Kunst des Humors – Humor der Kunst. - Gerhard Branstner - E-Book

Kunst des Humors – Humor der Kunst. E-Book

Gerhard Branstner

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Beschreibung

Was hat Sozialismus mit Humor zu tun? Oder umgekehrt gefragt, was hat Humor mit Sozialismus zu tun? Gibt es etwa einen sozialistischen Humor? In seinem ursprünglich, Ende der 1950er Jahre als Dissertation verfassten und anschließend von einem halben Dutzend Professoren abgelehnten Buch, weicht Dr. phil. Branstner – die Dissertation wurde dann also doch noch angenommen – auch diesen Fragen nicht aus, sondern beantwortet sie gleichsam grundsätzlich. Er tut dies in dem Abschnitt „Wissenschaftlicher Humor“, worin unter anderem zu lesen ist: Während die Gesetze der Natur sich ohne Zutun des Menschen verwirklichen, sind die Gesetze der Gesellschaft nicht nur an die Existenz des Menschen gebunden, sie realisieren sich nur über sein bewusstes Handeln, und speziell im Sozialismus über das auf der Kenntnis der Gesetze beruhende Handeln. Die volle Kenntnis der Gesetze schließt aber die Erkenntnis ein, dass mit ihrer Verwirklichung der Mensch sich selber verwirklicht. Erst jetzt werden sie von Gesetzen an sich zu Gesetzen für ihn; erst indem er die Gesetze als Mittel verwirklicht, verwirklicht er sich als Zweck, wird sich seines Wesens, Zweck zu sein, bewusst; erst jetzt ist er Subjekt, indem er sich bewusst als solches benimmt und als solches bestimmt. Damit realisiert er aber die inhaltliche Seite des Humors (die allerdings für sich, wie bereits nachgewiesen. noch kein Humor ist). Jetzt findet auch die Frage nach der Verbreitung des Humors im Sozialismus ihre Antwort. Der Sozialismus selbst verlangt objektiv nach Humor, indem er die höchste Form der Verwirklichung der gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten, ihre Handhabung als Mittel zum Zwecke des Menschen (also die Selbstbestätigung als historisches Subjekt) verlangt. Der freie Umgang mit der Wirklichkeit (begriffen als historische Souveränität) ist notwendige Bedingung des Sozialismus – aber damit nicht automatisch gegeben. Die historische Souveränität kann nur als in Wechselwirkung mit der gesellschaftlichen Entwicklung sich vollziehender geistiger Reifeprozess verstanden werden. Aber auch da gewinnen wir den Humor erst als Inhalt, noch nicht als Form, weshalb er auch noch nicht als Humor erscheint. Wie aber der Sozialismus objektive Bedingung des Humors ist, weil der Humor eine Bedingung des Sozialismus ist, so sind Inhalt und Form des Humors einander Bedingung, sodass wir eine unverkennbare Zunahme an Humor konstatieren können, sogar mehr, als manchem recht ist, wenn auch weniger, als objektiv möglich.

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Impressum

Gerhard Branstner

Kunst des Humors – Humor der Kunst

Beitrag zu einer fröhlichen Wissenschaft

Das Buch erschien 1980 im Mitteldeutschen Verlag Halle - Leipzig.

ISBN 978-3-96521-774-4 (E–Book)

Titelbild: Ernst Franta

© 2022 EDITION digital

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E–Mail: verlag@edition–digital.de

