Kampf in der Galaxis - Hanns Kneifel - E-Book

Kampf in der Galaxis E-Book

Hanns Kneifel

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Beschreibung

Die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Männern, die diese enge Beziehung viele Jahre lang, bis zum Tod, aufrecht erhalten. Beide Männer waren gleichaltrig; im selben Monat desselben Jahres geboren. Als das unsichtbare und unzerreißbare Netz sich um sie und eine Handvoll anderer Menschen zu legen begann, waren sie siebenundzwanzig Jahre alt. Sie hießen Grumman und Blackborn. Die seltenen Kontakte der Beiden mit der sie umgebenden hektischen Zivilisation des ausgehenden dreiundzwanzigsten Jahrhunderts glichen sich in Kürze und Oberflächlichkeit. Beide leiteten ein geheimes Projekt, das von der Staatengemeinschaft finanziert wurde. Man nannte das Projekt 'Last Orbit'. Blackborn und Grumman waren Fanatiker der Sterne; ihr Ziel war, Leben in der Weite der Galaxis zu finden. »Kampf in der Galaxis« erschien 1966 als Dreiteiler innerhalb der Terra-Heftromanreihe im Moewig-Verlag.

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KAMPF IN

DER GALAXIS

Der

© Copyright Erben Hanns Kneifel

© Copyright 2016 der eBook-Ausgabe bei Verlag Peter Hopf, Petershagen

www.verlag-peter-hopf.de

© Cover: © James Thew – Fotolia.com

ISBN ePub 978-3-86305-220-1

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Alle Rechte vorbehalten

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis
Kampf in der Galaxis
Prolog
Das unsichtbare Netz
Der Weg zu den Sternen
Rost zwischen Dünen
Was in der Vergangenheit geschah …
Die Sklaven von Argoos: Prolog
Flug zu den 40 Planeten Curls
Beobachtungen in der fremden Stadt Aegon
Ota Vhyns Erkenntnis vom Ende des Hasses
Erlebnisse eines Unangepassten
Terraner und planetare Räte
Die letzte Schlacht der Aimara: Prolog
Ness, Blackborn und die Argoos-Planeten
Das rätselhafte Pyramidenraumschiff
Schwierigkeiten der Allianz-Verträge
Aufbruch und Start zu den Sternen
Blackborns Legende

HANNS KNEIFEL

Dieser Band beinhaltet die Romane:

Das unsichtbare Netz

Die Sklaven von Argoos

Die letzte Schlacht der Aimara

Kampf in der Galaxis erschien 1966 als Dreiteiler innerhalb der Terra

Prolog

Dies ist die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Männern, die stark, willig und klug genug waren, diese enge Beziehung viele Jahre lang, bis zum Tod, aufrechtzuerhalten. Beide Männer waren gleichaltrig; im selben Monat Juli desselben Jahres geboren. Als das unsichtbare und unzerreißbare Netz sich um sie und eine Handvoll anderer Menschen zu legen begann, waren sie siebenundzwanzig Jahre alt. Sie hießen Grumman und Blackborn.

Sven Einar Grumman ... William Nader Blackborn.

Blackborn war klug, gerissen und wendig, fähig, sich jeder noch so ungewöhnlichen Situation anzupassen. Seine in acht Jahren erworbene Fähigkeit, sich nötigenfalls rücksichtslos durchzusetzen, hatte ihn zum Leiter des Projekts werden lassen. Das Projekt wurde von der UNO angeregt, von nahezu allen Erdstaaten finanziert und von übereifrigen Delegierten kontrolliert. Grumman war anders. Er liebte die Kleinarbeit, das übergenaue, langweilige zuverlässige Ausarbeiten dessen, was Blackborn angeregt oder erfunden hatte. Diese Eigenschaften ergänzten einander in außergewöhnlich vortrefflicher Form.

Daher war Grumman stellvertretender Leiter des Projekts.

Sah man beide Männer gleichzeitig – was der Geheimdienst meist erfolgreich zu verhindern versuchte –, so konnte man sie mit einiger Phantasie für Brüder halten. Beide sahen mit ihrem militärisch kurz geschnittenen schwarzbraunen Haar und blauen Augen wie verirrte Wikinger aus, beide waren hoch gewachsen und durch vielen Ärger und zermürbendes Training schlank und muskulös. Beide trugen die Waffen unter der linken Achselhöhle.

Man nannte das Projekt Last Orbit.

Das unsichtbare Netz

Projekt Last Orbit war in seiner letzten Phase ...

William Nader Blackborn liebte den Regen. Regen bedeutete für ihn einen melancholischen Zustand, während dem das Innere selbst bizarrer Lokale fast gemütlich wirken konnte; nicht aber jetzt und hier. Hier terrorisierten ihn Lärm, Musik und Geruch nach Schweiß, Getränken und ungezählten Zigaretten. Ein blasser, kleiner Bursche in einer gläsernen, schalldichten Kabine hantierte mit Laufwerken und einer Verstärkeranlage, die mit elfhundertsechzig Watt gefahren wurde und deren Bässe die Mauern erschütterten.

Es herrschte eine rhythmische Kakophonie, die ihresgleichen suchte. Das Lokal hieß Broken Toy. Die Gäste sahen aus, als wären sie große Kinder, denen man das Spielzeug zerbrochen und weggenommen hatte.

»Diese schöne Welt scheint aus müden, alten Männern zu bestehen und aus einem Rest, der irrenhausreif ist!«, brüllte William. Eine blendend aussehende Frau im gewagten, ärmellosen Kleid, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, mit kalten Augen und überlangen, schwarz lackierten Fingernägeln, rückte ihren Barhocker von Blackborn weg.

»Und aus sehr lauter Musik«, ergänzte Grumman. »Es ist das Jahrhundert elektronischer Verstärker und der reproduzierten Fruchtbarkeitstänze stellarer Völker – nur dort werden sie seit einer Generation nicht mehr gebraucht.«

Mit dem Gesichtsausdruck von Menschen, die einen Ästheten an vollkommene Dekadenz und einen Mediziner an Speed- oder Crack-Missbrauch denken ließen, bewegten sich geschätzt rund 200 meist junge Personen im Disco-Licht auf dem Viereck, das hier allgemein als Tanzfläche bezeichnet wurde.

»Schön – nicht wahr?«, schrie Blackborn und hielt dem cyborg-aufgerüsteten Barmädchen sein Glas hin; er bekam es innerhalb von drei Sekunden gefüllt zurück. Die beiden Wissenschaftler besuchten solche Lokale, um einmal etwas anderes zu sehen als uniforme Gesichter und uniforme Kleidung – und um den sterilen Jargon zu vergessen, der im Camp herrschte. Hier aber wurden sie scheinbar mit einer anderen Uniformität bekannt, derjenigen des kulturellen Zerfalls der nordamerikanischen Gesellschaft.

»Schlimmer als unser Kontrollzentrum während einer Generalprobe«, gab Grumman schreiend zurück. Hart an der Schmerzgrenze, mit dem Triebwerkslärm eines abhebenden Orbitshuttles, donnerten die Klänge durch den Raum und ließen die Ränder der Gläser gegeneinander klirren. Nachdenklich betrachteten Grumman und Blackborn diesen Alptraum aus Schall, Fleisch und Rauch.

»Noch zwei Monate, Bill, und wir können dies hier alles als Erinnerung bezeichnen. Wie gefällt dir der Gedanke?«

Blackborn antwortete, die Pause zwischen zwei Fortissimopassagen abwartend:

»Nicht schlecht. Dafür werden wir Dinge erleben – wenn alles klappen sollte –, die noch kein Mensch vor uns erlebt haben dürfte, nicht einmal diese unglücklichen Karikaturen des Homo sapiens hier.«

Das Barmädchen nutzte einige Sekunden der Untätigkeit aus, um William Nader Blackborn zu mustern. Was sie sah, war nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich war, was jeder fühlen konnte. Unter dem kurzen Haar stand ein entschlossenes Gesicht mit einigen harten Kerben, mit weit auseinander stehenden blauen Augen, die jetzt dunkel waren – Augen mit einem eigentümlichen Ausdruck, der ihr gut bekannt war; Augen eines Mannes, der die Schule des Lebens an ihrer härtesten Grenze durchlaufen hatte. Knappe, präzise Bewegungen, die kontrolliert und schnell verliefen, vervollständigten das Bild einer bemerkenswerten Persönlichkeit. Grumman sah auf die Uhr.

