. Wer mit einem Netz von 5 cm Maschenweite Fische fängt, wird immer nur Fische fangen, die größer sind als 5 cm. Alles andere entgeht ihm! Das ist die Situation des Verstandes, gepaart mit der Anmaßung, mit seiner Hilfe die gesamte Wirklichkeit erfassen zu wollen.

Interessant ist, dass Schmidt-Salomon aus seiner atheistischen Ecke heraus zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt, wie Menschen, die sich um eine Transzendierung des Ichs bemühen. Insofern ist vieles, was er sagt, bedenkenswert.

Übrigens kann ich für meine religiöse Überzeugung überhaupt nichts, denn sie ist genau so durch „genetische Veranlagung und Lernerfahrung“ bedingt, wie die atheistische Haltung des Herrn Schmidt-Salomon. Da geht die Natur offensichtlich entgegengesetzte Wege!

In diesem Zusammenhang eines Gedankenaustausches auf Amazon.de wurde ich auch auf Richard Dawkins’ „Der Gotteswahn“ aufmerksam. Das hätte ich eigentlich lesen müssen, bevor ich das hier schreibe. Aber die Rezensionen auf Amazon zeigten mir, dass es eine Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Kreationismus ist, die mich so wenig interessiert, dass mir die Zeit dafür zu schade ist. Auf „Gotteswahn“ hin erschien von McGrath „Der Atheismus-Wahn“. Auch das hätte ich lesen müssen. Aber auch hier zeigten die Rezensionen, denen ich vertraute, dass es nur Polemiken sind und keine Argumentation. Und da hat ein Rezensent geschrieben, es wäre ihm so wichtig gewesen, eine gute Argumentation von gläubiger Seite zu finden, die einem intelligenten Atheismus etwas entgegenstellen kann. Das hat mich herausgefordert, das wollte ich versuchen: eine intelligente Erwiderung auf atheistisches Denken. Und so etwas zu verfassen brannte mir so unter den Nägeln, dass ich jetzt das Lesen dieser Bücher aufgeschoben habe. Der Leser möge dies verzeihen. Ich habe ja nicht auf solche Bücher gewartet, um mich damit auseinanderzusetzen, sondern diese Auseinandersetzung ist schon immer der Inhalt meines Lebens gewesen. Was ich hier vortrage, ist seit ich denken kann Bestandteil meiner Weltsicht gewesen.

Der Leser mag selber entscheiden, ob mir mein Unterfangen geglückt ist.

Dritte Vorbemerkung

Genau diese Alternative, die im Titel angesprochen ist – intelligent atheistisch oder dumm gläubig – drängte sich mir auf, als ich das Buch „Leibniz war kein Butterkeks“ von M. und L. Schmidt-Salomon gelesen habe. Das dort vorgestellte naive und primitive Gottesbild eines personalisierten Gottes wollte ich so nicht stehen lassen. Das wird dem Suchen des Menschen nach einem das Leben tragenden Fundament nicht gerecht. Es ist nicht dumm, die Frage nach Gott zu stellen und positiv zu beantworten, wie von Schmidt-Salomon dargestellt wird.

Hinter seiner Auffassung steht die Überzeugung, dass der Mensch mit Hilfe seines Verstandes die Wirklichkeit vollgültig erfassen kann. Und das halte ich für einen Irrtum.

Wenn der Verstand glaubt, fähig zu sein, die Wirklichkeit vollgültig zu erfassen, dann müsste er das zeigen können. Das kann er aber nur mit Hilfe des Verstandes. Damit urteilt der Verstand über den Verstand. Er wird immer Partei für sich ergreifen, was er ja auch tut. Es wäre aber ein Standpunkt nötig, der das von einer übergeordneten Warte aus beurteilen könnte. Diese aber hat ein im Verstand stehender Denker nicht. Er setzt kritiklos die Gültigkeit seines Verstandes voraus.

