Julia und das Reitturnier - Christiane Gohl - E-Book

Julia und das Reitturnier E-Book

Christiane Gohl

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Beschreibung

Im 16. Band der beliebten Kinder- und Jugendbuchreihe von Christiane Gohl findet ein Turnier in Julias Reitverein statt! Natürlich sind Julia und ihre Reitfreunde begeistert. Zum ersten Mal können sie mit ihren Pferden an einer solchen Veranstaltung teilnehmen und zeigen, was sie drauf haben. Zusätzlich dazu, bereitet Julia mit dem Pony einer Freundin noch eine lustige Aufführung für das Reitturnier vor...-

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Christiane Gohl

Julia und das Reitturnier

 

Saga

Julia und das Reitturnier

 

Copyright © <as per original material>

Published by Arrangement with Christiane Gohl.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 2001, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728013083

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Zuwachs im Pferdestall

»Wo bleibt Nickie denn bloß?«, fragte Gloria und warf einen hungrigen Blick auf die verlockend duftenden Würstchen, die Julia gerade vom Grill nahm. »Ich möchte jetzt endlich Olaf sein Geburtstagsständchen singen und etwas essen. Seit heute Morgen habe ich nichts gekriegt!«

Wie jeden Samstag hatte Gloria praktisch den ganzen Tag Reitunterricht gegeben. Klar, dass sie nun hungrig und durstig war. Olafs Geburtstagsfest lief jedoch nach Julias strengen Regeln ab: erst singen, dann Geschenke auspacken und zum Schluss essen. Sie hatte das ganz genau geplant, gehörte die Grillparty doch zu ihren Geschenken für ihren Freund Olaf. Schade nur, dass Nickie sich verspätete und damit alles aufhielt.

»Vielleicht könnte ich schon mal die ersten Geschenke auspacken«, vermittelte Olaf, dem der Würstchenduft ebenfalls verführerisch in die Nase stieg. »Das Singen können wir ja verschieben. Das machen Nickie und Gloria nach dem ersten Glas Wein sowieso viel besser.«

»Wirklich, Julia! Gib den Grill frei, bevor deine Gäste verhungern!«, meinte auch Julias Mutter, die gerade mit einer großen Schüssel Kartoffelsalat auf die Terrasse kam. Das Fest fand bei Julia zu Hause statt, weil man von ihrem Garten aus die Weide mit allen Pferden übersehen konnte. Nichts machte den Freunden mehr Spaß, als hier zu feiern und den Pferden beim Grasen zuzuschauen.

Als Julia vor einem Jahr in das Haus ihres Stiefvaters Klaus umgezogen war, hatte die Sache mit der Pferdehaltung im Dorf Elbentrup nämlich alles andere als rosig ausgesehen. Es war nicht leicht gewesen, überhaupt einen Einstellplatz mit Weide für Julias Connemarapony Coffee zu finden. Damals hatten auch alle anderen Pferdehalter im Dorf nur sehr kleine Weideflächen. Aber dann hatte Klaus seine Beziehungen spielen lassen und mehrere Hektar Land angepachtet. Nach einem anstrengenden Jahr mit Graseinsaat, Zaun- und Stallbau gab es nun reichlich Platz für alle Pferde der Haltergemeinschaft. Außerdem hatte die gemeinsame Arbeit die Reiter zusammengeschweißt: Nickie, Gloria und Lisa waren inzwischen dicke Freundinnen von Julia geworden, und zwischen ihr und Olaf, dem einzigen Jungen in der Gruppe, hatte es sogar richtig gefunkt. Die beiden waren seit zwei Monaten ein Paar.

»Wir können auch singen!«, erboten sich Jenny und Sarah, die jüngsten Mitglieder der Haltergemeinschaft. Sie waren gerade von einem Ausritt zurückgekommen und brannten darauf, ein paar Würstchen abzustauben.

Während die beiden mehr laut als richtig ›Happy Birthday‹ anstimmten, griff Olaf nach dem ersten Päckchen. Doch in dem Moment mischte sich ein etwas unmelodisches Geräusch in den Gesang.