»Zehn vor Eins«, sagte er laut.

»Bleiben wir noch und rauchen eine Zigarette?«

»Draußen wird man warten!«

»Sie werden dafür bezahlt. Wir sind wichtig, nicht unsere Begleitung, Bill. Das ist einer deiner Aussprüche.«

»Gut – biete mir eine an.«

Einen Moment lang stand die längliche blaue Flamme des Feuerzeuges zwischen ihnen. Sie rauchten ebenso schweigend, wie sie bisher das sie umgebende Chaos betrachtet hatten. Es waren noch genau neunundfünfzig Tage bis zur Stunde Null. Bill zahlte. Er nahm lässig einen Bankdatenstick aus seiner Brusttasche, tippte spielerisch auf die Zahlenfelder und legte die Karte auf die Theke. Er deutete auf sich und Grumman und nickte. Das Mädchen kassierte korrekt.

»Nicht von hier, Fremder?«, sagte sie laut.

»Aus einem anderen Jahrhundert«, antwortete er, »aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt. Vergessen Sie uns. Der Rest gehört Ihnen.«

Mit halbrobotischen Augen sah sie, wie sie ihre Gläser niederstellten, die Zigarettenreste ausdrückten und die Hocker verließen. Sie kämpften sich durch die rhythmisch hin und her schwankende Woge der Tanzenden, erreichten die Garderobe und gaben ihre Marken ab. Dann zogen sie die dunkelblauen Mäntel an, betrachteten den kichernden Mann vor ihnen und gingen die schmale Treppe hoch bis zum Ausgang, der auf die belebte Straße hinausführte. Es hatte zu regnen aufgehört.

»Hier sind sie.« Sven und deutete auf die dunklen Gleiter neben dem Rinnstein. Um die Antigravabsorber der Fahrzeuge bildeten sich im ablaufenden Wasser kleine Haufen aus Papier, Zigarettenschachteln und anderem Abfall. Motoren sprangen an, und die Männer atmeten erleichtert auf.

Alles, was jetzt geschah, ging schnell vor sich. So schnell, dass ein weniger misstrauischer Mann als Blackborn niemals reagiert hätte. Aus den Reihen der vorübersummenden Gleiter löste sich eine hellgraue Sportkarosserie, fuhr mit pfeifendem Triebwerk aus der Kolonne heraus, streifte einen geparkten Gleiter und fuhr mit aufgeblendeten Scheinwerfern auf das Pflaster des Fußgängerweges hinauf.

Blackborn hatte bereits seine Waffe in der Hand. Zwei lange, organgefarbene Flammen zuckten aus dem Lauf. Glas wurde zerschmettert, und die Scherben klirrten. Der Gleiter raste weiter, und aus dem heruntergekurbelten Fenster ruckte der Lauf einer Maschinenwaffe. Schüsse peitschten auf, donnerndes Stakkato erfüllte den Raum zwischen den Hausfronten, Blackborn riss Grumman zurück, sprang in den Eingang des Lokals und feuerte.

Der hellgraue Gleiter rammte die Betonsäule eines Robot-Zeitungsverkäufers, nasses Papier wirbelte über die Straße und klatschte auf die Platten nieder. Immer noch spie die Maschinenwaffe Feuer und Stahlgeschosse, die Scheiben zertrümmerten, Menschen in Deckung jagten und kleine Krater in Verputz und Platten schlugen. Auch Grumman schoss jetzt langsam und wohlüberlegt. Er zerschoss die Absorber und zielte auf den Kopf hinter dem Lauf der Maschinenpistole.

Motoren heulten auf; der Sportgleiter raste davon, auf funkensprühenden Absorbern, schleuderte und rammte mit der konzentrierten Wucht seiner 400 Pferdestärken einen Lichtmast. Der viereckige Tiefstrahler wankte, riss sich los und prallte auf die Fahrbahn. Mit heulenden Sirenen erschienen die Gleiter des Geheimdienstes, stellten sich zwischen die beiden Männer und die nachdrängende Menge. Männer in dunklen Uniformen sprangen aus den Türöffnungen, hielten stählern schimmernde Pistolen in den Händen und schlossen einen dichten Ring um Grumman und Blackborn.

»Ist Ihnen etwas passiert, Sir?«, fragte einer von ihnen, ein Mann mit weißem Haar und stechenden, hellgrauen Augen. Grumman schüttelte den Kopf, lud seine Waffe nach und wischte vergeblich Schmutz vom Mantel.

»Nein.«

»Ihnen, Chef?«

Auch Blackborn schüttelte den Kopf und brummte einen Fluch. »Aber es war knapp, dieses Mal. Kommen Sie, fahren wir. Kümmert sich jemand um den Attentäter im Sportgleiter?«

Der Weißhaarige deutete nach vorn und sagte:

»Tim ist dort. Wir warten noch. Sie gehen in den Gleiter – Sie auch, Grumman. Tim, was ist los?«, fragte er dann den Sicherheitsbeamten, der im Laufschritt zurückkam, die Hand mit der Pistole eng an seine Seite gepresst. Tim machte eine mehr als bezeichnende Bewegung und sagte langsam:

»Der Rest ist Sache der Stadtpolizei. Sieht nicht schön aus, wenn sich eine Steuersäule in einen Speer verwandelt. Beide tot – Kopfschuss, der mit der Violine.«

»Violine?«, fragte Blackborn aus dem Gleiter heraus.

»Wir pflegen im Dezernat Maschinenpistolen so zu bezeichnen, Sir«, sagte der Fahrer mit hartem Grinsen.

»Danke«, erwiderte Blackborn. »Mein Bedarf an Unterhaltung für heute ist gedeckt. Fahren wir zurück zum Camp.«

Der Weißhaarige stieg zu, nachdem er zwei Beamten einer Fußstreife seinen Ausweis gezeigt hatte, und klopfte dem Piloten auf die Schulter. »Los«, sagte er. Dann wandte er sich zurück nach hinten, wo Blackborn saß und schweigend zum offenen Fenster hinausstarrte, und sagte:

»Sir, kurbeln Sie die Scheibe hoch. Ich möchte nicht ins Gras beißen, nur weil Ihr Wissensdurst größer ist als Ihre Vorsicht.«

Ruhig antwortete Bill Blackborn: »Wie Sie gesehen haben, bin ich durchaus imstande, für mich selbst zu sorgen.«

»Das ist mir gleichgültig. Ich habe meine Befehle. Sie lauten, notfalls mein Leben einzusetzen für Ihre Sicherheit, obwohl es meiner Frau nicht recht sein wird.« Er starrte Blackborn herausfordernd an. »Und ich werde dafür sorgen, dass Ihr heutiger Ausflug der letzte sein wird, ehe ...«

»Machen Sie sich nicht lächerlich, Malvern«, sagte Blackborn ruhig. »Ich bin kein Kind mehr, auch wenn es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein sollte. Ich bemühe mich, unauffällig zu bleiben und die restlichen Tage, vor dem Start, noch etwas von der Welt zu sehen.«

»Und so zu sorgen, dass meine Kinder ihren Vater nur noch von Bildern kennen«, vollendete Malvern. »Rührt Euch das nicht, Herr?«

»Tränen rinnen aus meinen Augen, Chef«, gab Blackborn ungerührt zurück. »Sie hätten Lehrer werden sollen, dann würden Sie ein geregeltes Familienleben haben. Und weniger Ärger.«

»Quatsch«, sagte Malvern grob. »Ihr Wissenschaftler ...«

Dann schwiegen sie, bis die Gleiter das Tor des Camps passiert hatten.