Was ich darlege, erhebt keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Ich bin kein Forscher, kein Wissenschaftler, kein Philosoph und kein Psychologe. Meine Kenntnisse entsprechen dem eines durchschnittlich gebildeten Menschen. Was ich an wissenschaftlichen oder philosophischen Kenntnissen einbringe, ist insofern laienhaft. Ich will ja nur einige mir wesentlich erscheinende Punkte herausarbeiten. Seit meiner Kindheit habe ich einfach alles in meinem Leben auf seine Tragfähigkeit überprüft, das heißt ich habe getreu dem Wahlspruch der Aufklärung von meinem Verstand Gebrauch gemacht. Und zwar jedem gegenüber, sowohl den wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch dem, was von Seiten der institutionalisierten Religion an mich herangetragen worden ist.

Dennoch glaube ich, dass meine Darlegungen stichhaltig sind; ob sie überzeugend sind, möge der Leser selbst beurteilen.

Ich will ja nicht beweisen, dass es Gott gibt, was man sicher nicht kann; aber ich möchte zeigen, dass man nicht von Vorgestern sein muss, wenn man an Gott glaubt, d. h. dass man angesichts allen wissenschaftlichen Forschens und philosophischen Denkens sehr wohl an Gott glauben kann, mit dem gleichen Recht, wie jemand sich zu einer atheistischen Einstellung bekennt.

Offensichtlich erhoffen sich viele Menschen von Autoritäten Hinweise darauf, was sie in ihrem Leben als gültig ansehen sollen. Früher waren diese Autoritäten die Kirche, jetzt ist es für viele die Wissenschaft. Religion und Wissenschaft haben die gleiche Wurzel, wie auch die Philosophie: Die Deutung der Welt und des Lebens. Für mich war, soweit ich zurückdenken kann, klar, dass nur ich selber herausfinden kann, was für mich Gültigkeit haben soll. Und da ich mich als religiöser Mensch vorgefunden habe, bin ich den religiösen Weg gegangen, ganz nach dem Ausspruch Jesu: „Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch hinzugegeben werden." Ich habe schnell herausgefunden, was in der Kirche läuft - all das, was die meisten Atheisten am Christentum mit Recht abstoßend finden. Für mich war aber immer klar, dass das meinen Glauben an Gott in keiner Weise tangiert.

Ich habe alles kritisch hinterfragt: Religion, Wissenschaft und mich selbst. Schmidt-Salomons Ausgangspunkt beruht auf der Verlässlichkeit des Verstandes und des logischen Denkens. Wie ich mit dem Fischernetz verdeutlichen wollte, misstraute ich auch der Reichweite des Verstandes. Und wenn man den eigenen Verstand hinterfragt und den hinterfragt, der hinterfragt, dann gerät man - jedenfalls bin ich es - an die absolute Grenze, wo sich der Verstand auflöst, wo man vom Verrücktwerden bedroht ist. Und da begreift man, dass es noch eine andere Seinsweise gibt als die verstandesmäßige. Ich habe darüber geschrieben.

Ich habe damit für mich die Wahrheit gefunden und bin überzeugt, dass jeder für sich die Wahrheit finden muss, und zwar in diesem Leben. Ich finde es genau so kostbar wie Schmidt-Salomon, und genau deshalb kann man nicht darauf warten, bis die Wissenschaft Antwort geben wird auf die Dinge, die für dieses eine konkrete Leben wichtig sind. Aber eine gültige Antwort kann jeder nur für sich selbst finden, und dazu gehört eine ganze Menge Mut, denn das ist oft nicht so, wie es die Allgemeinheit sieht. Homosexualität mag dafür nur ein Beispiel sein. Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen - und, so möchte ich ergänzen, du wirst sehen, dass er dich über sich selbst hinausführt.

Einige Begriffs-Definitionen

Die Bezeichnung „evolutionistisch“ verwende ich als Bezeichnung für ein materialistisch-naturwissenschaftlich geprägtes atheistisches Denken. Nicht alle, die die Evolution vertreten, denken evolutionistisch, was sich darin zeigt, dass es viele Vertreter der Religionen gibt, die die Schöpfung völlig im Einklang mit den naturwissenschaftlich fundierten Erkenntnissen sehen. Aber eben fundierten Erkenntnissen.