Internet: http://www.edition-digital.de

KUNST DES HUMORS - HUMOR DER KUNST

Beitrag zu einer fröhlichen Wissenschaft

Vorsatz

Wie halten wir es mit dem Humor? Kaum einer möchte für humorlos gelten, aber als unseriös möchte schon gar keiner erscheinen. Und wer Humor und Seriosität nicht unter einen Hut bringen kann, geht dann schon lieber ohne Humor um. So gehen wir mit dem Humor um. Auch mit der Wissenschaft von ihm. Die nachstehende Arbeit (1959 als Dissertation geschrieben) wurde von einem halben Dutzend Professoren abgelehnt. Die Argumente waren durchweg komisch, das komischste aber war, dass der Humor kein seriöser (wissenschaftlicher) Gegenstand sei. Komik vergeht, Humor besteht. Eine Theorie über ihn allerdings nur, wenn sie tatsächlich von wissenschaftlichem Ernste ist. Der Leser hat die Möglichkeit, sich sein eigenes Urteil zu machen, denn die Arbeit wird in ihrem Inhalt unverändert gedruckt; sie hat nur eine gefälligere Form erhalten, wie sie diese auch vor zwanzig Jahren erhalten hätte, wäre damals ihre Veröffentlichung gegeben gewesen.

In dieser Arbeit scheint es um den Humor zu gehen, und der Schein trügt nicht. Vielmehr aber geht es darum, mit der Theorie des Humors (seiner Rolle in der Literatur) ein Teilstück zu einer umfassenderen, die wesentlichen Bezüge der Kunst erfassenden Theorie zu liefern. Die Grundlegung dieser Theorie geschieht hauptsächlich in der „Kantine“ (geschrieben 1975). Hier werden die Gesetzmäßigkeiten aufgedeckt, denen das Verhältnis des Menschen zur Natur, zu seinesgleichen und zur Kunst seine ästhetische Eigenschaft verdankt. Und indem diese Gesetze eine objektive Einheit darstellen, stellt ihre Erkenntnis eine in sich geschlossene poetische Weltauffassung dar. Und endlich ermöglichen diese Gesetze die definitive Erkenntnis des Wesens, der Entwicklung der wirklichen Funktion der Kunst.

Die folgende Arbeit ist in ihrer Relevanz nur zu verstehen, wenn sie als Bestandteil dieser umfassenderen Theorie genommen wird; sie ist gewissermaßen eine vorweggenommene Anwendung dieser Theorie auf das spezielle Gebiet der Literatur. Daraus erklärt sich auch, dass die in der Einleitung dargestellte Theorie des Humors noch hypothetischen Charakter hat. Die Analysen in den folgenden Kapiteln hingegen decken, indem sie den Humor als Funktion der Literatur und die Literatur als Funktion des Humors nachweisen, objektive Gesetze, Strukturen und Mechanismen der literarischen Produktion und Rezeption auf. Diese Gesetze sind aber (da nicht die handelsüblichen) zugleich objektive Kriterien der Definition und Bewertung der künstlerischen Literatur, womit wir endlich über die entweder zu allgemeinen oder (als unvermeidliches Extrem) bloß subjektiven Bewertungen und Definitionen hinausgelangen. Eben das war der Zweck dieser Arbeit. Und darin ist sie Teil eines größeren Ganzen und reiht sich, systematisch gesehen, nach der „Kantine“ ein; dass sie ihr zeitlich vorangeht, ist da ohne Belang.

Der Verfasser

Berlin, Oktober 1979

Einleitung

Alle bisherigen Unternehmungen, den Humor theoretisch zu fassen, suchen nicht nach seiner objektiven Gesetzmäßigkeit; sie verlieren sich in unwissenschaftlichen Verallgemeinerungen oder einseitigen Aspekten (häufig wird der Humor auf das Komische beschränkt, wenn nicht gar mit ihm identifiziert). Das ist die Situation. Ihr ist nicht beizukommen, wenn man alles auf einmal (in einer Arbeit) erledigen will. Daher wird im Folgenden weder die (zu einer vollständigen Wissenschaft des Humors gehörige) Geschichte des Humors dargestellt noch die Geschichte seiner Theorie. Zwar liegen dieser Arbeit kritische Analysen theoretischer Auffassungen zugrunde; sie konnten in der Darlegung jedoch nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie die positive Ausführung des Gedankens unterstützten. Und der ist vorzüglich auf die Bestimmung des allgemeinen Wesens des Humors, seiner Gesetzmäßigkeit und seiner Wirkungsweise gerichtet. Da die Arbeit unter einem ästhetischen Vorzeichen steht, wird der Gedanke vor allem an Beispielen aus der Literatur demonstriert.