Thomess, der kleine Mann in der khakibraunen Militäruniform, die in der künstlichen und viel zu grellen Beleuchtung des Büros heller erschien, war schlank, hatte tief liegende braune Augen, eine stumpfe, eingeschlagene Nase und einen Unterkiefer, der aus Granit zu bestehen schien. Die Linien des Mundes waren hart und rechthaberisch; das Haar, früher einmal braun gewesen, ließ nur noch eine schmale Spur an Schläfen und Hinterkopf erkennen; schütter und mit Silber durchsetzt. Die Uniform saß wie eine zweite Haut und wies keine Ordensspange auf.

Zwischen den Geräten auf dem Schreibtisch, die ausnahmslos der Vermittlung von Befehlen und Anordnungen dienten, lagen Akten. Im Aschenbecher qualmte eine abgekaute Zigarre. Thomess sagte knarrend:

»Als Verbindungsmann zwischen Mr. Greenberg, dem Sekretär der UNO, und Ihnen, Mr. William Blackborn, muss ich leider darauf hinweisen, dass Sie sich unqualifiziert benommen haben – mehr als das: Sie bringen die Männer Ihres Begleitschutzes in Gefahr, sich selbst und das Projekt dazu. Ihre Argumente, Sir?«

Blackborn blickte nicht ohne Mitleid über den Schreibtisch hinweg in die aufgeregten Augen des Verbindungsoffiziers. Ruhig antwortete er:

»Es ist natürlich außerordentlich liebenswürdig von Ihnen, Herr Thomess ... Verzeihung, Major Thomess, dass Sie mir Namen und Rang des UNO-Sekretärs ins Gedächtnis zurückrufen und gleichzeitig meinen Vornamen. Ich danke Ihnen. In dreißig Tagen wird hier jemand zu zählen beginnen: ›Drei ... zwei ... eins ... zero ... Technik!‹ Dann bin ich nicht mehr da, und Sie haben Rang und Aufgabe verloren. Bis dahin jedoch bin ich Leiter des Projektes. Die Männer des Geheimdienstes werden für ihren Job bezahlt, so wie Sie und ich – hätten sie ihren Beruf nicht gewählt, wären sie Zeitungsverkäufer geworden oder Barkeeper oder etwas anderes. Sie haben die Aufgabe, Grumman und mich zu schützen. Bisher ist nichts passiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass bis zur Stunde Null etwas geschieht, ist minimal. Ich werde das Projekt weiterhin leiten.« Er grinste kalt und fuhr fort: »Nachdem Sie Ihre einleitenden Gedanken kundgetan haben, können Sie nun damit herausrücken, was Greenberg Ihnen für mich mitgeteilt hat. Habe ich recht?«

Thomess schwieg, langte dann in einen Ordner und zog eine metallisch glänzende Folie hervor, das nicht besonders eng beschrieben war und sehr amtlich aussah.

»Top secret«, erklärte Thomess. »Vom Sekretär direkt an Sie!«

»Nett«, sagte Blackborn und las:

Von: Sekretär Greenberg

An: William Nader Blackborg

Ihnen als Projektleiter habe ich mitzuteilen, dass Sie vom Tag der Aktion bis zur letzten Stunde der abschließenden Untersuchungen uneingeschränkte Befehlsgewalt innehaben. Diese Gewalt ist ohne Wahlabstimmung übertragbar; in Frage kommen jedoch nur drei Leute, deren Namen Sie bitte angeben wollen. Dieses Dokument wird im Safe von Last Orbit eingeschlossen und dient im Fall der Rechtfertigung als Dienstbefehl mit sämtlichen Konsequenzen. Das heißt, William Blackborn, dass Sie Herrscher über Schicksal, Leben und Tod Ihrer Leute sein werden. Es erübrigt sich zweifellos, Sie auf die Bedeutung dieses unseres Entschlusses hinzuweisen. Viel Glück weiterhin. Ich besuche Sie in wenigen Tagen und werde auch den Schluss miterleben wollen. Unterzeichnen Sie und wählen Sie drei gute Leute.

In aller Herzlichkeit Ihr

Greenberg

Blackborn las das Dokument noch einmal sorgfältig durch, musterte dann Thomess, der unruhig zu werden begann, und zog aus der Brusttasche seiner Cordjacke einen archaischen Füllfederhalter. Damit schrieb er untereinander drei Namen nieder. Sven Einar Grumman, Danielle Bolivar, Terence Mschinba. Ruhig unterzeichnete er das Dokument, schrieb darunter Stunde und Datum, reichte es über den Schreibtisch zurück und nickte.

»Danke, Major Thomess«, sagte er. »Sie wissen natürlich seit geraumer Zeit, dass ich Sie und Ihresgleichen als restlos überflüssig betrachte, und dass Sie mich ebenso gern mögen, weiß jeder hier im Camp. Warten Sie noch diesen einen Monat, dann ist alles vorbei. Sie können sich wieder Ihren Kriegserinnerungen widmen.«

Blackborn erhoffte keine Antwort, als er das Büro verließ. Er trat in den grell ausgeleuchteten Korridor, der sich knapp zweihundert Meter unterhalb des Erdbodens befand, ging zum nächsten Lift und traf dort auf eine schlanke junge Frau mit dunkelbraunem Haar – Danielle Bolivar, Brasilianerin und Stardolmetscherin des Camps. Sie schüttelten sich die Hände.

»Auch nach oben, Dani?« Bill betrachtete aufmerksam den erstaunlichen Aufzug Danielles. Sie folgte seinem Blick, lächelte und drehte sich einmal herum. »Schick, nicht?«

Bill nickte lachend. Vor einigen Tagen waren die Kleidungsstücke – und die Raumanzüge – der Crewmitglieder fertig geworden. Danielle trug eine weiße, knappe Jacke, die mit einem breiten Bund abschloss, darunter einen schwarzen, dünnen Pullover und lange Hosen, die in die hochgezogenen flachen Schuhe eingepasst waren. In den breiten Säumen von Hose und Jacke waren Medikamente und Konzentrate eingenäht, von denen ein Mensch – genügend Wasser vorausgesetzt – zwei Monate lang leben konnte.

»Und Sie laufen immer noch in der zerbeulten Cordjacke herum, Bill. Schämen Sie sich nicht?«

»Lassen Sie Ihre altklugen Reden, Dani«, sagte er. »Ärztliche Untersuchung vorüber?«

»Gesünder denn je«, bestätigte sie selbstbewusst.

»Kennst du die Aufgaben des Leiters dieses Projekts?«, sagte Bill sachlich und legte ihr die Hand auf die Schulter. Danielle lächelte, zeigte damit entzückende Grübchen und verneinte.

»Dann hol dir aus dem reichhaltigen Inventar der Bibliothek das betreffende Material und studier diese Aufgaben«, empfahl ihr Blackborn. »Präg sie dir gut ein – vielleicht musst du mich einmal beraten. In Ordnung?«

»Seit wann duzen Sie mich, Bill?«, fragte sie verwundert.

»Seit vierzig Sekunden. In dreißig Tagen wird sich der Ton zwischen uns geändert haben – gewöhne dich daran.«

»Ja, Chef«, sagte sie und ging an seinem Arm vorbei, der die Lifttür aufhielt. Die Kabine bewegte sich nach oben und hielt auf der achten Tiefebene. Bill stieg aus. Er grüßte und sagte:

»Ich werde mich etwas umsehen müssen.«

Der Lift schoss nach oben.

So häufig auch Blackborn Last Orbit sah; jedes Mal packte ihn die Schönheit des Giganten aufs Neue. Nur das verschwundene Beiboot Enigmas hatte ihn in seiner makellosen Schönheit mehr fasziniert. Das riesige, blau schimmernde Raumschiff lag unter der Tarnkuppel, die eine gewaltige Grube dicht über dem Wüstenboden abschloss. Die Arbeiten an der Außenseite des Giganten waren abgeschlossen. Nur an vereinzelten Stellen des umfangreichen und weit verzweigten Systems der Innenräume wurde noch gearbeitet. Die Last Orbit sah aus wie eine Riesenmuschel; zwei annähernd ellipsenförmige, konvexe Schalen wurden durch einen silbern leuchtenden Streifen getrennt und zusammengehalten. In diesem Band befanden sich die Luken, die wenigen Geschützkanzeln und sämtliche Schleusen und Öffnungen. Auf dem glatten Stahl der Schalen saßen kleine Halbkugeln, Kuppeln, die sich schützend über komplizierte Linsensätze stülpten.

