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Auf den ersten Blick sieht die zehnjährige Julia aus wie ein Engel. Doch wehe, wer sie näher kennt! Der kann so einiges erzählen von der kleinen Diva. Denn seit Julia als Kinderstar so berühmt ist, sollen alle nur noch nach ihrer Pfeife tanzen. Sie hat das Kommando übernommen und stellt mit ihren Starallüren die Nerven der Hausbewohner auf eine harte Probe.
Der alleinerziehende Vater beobachtet die Entwicklung seiner Tochter mit Sorge, weiß er doch, dass ihr trotziges Verhalten nur eine Form ist, um mit dem plötzlichen Tod der Mama umzugehen. Doch die Kleine schafft es immer wieder, ihn um den Finger zu wickeln. Erst als das neue junge Kindermädchen einzieht, weht plötzlich ein ganz anderer Wind im Hause der Familie Frank ...
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Seitenzahl: 115
Cover
Impressum
Die Welt kennt nur ihr Lächeln
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / MsDianaZ
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4417-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Die Welt kennt nur ihr Lächeln
Dramatischer Roman um die heimlichen Tränen eines Kinderstars
Von Wera Orloff
Auf den ersten Blick sieht die zehnjährige Julia aus wie ein Engel. Doch wehe, wer sie näher kennt! Der kann so einiges erzählen von der kleinen Diva. Denn seit Julia als Kinderstar so berühmt ist, sollen alle nur noch nach ihrer Pfeife tanzen. Sie hat das Kommando übernommen und stellt mit ihren Starallüren die Nerven der Hausbewohner auf eine harte Probe.
Der alleinerziehende Vater beobachtet die Entwicklung seiner Tochter mit Sorge, weiß er doch, dass ihr trotziges Verhalten nur eine Form ist, um mit dem plötzlichen Tod der Mama umzugehen. Doch die Kleine schafft es immer wieder, ihn um den Finger zu wickeln. Erst als das neue junge Kindermädchen einzieht, weht plötzlich ein ganz anderer Wind im Hause der Familie Frank …
»Möchtest du noch ein Stück Käsekuchen, Liebling?« Elfriede Groß schaute ihre Tochter Tina fragend an.
»Danke, Mutti, ich hab ehrlich gesagt, keinen besonderen Appetit.« Die junge Frau seufzte. »Die Sache mit den Oberlingers ist mir wohl auf den Magen geschlagen.«
Elfriede setzte sich an den Küchentisch aus unbehandeltem Holz, der, ebenso wie die gesamte Einrichtung des Raumes, hell und gemütlich wirkte.
Oh ja, Tina hatte Sorgen. Ihre ganze Haltung drückte das aus, und die himmelblauen Augen strahlten nichts von der sonst stets präsenten Unternehmungslust aus.
»Hast du schon gekündigt?«, fragte Elfriede nun vorsichtig, denn es war eine heikle Angelegenheit.
Tina war Erzieherin und seit einem Jahr bei der Familie Oberlinger tätig. Das Ehepaar hatte zwei kleine Kinder und konnte es sich erlauben, diese von einer qualifizierten Kraft erziehen zu lassen. Beide waren Ärzte und betrieben eine Gemeinschaftspraxis. Leider hatte sich Jochen Oberlinger in der letzten Zeit etwas zu intensiv für Tina interessiert.
Die junge Frau war sonst nicht schüchtern, und sie hatte dem Mann auch deutlich gezeigt, was sie von seinen Annäherungsversuchen hielt – nämlich gar nichts! Doch das hatte den notorischen Schürzenjäger nicht gestört.
So bitter es für Tina war, blieb ihr nur die Kündigung. Denn eine Aussprache mit Frau Oberlinger hatte nur deren Missgunst auf sie gezogen.
Tina blickte die Mutter traurig an.
»Es ist nicht so einfach, als Erzieherin heutzutage einen guten Job in einem Privathaushalt zu kriegen. Schade, bei den Oberlingers hätte ich es aushalten können. Die Kinder waren lieb, man konnte gut mit ihnen auskommen. Aber damit ist ja nun Schluss.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und fügte dann noch hinzu: »In einer Stunde treffe ich mich mit Frau Oberlinger zu einem letzten Gespräch. Es sind noch einige Formalitäten zu klären.«
»Du tust mir leid«, meinte Elfriede und legte ihrer Tochter mitfühlend die Hand auf den Arm. »Leider gibt es viel zu viele Männer, die uns Frauen als Freiwild betrachten.«
Tina musste schmunzeln. »Mutti, ich finde, jetzt übertreibst du. So pauschal kann ich die Dinge nicht betrachten.«
Elfriede krauste die Stirn, meinte dann aber nur: »Wenn du älter wirst, begreifst du schon, dass ich recht habe.«
Tina war zwar nicht dieser Meinung, aber sie behielt das für sich.