Evolution und Evolutionstheorie als Erklärung der Evolution gehören für mich zusammen. Ich halte die Trennung von Dawkins für künstlich, wonach Evolution lediglich die Verwandtschaft aller Lebewesen bezeichnet im Gegenstoß zu kreationistischem Denken. Mit Recht kann man einem, der die Verwandtschaft allen Lebens leugnet, mit Befremden gegenüberstehen, aber Dawkins will nicht nur kreationistisches Denken ad absurdum führen, sondern jede gläubige Sicht des Lebens, die die Evolutionstheorie nicht als „Tatsache“ anerkennt. Und dazu zähle ich mich auch!

Unter Szientismus verstehe ich ein wissenschaftliches Denken, das davon überzeugt ist, dass dem Menschen prinzipiell alles rational zugänglich ist, dass der menschliche Verstand die Wirklichkeit vollständig erfassen kann.

Szientismus scheint mir der Begriff für eine Sicht zu sein, die glaubt, alle Fragen, die sich aus Welt und Leben ergeben, naturwissenschaftlich erklären zu können - wenn noch nicht alle jetzt, dann jedenfalls in Zukunft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle Erscheinungen restlos geklärt sind – und dazu braucht man keinen Gott.

Das halte ich für einen Glauben, der nicht mehr Glaubwürdigkeit für sich in Anspruch nehmen kann als ein religiöser Glaube!

Es gibt genau die gegenteilige Erfahrung, dass nämlich jede Antwort auf eine Frage ein Vielfaches an neuen Fragen aufwirft. Das bestärkt meinen Glauben an das unergründliche Geheimnis des Lebens!

Um einer Begriffsverwirrung zu entgehen, möchte ich als kausales Geschehen ein solches Geschehen bezeichnen, wo aus der Ursache zwangsläufig die Folge entsteht. Ein Beispiel: Wenn ich aus einem Meter Höhe einen Stein aus der Hand fallen lasse, dann ist das Fallen des Steines eine zwangsläufige Folge des Öffnens meiner Hand. Wenn ich einem Menschen begegne und daraus eine Freundschaft entsteht, dann ist die Begegnung nicht die Ursache der Freundschaft, sondern nur eine Voraussetzung oder Bedingung. Wäre es Ursache, so wäre die Freundschaft eine zwangsläufige Folge, und das ist es nicht.

Ich bemühe mich den Begriff Ursache so zu verwenden, auch wenn man „Ursache“ als das verstehen kann, was ich als Bedingungen oder Voraussetzungen bezeichne.

Als akausal bezeichne ich ein Geschehen, das plötzlich in Erscheinung tritt, ohne dass ich Ursachen erkennen könnte, wobei ich vernünftigerweise annehmen darf, dass es Voraussetzungen gibt, die ich aber nicht kenne. Ein echt akausales Geschehen ist die spontane Mutation. Auch eine Heilung in Lourdes, die es unbestritten gibt, ist ein akausales Geschehen.

Akausal heißt, dass die Bedingungen nicht zwangsläufig zu den Folgen führen.

1 Möglichkeit und Begrenztheit unseres Welterfassens

Warum reden Menschen miteinander? Um dem anderen seine eigene Meinung aufzuzwingen oder um zu erfahren, wie der andere die Welt sieht und erlebt? In der Auseinandersetzung zwischen Naturwissenschaft und Religion scheint oft die erste Form zu überwiegen. Ich halte nur die zweite Weise für legitim.

Wenn ich die Kommentare zu den Büchern von Dawkins und Schmidt-Salomon auf Amazon.de lese, dann scheint sich eine große Kluft aufzutun zwischen Anhängern und Gegnern einer naturwissenschaftlichen Sicht bzw. einer religiösen Sicht der Dinge. Da zeigt sich eine große Unversöhnlichkeit, und naturwissenschaftlich geht häufig Hand in Hand mit atheistisch, was nicht zwangsläufig so sein müsste.