Zwei breite Stege verbanden die Sohle des achten Stockwerks mit dem Schiff. Blackborn betrat einen davon, wich einer Gruppe von Arbeitern in blauen Arbeitskitteln aus und gelangte durch Schleuse Eins ins Schiff.

Last Orbit war das erste Sternenschiff der Menschheit.

Das Projekt wurde von der UNO kontrolliert und mit sämtlichen guten Wünschen bedacht. Milliarden steckten in den Vorarbeiten, und das Schiff hatte noch einmal sieben Milliarden Dollar gekostet. Dreißig Staaten der Erde waren finanziell daran beteiligt, und siebenundzwanzig Staaten stellten je einen Mann der Besatzung oder eine Frau. Einer der ersten administrativen Beschlüsse Blackborns und Greenbergs, des UNO-Sekretärs und Initiators, war eine gemischte Mannschaft gewesen. Dreißig Menschen; fünfzehn Frauen und fünfzehn Männer.

Jeder zählte zur Elite. Oder dazu, was mit menschlichen Maßstäben gemessen, als Auswahl unter den Besten bezeichnet werden konnte. Psychologen hatten Jahre zu tun gehabt, um ihre Tests durchzuführen. Nach ihrer Ansicht stellte die Mannschaft absolute Spitzenklasse dar, menschlich und fachlich gesehen.

Blackborn lachte, als er daran dachte. Er war mit zwanzig Jahren in das Projekt eingestiegen. Damals war er ein junger Student gewesen und voller Ideale, hatte versucht, in globalen Begriffen zu denken und seine Einstellung bei allen Verhandlungspartnern vorausgesetzt. Die Ideale waren jetzt dahin, und übrig geblieben war ein harter, beherrschter Mann, der seinen Willen durchzusetzen verstand.

Er kannte ein Ziel: Die Fertigstellung des Schiffes und den Start. Alles andere war nicht mehr seine Sache.

Und darum war er so fanatisch, wenn es um Dinge ging, die von außen an das Projekt herangetragen wurden. Das Ziel war bestimmend, nicht die Wünsche einzelner Nationen, Interessengruppen – auch nicht die Versuche derjenigen Gruppen, die den Bau sabotieren wollten. Attentate waren bisher nur auf ihn und seinen Stellvertreter verübt worden.

Die Räume der zukünftigen Besatzung waren besonders geschützt. Sie lagen in der Anordnung einer Kugelgestalt genau im Zentrum der sie umgebenden Maschinen, Tanks und Quartiere, der Laderäume und der technischen Ausrüstung. Eine schier ungeheure Menge Ideen, Entwicklungen und technischer Höchstleistungen aller Art waren in diesem Schiff vereinigt, die gesamten Erkenntnisse der amerikanischen, westeuropäischen und russischen Raumfahrt und deren Zubringerindustrien. Alle Hautfarben waren in der Mannschaft vertreten; vom Weiß des Europäers bis zum Schwarz des zentralafrikanischen Piloten. Amerika stellte als einziger Staat vier Besatzungsmitglieder, deswegen, weil diese Fachleute nirgends sonst zu finden gewesen waren.

Schmale Rolltreppen, laufende Bänder, Richtungspfeile und stählerne Treppen ... Blackborn bewegte sich mit der Routine durch die Gänge und Kammern, die er sich auf Grund eines halben Tausends von Besuchen erworben hatte. Er suchte und fand den großen Kontrollraum, in dem sich mehrere Leute aufhielten.

Zwei von ihnen kannte Blackborn gut – die Piloten Philipp Okhamo, Liberia, Pilot I und Joe Kania, Amerika-Nord, Pilot II. Sie unterhielten sich mit den Technikern.

»Hy – Chef? Sie besuchen uns?« Kania streckte seine mächtige Pranke aus, und über sein rundes Gesicht ging ein breites Grinsen. Kanias Hände wirkten, als könne er mit ihnen allein das Schiff steuern und brauchte nicht die komplizierte Technik der Verstärkeranlagen dazu. Blackborn fühlte seine Handknochen, als er Kanias Hand drückte. Die Männer kannten sich länger; sie duzten sich bereits. Manchmal aber, wenn man abgelenkt war, kam es vor, dass man sich in der Anrede irrte – so wie eben. Lachend korrigierte Blackborn:

»Ja, Joe. Wie steht’s mit deinen Kenntnissen über die fliegerischen Möglichkeiten dieser Stahlmuschel?« Er drückte Okhamo die Hand. Okhamo saß in einem der drei schweren Sessel, die sich vor dem Halbrund der Kontrollen befanden, und hatte sich halb herumgedreht.

»Sie sagen«, er wies auf die Techniker, »dass ein Hubschrauber schwerer zu steuern sei als das Schiff. Nun – ich glaube es ihnen noch nicht, solange wir nicht im Raum sind.«

»Du wirst dich dreißig Tage gedulden müssen«, sagte Blackborn. »Wie sieht es sonst aus, meine Herren?«

Wie ein Chor der griechischen Tragödie antworteten die Techniker: »Es wird alles bis zum gestellten Termin fertig. Das Schiff wird zur Stunde Null starten können.«

Blackborn rechnete flüchtig nach und fragte: »Sind die üblichen Tests schon gemacht?«

Die Techniker antworteten unisono:

»Die Testreihen der bisher montierten Technik sind abgeschlossen. Alles funktioniert tadellos, Chef.«

»Gut so«, sagte Blackborn erfreut. Er sah sich aufmerksam in der fertig eingerichteten Pilotenkanzel um. Sie lag, getrennt von den Personalräumen, unmittelbar an der Peripherie des Schiffes, hinter dreien der großen Sichtluken. Der Rest der sichtbaren Umgebung wurde von einem dichten, nahtlosen Netz geschwungener Panoramaschirme wiedergegeben.

»Wie gefällt’s euch? Hier werdet ihr jahrelang sitzen müssen!«, wandte er sich an die beiden Piloten.

»Gut – bisher. Und bequem, Chef.«

Sie schienen sich wohlzufühlen. In den kommenden Wochen war es ihre Aufgabe, sich die Grenzen der technischen Möglichkeiten abzustecken und das Zusammenarbeiten mit den anderen Abteilungen zu üben. Sie waren auf die Astrogatoren, die Techniker, die Leute vom Maschinenraum und die des elektronischen Korps angewiesen.

»Ich mache einen Rundgang«, sagte Bill und verabschiedete sich. »Noch dreißig Tage ...«

»Wir werden sie überstehen, Chef!«, sagte Kania lachend.

Die einzelnen Räume waren, obwohl mit Platz nicht sehr gespart werden musste, niedrig, aber dafür ausgedehnt. Sie lagen in acht Decks übereinander – vier in jeder Schalenhälfte des Raumschiffes. Die Korridore, Gänge, Lifts und Treppen, die diesen stählernen Bienenkorb durchzogen, waren nach einem übersichtlichen Gesamtschema, durchaus logisch, angelegt, wenn man das System erst einmal kannte. Die Hirne, die für die Ausstattung dieses Schiffes gearbeitet hatten, waren fast unzählbar. Erst der Mannhardt-Antrieb hatte dieses Schiff ermöglicht.