Tina und Elfriede waren sich äußerlich ziemlich ähnlich. Beide waren von schlanker, sportlicher Erscheinung, trugen das Haar kurz, wobei Tinas goldblond war, während das von Elfriede schon in einem silbrigen Grau schimmerte.
Bei der Kleidung ging der Geschmack der beiden Frauen allerdings in verschiedene Richtungen. Tina mochte unkomplizierte, sportliche Mode, ihre Mutter bevorzugte den »Indienlook« mit Schlabberröcken, weiten Blusen und viel Silberschmuck.
Seit Elfriedes Mann vor fünf Jahren gestorben war, hatte sie sich eine eigene Existenz als Heilpraktikerin aufgebaut, und mit dem Erfolg war auch ihr Selbstbewusstsein gewachsen. Sie war eine spontane, witzige Person, und Tina hatte manchmal den Eindruck, dass sie ihre Rollen fast vertauschten. Sie selbst war in vielen Dingen konservativer eingestellt als ihre Mutter – auch was Männer betraf.
Elfriede war emanzipiert und hatte immer mal wieder einen Freund. Sie nahm das Leben leicht und scherte sich nicht darum, was die Leute von ihr dachten. Schwermut war für sie ein Fremdwort.
Tina dagegen betrachtete die Liebe als etwas Besonderes. Und sie war fest überzeugt, dass für jeden Menschen die große Liebe irgendwo wartete. Ihre Mutter tat diese Einstellung als »hoffnungslos romantisch« ab, aber Tina machte sich nichts daraus.
»Mach dir nicht zu viele Gedanken wegen dieser Geschichte«, riet Elfriede nun und trank einen Schluck Tee. »Ich werde nachher die Abendzeitungen besorgen und mit dir gemeinsam die Stellenanzeigen durchgehen, einverstanden?«
»Danke, Mutti, das ist lieb. Aber ich muss jetzt los.«
Tina erhob sich und griff nach ihrer Handtasche.
»Kommst du nachher noch mal vorbei?«, wollte Elfriede wissen.
Sie begleitete ihre Tochter in die Diele, wo Tina eine bunte Jacke überzog, die zu den sportlichen Jeans gut passte.
»Mal sehen. Ich melde mich auf jeden Fall. Und wenn du was in der Zeitung siehst, ruf mich an.«
Sie umarmten sich kurz, dann zog Tina die Tür hinter sich ins Schloss.
***
Die Oberlingers wohnten in Grünwald, einem Villenvorort von München. Tina nahm von der Wohnung ihrer Mutter aus die U-Bahn und musste eine Fahrt von einer halben Stunde zurücklegen.
Es war früher Nachmittag und der Betrieb in der U-Bahn entsprechend. Die junge Frau konnte einen Sitzplatz ergattern und blickte gedankenverloren in den verregneten Frühlingstag, wenn der Zug oberirdisch fuhr.
Das Wetter passte zu Tinas Stimmung. Zwar hatte ihre Mutter sich redlich Mühe gegeben, sie aufzumuntern, doch genützt hatte es nicht viel. Die Situation blieb. Und Tina hatte nicht nur ein unerfreuliches Gespräch vor sich, sie musste auch wieder auf Stellensuche gehen, eine unangenehme Sache.
»Ah, da sind Sie ja«, mit diesen Worten begrüßte Vera Oberlinger Tina wenig später.
Die Hausdame hatte die junge Erzieherin ins Haus gelassen und dann der Hausherrin Bescheid gegeben. Diese hatte sich extra den Nachmittag freigenommen, denn sie wollte noch einmal ausführlich mit Tina reden. Es tat ihr leid, eine so gute Erzieherin zu verlieren. Aber die Vorwürfe, die Tina gegen Veras Mann erhoben hatte, mussten aus der Welt geschaffen werden.
Vera Oberlinger trug an diesem Tag einen beigefarbenen Hosenanzug, der klassisch geschnitten war und ihr etwas herbes Aussehen noch unterstrich. Sie bat die Besucherin in ihr Arbeitszimmer und setzte sich dann hinter den schweren Eichenschreibtisch, der dort stand.
Anscheinend hatte sie bereits zuvor hier gearbeitet, denn der Tisch war mit Papieren und Büchern übersät.