Mir scheint, dass man wirklich bei der Definition der Begriffe beginnen muss: Was heißt „an Gott glauben“, was heißt „atheistisch denken“?

Und da sehe ich schon eine erste Schwierigkeit: Ich glaube nicht, dass ich das, was alles von Menschen unter „an Gott glauben“ verstanden wird, auf einen Nenner bringen kann. Ich sehe aber sehr wohl die Möglichkeit, zu erklären, warum es zu einer atheistischen Einstellung kommt.

Ich denke, dass ein großer Teil der atheistischen Haltung sich daraus erklärt, wie Religion durch die gesamte Geschichte hindurch gelehrt und gelebt worden ist, bis auf den heutigen Tag. Wenn man sich all das betrachtet, was im Namen der Religion bis in die Jetztzeit - z. B. durch fanatische Muslime - an Verbrechen und Gräuel durch gläubige Menschen und religiöse Institutionen begangen worden sind, dann kann man sich nur mit Abscheu von der Religion abwenden. Was in den christlichen Kirchen im Mittelalter durch Inquisition und Hexenverfolgung, durch Machtanspruch und Unterdrückung geschah, erleben wir heute in einer Neuauflage im islamischen Fundamentalismus. Hier erleben wir hautnah eine Denkhaltung, die radikal von der Richtigkeit ihrer Lehre überzeugt ist und glaubt, alle Menschen, die anders denken, zu dieser Haltung zwingen zu müssen. Einen der in dieser Hinsicht am wichtigsten Sätze habe ich bei Nisargadatta Maharaj gelesen: „Jemand, der glaubt, die Wahrheit für andere zu haben, ist gefährlich.“ Das halte ich für eine fundamentale Erkenntnis. Immer, wenn jemand zu wissen glaubt, wie der andere leben müsste, wird es für diesen anderen bedrohlich und je nach Machtlage lebensgefährlich.

Nun aber zu einer religiösen Haltung, wie ich sie verstehe:

Wie soll sich ein Metzger, der ehrliche Ware zu ehrlichen Preisen anbietet verhalten, wenn er beschimpft wird, weil er in einen Topf geworfen wird mit all jenen Metzgern, die Gammelfleisch umetikettieren, Schwarten und jeglichen Fleischabfall in die Wurst einarbeiten und überhöhte Preise verlangen? Soll er für seine Kollegen die Schuld auf sich nehmen und alle um Verzeihung bitten, soll er sich von ihnen distanzieren, soll er seinen Beruf aufgeben oder soll er zeigen, dass es auch ehrliche Metzger gibt?

Ich habe mich für letzteren Weg entschieden und versuche zu zeigen, dass ein Glaube an Gott nicht gleichzusetzen ist mit all denen, die einen religiösen Glauben als Vorwand benützen, um andere zu bevormunden oder Schlimmeres und der grundsätzlich nicht im Widerspruch steht zu naturwissenschaftlichem Forschen und Denken. Ich hoffe, dass im Verlauf der Abhandlung deutlich wird, wie ich „an Gott glauben“ verstehe.

Ich kann als gläubiger Mensch allen wissenschaftlichen Erkenntnissen voll zustimmen, denn sie beschreiben ja immer nur das Wie. Warum etwas ist, wie es ist, warum die Naturgesetze so sind, wie sie sind und warum es Welt überhaupt gibt, kann die Wissenschaft nie wissen.

Im Grunde finden wir alle die gleichen Gegebenheiten vor, z. B. dass jede Ei- bzw. Samenzelle „von jedem einzelnen Gen entweder die vom Vater oder die von der Mutter vererbte Version, aber nie eine Mischung aus beiden“ (RD 40) enthält.

Der Streit entsteht nun darüber, wie es zu dieser Erscheinung kommt. Und da scheint mir, dass die Antwort in Bezug auf die Ursache entscheidend davon abhängt, ob einer an Gott glaubt oder nicht. Wer nicht an Gott glaubt, wird nie eine Erklärung sehen, die Gott mit einschließt, und wer an Gott glaubt, wird in allem immer das Walten Gottes erkennen.