Die Auffassung, der Humor büße durch seine wissenschaftliche Analyse gerade das ein, was seine Eigenart, das „gewisse Etwas“, ausmache, übersieht die Tatsache, dass in der Regel der Gegenstand einer Definition anderen Gesetzen unterliegt als die Definition selber. Sowenig die Definition des Komischen zum Lachen ist, sowenig die chemische Formel des Kochsalzes nach Salz schmeckt, so wenig hat die Definition des Humors das an sich, was das „gewisse Etwas“ des Humors ausmacht. Wohl aber muss sie auch diese Eigenschaft erfassen. Sie darf sich aber nicht auf die Erfassung dieser Seite (nämlich der Form des Humors) beschränken; die wissenschaftliche Erfassung des Humors muss über eine formale Definition hinausgehen und sein Wesen und seine wirkliche Funktion darstellen.

Der Humor (wie auch sein Gegenstand) ist eine gesellschaftliche Erscheinung. Anders gibt es keinen Humor. Mithin ist er gesellschaftlich bedingt. Die Bedingtheit einer Erscheinung ist aber zugleich die Bedingung ihrer Erkenntnis. In der Klassengesellschaft ist der Humor klassenbedingt, also politisch. Indem verbreitete bürgerliche Theorien den Humor aus seiner gesellschaftlichen Bedingtheit herauslösen und als unerkennbares Phänomen darstellen, verfolgen sie gerade den klassenbedingten Zweck, ihn politisch zu entmündigen. Um ihn danach als Präparat zu empfehlen, dessen Gebrauch uns mit der unschönen Wirklichkeit versöhnt.

Diese Interpretation des Humors tritt bezeichnenderweise erstmalig am Ausgang der Sklavenhaltergesellschaft auf. Zu einer typischen Erscheinung wird sie aber im Kapitalismus. Und nicht erst an dessen Ausgang. Schon für Hegel ist der Humor seiner Funktion nach ein Mittel der Versöhnung mit der Wirklichkeit. Humor haben bedeutet bei ihm: von vornherein getröstet, ein und für allemal mit der Welt fertig zu sein. Hier verrät Hegel eine unverkennbare Gemeinsamkeit mit der Romantik (was nur die Gemeinsamkeit des objektiven Idealismus mit dem subjektiven verrät). Bei dieser Auffassung des Humors ist es nicht verwunderlich, wenn Hegel dem „unversöhnlichen“ Moliere (im Gegensatz zu Aristophanes) echte Poesie abspricht, da Hegel (und darin hat er recht) Poesie ohne Humor nicht denken kann.

Dieses Versöhnungsstreben setzt sich fort, um nur einige zu nennen, in Keller (wenn auch nur als sekundäres Moment, wie wir später sehen werden); in Raabe, der die Versöhnung mit der Wirklichkeit, das Sichabgefundenhaben zum indirekten, aber immer wiederkehrenden Thema macht, wodurch die Wirklichkeit selber lediglich zum Medium dieses Themas wird; und wir finden Anklänge dieses Versöhnungsstrebens bei Fontane, unter anderem in Form seines Ästhetizismus. Wie wir sehen, tritt die Versöhnungsideologie beispielsweise in Deutschland in den verschiedenartigsten Schattierungen hervor. Alle aber haben ihre Vorbereitung in Kants „interesselosem Wohlgefallen“, insofern die Versöhnung mit der Wirklichkeit ein „interesseloses“ Verhältnis zur Wirklichkeit voraussetzt.

Dieser Richtung (deren endlicher Sinn der Humor als Form der „inneren Emigration“ ist) steht jedoch eine andere gegenüber, die dem Humor seine auf gesellschaftliche Belange gerichtete Angriffsfreudigkeit und damit seine gesellschaftliche Substanz bewahrt. Diese Richtung hat ihre Vertreter unter anderen in Heine, Büchner und Georg Weerth.