Vera Oberlinger schaute Tina kurz an und sagte: »Entschuldigen Sie die Unordnung, aber ich arbeite gerade an einem neuen Artikel fürs Ärzteblatt.«
Tina lächelte etwas gezwungen. »Das macht doch nichts.«
»Kann ich Ihnen vielleicht etwas anbieten? Kaffee oder Tee?«
Die junge Frau lehnte dankend ab.
»Nun gut, dann kommen wir zur Sache.« Vera Oberlinger zog die Stirn in Falten. »Es tut mir außerordentlich leid, Sie zu verlieren, Tina. Ich möchte noch einmal betonen, wie zufrieden wir mit Ihnen waren. Das kommt auch in ihrem Zeugnis zum Ausdruck. Ich habe es noch nicht unterschrieben, denn ich wollte zuerst noch einmal mit Ihnen reden.«
»Ich wüsste nicht worüber«, entgegnete Tina kühl.
Sie merkte sehr gut, worauf ihre Arbeitgeberin hinauswollte. Sie sollte die Anschuldigung gegen ihren Mann zurücknehmen, und damit den Schwarzen Peter in die eigene Tasche stecken. Doch dazu war Tina nicht bereit, denn sie hatte nur die Wahrheit gesagt.
»Nun ja, vielleicht über die Missverständnisse, die sich zwischen meinem Mann und Ihnen aufgebaut haben«, fing Vera vorsichtig an. »Schließlich haben Sie da eine Menge Unsinn erzählt, und das kann ich nicht im Raum stehen lassen.«
»Ich habe keinen Unsinn erzählt«, erwiderte Tina ruhig, »sondern lediglich das, was passiert ist. Nur aus diesem Grund habe ich gekündigt.«
Eine steile Falte zwischen Veras Augenbrauen zeigte deutlich den Unmut, den Tinas Worte in ihr auslösten. Doch sie sagte nichts mehr, wollte anscheinend einer offenen Auseinandersetzung doch aus dem Weg gehen. Sie unterschrieb das Zeugnis, steckte noch einen Scheck dazu und reichte Tina beides in einem Umschlag.
Die junge Frau erhob sich. »Danke, auf Wiedersehen.«
Sie wollte den Raum verlassen, als die Stimme der Ärztin sie aufhielt.
»Sie werden doch mit dieser erfundenen Geschichte nicht hausieren gehen? Mein Mann hat schließlich einen Ruf zu verlieren.«
In der Tür wandte sich Tina noch einmal um.
Ihre Miene war schwer zu deuten, als sie erwiderte: »Keine Angst, Frau Oberlinger, ich habe nicht die Absicht, jemandem von der Sache zu erzählen.«
Damit wandte sie sich endgültig um und verließ den Raum. Draußen, in der weitläufigen Diele, musste Tina erst einmal tief durchatmen. Sie hatte sich sehr zurückhalten müssen, um ihrer Empörung nicht Luft zu machen. Doch was hätte es genützt? Sie war ihren Job so oder so los, und eine Auseinandersetzung konnte da auch nichts mehr ändern.
»Tante Tina, Tante Tina!«, klang es da von der Treppe her aus zwei Kinderkehlen.
Tina schaute sich mit einem unguten Gefühl um. Sie hatte sich schon am Vortag von den Kindern verabschiedet und hatte damit eine tränenreiche Szene verhindern wollen.
»Na, ihr beiden, was macht ihr denn hier?«, fragte sie nun und ging zur Treppe.
Die Zwillinge Paul und Hannes, beide fünf Jahre alt, stürmten die Stufen hinab und warfen sich Tina an den Hals.
»Nicht so stürmisch, ihr beiden Racker, ihr werft mich ja um.«
»Bleibst du jetzt doch bei uns?«, fragte Peer hoffnungsvoll.
»Nein, ihr beiden, wir müssen uns leider Lebewohl sagen. Aber ich bin sicher, ihr werdet auch mit meiner Nachfolgerin gut auskommen.«
»Ach nein, bleib doch«, kam es wie aus einem Mund, und Tina fragte sich, wie sie die beiden beruhigen sollte.
»Nun ist aber Schluss!«, klang da Veras Stimme auf. »Ihr lasst mir Frau Groß in Ruhe, ab in eure Zimmer!«
Die Zwillinge wollten nicht gehorchen, denn sie hatten ihre Erzieherin mittlerweile viel zu liebgewonnen. Tränen standen in den großen Augen. Tina musste selbst schlucken.
»Nun macht aber auch, was eure Mutter sagt!«, meinte sie mit gespielter Strenge.
Da erst trollten sich die beiden.