»Was war das denn?«, fragte Julia. »Klang fast wie eine Kuh!«

»Vielleicht übt Megan Fremdsprachen«, grinste Olaf. Megan, Nickies freches Welsh-Pony, verblüffte die Freunde immer wieder durch erstaunliche Intelligenzleistungen. »Hey, was für ein hübsches Kopfstück! Hast du das aus Südfrankreich mitgebracht, Gloria?« Der Junge hielt ein hellbraunes Lederkopfstück hoch. »Godi wird damit aussehen wie ein Camarguepferd!« Godi war Olafs Isländer, der neben einer guten Töltveranlagung auch eine fundierte Ausbildung im Westernreiten vorweisen konnte.

»Klar, wenn du ihn vorher einfärbst!«, lachte Gloria. »So braun, wie er ist, geht er nicht als Franzose durch.«

»Sagt mal, spinne ich, oder muht es da schon wieder?« Julia lauschte angestrengt. »Kommt irgendwie aus dem Vorgarten. Aber da kann doch keine Kuh ...«

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« Nickie kam um die Hausecke geschlendert. Wie immer sah die junge Frau hinreißend aus. Sie trug enge, hellblaue Jeans und ein knappes, weißes Top, das ihre gebräunte Haut und ihr langes schwarzes Haar hervorragend zur Geltung brachte. Julia wurde bei ihrem Anblick mal wieder fast ein bisschen neidisch und wie jedes Mal zupfte sie auch jetzt an ihrem glatten Haarschopf herum, um so doch noch etwas Schwung in ihre Frisur zu bringen. Sie hatte ihr Haar heute extra lange geföhnt, damit es etwas voller wirkte, aber es hing schon wieder wie Spaghetti herunter. Insofern hatte sie auch schon beschlossen, es beim nächsten Mal doch lieber bei dem üblichen Pferdeschwanz zu belassen. Allerdings übte Nickie nicht nur auf Julia diese Wirkung aus. Sie bemerkte, dass auch Lisa an ihrem kurzen, blonden Haar herumspielte, während Gloria erfolglos versuchte, ihr T-Shirt in die Länge zu ziehen und so einen Fleck auf ihrer Jeans zu verstecken. Aber auch Nickie wirkte heute nicht ganz so vollkommen wie sonst. Bei näherem Hinsehen entdeckte Julia braune Mistspuren auf ihrer Jeans und ihr Top war etwas verschwitzt.

»Dein Geschenk musst du selbst vom Hänger holen. Es war gar nicht so leicht, es da draufzukriegen. Deshalb habe ich es nicht gleich mitgebracht.«

»Ein Pferd?«, fragte Olaf ungläubig. Auch Gloria und die Mädchen vergaßen ihren Hunger sofort und sausten in Richtung Vorgarten. Tatsächlich stand Nickies Pferdetransporter vor dem Haus.

»Nicht direkt... Aber mit Westernreiten hat es schon zu tun ... Und ich denke, Gloria freut sich auch. Gerade für eine klassisch-iberisch ambitionierte Reiterin ist es doch nett, ab und zu mal mit einem Rind ...«

»Muh!«, wurde Nickie von dem Geschöpf im Hänger unterbrochen. Es klang kläglich.

»Es möchte raus!«, rief Jenny und wollte den Hänger öffnen.

»Moment mal«, meinte Gloria. »Du willst doch nicht sagen, du hättest da drin einen Stier?«

»Oder eine Kuh?«, fragte Olaf verblüfft.

»Nein, nein, nicht direkt. Mehr ein Kalb, ein ganz süßes«, gab Nickie zu.

»Ein Kalb? Ein Kalb als Geburtstagsgeschenk?«

»Ein Kuhkalb oder ein Stierkalb?«

»Einen Stier können wir hier aber unmöglich frei rumlaufen lassen!«

»Und eine Kuh auch nicht, wer soll die denn melken?«

»Was hast du dir bloß dabei gedacht?«

»Geil!« Jenny und Sarah hatten inzwischen über die Rampe gespäht und waren als Einzige vollauf begeistert. Alle anderen redeten wild durcheinander.

