Ist der Aphorismus ein verlorenes Kind? - Gerhard Branstner - E-Book
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Ist der Aphorismus ein verlorenes Kind? E-Book

Gerhard Branstner

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Beschreibung

Ganz am Anfang steht eine schöne, aphoristische Definition des Aphorismus: Der Aphorismus ist ein gewitztes Kerlchen, das Kunst und Philosophie in Liebe gezeugt haben: von der Philosophie hat es die Art zu fragen, von der Kunst die Art zu antworten. Viel schöner kann man es kaum sagen. Genau in diesem Sinne lassen sich auch die Texte auf den folgenden Seiten lesen, darunter eine Reihe von Nepomuk-Geschichten. Dazu einige Beispiele: Aus den Aphorismen: Der sozialistische Realismus unterscheidet sich von anderen Formen des Realismus nicht „quantitativ“, sondern durch eine qualitativ tiefere Erfassung des Gegenstandes der Kunst. Manche Künstler wollen sich mit dem Argument, dass die Methode des sozialistischen Realismus gegenüber der philosophischen Methode ihren besonderen Charakter habe, die Aneignung der materialistischen Dialektik in ihrem prinzipiellen Charakter ersparen. Nicht der politische Gehalt mindert den künstlerischen Wert eines Werkes, sondern der Mangel an künstlerischem Talent oder seiner Ausbildung schränkt den politischen Gehalt eines Werkes ein. Büchner und Brecht beweisen, dass erst eine große dichterische Fähigkeit den politischer. Standpunkt voll zum Ausdruck bringen kann. Der Ärger über die „Ungunst“ des politischen Themas ist der Ärger der Unkunst. Aus den Geschichten von Nepomuk: Gefragt, weshalb er nicht an Gott glaube, erwiderte Nepomuk: „Weil mir nicht bewiesen werden konnte, dass Gott jemals gelacht hat. Wie aber kann ein Mann, der diese Welt gemacht hätte, ernst bleiben.“ Während einer Bahnfahrt kam Nepomuk mit einem Manne ins Gespräch, der ihm durch sein betrübtes Wesen aufgefallen war „Mir gefällt es nicht“, erklärte schließlich der Mann, „dass der Sozialismus die einzige nach dem Kapitalismus mögliche Gesellschaftsordnung ist.“ – „Und was stört Sie an dieser Unvermeidlichkeit des Sozialismus?“, fragte Nepomuk, noch nicht zufriedengestellt. „Wo bleibt da“, entgegnet der andre, „die Freiheit der Wahl?“ Schon des Öfteren hatte Nepomuk die Meinung gehört, dass eine Demokratie nicht ohne Opposition auskomme. „Wenn es sich so verhielte“, bemerkte Nepomuk, „müsste die Demokratie abgeschafft werden. Ich glaube allerdings“, so fügte er hinzu, „dass das nur auf die alte Demokratie zutrifft, die neue taugt mehr.“ Nepomuk hatte eine Vorliebe für die Beobachtung von Versuchen, verzwickte Probleme zu lösen. „Nicht nur, dass man sich dadurch manches Lehrgeld erspart, vor allem“, so betonte er stets, „kann man dabei Menschen kennenlernen.“

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Seitenzahl: 30

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Impressum

Gerhard Branstner

Ist der Aphorismus ein verlorenes Kind?

Literarische Miniaturen

Das Buch erschien 1959 im Aufbau-Verlag Berlin.

ISBN 978-3-96521-770-6 (E–Book)

Titelbild: Ernst Franta

© 2022 EDITION digital

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E–Mail: verlag@edition–digital.de

Internet: http://www.edition-digital.de

Aphorismen

Der Aphorismus ist ein gewitztes Kerlchen, das Kunst und Philosophie in Liebe gezeugt haben: von der Philosophie hat es die Art zu fragen, von der Kunst die Art zu antworten.

Der Aphorismus muss bestimmt genug sein, um der Fantasie auf den Weg zu helfen, aber unbestimmt genug, um ihr Spielraum zu lassen.

Der Aphorismus verträgt keine Fußnoten.

Die Mehrdeutigkeit des Aphorismus darf seine Eindeutigkeit nicht aufheben.

Aphorismen sind das Kleingeld der Literatur, können aber Scheidemünzen der Politik sein.