Vera war wieder in ihrem Arbeitszimmer verschwunden, als Tina sich nach ihr umschaute. So verließ sie das Haus, in dem sie ein Jahr lang gearbeitet hatte, und fragte sich, was die Zukunft wohl bringen würde.
***
»Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht!«
Das hübsche Mädchen mit den langen dunkelblonden Haaren stampfte trotzig mit dem Fuß auf, und seine blauen Augen schienen Funken zu sprühen. Die etwas hilflos wirkende Dame mittleren Alters warf einen resignierten Blick gen Himmel.
»Aber Julia, nun sei doch nicht so ungezogen. Alle warten auf dich. Du weißt, dass der Film fast fertig ist. Und Herr Richter hat eben noch einmal angerufen. Seit zwei Wochen ist endlich mal wieder schönes Wetter, ideal für die Außenaufnahmen.«
»Herr Richter ist ein Blödmann, bäh!« Julia streckte zur Untermalung ihrer Bemerkung die Zunge heraus.
Frau Schmuck, die Hausdame und Ersatzmutter im Hause Frank, war ratlos. Seit Julia vor einigen Monaten ihre Mutter auf tragische Weise verloren hatte, war das Mädchen unerträglich. Sie wurde einfach nicht mehr mit dem Mädchen fertig.
Der einzige Mensch, der noch Zugang zu Julia hatte, war ihr Vater, der gleichzeitig ihr Manager war. Doch der hatte nicht den ganzen Tag Zeit, sich um das Kind zu kümmern. Frau Schmuck, die selbst keine Kinder hatte und sich der Aufgabe nicht mehr gewachsen fühlte, hatte schon mehrmals bei ihrem Arbeitgeber darauf hingewiesen, dass eine Erzieherin eingestellt werden musste. Doch Julia wollte das nicht, und sie hatte es bisher zu verhindern gewusst.
Im Hause Frank lief eben alles ein wenig anders als in normalen Familien, denn Julia war ein bekannter Kinderstar und hatte schon in einer Reihe erfolgreicher Filme mitgewirkt. Das zehnjährige Mädchen hatte schon eine gehörige Portion gesunden Menschenverstand und war bisher vom Filmgeschäft nicht verdorben worden. Doch seit dem Tod der Mutter war alles anders. Da entwickelte Julia Allüren wie ein Hollywoodstar.
»So redet man nicht über Erwachsene«, tadelte Frau Schmuck nun und schaute Julia streng an. »Nun mach dich fertig, der Fahrer holt dich gleich ab.«
»Ich habe aber keine Lust«, beharrte das Kind und setzte sich trotzig mitten auf den weißen Marmorboden.
»Aber Kind, steh doch auf, du wirst dich noch erkälten«, lamentierte Frau Schmuck, die nun langsam aber sicher die Geduld verlor.
Julia dachte nicht daran. Sie schob trotzig die Unterlippe vor und machte sich schwer, als die Hausdame versuchte, sie wieder auf die Beine zu ziehen.
»Nun sei doch endlich mal ein bisschen artig«, bat diese nun, doch ohne viel Erfolg.
»Was ist denn hier los?«, ließ sich da eine sonore Männerstimme aus der Diele vernehmen.
Der Klang dieser Stimme bewirkte ein kleines Wunder, denn Julia sprang nun im Handumdrehen auf die Füße, ein strahlendes Lächeln huschte über ihr hübsches Kindergesicht, und im nächsten Moment flog sie ihrem Vater in die Arme.
»Papa, rette mich vor Frau Schmuck!«, rief Julia übermütig und lachte dabei gut gelaunt.
Christoph Frank hielt seine Tochter einen Moment auf dem Arm, dann stellte er sie auf die Füße und betrat zusammen mit ihr den Wohnraum, wo die geplagte Hausdame stand.
»Was hat das Kind denn wieder verbrochen?«, wollte der Hausherr wissen und ließ sich auf dem tiefen Ledersofa nieder.
Julia setzte sich neben ihn und wirkte ganz zufrieden.
»Sie benimmt sich unmöglich«, klagte Frau Schmuck. »Herr Frank, wir müssen nun endlich einmal ernsthaft über die Einstellung einer Erzieherin nachdenken. Ich kann diese Aufgabe nicht länger übernehmen.«
Julia grinste frech und zeigte Frau Schmuck eine lange Nase. Ihr Vater gab ihr einen leichten Klaps auf die Finger.
»Sie haben recht«, stimmte er zu, »so geht es wirklich nicht weiter. Ich werde eine Anzeige aufgeben.«
Das gefiel Julia nun gar nicht.
»Aber Papa, das kannst du doch nicht machen.«