Lea und die Pferde – Ein Herz für Joker - Christiane Gohl - E-Book

Lea und die Pferde – Ein Herz für Joker E-Book

Christiane Gohl

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Beschreibung

Große Aufregung auf dem Reiterhof: Lea darf zum ersten Mal mit ihrem Pferd Joker bei einem Dressurturnier antreten! Nach anfänglicher Nervosität geht alles gut. Sie und Joker gewinnen. Lea ist überglücklich. Doch dann kommt die böse Überraschung: Jokers ehemalige Besitzerin sieht nun, was in Joker steckt. Sie hatte ihn Lea geschenkt, weil er krank war - und nun fordert sie Joker zurück. Lea, Thorsten und ihre Freunde wollen das um jeden Preis verhindern!

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Seitenzahl: 176

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Über die Autorin

Dr. Christiane Gohl wurde 1958 in Bochum geboren. Nach dem Studium der Psychologie und Pädagogik arbeitete sie zunächst als Werbetexterin und Reiseleiterin, dann als freie Autorin und Fachjournalistin. Seit ihrem zehnten Lebensjahr beschäftigt sie sich mit Pferden und reitet in verschiedenen Disziplinen. Pferdefreundliches Reiten und artgerechte Haltung sind ihr dabei besonders wichtig. Mit ihren fundierten Sachbüchern und Romanen avancierte sie in kurzer Zeit zu einer Bestseller-Autorin der Pferdebuchszene. Christiane Gohl lebt heute in Spanien.

Christiane Gohl

Lea und die Pferde

Ein Herz für Joker

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2010 by Boje Verlag in der Bastei Lübbe AG, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Titelbild: UpperCut Images Photography

Umschlaggestaltung: Kathrin Schüler, Hamburg

Außenredaktion: Anke Thiemann

E-Book-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-8387-1005-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Inhalt

Bock auf bunte Schleifen?

Turniertrottel

Frust auf der ganzen Linie

Andere Sorgen

Nie wieder!

Ein Junge zum Pferdestehlen

Bonnie und Clyde

Gefahr für Joker

Bonnie, Clyde und Robin Hood

Neue Pläne

Zurück zu den Wurzeln

Bock auf bunte Schleifen?

Manche lernen es einfach nie …« Tina Tomms hockte auf einem Strohballen neben dem Reitplatz der Haltergemeinschaft am Höhnweg, kraulte den Hofhund Bluff und kommentierte das Geschehen in der Reitbahn. Ihre Mutter unterrichtete dort gerade zwei neue Schülerinnen, Suse und Marie Richard. Die etwa siebenjährige Suse saß auf einem gescheckten Reitpony, die neunjährige Marie ritt einen Islandwallach. Sofern man hier von »Reiten« sprechen konnte. Tatsächlich machte der struppige Braune, was er wollte, und bewegte sich zudem nur im Passgang wie ein Kamel. Der Schecke war noch schlimmer. Alle fünf Minuten startete er unvermittelt durch und galoppierte ein- bis zweimal um die Runde, wobei Suse hysterisch schrie. Tina verdrehte darüber nur die Augen. Sie selbst war zwar auch erst elf Jahre alt, im Sattel allerdings längst ein alter Hase. »Tommie«, wie wir ihre Mutter nannten, hatte Tina schon aufs Pferd gesetzt, bevor sie laufen konnte. Inzwischen bestritt Tina erfolgreich Turniere bis zur Klasse L. Und hatte wenig Geduld mit Anfängern.

Was mich anging, so brachte ich deutlich mehr Verständnis für die beiden gebeutelten Mädchen auf den unrittigen Ponys auf. Ich ritt selbst noch nicht so lange – und ich war nicht von allein auf die Idee gekommen, ausgerechnet diesen Sport zu erlernen. Tatsächlich war ich zunächst nur im Schlepptau meiner Mutter in der Reitschule gelandet. Aber dann hatte ich mich dort zunächst in das Pferd Joker und dann in meinen Freund Thorsten verliebt – und war jetzt mit beiden ziemlich glücklich. Ich liebte lange Ausritte auf Joker – möglichst verbunden mit Händchenhalten mit Thorsten. Der Dressurreiterei konnte ich allerdings nach wie vor nicht viel abgewinnen, und die zwei Mädchen, die hier verzweifelt versuchten, Tommies erst freundlichen, jetzt aber zunehmend genervt klingenden Anweisungen zu folgen, taten mir leid.