»Es ist ein Kuhkalb«, gab Nickie weitere Informationen. »Aber wenn man es nicht decken lässt, gibt es auch als erwachsene Kuh keine Milch. Das hat mir der Bauer versichert. Es kann ganz friedlich mit den Pferden leben und die Geilstellen auf der Weide abfressen. Sozusagen als natürlicher Weidepfleger. Nun kommt schon, Leute, stellt euch nicht so an, ihr wollt doch nicht ernsthaft, dass ich es zurückbringe! Es kommt aus einem ganz schrecklichen Stall, ich musste es da einfach rausholen!« Mit diesen Worten öffnete Nickie die Hängerklappe und gab den Blick auf ein hellbraun geflecktes, winziges Geschöpf frei, das in dem großen Hänger völlig verloren wirkte. Julia sah einen hellbraunen Kopf mit einem weißen Karo auf der breiten Stirn, großen puscheligen Ohren und riesigen Angstaugen. Als endlich Licht in den Hänger drang, muhte das Kalb erleichtert.

»Ist das süß!«, freute sich Julia. Das Kälbchen hatte ihr Herz schon gewonnen. Jenny und Sarah kletterten in den Hänger, um es zu streicheln, und selbst Gloria schaffte es nicht, ihre abwehrende Haltung beizubehalten.

»Wirklich niedlich«, gab sie widerstrebend zu. »Aber du hattest ja schon immer ein Herz für Rinder. Also, was ist nun, Olaf, behältst du es? Dann sollten wir es abladen, es fürchtet sich ja zu Tode in dem Hänger.«

Olaf sah sich den Blicken von sechs Mädchen gegenüber, die ihm wahrscheinlich an die Gurgel gesprungen wären, hätte er Nickies Geschenk abgelehnt.

»Von mir aus kann’s bleiben«, grummelte der Junge und fuhr verlegen durch sein dunkelblondes, wuscheliges Haar. »Ich weiß zwar nicht, was wir damit sollen ...«

»Na, Rindertreiben natürlich. Cutting, Working Cowhorse - alle diese Disziplinen, von denen ihr immer so schwärmt! Guckt mal, es ist ganz lieb!« Um das zu beweisen, band Nickie das Kalb los und führte es die Rampe hinunter. Es folgte ihr brav wie ein Hündchen.

Julia und Olaf wandten die Augen gen Himmel. Das Letzte, was ein Westernreiter brauchte, war ein zahmes Rind, das dem Pferd hinterherlief, statt sich treiben zu lassen. Nickie musste das eigentlich wissen. Sie konnte das Kalb nicht ernsthaft als ›Trainingsrind‹ gekauft haben.

»Ich habe sie übrigens Liberty getauft, nach der Freiheitsstatue in New York«, erklärte Nickie. Sie führte ihre Neuerwerbung an Julias Haus vorbei in Richtung Weide. Dabei ließ Liberty gleich ein paar Kuhfladen auf den Weg fallen. Julia seufzte. Um die wegzukriegen, würde ein Mistfix wohl nicht reichen.

»Stell sie erst mal auf die Hausweide!«, meinte Gloria. »Da kann sie sich eingewöhnen und die Pferde können auch schon einen ersten Blick auf sie werfen. Wie ich Megan kenne, wird die nämlich gleich sämtliche Rinderdisziplinen an ihr ausprobieren wollen, sobald sie sie unter die Hufe kriegt. Und das müssen wir dem Tierchen ja nicht gleich in den ersten zehn Minuten zumuten.«