Schon allein die Existenz dieser Richtungen des Humors (bzw. seiner Interpretation) verdeutlicht seine soziale, insbesondere aber seine weltanschauliche Bindung. Es ist deshalb kein Zufall, dass die Behauptung der Klassenindifferenz des Humors verknüpft ist mit der Behauptung seiner weltanschaulichen Ungebundenheit. Und es ist vergebliche Liebesmühe, den Humor angesichts der Mesalliance mit einer reaktionären Weltanschauung retten zu wollen, indem man ihm jede weltanschauliche Verbindung generell verbietet, wie das einige unserer Ästhetiker versuchen. Nach dieser „Logik“ müssten wir ebenso der Kunst jede weltanschauliche Bindung generell verbieten, um sie vor der Verbindung mit einer reaktionären Weltanschauung zu bewahren. Ein Hauptanliegen dieser Arbeit ist es vielmehr, die vielfältige Gebundenheit des Humors nachzuweisen.

Aber nicht nur die weltanschauliche (und gesellschaftliche) Gebundenheit des Humors gilt es konsequent nachzuweisen, um der Theorie des Humors (und ihm selber, speziell als künstlerisches Mittel) ein tragfähiges Fundament zu geben, auch die Wirkungssphäre, der Gegenstand und damit der Begriffsumfang des Humors bedürfen einer Neubestimmung.

Der Humor beschränkt sich keineswegs auf eine enge oder äußerliche Sphäre des gesellschaftlichen Lebens; und schon gar nicht auf die persönliche (private) Sphäre des Menschen. Er ist eine zwar eigene, aber auf den verschiedensten Gebieten des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens in Erscheinung tretende Verhaltensweise; ebenso ist er in den unterschiedlichsten Gattungen der Kunst lebendig. (Dieser Tatsache hat die Theorie bisher jedoch entweder überhaupt nicht oder nur insofern Rechnung getragen, dass im Einzelfall das Wirken des Humors, z. B. auf dem Gebiete des Tragischen, erkannt wurde, wie etwa Tschernyschewski im „Hamlet“ oder Friedrich und Scheithauer im „Faust“. Der Mangel dieser Versuche ist es jedoch, dass sie nicht von einer allgemein verbindlichen Konzeption des Humors ausgehen, während andere eine unbrauchbare, idealistische Konzeption zum Ausgangspunkt nehmen.) Die Absicht der folgenden Untersuchungen ist es folglich in dieser Hinsicht, die Wirkungssphäre des Humors prinzipiell über das Komische hinauszuführen. Erst dadurch wird auch das Komische echter Gegenstand des Humors, denn wenn das Komische nicht mehr alleiniger Gegenstand ist, wird es dem Humor auf andere Weise Gegenstand.

Goethe sagt, dass des „Menschen größtes Verdienst“ darin besteht, dass er „die Umstände so viel als möglich bestimmt und sich so wenig als möglich von ihnen bestimmen lässt“. Das heißt: Subjekt sein. Und sich als solches zu bestätigen, darin besteht des Menschen größtes Vergnügen. Das ist aber auch schon eine Art Definition des Humors: Humor ist das Vergnügen des Menschen an der Selbstbestätigung als Subjekt. Und das Wesen dieser Selbstbestätigung besteht nicht in der Erhebung über ein anderes Individuum oder über andere Individuen; sie ist vielmehr die Erhebung über das bloß Individuelle zur Gattung, die Aufhebung des Individuellen im Gesellschaftlichen (was nicht ausschließt, dass man sich zuzeiten über andere Individuen, ja über ganze Klassen erhebt). Das Wesen der Selbstbestätigung als Subjekt besteht also nicht in der Überhebung über andere, sondern in der Erhebung über sich selber auch dann, wenn sie Erhebung über andere ist.