»Sie reiten eben noch nicht lange«, nahm ich die beiden gegenüber Tina in Schutz und versuchte, Joker daran zu hindern, ausgerechnet den Strohballen anzuknabbern, auf dem Tommies Tochter thronte. Mit wenig Erfolg. Mein brauner Wallach zog ihn beinahe mühelos unter Tina weg. Sie war ein sehr kleines, zierliches Mädchen mit rotem Haar und Pippi-Langstrumpf-Zöpfen. Man hätte ihr absolut nicht zugetraut, Riesenrösser wie Joker bändigen zu können. Tatsächlich ging mein gewaltiger Westfale unter Tina aber sehr viel besser als unter mir, und ihre eigenen Turnierponys, Farian und Zinderella, brachte sie regelrecht zum Tanzen.

»Noch nicht lange?«, quietschte Tina. »Also Marie reitet jetzt drei Jahre und Suse zwei. Gut, zuerst im Islandpferdeverein, das zählt nicht so. Aber selbst da sollten sie gelernt haben, nicht alle drei Minuten zu schreien oder abzuspringen.«

Letzteres praktizierte Marie gerade, als sich ihr Pferd anschickte, dem Schecken ihrer Schwester nachzusetzen. Marie machte gar nicht erst den Versuch, es daran zu hindern, sondern ließ sich gleich in den Sand der Reitbahn fallen. Ihre Mutter, die vom Rand aus zusah, brüllte sie an. Suse erschrak darüber derart, dass sie auch gleich den Sattel räumte. Vergnügt galoppierten beide Pferde reiterlos durch die Bahn. Tommie beherrschte sich eisern. Freundlich fragte sie die Mädchen, ob ihnen auch nichts passiert sei, und wies sie dann an, die Ponys wieder einzufangen.

Tina rieb sich genervt die Nase. Hätte sie selbst sich so ein Verhalten erlaubt wie Marie und Suse, hätte Tommie sie wahrscheinlich gevierteilt.

»Die zwei sind einfach unfähig!«, urteilte sie dann, während die Mädchen hinter ihren Ponys hersetzten. »Entweder dumm oder faul oder beides. Suse kann nicht mal richtig auftrensen, sie hat vorhin geheult, weil der Schecke den Kopf hochriss, als sie ihm das Gebiss ins Maul schieben wollte. Hätte ich an seiner Stelle auch gemacht, der weiß ja, dass sie nur an der Trense rumzerrt. Und Marie … meine Güte, wenn ihre Mutter nicht aufpasst, legt die glatt noch den Sattel verkehrt herum auf!«

Das alles war natürlich übertrieben, aber eine gewisse Unsicherheit der Schwestern im Umgang mit ihren Pferden war mir auch schon aufgefallen. Allerdings hielten sie die Ponys noch nicht sehr lange in Eigenregie. Familie Richard wohnte in der Nähe des Höhnwegs und hatte sich erst vor Kurzem einen kleinen Stall in den Garten gestellt. Vorher hatte Brownie, der Islandwallach, in einem reinen Islandpferdestall in Pension gestanden. Da musste er allerdings raus, als sie Pünktchen für Suse kauften. »Normalpferde« nahm der Stallvermieter nicht auf und einen zweiten Isländer wollte Frau Richard nicht anschaffen.

»Warum eigentlich nicht?«, erkundigte ich mich mäßig interessiert bei Tina. Joker und ich hatten nach Marie und Suse Reitstunde bei Tommie, und da ich zu früh gekommen war, hing ich nun mit ihr am Reitplatzrand rum. »Die meisten Islandpferdeleute wechseln doch nie die Rasse.«

Tina verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln, wobei ihre Zöpfe wippten und ihre Sommersprossen tanzten. »Mama Richard möchte aber in den Turniersport«, verriet sie mir dann. »Und das ist bei Islandpferdeleuten bekanntlich eine Geldfrage …«

»Im Normalsport nicht?«, neckte ich sie. Tommie gab für Tinas Turnierponys sehr viel Geld aus.