Tatsächlich trabte Megan sofort heran, als sie den Neuankömmling bemerkte. Vor dem Zaun erstarrte sie in aufgeregter Pose, den ganzen, kräftigen Ponykörper angespannt, den Hals hochgetragen und die kleinen Welsh-Pony-Ohren alarmiert aufgestellt. Mit ihrem ausdrucksvollen Ponykopf, dem herzförmigen Abzeichen, der breiten Stirn und den geblähten Nüstern sah sie bildhübsch aus. Coffee, Julias dreijähriger Connemarawallach, baute sich ähnlich alarmiert neben ihr auf. Julia fand ihn natürlich noch schöner, mit seiner dichten, schwarzen Mähne, dem edlen Kopf und dem milchkaffeefarbenen Fell. Coffee war zierlicher und wirkte eleganter als Megan, doch alle beide schienen plump im Vergleich zu dem dritten Jungpferd, das hinter ihnen herangeschwebt kam: ein langbeiniges, langmähniges Traumpferd, dessen Fell in reinem Goldglanz schimmerte. Svaboda gehörte Julias Freundin Stephanie und verbrachte den Sommer hier in der Gesellschaft der anderen Jungpferde. Sie war eine Mischung zwischen Araber und Achal-Tekkiner und das schönste Pferd, das Julia je gesehen hatte. Allerdings auch sehr scheu und manchmal etwas schwierig im Umgang. Die kleine Stute war schon als Fohlen aus Russland importiert worden und hatte sehr schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht. Stephanie hatte viel Zeit gebraucht, ihr Vertrauen zu gewinnen. Jetzt versteckte Svaboda sich hinter ihrem Freund Coffee. Unter ihrem langen, seidigen Schopf äugte sie misstrauisch zu Liberty hinüber. Lediglich das vierte Jungpferd, Olafs zweijähriger Quarterwallach Hillbilly, zeigte sich unbeeindruckt. Der kleine Fuchs stammte aus einem Gestüt, in dem auch Rinder gehalten wurden. Daher war er den Anblick von Kälbern vermutlich von klein auf gewöhnt.

»Da haben wir’s. Ein echtes Westernpferd. Cool, selbstsicher, nicht aus der Ruhe zu bringen!«, bemerkte Olaf stolz. »Mit so was kannst du den Westen erobern! Eure Modepüppchen dagegen ...«

»Mir reicht es schon, wenn Megan demnächst die Herzen von ein paar Schaurichtern erobert«, lachte Nickie. »Und dafür sieht sie besser aus wie Barbie statt wie Buffalo Bill! Aber wollen wir jetzt nicht mal den Wein aufmachen?«

»Vor allem die Würstchen essen. Die sind ja schon ganz verbrutzelt«, meinte Gloria. »Und dabei wollen wir von deiner spektakulären Kälberrettung hören, Nickie!«

Während sich die Freunde endlich über das Essen hermachten, berichtete Nickie von Libertys Kauf. Die junge Frau war gerade bei einem Nachbarbauern vorbeigekommen, als das Kalb geboren wurde. Begeistert hatte sie dabei zugesehen, wie die Kuh ihr Kind nach der Geburt liebevoll abgeleckt hatte. Umso entsetzter war sie, als der Bauer Mutter und Kalb gleich darauf mit der Begründung trennte, die Kuh würde schließlich für die Milchgewinnung gebraucht. Das Kalb kam allein in einen dunklen Verschlag. Als Nickie dem Kälbchen tröstend die Finger in den Stall steckte und dieses daran zu saugen begann, war es endgültig um Nickie geschehen.

»Ich hab Libby dann jeden Tag besucht... Na ja, und als ich hörte, dass sie nun auch noch zu einem Kälbermäster sollte, da habe ich sie eben gekauft. Hättet ihr doch auch gemacht, oder?«

Julia konnte sich das durchaus vorstellen, Gloria und Olaf blickten eher skeptisch. Nur Jenny und Sarah waren nach wie vor hingerissen. Sie hatten von Julias Mutter etwas Milch erbettelt und steckten nun abwechselnd die Hände in die Schüssel, um sie sich von Liberty abschlecken zu lassen. Julia fragte sich, wie viele Milchtüten aus dem Supermarkt so ein Kalb wohl am Tag verputzte ...

»Wenn ihr den Hänger morgen benutzen wollt, solltest du ihn noch sauber machen, Jenny!«, unterbrach Gloria die beiden Mädchen bei der Beschäftigung mit dem Kalb. »Nickie, es bleibt doch dabei, dass du Jennys Eltern den Hänger leihst, oder? Wir würden ja auch den von Walters nehmen, aber die holen doch morgen ihr neues Pferd ab. Das könnte knapp werden. Morgen wird für mich sowieso wieder ein Stress-Tag. Vormittags Turnier mit Jenny und dann auch noch Lauras neue Stute in Empfang nehmen.«