Das heißt doch, dass die Erklärungen, die wir für die Erscheinungen in der Welt finden, von vornherein davon abhängig sind, ob wir an Gott glauben oder nicht.

Es ist eben nicht so, dass wir durch genaue Erforschung zu Erklärungen kommen, die uns dann nahe legen, an Gott zu glauben oder nicht, sondern es steht schon von vornherein fest, dass unsere Erklärungen unserer Einstellung entsprechen. Nicht die Erklärung bewirkt die Einstellung, sondern die Einstellung beeinflusst maßgeblich und zwangsläufig die Erklärung. Und damit denke ich, ist man einen deutlichen Schritt weiter, denn nun ist klar, dass ich mir gar keine große Mühe zu machen brauche, an Hand meiner Erklärungen auf die Einstellung des anderen verändernd einwirken zu wollen; und das gilt für beide Seiten.

Wir glauben, unsere Haltung – atheistisch oder religiös – damit rechtfertigen zu können, dass wir die Folgerichtigkeit unserer Argumente aufzeigen, dabei ist es genau umgekehrt: Unsere Haltung zwingt uns die Sicht der Dinge auf. Es scheint mir undenkbar, dass ein überzeugter Atheist zu Schlussfolgerungen kommt, die Gott nahe legen, genau so wie es undenkbar ist, dass ein von Gott überzeugter Gläubiger durch die Darlegung rationaler Argumente von seinem Glauben abgebracht werden könnte.

Jetzt wäre es interessant zu fragen, warum ein Mensch zu dieser oder jener – atheistischen oder religiösen – Haltung gelangt. Warum sich der eine veranlasst sieht, Gott zu leugnen, während der andere selbstverständlich davon ausgeht, dass es Gott gibt. Wann und wo passiert das in der Entwicklung eines Menschen? Dazu will ich hier gar nicht Stellung nehmen, darüber könnte man sicher ein eigenes Buch schreiben.

Wenn Dawkins mit Hinweis auf Computerprogramme und die vielgestaltigen Möglichkeiten, die aus einer Kohlpflanze entstehen können zu zeigen versucht, dass ich Gott nicht brauche, damit diese Entwicklung möglich ist, so könnte ich erwidern, dass es diese verschiedenen Formen gar nicht geben könnte, wenn sie nicht von Gott ermöglicht würden. Denn das, was nicht möglich ist, kann auch nie Wirklichkeit werden. Gott ist es, der alles ermöglicht; ohne ihn ist nichts möglich. Ich kann nicht sehen, wie man dagegen logisch argumentieren könnte. Sie können es als Unsinn abtun, aber das ist kein Argument! Nur was innerhalb der gegebenen Gesetze möglich ist, kann sich entwickeln, und ich kann nicht sehen, wie jemand widerlegen könnte, wenn ich davon überzeugt bin, dass diese Gesetze ihren Ursprung in einem göttlichen Geist haben. Atheistisches Denken zeigt mir, dass offensichtlich keine Notwendigkeit dafür besteht, das Vorhandensein der Materie und der darin enthaltenen Gesetze auf einen göttlichen Ursprung zurückzuführen. Das kann ich inzwischen akzeptieren. Ich wehre mich aber dagegen, für rückständig gehalten zu werden, wenn ich von einem göttlichen Ursprung überzeugt bin. Es gibt nichts, was das Gegenteil beweisen könnte. Wenn Schmidt-Salomon nichts sieht, was zu dieser Schlussfolgerung zwingen würde, akzeptiere ich das mit Respekt, aber ich vermisse den gleichen Respekt von Schmidt-Salomon einem Denken gegenüber, das sich genau zu dieser Schlussfolgerung veranlasst sieht.

Es gilt für alle Wissenschaft und Technik: Nur was prinzipiell möglich ist, kann realisiert werden. Und das, was möglich ist, ist uns vorgegeben. Und ich erlaube mir danach zu fragen, von wem es vorgegeben ist.