»Doch«, gab Tina zu und drückte Jokers riesige Nase energisch von ihrem Strohballen weg. Er schob sein Riechorgan stattdessen tapirartig vor und untersuchte Tinas Taschen auf Leckerli. »Aber man muss schon fähig sein, das Pferd zu lenken. Und ab und zu gewinnt auch mal jemand mit einem nicht so teuren Pony, wenn er dafür gut drauf sitzt. Gerade in den kleinen Prüfungen. Wenn der Schecke da einigermaßen gut ginge, sähe das für Suse gar nicht so schlecht aus. Aber mit dem Isi hat Marie im Sport keine Chance, egal wie sie reitet. Und im Islandpferdebereich wird sie auch nichts. Das Pony töltet ja nicht mal.«

Ich nickte. Meine Mutter und ich hatten kurzzeitig im Islandpferdeverein geritten, als wir noch Anfänger waren, und so kannte ich mich ein bisschen aus: Mit einem Pferd wie Brownie konnte man in keiner Turnierdisziplin für Isländer eine Schleife holen.

Allerdings war der kleine Wallach auch für konventionelle Dressur- und Springprüfungen völlig ungeeignet. Dafür fehlte ihm einfach die Ausbildung. Und Marie war weit entfernt davon, dem abhelfen zu können. Sie stieg eben wieder auf und schrie ihr Pony an, weil es dabei fast in Trabgeschwindigkeit rückwärtsging.

»Schimpf nicht mit ihm, sondern lass die Zügel lockerer!«, befahl Tommie. »Wenn du ihm im Maul herumzerrst, versucht er natürlich, sich dir zu entziehen.«

Marie ließ die Zügel los und fand sich rücklings im Sand wieder, als Brownie als Reaktion darauf vorwärtsstürmte.

Tommie schüttelte den Kopf. »Lockerer lassen, nicht wegschmeißen! Und du, lass Pünktchen doch nicht schon wieder hinterherlaufen, Suse!«

Der Schecke trabte gerade wieder unaufgefordert an. Suse heulte auf.

Tina stöhnte und sah auf die Uhr. »Noch fünf Minuten«, sagte sie dann. »Meine Mami ist wahrscheinlich kurz vor dem Hörsturz.«

Ich hoffte bloß, dass Tommie ihren Frust nicht an mir abreagieren würde. In der letzten Zeit wurde sie immer strenger und strenger, wenn sie Joker und mich korrigierte. An sich sollte ich mich dadurch geehrt fühlen. Tommie hatte unendliche Geduld mit Anfängern. Ihre Turnierhoffnungen zwiebelte sie dagegen erbarmungslos, allen voran ihre Tochter Tina. Und neuerdings sah sie wohl auch in mir einen aufgehenden Stern am Dressurhimmel. Nach langer Zeit machte ich endlich Fortschritte darin, Joker an den Zügel zu reiten und korrekt durch Bahnfiguren zu führen. Langsam erinnerte er sich wieder an seine glorreiche Vergangenheit als sündhaft teures Dressurpferd – eine Lebensphase, die er eigentlich längst abgehakt hatte. Joker hatte mit seinen früheren Besitzerinnen nicht viel Glück gehabt. Sie hatten ihn von einem Turnier zum anderen geschleppt und zwischendurch hart trainiert. Als er dann endlich durch einen glücklichen Zufall bei mir landete, wollte er keinen Dressurplatz mehr sehen. Und ich selbst neigte wie gesagt auch nicht zum »Kringelreiten«. Aber andererseits war Joker ein sehr großes, sehr starkes Pferd. Ich musste lernen, ihn zu kontrollieren, sonst wurde es schlicht zu gefährlich, wenn er im Gelände ins Rennen kam. Also nahm ich brav Reitstunden bei Tommie – und musste dabei zusehen, wie nicht nur in meiner Reitlehrerin, sondern auch in meiner Mutter der Ehrgeiz erwachte. Letzten Sommer hatte sie mir sogar ein Reitjackett gekauft, als ich mit dem Pferd einer Freundin in einer Dressur startete – dunkelgrün, passend zu meiner Augenfarbe –, was zugegebenermaßen cool aussah. Leider konnte man es zu keinem anderen Anlass tragen als zu der dämlichen Turnierreiterei. Und Mom erwartete jetzt natürlich, dass ich auf Joker darin glänzte.