»Wieso fährst du denn mit Jenny und ihren Eltern zum Turnier?«, fragte Julia Gloria, nachdem sich Jenny und Sarah an die Arbeit gemacht hatten. »Bisher kamen sie doch immer ganz gut ohne dich klar.«

Seit Jenny ihr Turnierpony Schneewittchen hatte, waren sonntägliche Turnierfahrten bei Familie Wilde zum Hobby geworden. Im Sommer waren sie praktisch jedes Wochenende unterwegs und Jenny heimste reichlich Schleifen ein. Gloria verbrachte ihre Sonntage zwar auch oft auf dem Turnierplatz, aber in der Regel betreute sie dabei nicht Jenny, sondern Julias Klassenkameradin Laura. Lauras Mutter, Frau Walter, war eine ehrgeizige ›Turniermama‹ und wollte die Trainerin ihrer Tochter immer dabeihaben. Gloria passte das zwar nicht besonders, aber da sie ein sehr preiswertes Appartement im Hause Walter bewohnte, den Reitplatz umsonst nutzte und für Lauras Reitunterricht ordentlich bezahlt wurde, machte sie mit. Außerdem hatte das erfolgreiche Training von Laura ihr inzwischen weitere Reitschüler eingebracht und sie konnte sich ihr Studium in Bielefeld gut damit finanzieren.

»Jaa, aber morgen reitet Jenny doch ihr erstes Springen«, antwortete Gloria auf Julias Frage. »Ihre Eltern sind ganz verrückt deswegen, in der letzten Woche durfte ich Jenny jeden Tag eine Reitstunde verpassen. Da muss ich mich schon etwas kümmern, zumal Laura mich ja zurzeit nicht braucht. Mit dem neuen Pferd wird sich das ändern.«

»Du klingst ja nicht gerade begeistert«, meinte Nickie. »Ist das Pferd denn nicht gut?«

»Gut? Spitze ist es! Das tollste Pferd, das Laura jemals hatte, mein Rainbow möge mir vergeben!« – Gloria hatte ihren Reitponywallach Rainbow von Lauras Eltern gekauft, nachdem er sich als Turnierpferd für Laura nicht bewährt hatte. – »Eine bildschöne Stute. Sechs Jahre alt, schokoladenbraun. So heißt sie auch: ›Schokolade‹. Passt großartig, auch zum Charakter. Süß ist sie nämlich obendrein, sehr freundlich und menschenbezogen ...«

»Aber?«, fragte Julia. »Irgendwas muss doch faul dran sein, so wie du eben geguckt hast.«

»Faul ist in dem Sinne nichts, das Pferd ist ohne Fehl und Tadel. Allerdings ist es eben erst sechs Jahre alt. Viel Turniererfahrung hat es auch noch nicht. Außerdem kommt es von einer Profireiterin: Sybill Jennings, falls euch das was sagt. Sie ist Amerikanerin und war sogar in der amerikanischen Olympiamannschaft im Springreiten. Jetzt ist sie hier in Deutschland verheiratet. Und sie reitet großartig. Mit ganz weicher Hand und in schönem Vorwärtssitz, viel nachgiebiger als die meisten Deutschen. Schokolade hat sie schon als Absetzer gekauft. Das Pferd kennt also nur ihren Stall und ihren Stil, es hat Vertrauen ohne Ende. Und nun ...«

»Und nun kommt es zu Laura mit ihrem unsicheren Sitz und ihrer Angst und ihren harten Händen! Was habt ihr euch nur dabei gedacht?«, fragte Nickie kopfschüttelnd.

»Meine Idee war’s nicht.« Gloria zuckte die Achseln. »Frau Kettner hat die Stute entdeckt und Walters auf sie aufmerksam gemacht. Natürlich war Frau Walter sofort hin und weg – ist sie ja immer, wenn die Kettner was vorschlägt. Und Schokolade hat ihr selbstverständlich auch gefallen.«

»Aber du warst doch beim Probereiten dabei«, meinte Nickie. »Hättest du nicht was sagen können?«

»Was denn bitte schön?«, ereiferte sich Gloria. »Das Pferd ging eins a, Frau Walter war begeistert, Laura auch ...«

»Laura wollte ein so junges Pferd?«, fragte Julia verwundert. Laura war für ihre Ängstlichkeit bekannt. Gewöhnlich zog sie erfahrene Pferde eindeutig vor.