Nach dem Zeitalter der chemischen Triebwerke, der Versuche mit Ionenaggregaten und anderen Dingen, war es diese Erfindung gewesen, die ein Vorstoßen erst ermöglichte, einen Vorstoß, der über die Jupiterbahn hinausführen sollte. Der Mond war erforscht und teilweise besiedelt ... Der Mars, die Venus und Merkur trugen menschliches Leben. Der Enigma-Fremdkörper, der sich im Jupiter verborgen hatte, war verschwunden. Weiter draußen, dort, wo schweigend und unerbittlich kalt die anderen Planeten ihre ewige Bahn zogen, hatte der Homo sapiens nichts zu suchen. Er war dort gewesen, hatte untersucht und geforscht und nichts anderes gefunden als Kälte, Dunkelheit und Einsamkeit; keine Lebensspuren – bis auf eine einzige: Mars. In der großen Syrte fand man einen riesigen Haufen Schrott; verrostetes Metall und winzige, erhaltene Dinge, die aber nicht zur Identifizierung genügten. Es war einst – die Analyse ergab eine Zeit von über zwanzigtausend irdischen Jahren – ein Raumschiff gewesen, so viel war noch zu erkennen.

Jetzt aber war es schmutzigroter Rost, bröckelndes Eisen und papierdünner Stahl, der bei der geringsten Berührung zu Asche zusammensank. Und so blieben nur die Nachbarn der irdischen Sonne. Die Sterne. Die Sonnen außerhalb des irdischen Systems konnten angeflogen werden, allerdings nur die, von denen man wusste, dass sie zwischen zehn und dreißig Lichtjahren weit entfernt waren. Weitere Reisen ließ der Antrieb nicht zu. Ein Schiff, das vom Mannhardt-System angetrieben wurde, war nicht energieautark; es musste nach rund sechzig Lichtjahren wieder ins Dock und betankt werden. Die Reagenzflüssigkeit konnte auch nicht mit Schiffsmitteln hergestellt werden. Somit war der Radius auf dreißig Lichtjahre beschränkt.

Das Ziel des Last Orbit war Tau Ceti. Tau Ceti, ein Typ G 4 mit einer Helligkeit von 0,38, auf die irdische Sonne bezogen, nicht ganz zwölf Lichtjahre entfernt, genau elf und acht Zehntel Lichtjahre.

Dreißig Mal vergingen vierundzwanzig Stunden.

Greenberg stand neben Bill Blackborn am unteren Ende des letzten Stegs. Die Freunde sahen sich an und schwiegen, während die letzten Besatzungsmitglieder an Bord gingen. Der Start wurde nur von einer stationären TV-Kamera und von einer Gruppe von Filmleuten aufgenommen; innerhalb kurzer Zeit würde es die ganze Welt sehen können. Greenberg, der Sekretär der UNO, nickte Bill zu und sagte:

»Unser beider Traum, Bill; dort steht er. Noch arbeiten die Maschinen nicht. Wissen Sie, dass ich Sie um diesen Flug mehr als nur beneide?«

»Tun Sie es nicht, Frank. Sie werden zu tun haben, um der Welt den unspektakulären, stillen Abflug zu erklären, und später die Dinge, die wir mitbringen werden, gleich, wie sie aussehen. In den Händen von uns dreißig Leuten liegt der erste Versuch der Erde, mit denkbaren Nachbarn im All zusammenzukommen. Wir alle fürchten uns ein bisschen davor.«

»Leben Sie alle wohl«, sagte Greenberg schwer atmend, griff nach Blackborns Hand und schüttelte sie hart. »Kommen Sie alle so gut zurück, wie Sie an Bord gegangen sind.«

Die Holokameras filmten summend die Szene. Dann grüßte Bill in die Objektive und ging an Bord. Eine Sirene heulte auf dem Fabrikgelände auf, verstummte wieder. Das riesenhafte Dach schob sich mit gehörigem Geräusch zurück und überschüttete den blau schimmernden Rumpf mit dem Tageslicht der Wüste. Rings um das Camp standen fast unbeweglich, wie drohende Hornissen, schwer bewaffnete Hubschrauber in der Luft; ein Abfangjägergeschwader zerteilte das Blau des Himmels mit weißen Kondensstreifen.

Die Last Orbit stieg senkrecht auf. Einhundert Meter, zweihundert, ein Kilometer – dann zündeten die Plasmatriebwerke des Horizontalantriebs. Aus einem Teil des schmalen silbernen Gürtels rund um die Muschelschalen schossen Flammen, die hundert Meter lang waren. Ein urweltliches Brüllen hing lange zwischen den Hallen, Gebäuden und über den freien Plätzen. Dann machte das Schiff einen Satz und zog in einer weiten Kurve nach oben. Nach siebzehn Sekunden war es nicht mehr zu sehen. Die Flugzeuge wurden abgezogen und landeten.

Zwei Tage später gab Major Thomess den Befehl, bis auf eine einzige Stelle das Camp zu räumen, die meisten Geräte wegzuschaffen und die kleine Armee wegzuschicken. Der Chef des Geheimdienstkommandos kam um Urlaub ein und flog mit seiner Familie auf die Bahamas.

Der Weg zu den Sternen

»Das Schiff ist ein wunderbares Meisterwerk, Chef«, sagte Joe Kania, der neben Philip Okhamo in seinem Steuersessel saß und die Sterne vor ihnen beobachtete. Das Schiff flog nun knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit, und die irdische Sonne war längst zu einem Stern unbedeutender Größe geschrumpft. Die Funkverbindung hatte vor drei Tagen aufgehört zu bestehen. Ein tiefes Summen erfüllte das Schiff. Im dritten Sessel hatte Bill Blackborn Platz genommen. Sämtliche Mitglieder trugen jetzt die Uniform, mit einer Nummer auf der rechten Brust und der linken Schulter. William Nader Blackborn hatte die Nummer Eins.

»Zufrieden – auch du, Philipp?«, sagte Blackborn leise. Okhamo nickte scharf und streckte seine lange, magere Hand aus, drehte einen Schalter und zog die Hand wieder zurück. Über ein langes, gläsernes Paneel zog sich ein leuchtender Streifen entlang einer Reihe markierter Punkte.

»Wie lange werden wir brauchen?«, fragte Bill.

»Warte einen Moment«, sagte Kania, nickte Okhamo zu und drückte eine Taste in der Lehne seines Stuhles. Es knackte deutlich, und Kania sagte kurz: »Vier!«

Die Vermittlung schaltete augenblicklich und zuverlässig. »Hier Astrogationsabteilung.«

Kania grinste. »Neben mir sitzt der Chef und will wissen, wie lange wir noch zu fliegen haben.«

Die Antwort kam augenblicklich und sehr deutlich.

»Bis zur Zielsonne sind es neunzig Tage. Wenn wir einen oder mehrere Planeten suchen müssen, so kann dies pro Planet bis zu einer Woche länger dauern. Ende.« Wieder knackte es.

»Nette Spielerei«, sagte Bill. »Aber – es funktioniert gut.«

»Wie alles an Bord. Bis jetzt«, gab Okhamo knapp zurück.

William lachte. Er verließ Nummer Vier und Fünf, die Piloten, und ging durch den direkten Korridor zu seinem Zimmer. Niemand begegnete ihm. Es war wichtig, dass jede Person genügend Platz hatte, denn die Psychologen hatten auf diese Weise dem Raumkoller vorzubeugen versucht. Menschen, die auf engem Raum zusammengepfercht waren, verloren leichter die Nerven.

Blackborn öffnete das Schott, schaltete das Licht ein und schwang den einzigen Sessel herum, der obendrein noch festgeschraubt war. Er setzte sich, drehte sich zurück, berührte eine Leiste und klappte so die Schreibtischplatte aus der Wand. Er zog ein Ringbuch hervor, das mit sechzig Seiten und zwei Deckblättern ausgestattet war. Auf jeder zweiten Seite waren Holofotos und auf der folgenden ein langes, ausführliches Dossier der Frau oder des Mannes; zusätzlich zu den elektronisch gespeicherten Daten.

Nummer Zwei ... Sven Einar Grumman. Blackborn lächelte, griff in die Brusttasche und holte eine Zigarette hervor, zündete sie an und blätterte um. Nummer Drei: Danielle Bolivar, Brasilien, sechsundzwanzig, Hautfarbe: Braun. Spezifikation: Dolmetscherin, besondere Begabung für logische Zusammenhänge verschiedener Sprachfamilien. Blackborn blickte das Foto an. Eine Profilaufnahme, eine ›en face‹, eine Ganzaufnahme im Badeanzug und eine in der Uniform. Die Holografien waren gestochen scharf.