Tommie hatte ihre Schülerinnen inzwischen endlich wieder im Sattel und ließ sie zum Abschluss noch ein wenig Schritt reiten. Nach zwei Runden beendete sie dann die Stunde. Frau Richard stürzte sofort auf sie zu.

»Das war aber noch nicht so vorführreif! Was können wir denn machen, Frau Tomms, damit das besser wird?«

Tommie seufzte. »Üben, Frau Richard«, meinte sie dann.

Ich hatte Joker inzwischen in die Bahn geführt und gurtete nach. Natürlich ganz zufällig in der Nähe von Tommie und ihrer Kundin.

»Und vielleicht auch mal über andere Pferde nachdenken …«, fügte Tommie schließlich etwas widerwillig hinzu. Für heute hatte sie offensichtlich genug von Familie Richard. »Schauen Sie, die Voraussetzungen für Ihre Töchter sind einfach denkbar schlecht. Die Mädchen sind beide noch Anfänger …«

»Anfänger?«, erregte sich Frau Richard. »Aber Marie reitet seit drei Jahren! Wir haben Brownie selbst eingeritten …«

Tommie rieb sich die Nase – die gleiche Geste wie bei Tina, wenn sie genervt war. Ansonsten hatten Mutter und Tochter auch das rote Haar und die Sommersprossen gemeinsam. Aber Tommie war nicht grazil wie Tina, sondern eher der stämmige, kompakte Typ. Und natürlich trug sie keine Zöpfe, sondern eine praktische Kurzhaarfrisur.

Schließlich gab sie sich einen Ruck.

»So benimmt er sich auch, Frau Richard«, erklärte sie hart. »Wie ein Pferd, das von einem Reiter eingeritten wurde, der selbst nicht viel kann. Auf Brownie wird Marie nichts lernen, der braucht selbst noch Beritt. Und mit Pünktchen ist es auch nicht groß anders. Der …«

»Der hat tausend Euro gekostet!«, trumpfte Frau Richard auf. »Das ist viel für so ein kleines Pony!«

Pünktchen war etwa einen Meter dreißig hoch.

»Wenn sie vom Kilopreis ausgehen, vielleicht«, bemerkte Tommie.

Ich musste kichern.

Dabei fiel ich der Reitlehrerin auf. Sie schaute mich strafend an. »Sitz auf, Lea, und reite ihn warm. Das hättest du übrigens vorhin schon tun können, statt mit Tina zu quasseln.«

Ich gab den Blick beleidigt zurück. Gut, gewöhnlich störte es nicht, wenn der nächste Reiter sein Pferd schon etwas warm machte. Aber hätte ich wirklich in dem Durcheinander von eben abreiten sollen?

Jetzt jedenfalls begann ich, Joker mittels Kreuz- und Schenkelhilfen an den Zügel zu reiten, während Tommie Frau Richard klarmachte, dass der Preis eines Pferdes nicht nur von Aussehen und Abstammung abhing, sondern vor allem vom Ausbildungsstand.