Der Humor erscheint nicht im unmittelbaren Verhalten des Menschen, denn er setzt ein Urteil über Verhalten voraus. (Das Verhalten selber kann nur „Vergegenständlichung“ des Humors sein. Darin allerdings besteht der Zweck des Humors, dazu ist er Mittel.) Das Vergnügen an diesem Urteil, der Genuss an ihm (der schließlich zu einem Bedürfnis und zu einer kultivierten Fähigkeit wird) gibt dem Urteil die spielerische Leichtigkeit, den Charme usw., Eigenschaften, die in ihrer Gesamtheit das „gewisse Etwas“, die Form des Humors ausmachen. Objekt des Vergnügens, des Genusses, ist also nicht das Verhalten selbst, sondern das Urteil hierüber. Das kann das Urteil aber nur sein, wenn wir uns, ob es nun positiv oder negativ ausfällt, in ihm als Subjekt erweisen.

Der Mechanismus des Humors ist demnach folgender: Die vielfältigen Erfahrungen, Erkenntnisse, Vorstellungen, politischen und moralischen Ansichten, mit einem Worte: die Weltanschauung in ihrer menschlichen Sinngebung ist Maßstab des humorhaften Urteils, sobald an ihr das Verhalten eines Menschen zum Zwecke der Selbstbestätigung als Subjekt gemessen wird. Dieses Urteil ist jedoch nur der Inhalt des Humors, weshalb es allein auch nicht als Humor erscheint. Erst mit dem Vergnügen (dem Genuss) an diesem Urteil erhält es die Form des Humors und er selbst seine dialektische Einheit. Während der Humor sein inhaltliches Kriterium in der Weltanschauung hat, bei gleicher Weltanschauung also bei allen Menschen im Wesentlichen gleich ist, realisiert sich in der Form des Humors die Individualität des jeweiligen Menschen, die nationale Eigenart und dergleichen.

Die relative Eigengesetzlichkeit des Humors besteht nun in dem Widerspruch zwischen Ernst und Heiterkeit, indem das an sich ernste Urteil im Vergnügen an ihm heiter aufgehoben, will heißen: auf höhere Stufe gehoben wird. Im Humor erscheint die Ernsthaftigkeit in der ihr entgegengesetzten Form: als Heiterkeit. Dieser die Eigengesetzlichkeit des Humors bewirkende Widerspruch (zwischen Inhalt und Form, Ernsthaftigkeit und Heiterkeit) muss zugleich als Widerspruch zwischen Mittel und Zweck begriffen werden. Der Humor ist Mittel der Verwirklichung des Menschen als Subjekt (und das sowohl im einzelnen Falle als auch historisch), denn in seiner Eigenschaft als Urteil verhilft er dazu, das in der Weltanschauung als Maß vorgestellte Ziel zu erreichen. Der Humor macht die Weltanschauung auf seine Weise wirksam. Darin liegt die Produktivität des Humors (und ein Grund seiner Notwendigkeit). Während aber der Humor als Urteil Mittel ist, ist er als Vergnügen selbst Zweck. In der Form des Vergnügens hat er seine unmittelbar befreiende Wirkung, genießt sich das Individuum unmittelbar als Subjekt, weil es sich hier unmittelbar als Subjekt freisetzt.

Die Frage nach der relativen Eigengesetzlichkeit entdeckt uns also den Humor als dialektisches Verhältnis von Inhalt und Form, Urteil und Vergnügen, Ernsthaftigkeit und Heiterkeit, Notwendigkeit und Freiheit. Was er ist, ist er immer nur in seinem Gegenteil. Und das ist sein Vorzug.

Um zu verdeutlichen, in welchem Maße sich diese Auffassung des Humors von der Art der landläufigen Auffassungen unterscheidet, soll hier nur J. Borew zitiert werden, in dessen Buch „Über das Komische“ zu lesen steht: „Der Begriff ‚Humor’ wird hier in der Bedeutung ‚Gefühl für das Komische, Fähigkeit zur Wahrnehmung des Komischem gebraucht; in diesem Sinne kann auch der Satiriker nicht ohne Humor auskommen. Eine andere Bedeutung des Wortes ist gutmütiger Spott’; in diesem Sinne ist der Humor eine der Nuancen des Lachens und unterscheidet sich von der Satire, der Ironie und dem Sarkasmus. Im Weiteren wird das Wort Humor je nach dem Zusammenhang in der einen oder der anderen Bedeutung gebracht.“