»Zuverlässig«, murmelte Blackborn, verstaute das Album und drehte sich um, als der Türsummer ertönte.

»Herein!« Sven Grumman. Er grinste, sagte: »Guten Tag, Chef«, und ging mit zielbewussten Schritten zu einem Fach, das gelbe Lackierung aufwies. »Ausgerechnet Gelb, die Farbe für Hochspannungsströme«, sagte er und klappte das Brett herunter.

»Du auch?«, fragte er. Bill nickte und sah zu, wie der Freund zwei Gläser und eine Flasche herausnahm, die Gläser halb voll goss und die Flasche zurückstellte. Sven setzte sich auf den Rand des Schreibtisches.

»Worauf trinken wir?«, fragte er.

»Auf die Zuverlässigkeit des Schiffes und die unserer Mannschaft. Darauf kommt es einzig an. Ich möchte wegen eines Planeten keinen einzigen Mann opfern müssen. Ich versuche gerade, die schwächsten Stellen dieser Kette herauszufinden. Aber – ich fürchte, die Psychologen verstanden mehr, als meine Intuition mir sagen kann.«

»Ich glaube es auch, Bill.« Sie tranken langsam und schwiegen eine Weile.

»Wir haben alles erreicht, was wir erreichen wollten, mein Freund«, sagte Bill. »Ein tadelloses Schiff mit einer ebensolchen Mannschaft. Einen Auftrag und ein Ziel. Nun brauchen wir nur noch das Glück, einen Planeten voller humanoider Wesen zu finden, die uns gerührt um den Hals fallen und Geschichten von der guten alten Erde hören wollen. Was – gerade fällt mir’s ein – hältst du eigentlich von Kham Thay?«

»Warum? Interessiert sie dich?«

»Nein. Aber sie ist unsere Journalistin. Ihre Aufgabe ist es, alle Vorgänge festzuhalten, das Logbuch zu führen, zu filmen und zu fotografieren. Dazu hat sie eine Dunkelkammer, einen Holo-Entwickler, drei verschiedene Kameras, hochkomplizierte Aufnahmegeräte und einen reservierten Platz in der Steuerkanzel. Wird die Frau gut genug sein?«

»Hast du ihre Arbeiten nicht angesehen?«

»Nein, ich hatte keine Zeit dazu. Hat sie gut gearbeitet?«

Die zierliche, mandeläugige und schwarzhaarige Vietnamesin hatte als Qualifikationsgrundlagen zwei Jahre lang Reportagen und wissenschaftliche Artikel schreiben müssen. Bill interessierte sich für nahezu alles, das sich auf Papier drucken, in Computerdateien oder in Holosequenzen speichern ließ und hatte die Arbeiten seinerzeit kontrolliert.

»Doch«, sagte er jetzt nachdenklich. »Die junge Dame ist gut und gründlich. Typisch asiatische Methodik, aber sehr leicht verständlich und einprägsam. Ich glaube, sie wird aus etwas so Ereignislosem wie unserem bisherigen Flug eine spannende Geschichte machen können.«

»Gut. Und was machen wir jetzt? Da unsere Hauptaufgabe, nämlich die Koordination der Vorgänge und die Anforderung von Materialien und deren Verteilung, stark zurückgetreten sind ...«

»Ja – wir sind tatsächlich arbeitslos geworden. Ich persönlich werde aber nach einer Woche, die ich für ein gründliches Ausschlafen gedacht habe, mit der systematischen Erforschung des Schiffes anfangen. Schließlich muss Nummer Eins überall Bescheid wissen. Profunde diesbezügliche Kenntnisse dürften auch dir nicht schaden, mein Freund!«

Sven nickte. »Ich werde mich dir anschließen. Poche fest an die Tür meiner Suite, dann werde ich erscheinen und dir auf den Fersen folgen, mein Gebieter!« Bill grinste.

»Scheren Sie sich zu Birgit Huxley, der entzückenden Mathematikerin, und verbreiten Sie dort Ihren kargen Charme, bester Stellvertreter. Abtreten, Nummer Zwei!«

»Du willst doch damit sicherlich andeuten«, sagte Sven und hielt den Schottkontakt zwischen den Fingern, »dass jene entzückende Sprachwissenschaftlerin Danielle dich besucht, um mit dir über die Deklination einiger Sanskritverben zu sprechen?«

»Genau das, Nummer Zwei. Schmerzt es sehr?«

»Mich nicht, Nummer Eins. Höchstens wird Aare Torleifsen, Nummer Zehn – Schweden, Physiker – etwas sauer.«

»Soll er sich grämen«, sagte Bill. »Raus jetzt!«

»Zu Befehl.« Das Schott schloss sich leise zischend.

Der Flug dauerte neunzig Tage und war im Grund ohne besondere Ereignisse. Die Mannschaft machte sich mit sämtlichen Einrichtungen der Last Orbit vertraut. Dann war die fremde Sonne voraus aufgetaucht. Kania und Okhamo hatten in ihrer Übungszeit und in anderen Schiffen zahllose Male die irdische Sonne angeflogen. Für die anderen Besatzungsmitglieder war es jedoch neu und ungewohnt und – aufregend.

Tau Ceti wuchs und wuchs. Diese Sonne mit nur einem Drittel der Leuchtkraft des irdischen Zentralfeuers war gelb und weiß, und die Strahlen drangen durch die Luken und erfüllten die Steuerkanzel mit unwirklichem Licht. Die Astrogationsabteilung fuhr ihre Instrumente aus und begann mit den Messungen. Noch während des Anflugs wurden vom Fernradar drei Planeten ausgemacht. Bill hielt sich jetzt, unterstützt von Elsa Dscheheb, hauptsächlich in der Astrogationszenrale und der Steuerkabine auf, war einmal hier und einmal dort. Die Messungen ergaben, dass Tau Ceti Alpha erdähnlich zu sein schien.

Bill Blackborn entschied, diesen Planeten zuerst anzufliegen und eine Landung zu riskieren. Vorher aber noch sollten ein Orbit eingeleitet und zunächst aus sicherer Entfernung mehr Aufnahmen und Beobachtungen vorgenommen werden.

Elsa Dscheheb, Nummer Achtzehn und gebürtige Marokkanerin, war sehr schlank und sehr hübsch. Sie war mittelgroß, hatte langes dunkles Haar und einen vollen Mund. Sie besaß brennende, fast schwarze Augen und jene seltene Art von Haut, von der alte Herren zu träumen pflegten. Nur – auf diesem Schiff gab es keine alten Herren.

Neben Bill und Juda Hohenberg saß Elsa vor der großen Holoprojektion, die alle Bilder wiedergab, die eine langsam fallende Drohne zum Schiff hinauffunkte. Die Last Orbit umkreiste den Planeten Tau Ceti Alpha in einer Dreistundenbahn.

»Marsähnlich ...«, sagte Juda. Ausgedehnte Wüsten von gelbroter Farbe zogen auf dem Schirm vorbei. Es war anscheinend ein alter Planet, dessen Berge von der langsamen Erosion abgetragen worden waren.

»Keine Schatten, keine Oasen, kein Berg ...«, setzte Ela die Beobachtungen fort. Tiefe Bodensenken glitten über den Farbschirm. Kleine Abstürze ließen dennoch felsigen Grund erkennen; in den Tiefen der Täler lag Geröll, lagen große Felsstücke. Weite Teile dieser Bodenspalten waren von einem seidigen Glanz, der an dichtes Moos denken ließ.

»Habt ihr Vegetation feststellen können?«

Es dauerte einige Sekunden, bis die Technische Abteilung antwortete. »Nein. Nichts. Das Spektrum enthält kein Chlorophyll.«

»Also eine tote, alte Welt«, stellte Bill fest. Grumman war lautlos eingetreten, um die arbeitenden Leute nicht zu stören.

»Landen wir?«, fragte er halblaut. Blackborn zuckte mit den Schultern.

»Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Bis jetzt ist nichts entdeckt worden, was auf eine Spur von Leben schließen lässt. Wie steht es mit der Lufthülle?«

»Nur einige Spuren, ziemlich tief am Boden. Die Atmosphäre scheint sich verflüchtigt zu haben.«

»Das Landungsboot!«, meinte Grumman. »Wir können die Orbit im Orbit lassen, sparen dabei Energie und Aufregung, und das Shuttle fliegt mit Fachleuten zum Planeten. Was sagst du zu diesem Vorschlag?« Bill drehte sich im Sessel, blickte zu Grumman und nickte flüchtig. Dann drückte er eine Taste nieder, und in das Knacken der Verbindung seines Komgerätes hinein sagte er:

»Schaltung Eins. Rundgespräch.« Jeder Raum des Schiffes, in dem eine solcher Gegensprech-Terminal angebracht war, nahm an dieser Schaltung teil. Jedes Besatzungsmitglied hörte, was Bill Blackborn zu sagen hatte.

»Hier Nummer Eins«, sagte er laut. »Eben ist der Vorschlag gemacht worden, das Schiff in der Umlaufbahn zu lassen und einige Mann mit dem Landungsboot hinunterzuschicken. Es sieht bis jetzt so aus, als würde Alpha keinerlei Lebensmöglichkeiten bieten. Die Bestätigung erhalten wir jedoch nur, wenn wir uns an Ort und Stelle umgesehen haben. Gegenvorschläge?«

Es kamen nur zustimmende Kommentare.

»Wer meldet sich freiwillig? Piloten und Sprachwissenschaftler ausgeschlossen.«

»Nummer Zwei!« »Nummer Vierzehn!« »Zehn!« »Elf!«

»Halt.« Bill schaltete sich dazwischen. »Es genügt. Diese vier Mann in der nächsten Stunde in die Nähe von Schleuse Drei, Hangar. Verstanden?«

»Verstanden!«

Die Landungsboote waren eine verkleinerte Ausgabe des großen Schiffes, und dort, wo beim Schiff der glänzende Verbindungsstreifen war, befand sich im Boot eine gläserne Wand. Vier Sitze und eine kleine Ladefläche, von außen zugänglich, genügten den Ansprüchen völlig, dazu kam, dass das Boot wasserfest war und mit Hilfe von Traktorstrahlen vorwärts gezogen werden konnte und auf einem Luftkissen schwebte – falls sich ein Gas dort befand, wo es fliegen sollte. Sonst wurden acht Niederdruckreifen herausgeklappt. Die Freiwilligen warteten vor der Schleuse, als Bill und ein Techniker kamen.

Die auffallend gelben Raumanzüge trugen schwarze Nummern auf Brust und Rücken. Zwei war Grumman, Vierzehn war Takeo Rayong aus Kambodscha, eine zierliche Technikerin mit gelber Hautfarbe, Zehn war Aare Torleifson, der schwedische Physiker, und Elf Krasno Kolgujew, der sowjetrussische Biologe. Die Helme waren noch nicht geschlossen. Keine der Personen trug eine Waffe.

»Wer hat Pilotenausbildung?«, fragte Bill. Krasno und Grumman meldeten sich.

»Grumman – du fliegst das Ding nach unten«, entschied Bill. »Krasno, du übernimmst die Fernsehkameras und gibst den Kommentar. Und die übrigen halten die Augen auf. Alles klar?«

Gegenseitig überprüften sie die Anzüge. Jeder Handgriff war unzählige Male geübt worden und saß. Dann rollte die schwere Wand des Hangars auf, die Tiefstrahler wurden eingeschaltet. Nacheinander kletterten die gelben Gestalten in das Boot, schlossen die winzige Schleuse und setzten sich zurecht. Eine elektronisch gesteuerte Anlage begann, die Vorgänge des Ausschleusens vorzunehmen. Durch eine Glasscheibe beobachteten Nummer Sieben – Arthur Gallon aus Belgien – und Bill das Manöver.

Das Boot löste sich vom Schiff und sackte sofort nach unten durch, fing sich wieder, pendelte sich ein und wurde schnell kleiner und kleiner. Wieder sprangen die Lautsprecher an.

»Achtung, Eins!«

»Soeben tauchte auf dem Schirm ein kugelförmiges Objekt auf, das in der Mitte einer riesigen roten Wüste steht. Radarechos bestätigen ferner eine etwa geradlinige Ansammlung metallener Körper, die zum Schiff zu gehören scheinen. Keine Bewegung feststellbar. Ende – Antworten bitte!«

Bill rief sofort:

»Hier Eins. Diese Nachricht und die Koordination sofort über Sprechfunk ans Landungsboot weitergeben. Bin sofort in der Zentrale. Ende.«

Die Lautsprecher knackten. Bill Blackborn drehte sich um und begann zu rennen. Er hastete die Stufen der Treppe hinauf, schoss durch einen langen Korridor und erreichte die Astrogationszentrale. Hier umstanden die Menschen den großen Schirm, der ein langsam verschwindendes Bild zeigte; die Geschwindigkeit des Schiffes, mit der es um den Planeten zog, war zu groß.

»Könnt ihr versuchen, das Bild noch etwas zu halten?«, fragte Bill atemlos. »Ich erkenne nichts.«

Es war nicht mehr viel zu sehen außer einigen runden Schatten in einer rostroten Fläche. Dann verschwamm das Bild und löste sich in Schlieren auf. Ein zweiter Schirm wurde eingeschaltet und auf die Laserstrahlverbindung mit dem Landeboot einjustiert. Langsam erhellte sich ein Bild, konturlos, rostfarben und flach.

»Ha! Endlich passiert etwas auf diesem langweiligsten aller Flüge. Wenn ich an meine Jugendjahre zurückdenke ...!«, rief Kanias abgründig dunkler Bass aus der Steuerkanzel. Er beobachtete auf einem zugeschalteten Schirm die Bilder.

»Ruhe!«, sagte Bill scharf. »Haben wir Verbindung mit Krasno?«

»Wird gerade hergestellt, Chef.«

Sie warteten eine volle Minute. Dann tönte die Stimme des Sowjetbiologen aus den Lautsprechern; Korgujew sprach Englisch mit hartem Akzent.

»Wir kreisen langsam über der Stelle, die uns angegeben worden ist«, sagte diese Stimme. »Auch wir entdecken die Schatten und gehen nun etwas tiefer. Wir können eine große Kugel erkennen – uns fehlen aber die Vergleichsmaßstäbe. Ich persönlich schätze den Durchmesser auf etwas mehr als einen Kilometer. Vor dem Schiff, in gerader Linie, liegen verschiedene, offensichtlich Metallgegenstände, ebenfalls unbeweglich. Mehr Einzelheiten sind nicht auszumachen. Sollen wir landen? Und wenn ja – an welcher Stelle?«

»Warte, Krasno!«, bat Bill und sah auf den Schirm.

Das Bild entsprach der Meldung. Inmitten einer rostroten, marsähnlichen Wüste von einigen tausend Quadratkilometern Ausdehnung erhob sich unmittelbar eine völlig gleichmäßige Kugel. Sie war von der gleichen Farbe wie die Umgebung; anscheinend verrostet. Vom Schiff führte in nahezu gerader Linie, wie eine Spur unregelmäßiger Blutstropfen, eine Ansammlung dunkler bizarrer Klumpen in die roten Dünen.

»Krasno?«, sagte Bill Blackborn laut. »Sag Grumman, er soll das Shuttle ganz am Ende dieser merkwürdigen Gerätespur absetzen, die Dinge vorsichtig untersuchen und das Ergebnis in Wort und Bild nach oben geben. Ende.«

»In Ordnung.«

Die Kamera im Landungsboot filmte dessen Schatten. Er bewegte sich entlang der Spur einige fünfzig oder hundert Kilometer dahin und senkte sich, als nur noch kleine Flecken sichtbar wurden, am Ende des letzten erkennbaren Gegenstandes nieder. Dann schwankte das Bild; die Kamera wurde aus den Halterungen gelöst und in ein tragbares Gerät umgebaut. Sie zeigte den gelben Anzug mit der Nummer Zwei, in dem Grumman steckte. Die Gestalt ging langsam auf den Gegenstand zu, kauerte sich nieder und streckte vorsichtig eine Hand aus, wendete den Gegenstand. Ein heller Fleck erschien im Sand, und eine kleine Düne brach ein. Es war ein flacher Tank, an dem noch metallene Schließen und Schnallen einer längst verschwundenen Transportvorrichtung hingen. Ein Zeichen, das wie eine Null aussah, erschien unter den wischenden Händen Grummans. Dann drehte sich Sven um, blickte ernst mitten ins Objektiv und winkte den Zuschauern.