»Die Größe spielt dabei die allerkleinste Rolle!«, endete sie schließlich. »Farian zum Beispiel hat mich mehr als zehntausend Euro gekostet.«

Ich sah aus dem Augenwinkel, dass Tina am Reitplatzrand besorgt das Gesicht verzog. Farian, ihr braunes Turnierpony, war noch kleiner als Pünktchen, was in letzter Zeit zunehmend zum Problem wurde. Tina war zwar sehr klein und zierlich, aber auch sie wuchs, und das Größenverhältnis zwischen ihr und Farian kam inzwischen an die Grenze dessen, was Turnierrichter tolerierten. Zwar konnte Farian Tina noch mühelos tragen, aber im Gegensatz zum Islandpferdesport, wo auch große Männer kleine Pferde ritten, wünschten sich Dressurrichter ein möglichst harmonisches Bild. War der Reiter zu groß für das Pony, gab es Punktabzüge. Tommie hatte ihrer Tochter deshalb die deutlich größere Zinderella gekauft – ein junges Pferd, auf dem Tina unter ihrer Anleitung lernte, wie man Pferde ausbildete. Sobald Zinderella die ersten Schleifen gewann, würde Farian verkauft werden. Tina fürchtete diesen Tag. Sie liebte ihr Pony.

Ich hatte nun aber Wichtigeres zu tun, als über Tinas Probleme nachzudenken. Tommie konzentrierte sich jetzt ganz auf Joker und mich, und nach ein paar Minuten hatte ich alles vergessen, was außerhalb der Reitbahn stattfand. Ich brauchte meine ganze Konzentration, um meine Hilfen zu koordinieren und dabei Jokers gewaltige Bewegungen auszusitzen. Innerhalb einer Viertelstunde war ich schweißgebadet, obwohl es eigentlich ein eher kühler Frühlingstag war. Nach einer halben Stunde sehnte ich mich nach dem Ende der Lektion – aber erst als ich meinte, kurz vor dem Kollaps zu stehen, wies mich Tommie an, mir die Zügel aus der Hand kauen zu lassen. Joker streckte sich gleich wohlig Richtung vorwärts-abwärts.

»Das sah doch schon sehr gut aus!« Ein Lob aus Tommies Mund! Ich wäre vor Überraschung fast vom Pferd gefallen. »Besonders nach diesen hoffnungslosen Fällen von eben. Du hast mein Selbstbewusstsein als Reitlehrerin erfolgreich wiederaufgebaut.«

Tommie grinste mich an. »Aber jetzt machen wir auch Nägel mit Köpfen. Wann willst du nennen, Lea? Gleich Ende des Monats die A-Dressur in Essen oder erst im Juni das Turnier im Reiterverein Wienberg? Wienberg ist nicht so weit, aber dir muss natürlich klar sein, dass da die ganze Meute zusieht, die das Pferd von früher kennt.«

Und nicht nur das Pferd! Meine Mom und ich hatten im Reiterverein Wienberg unsere ersten Reitstunden genommen. Und Joker hatte damals im dortigen Privatstall gestanden und der Schwester meines ersten Freundes gehört. Später hatte Frau Müller-Westhoff ihn gekauft, und er war mein Pflegepferd gewesen, bis ich ihn schließlich geschenkt bekam. Beide, sowohl Ronja als auch Frau Müller-Westhoff, hatten nach wie vor Privatpferde in Wienberg stehen, und Joker und ich würden uns vor ihnen präsentieren – wenn mal nicht gleich gegen sie antreten – müssen!

Vielleicht ritten sie inzwischen nur noch L-Dressuren, aber es konnte gut sein, dass sie auch noch in A- oder E-Prüfungen starteten. Mir wurde schlecht, wenn ich nur daran dachte. Und Joker … der hatte Glück, dass er Tommie nicht verstand. Ansonsten hätte er sich wahrscheinlich jetzt im Reitplatzsand vergraben.

»Ich möchte eigentlich gar nicht …«, begann ich heiser, aber Tommie lachte nur.

»Ach, komm, Lea, natürlich möchtest du! Jedes Mädchen möchte Turniere reiten. Wozu hast du dieses prächtige Pferd? Also überleg es dir. Am besten meldest du sowieso gleich beide Turniere. Essen zum Warmwerden, und in Wienberg zeigst du dann all deinen früheren Stallgenossen, was ’ne Harke ist!«

Tommie konnte und wollte mich nicht verstehen.