Abgesehen davon, dass Borew entgangen ist, dass die zweite Bedeutung des Humors schon in der ersten enthalten ist, denn der gutmütige Spott kann durchaus auf das Komische gerichtet sein; abgesehen davon, dass sich der gutmütige Spott nicht deshalb, weil er eine der „Nuancen des Lachens“ ist, von der Satire, der Ironie und dem Sarkasmus unterscheidet, denn auch diese können, wie jeder weiß, lachend einherkommen; abgesehen davon, dass der Humor hier fälschlicherweise auf das Komische beschränkt wird; abgesehen davon, dass die Konfusion unvermeidlich ist, wenn zwei Bedeutungen für eine Sache stehen (noch dazu die eine nicht in ein sauberes Verhältnis zur anderen gesetzt ist); abgesehen davon sind beide Bedeutungen bedeutungslos, da ohne wissenschaftlichen Gedanken.

Wirklicher und scheinbarer Humor

Die Bestimmung des Humors, Mittel der Verwirklichung des Menschen als Subjekt zu sein, bindet ihn an die historische Entwicklung des Menschen. Er tritt nicht sogleich voll ausgebildet auf, sondern entwickelt sich von der naiven Heiterkeit über die Entgegensetzung von Ernst und Heiterkeit zur Aufhebung des einen im anderen, zur ernsthaften Heiterkeit. (Wenn auch die zweite Stufe der Negation der Negation, wie in der Regel so auch hier nicht ganz „sauber“, die Scheidung in Ernst ohne Heiterkeit und Heiterkeit ohne Ernst nicht absolut ist, so ist sie doch folgenschwer genug allein dadurch, dass sie das gesonderte Auftreten von „Ernst und Spaß“ als deren natürliches Verhältnis erscheinen lässt: im persönlichen und gesellschaftlichen Leben und in der Kunst. Die Kunst besteht aber gerade darin, der „Vernatürlichung“ des Menschen zu dienen. Und da die Scheidung von Ernst und Heiterkeit tatsächlich widernatürlich ist, ist die Kunst um ihrer selbst willen gezwungen, dieses Missverhältnis aufzuheben. Darin haben wir ein sicheres Kriterium wirklicher Kunst. Um dieses Kriterium unverwechselbar zu machen, muss allerdings eine genaue Grenze zwischen wirklichem und scheinbarem Humor gezogen werden.)

Humor und Fatalismus

Der fatalistische Humor fußt in der Regel auf dem mechanischen Materialismus oder dem mehr oder weniger religiös bestimmten objektiven Idealismus. Beide abstrahieren die objektive Notwendigkeit von der wirklichen Tätigkeit des Menschen, er ist ihr absolut unterworfen und kann sie im besten Falle lediglich einsehen und seinen Frieden mit ihr machen. (Schon hier wird deutlich, dass Fatalismus und Dialektik einander ausschließen. Und wenn bei Hegel nicht nur die Dialektik über den Idealismus siegt, sondern auch dieser über jene, so erklärt sich das nicht zuletzt aus dem fatalistischen Wesen des objektiven Idealismus. Folglich darf es uns auch nicht verwundern, dass Hegel das moralische Motto des Fatalismus: „Von Anfang an getröstet“ zu sein, zum Charakteristikum des Humors macht.) Der Fatalismus verabsolutiert die Unabänderlichkeit des Geschehens; daher kann der Mensch das Geschehen allein in Form der bedingungslosen Anerkennung zu seinem geistigen Eigentum machen: „Alles, was geschieht, geschieht mit Recht.“ So Marc Aurel und so jeder Fatalismus. Und nachdem ich dieses Recht anerkannt habe, wird durch alles, was geschieht, allein dadurch, dass es geschieht, bestätigt, dass ich recht gehabt habe. Dem Übel ist durch diesen Trick von vornherein die Möglichkeit genommen, mein Subjektbewusstsein zu beeinträchtigen, denn ich sehe in seinem Eintreffen meine Auffassung von der Unvermeidlichkeit und Rechtmäßigkeit seines Eintreffens bestätigt. Alle Geschehnisse werden unabhängig von ihrem positiven oder negativen Vorzeichen gleicherweise zu einer Bestätigung meiner selbst als Subjekt; indem ihr Eintreffen mein Recht-Gehabt-Haben bezeugt, „beherrsche“ ich sie. Diese intellektuelle Aneignung der Geschehnisse allein durch ihre Vorhersage (wenn auch nur in ihrer Unvermeidlichkeit) und durch die Anerkennung ihrer Rechtmäßigkeit ist allerdings die billigste Art, aus einer Not eine Tugend, aus einem Unvermögen ein Vermögen, aus dem Übel einen Trost zu machen. Der fatalistische Humor sucht das Schicksal zu beherrschen, indem er sich ihm als einer Unabänderlichkeit unterwirft und daraus auch noch eine Theorie macht, um das Vergnügen an der Unterwerfung zu rechtfertigen; und jede einzelne. Unterwerfung ist nichts als die Befolgung der Theorie und somit eine Selbstbestätigung als Subjekt. Aber: es bleibt eine rein theoretische Selbstbestätigung, eine nur in der Theorie mögliche Selbstbestätigung.