»Landet die Last Orbit«, sagte Sven Grumman laut.

Rost zwischen Dünen

William Nader Blackborn hockte auf den Fersen und überlegte. Während seine Gedanken wirre Wege gingen, sah Bill ungehindert durch das Glas seines kugelförmigen Raumhelmes; er blickte auf die fast mathematisch gerade Spur der verrotteten Gegenstände, die auf und in dem Sand zwischen ihm und dem Schiff lagen.

›Hier bin ich‹, dachte Bill, ›zahlreiche Lichtjahre von der Erde entfernt. Ausgezogen, um denkende, intelligente Wesen zu finden und mit ihnen Kontakte zu schließen. Was aber habe ich gefunden, auf dem einzigen von drei Planeten, der, wenn auch höchst exotisches, Leben ermöglicht hätte?‹

Den Tod. Den Tod in mehreren Erscheinungsformen. Der Planet war tot; kein Wasser, wenig Luft, keine Pflanzen, Tiere, Gräser und – keine Wesen, die vielleicht ausgesehen hätten wie ich, oder aber anders. Ein fremdes Schiff. Verrostet, über und über mit dicken Rostschichten bedeckt, die abbröckeln, wenn der Handschuh meines Raumanzuges darüber streicht. Wie jener einsame, kryptische Fund auf dem Mars, dem dritten Sol-Planeten. Rätselhaft! Ist dieses fremde, uralte Schiff ein Hinweis oder eine Falle?‹ Er richtete sich auf und sah sich in der Ödnis um, die sich unter dem harten Licht eines wolkenlosen Himmels bis zum Horizont erstreckte. ›Manchmal genügen winzige Spuren, mikroskopische Dinge, mit den normalen Sinnen nicht wahrnehmbar, um eine völlig andere Richtung zu geben. Die Forschungen, bisher in eine Richtung vorangetrieben, verlaufen anders, erbringen andere Resultate und Ergebnisse ... soll ich forschen, anstatt nach Kontakten zu suchen ...?‹

Eine laute Stimme unterbrach seine Gedanken. »Bill!«, sagte sie. Blackborn schloss die Augen zu schmalen Schlitzen, warf durch das Abblendvisier einen Blick zur grellen Sonne Tau Ceti und drehte sich herum.

»Ja?« Zum ersten Mal sah er das eigene gewaltige Schiff ganz im Freien. Der stahlblaue Koloss nahm sich majestätisch genug aus gegenüber den gelben Mikroben, die vor ihm herumliefen, sich bückten oder stehen blieben. Neben ihm stand Grumman und sah ihn an. »Was gibt es?«

»Du bist enttäuscht, nicht wahr, Bill?« Sven Grumman zeigte auf die Reihe der unkenntlichen Dinge. Aus der unteren Schalenhälfte des Schiffes waren acht hydraulische Stützen ausgefahren und hatten sich mit großen Andrucktellern tief in den roten Sand gepresst. Alles sah aus wie eine Filmszene, die auf dem Mars gedreht wurde – nicht wie ein reales Geschehen auf Tau Ceti Alpha.

»Etwas, Sven«, erwiderte Bill, »ich habe mir den Kontakt mit einer anderen Welt grundlegend anders vorgestellt. Ich weiß nicht genau, wie – jedenfalls anders. Dieses Schiff hier mit seinem Kilometer Durchmesser ...«, er brach ab.

»Du bist der alleinige Leiter dieses Projektes, nicht wahr?«, fragte Sven Grumman und deutete auf die unübersehbare Nummer auf Bills Anzug. Eins. Grumman verzog seine Lippen zu einem dürftigen Lächeln.

»Ja. Was willst du damit sagen?«

»Und du hast die uneingeschränkte Entscheidungsgewalt?«

»Zum Teufel – ja! Aber ...«

Jetzt grinste Sven. »Hier haben wir kein Leben gefunden, auch wenn wir länger gesucht hätten. Nichts deutet darauf hin, dass sich hier seit einer Viertelmillion Jahren etwas bewegt hat, außer einem Sandsturm. Entscheide also, ob wir an dem einzigen Fund Interesse haben, den wir gemacht haben. Wir können Zeit, Material und ausgesucht gute Fachleute dazu verwenden ... um Proviant und Energie brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Vorläufig noch nicht.«

Blackborn schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen. All diese hypothetischen Auswege aus einer Situation, die nicht den allgemeinen Erwartungen entsprach, und seinen schon gar nicht, behagten ihm nicht. Sven war, wenn er wollte, ein Meister der Argumentation, aber Bill kannte ihn lange genug, um ihn bremsen zu können – außer, wenn Sven recht hatte. Er wollte schon voller Zorn und Missmut den Befehl geben, sich ins Schiff zurückzuziehen, als er das fremde, halb wracke Schiff noch einmal genau betrachtete.

»Auch ein Kontakt mit Leichen oder einem leeren Schiff kann ein Kontakt sein. Vielleicht finden wir Hinweise auf den Heimatplaneten dieser Rostkugel?«, mutmaßte er brummend.

»Gerade das meinte ich«, sagte Sven leise mit gelangweilter Stimme. »Du hast dich in den Netzen deiner eigenen Gedankengänge gefangen. Aber ich habe moralische Unterstützung von mindestens achtundzwanzig Mitgliedern unseres Teams. Sie wollen dieses Rätsel lösen.«

Sven war beharrlich und manchmal bis zur Sturheit hartnäckig, und er sprach aus, was er dachte, auch wenn es nicht gern gehört wurde.

»Wir sind am Anfang unseres Fluges«, sagte Sven. »Neun Monate sind gerade vergangen, und jeder von uns braucht etwas Abwechslung. Wir wissen nicht, was die Erkenntnis aus all diesem hier sein wird, und wir kennen auch nichts davon, was hinter der Schleuse des Schiffes auf uns wartet. Wir können uns bis auf Weiteres vorstellen, dass dort die Koordinaten des Paradieses liegen.«

Bill schluckte schwer. Er war nicht imstande, seine Zustimmung zu geben, obwohl nicht ein Atom seiner Vorstellungen hier bestätigt worden war.

»Gut«, sagte er schließlich. »Tun wir uns den Gefallen und versuchen wir, das Schiff zu erstürmen. Zufrieden?«

»Natürlich«, erwiderte Sven. »Du wirst sehen, dass einige schöne Dinge dort warten.«

»Einige exzellente Gerippe in Raumanzügen oder schleichendes Gas, das beim kleinsten Funken detoniert oder ein bissiger Hund ...«

»Bissiger Sternenhund im Vakuum! Eine Phantasie hast du ...!«, brummte Sven. »Los – fahren wir.«

Sven hatte sich aus einem der Maschinenhangars eine »Sandcat« hervorholen lassen und benutzte den kleinen, wendigen Gleiter als Kurierfahrzeug. Das Gerät besaß zwei Gummiwalzen, mit Luft gefüllt, als Antriebselemente, und zwei breite, mit tiefen Profilen ausgestattete Räder als steuerbares Zubehör. Zwei spartanisch harte Sitze und eine kleine Ladefläche waren die Ausstattung, wenn man vom Steuerrad und einigen Stahlhebeln absah. Zwischen den Fronträdern glänzte ein mächtiger Scheinwerfer.

Die Sandcat raste davon, eine steile Fahne hinter sich aufziehend. Die Männer fuhren schräg die Dünenhänge hoch, kippten oben auf den gegenüberliegenden Abhang und fuhren die fünfhundert Meter bis zum Schiff.