Wir können nur Dinge entdecken und entwickeln, die prinzipiell vorhanden sind bzw. die sich aus den vorliegenden Materialien und den ihnen innewohnenden Gesetzen und Bedingungen ableiten lassen. All unser Forschen und Entwickeln wird nie über das hinausgehen, was prinzipiell möglich ist. Warum diese Bedingungen und Gesetze so und nicht anders sind, darüber kann niemand etwas wissen. Es zwingt offensichtlich viele nicht, einen Gott anzunehmen, aber es möge niemandem verübelt werden, der Gottes Wirken hinter dem Ganzen sieht.

Wer aus der Rationalität seines Ichs heraus lebt, kann gar nicht sehen, dass eine andere Existenzweise möglich ist, denn sie ist ja nicht innerhalb seiner Rationalität vorfindbar. Das will ja der Vergleich mit dem Fischernetz zum Ausdruck bringen. Wer die Rationalität als Basis seiner Welterklärung ansieht, wird alles leugnen, was diesen Rahmen sprengen würde, z. B. die ganzen parapsychologischen Phänomene. Er wird für alle Erscheinungen eine Erklärung finden, die innerhalb seines rationalen Horizontes liegt. Das kann so weit gehen, dass Fakten einfach geleugnet werden, wie z. B. Stigmatisation oder außersinnliche Wahrneh-mungen wie Hellsehen u.a..

Darin liegt ja das Problem und der Kernpunkt der Auseinandersetzung, dass der rationale Verstand der gläubigen Haltung mit seinem rationalen Verstand begegnet, in dem eben Glaube gar nicht vorkommen kann. Ich setze dagegen, dass es eine Existenzweise aus dem „Geist“ gibt. Geist deshalb in Anführungszeichen, weil es unmöglich ist, das, was der Begriff meint, zu definieren. Der Begriff will zum Ausdruck bringen, dass es etwas jenseits der Ratio gibt, die Basis der Ratio, des Verstandes, die selbst nicht Gegenstand der Ratio sein kann.

Es mag sein, dass es für den Verstand inakzeptabel ist, dass es etwas geben könnte, was von ihm nicht erfassbar ist, und es mag die Frage auftauchen, wenn ich behaupte, dass wir nur innerhalb der Kategorie unseres Verstandes denken können, ob es überhaupt eine andere Weise gibt. Und ich behaupte Ja. Ich habe den Zusammenbruch des rationalen Ichs erlebt. Das ist ja die Basis, auf der mein derzeitiges Leben steht. Das war eine dermaßen absolut gültige Erfahrung, dass sie die Grundlage meines jetzigen Denkens bildet. Ich behaupte gar nicht, dass dies für andere gelten muss. Aber es hat für mich absolute Gültigkeit und ist eine Bestätigung meines religiösen Lebensweges. Ich möchte ja nur, dass diese Sichtweise, die ich vertrete – und natürlich gibt es auch andere, die das vertreten! - und die gängige wissenschaftliche Auffassungen in Frage stellt, nicht als dumm und vorgestrig abgestempelt wird. Dagegen wehre ich mich.

Das, was passiert, wenn das rationale Denken zusammenbricht, kann niemals Teil der bewussten Existenz oder des bewussten Denkens werden (U. G. Krishnamurti, Erl 73). „Es liegt jenseits der Logik, es geht über die Rationalität hinaus (Erl 186).

Ich wäre mir nicht so sicher in dem, was ich hier darlege, wenn es nicht eine ganze Reihe von Leuten gäbe – auch im Westen! – die zu einer ganz ähnlichen Sicht der Dinge gelangt sind, allen voran der Amerikaner Jed McKenna und eben der Inder U. G. Krishnamurti.

Es ist eine grundlegend andere Sichtweise möglich, die den auf Rationalität und Logik basierenden Horizont des Menschen sprengt. Ich werde noch darauf zu sprechen kommen. Übrigens hatte Schmidt-Salomon selber eine spirituelle Erfahrung der Ich-Transzendenz (Jenseits 240), die er aber offensichtlich in sein starres logisch-empirisches Denken nicht einbauen kann. Kann man eben nicht! Weil dieses ja dadurch gesprengt wird!