Aber jetzt nahte zum Glück Unterstützung – oder zumindest die Chance, eine Antwort erst mal zu umgehen.

Mein Freund Thorsten und meine Freundin Svenja hatten eine Runde im Wald gedreht, während ich Reitstunde hatte. Jetzt kamen sie zurück, und Thorsten und sein Schimmel Mano öffneten ritterlich das Hoftor für Svenja und ihre Hrifla. Thorsten hatte sein früheres Springpferd schon vor längerer Zeit auf die Westernreitweise umgestellt, und das Toröffnen vom Pferd aus gehörte zu seinen einfachsten Übungen. Svenja ritt dankend hindurch, aber ihre fuchsfarbene Islandstute Hrifla hätte die Übung genauso gut ausführen können. Svenja ritt sehr gut und war äußerst vielseitig. Hrifla beherrschte Trail-Übungen und ging recht gut Dressur. Meine Freundin konnte sie auch mühelos in Tölt und Pass, die Spezialgangarten der Islandpferde, setzen, aber leider hatte Hrifla keine sehr ausdrucksstarken Bewegungen. Im Turnier wäre sie ebenso wenig platziert worden wie Brownie. Svenja hatte daran immer ein bisschen zu knacken. Im Gegensatz zu Thorsten und mir war sie ehrgeizig.

Tommie wusste das natürlich – und begann zu meinem Ärger gleich mit »psychologischer Kriegführung«.

»Du kannst Lea mal ein bisschen gut zureden, Svenja!«, forderte sie meine Freundin auf. »Ich finde, sie sollte endlich mit Joker zum Turnier, aber sie ziert sich. Dabei könnte sie so gut die A-Dressur in Essen reiten …«

Svenja schüttelte den Kopf. »Nö. Kann sie nicht. Oder hast du inzwischen Jokers Papiere, Lea?«

Ich sah Land! Dabei hätte ich nie gedacht, dass sich das noch mal positiv auswirken würde. Tatsächlich nervte mich Svenja immer wieder mal, Jokers Vorbesitzerin, Frau Müller-Westhoff, um seinen Abstammungsnachweis zu bitten.

»Ich hab den Pferdepass«, bemerkte ich.

Svenja verdrehte die Augen und Tommie gleich mit. »Du solltest beides haben!«, predigte mir meine Freundin wie schon so oft. »So ist das alles Larifari, es kann doch nicht sein, dass Joker beim Zuchtverband unter einer anderen Besitzerin gespeichert ist, als allgemein im Pferdepass steht!«

So etwas war zumindest unüblich, aber ich hatte Joker praktisch vom Schlachter weg geschenkt bekommen. Der Pferdemetzger hatte ihn schon auf seinem Transporter, als Frau Müller-Westhoff Skrupel kamen. An Papiere hatten wir da beide nicht gedacht, aber den Pass hatte mir der Schlachter natürlich ausgehändigt, nachdem er mir das Pferd freundlicherweise bis vor unser Haus gefahren hatte. Wir hatten den Namen des Eigentümers dann ändern lassen. Aber ich hatte mich nie getraut, einfach zu Frau Müller-Westhoff zu radeln und die Papiere zu fordern. Bisher hatte ich sie ja auch nicht gebraucht. Und nun sah es aus, als ob mein Versäumnis uns dieses Turnier ersparte! Svenja hatte recht: Joker musste als Turnierpferd registriert werden, wenn er auf offiziellen Wettbewerben und nicht nur auf kleinen Freizeitreitertreffen starten sollte.