Auch ein guter Gedanke verliert an Stärke, wenn er in die Länge gezogen wird.

Die Objektivität der Gesetze besteht darin, dass sie sich nicht bestechen lassen.

Wer ewig der Geschichte hinterhertrottet, wird nie ihr Gesicht kennenlernen. Der Anblick, der sich ihm bietet, ist demnach wenig ästhetisch.

Die Perspektive hängt vom Standpunkt ab.

Bürgerliche Theoretiker bemühen sich verzweifelt, die Feststellung, dass die Bourgeoisie die ausbeutende und das Proletariat die ausgebeutete Klasse ist, zu widerlegen. Die Feststellung zu widerlegen, dass das Proletariat die ausbeutende und die Bourgeoisie die ausgebeutete Klasse sei, würde sich kein Mensch die Mühe machen.

Die Philosophie ist nicht neu, die die Armut für einen grammatischen Irrtum erklärt.

Die Auffassung, dass Arme und Reiche vor dem Tode gleich seien, beruht auf einem Irrtum. Arme und Reiche sind nicht vor, sondern nach dem Tode gleich.

Manches ist nur so lange klar, wie man nichts dagegen hat.

Gegensätze erläutern sich, indem sie aufeinander aufmerksam machen.

Zu einem gesunden Hass gehört eine tiefe Liebe, und zu einer gesunden Liebe gehört ein tiefer Hass. Anders ist die Moral der Revolution nicht produktiv.

Es ist ein Gesetz, dass die objektive Selbstkritik einer Ausbeuterklasse aufhört, sobald sie von einer anderen Klasse kritisiert wird.

Wenn das Proletariat über sich die Wahrheit sagt, wird es von der Bourgeoisie getadelt. Wenn die Bourgeoisie über sich die Wahrheit sagt, wird sie vom Proletariat gelobt. Verschweigt die Bourgeoisie nur deshalb die Wahrheit, weil ihr diese Zuvorkommenheit des Proletariats missfällt?

Die heutigen Potentaten des „Abendlandes“ sind ihre eigenen Narren. Sie haben deshalb auch keinen mehr, der ihnen die Wahrheit sagt.

Das kleine Feuer wird vom Wind gelöscht, ein großes loht nur höher auf. Das Neugeborene wird durch einen kräftigen Schlag ins Leben befördert, ein Greis kann daran sterben. Eine aufstrebende Klasse wird durch Selbstkritik nur gestärkt, die untergehende würde durch sie Selbstmord begehen.

Die Vielfalt der in der bürgerlichen Gesellschaft verbreiteten Anschauungen hat gewiss ihren Vorteil, denn unter einigen Dutzend verschiedenen Anschauungen die richtige herauszufinden, noch dazu wenn sie versteckt, verfälscht, als falsch deklariert oder ganz verschwiegen wird, erfordert eine Zeit, die oft genug die Lebensdauer eines Menschen überschreitet.

Die Freiheit der Wahl besteht nicht darin, dass man einige Dutzend verkehrte Anschauungen studiert, sondern dass man sich für die richtige entscheidet.

Die Richtigkeit einer Anschauung wird nicht dadurch ermittelt, dass man sie mit anderen vergleicht, sondern indem man sie mit der Wirklichkeit vergleicht.

Manche fragen, ob es nicht eintönig sei, nur eine Weltanschauung, nämlich die marxistische, zu besitzen. Bezeichnenderweise wird diese Frage nur von denen gestellt, die sie nicht besitzen.

Es gibt Irrtümer, die nicht auf der Höhe ihrer Zeit stehen.

Die Geschlossenheit der marxistischen Weltanschauung beruht in ihrer geschichtlichen Legitimität. Es ist also ganz natürlich, dass die bürgerlichen Theoretiker eine hoffnungslose Aversion gegen diese Geschlossenheit haben.

Die Individualität wird nicht dadurch gewahrt, dass jeder auf andere Weise irrt, also wird umgekehrt die Individualität nicht dadurch aufgehoben, dass jeder auf die gleiche, nämlich richtige Weise denkt. Ebendeshalb ist die „Alleinherrschaft“ der sozialistischen Weltanschauung nicht die Aufhebung, sondern umgekehrt die unerlässliche Bedingung der modernen Persönlichkeitsbildung.