Am deutlichsten wird der imaginäre Charakter dieser Selbstbestätigung im religiösen Fatalismus, der besagt, dass alles unvermeidlich und zu Recht geschieht, da es von Gottes wegen geschieht. Dass „der Mensch ins Unvermeidliche sich füge, darauf dringen alle Religionen“, stellte bereits Goethe fest. Hier wird die Anerkennung der Unvermeidlichkeit und Rechtmäßigkeit allen Geschehens durch die Anerkennung Gottes vollzogen, und die Abfindung mit allem Geschehen hat in der Abfindung mit Gott ein und für allemal stattgefunden. Indem ich mich Gott anvertraue, bin ich „mit allem fertig“.

Die dem Fatalismus geschuldete Selbsterniedrigung ist unverkennbar: man sucht sich mit der Welt auf guten Fuß zu stellen, indem man sich ihr bedingungslos unterwirft und in dieser Unterwerfung noch eine Genugtuung findet. Diese Selbsterniedrigung schlägt schließlich in Perversität um, wenn der (womöglich wie in der Selbstkasteiung auch noch selbst bereitete) Schmerz Genuss verschafft.

Das genügt, um den fatalistischen Humor als nicht realistischen Humor zu charakterisieren. Zwar erscheint er als Humor, da die Form des Humors noch produziert wird; ohne realen Inhalt hört sie jedoch auf, Form des Humors zu sein. Und doch kann ein Humor, der als fatalistischer erscheint, realistisch sein. Wie das geht, soll anhand von Diderots Roman „Jacob und sein Herr“ dargestellt werden. Wir wollen zu diesem Zwecke von einer Analyse des Humors Jacobs ausgehen, um dann zum Humor des Autors selber zu kommen.

Offenbar gehören die Sympathien des Autors allein Jacob, wogegen dessen Herr durch die Charakterisierung, die er durch seinen Diener erfährt, wie auch durch die direkten Auslassungen des Autors, schlecht wegkommt. Während Jacob feststellt, dass er selber manchmal „ein bisschen mehr wert“ sei „als sein Herr“, zählt Diderot den Herrn zu jenem „Schlag Menschen“, die, „wenig Ideen im Kopf“, wie ein „Automat“ „so in den Tag hinein“ leben. Jacob ist der Federführende, während der Herr lediglich als Gegenspiel fungiert, sozusagen „nur des Reimes wegen“ da ist. Diese Bevorzugung des Dieners ist nicht zufällig, sie ist in Diderots Gesellschaftsauffassung begründet. Kann man aber deshalb die Weltanschauung des Fatalisten Jacob für die des Autors nehmen, ist der Humor des Fatalisten Jacob der Humor Diderots?

Um diese Frage zu beantworten, muss der Humor Jacobs in seiner weltanschaulichen Grundlage genauer geprüft werden. Andernfalls ist ein Trugschluss möglich.