Leider hatte ich nicht mit Tommie gerechnet und ihrer genauen Kenntnis des Turnierreglements. »Dann fängst du eben mit E-Dressur an«, meinte meine Reitlehrerin. »Das ist Kategorie C, da kann jeder mit jedem Pferd mitreiten. Los, Svenja, rede ihr zu!«

Svenja zuckte die Achseln. »Was soll ich da machen?«, fragte sie. »Wenn Lea nicht will …« Aber dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Ich könnte Joker reiten!« Svenja strich ihr blondes Haar zurück, wobei sie meinem Pferd begehrliche Blicke zuwarf. »Au ja, Lea, lass mich auf Joker starten! Ich müsste natürlich noch ein bisschen üben, aber bis zum Turnier in Wienberg schaffe ich das locker. Mensch, wär das geil! Erst reite ich Hrifla in der E-Dressur, und wenn die blöden Richter mich dann zur Schnecke gemacht haben, komme ich noch mal rein, mit diesem absolut coolen Warmblüter, und gewinne locker die goldene Schleife!« Svenjas blaue Augen blitzten allein bei der Vorstellung, ihr Können beweisen zu dürfen. Auch Dressurrichter pflegten sie und ihre geliebte Fuchsstute nämlich schlecht zu beurteilen, egal wie brav Hrifla ihre Lektionen absolvierte. Angeblich war Svenja zu groß für ihr Pferd und überhaupt sollte sie die Islandstute doch besser in den für diese Pferde bestimmten Spezialturnieren reiten. Svenja und Hrifla bewegten sich zwischen allen Stühlen. Meine Freundin hatte das nicht anders gewollt, aber manchmal nervte es sie.

»Keiner außer mir reitet Joker!« So gern ich Svenja hatte, aber hier kannte ich kein Pardon. Mein Pferd war nicht zu verleihen!

Svenja grinste. »Dann musst du eben selber gewinnen …«

Diese falsche Schlange! Natürlich war sie auf Tommies Seite!

Aber wenigstens auf Thorsten konnte ich mich verlassen. Er sagte zwar nicht viel, bis wir die Haltergemeinschaft am Höhnweg verlassen hatten und unsere Pferde nach Hause lenkten. Aber dann legte er los.

»Ich mache dir jedenfalls nicht den Turniertrottel«, bemerkte er. »Wenn du mitten in der Nacht aufstehen, deinem Pferd eine idiotische Frisur verpassen und dann zwanzig Kilometer fahren willst, um zwei Minuten zu reiten, ist das dein Problem. Ich halte dir nicht den Steigbügel!«

Also so hatte ich mir Unterstützung nun auch nicht vorgestellt.

Ein bisschen beleidigt blickte ich zu Thorsten hinüber. Mein Cowboy sah ausgesprochen gut aus, wie er da so locker im Westernsattel saß, das lockige hellblonde Haar verwegen unter dem Stetson hervorlugend und das Gesicht schon etwas gebräunt von der Frühlingssonne. Als ich Thorsten kennenlernte, hatte er noch ein bisschen Babyspeck, aber jetzt war er gewachsen und ausgesprochen vorzeigbar. Er hatte auch ein sehr nettes Lächeln, aber jetzt schaute er eher vergrätzt.

»Du bist nur sauer, weil dein Daddy dich auch wieder mit Wettbewerben triezen wird, wenn Lea Turniere reitet«, bemerkte Svenja und legte damit natürlich den Finger in die Wunde. Thorstens Vater war sehr sportlich orientiert und wünschte sich eine Turnierkarriere für seinen Sohn. Ursprünglich hatte er ihm Mano als Springpferd gekauft, aber weder zeigte Thorsten Interesse und Talent noch war Mano gesundheitlich für Springen geeignet. Stattdessen hatten sich die beiden der Westernreitweise zugewandt, was Thorstens Vater auch nicht unrecht war. Ob sein Sohn die Schleifen im Springen oder in der Reining, dem Trail oder der Horsemanship gewann, war ihm ziemlich egal. Allerdings hatte Thorsten auf Westernturnieren ganz ähnliche Probleme wie Svenja in der Dressur: Die Richter dort wollten die Turnierteilnehmer auf Quarterhorses, Painthorses oder Appaloosas sehen – nicht auf Deutschen Warmblütern, wie Mano einer war. Thorsten musste immer doppelt so gut sein wie die anderen, um eine Schleife zu ergattern. Dabei hatte er nicht die geringste Lust, Tag um Tag zu üben. Sein Vater hätte das Problem am liebsten durch einen Tausch von Mano gegen ein Quarterhorse gelöst.