»Ich glaube, über das Alter hat sie sich gar keine Gedanken gemacht. Sie hat sich einfach draufgesetzt und ist geritten, wie sie das immer tut, wenn Mami das will. Und dann war sie hocherfreut darüber, dass Schokolade sie nicht runtergebuckelt hat, wie ihr das beim letzten Probereiten passiert ist. Sybill, also Schokolades Besitzerin, war natürlich nicht so begeistert von Lauras Reiterei. Aber sie braucht, wie’s scheint, dringend Geld, und Frau Walter hat ein Vermögen bezahlt.«

»Aber wie kommt Frau Kettner darauf, Laura so ein Pferd zu empfehlen?«, erkundigte sich Julia. Frau Kettner war eine bekannte Reitlehrerin, die viele erfolgreiche Turnierreiter betreute. Lauras Mutter hatte einmal ein Pferd bei ihr gekauft und nun durfte Laura manchmal an Frau Kettners Reitkursen teilnehmen.

»Was weiß ich?«, fragte Gloria. »Vielleicht braucht sie ja auch Geld und will Laura als Schülerin. In den großen Ferien ist jedenfalls schon ein Zweiwochenkurs gebucht. Oder sie ist Schokolades Charme genauso verfallen wie alle anderen, und meint nun, Laura käme mit ihr zurecht.«

»Wir kommen uns das Wunderpferd jedenfalls morgen ansehen«, erklärte Olaf. »Holen sie es am Vormittag?«

»Gegen Mittag«, meinte Gloria. »Vorher schaffe ich es gerade noch mit Wildes zum Turnier.«

»Ja! Und ihr müsst auch alle kommen!«, verlangte Jenny, die eben wieder auf die Terrasse kam. Sarah und sie hatten inzwischen den Hänger gereinigt und auch schon Schneewittchens Sattel und Zaumzeug verstaut. »Ich gewinne das Springen. Bestimmt!«

Ein Pferd wie Schokolade

Am nächsten Morgen wurde Julia schon früh aus dem Schlaf geschreckt, weil Familie Wilde bereits um sieben Uhr mit Nickies Hänger kam und Schneewittchen mit viel Aufwand verlud. Die Schimmelstute ging zwar brav und ohne Zögern auf den Hänger, aber bis Jenny und ihre Eltern sie geputzt, bandagiert und eingeflochten hatten, war in der Nachbarschaft wirklich jeder wach. Wildes waren äußerst temperamentvolle Leute und unterhielten sich nur in Lautstärke zehn.

»Wenn man bei Jenny ein Wort dazwischenkriegen will, muss man ja auch schreien«, kommentierte Lisa, die pünktlich um halb acht erschien, um mit zum Turnier zu fahren. Auch Julia schloss sich an. Die beiden stiegen in Glorias Auto. Sarah fuhr bei Wildes mit.

»Ist es nicht ziemlich früh für Jenny, schon Springen zu reiten?«, fragte Lisa. »Ich dachte, sie reitet erst ein Jahr.«

Es klang etwas eifersüchtig, denn Lisa selbst ritt bereits über ein Jahr und war immer noch in der Anfängerabteilung. Von Turnieren konnte sie vorerst nur träumen. Immerhin hatte sie seit einigen Wochen ein sehr gutes Pflegepferd, auf dem sie schon viel gelernt hatte.

Gloria zuckte die Schultern. »Sie ist eben sehr begabt. Außerdem hat sie ein hervorragendes Pony und Eltern, die ihr reichlich guten Reitunterricht bezahlen. Diese Kombination macht Olympiasieger. Wenn eins davon fehlt, bleibt man im Mittelfeld stecken. Siehe Laura.« Gloria bog auf den Parkplatz des Turnierplatzes ab. Die Fahrt hatte kaum zehn Minuten gedauert, das Turnier fand im Nachbardorf Ahsenstein statt.

Die drei schlenderten zu den Hängern hinüber, wo Herr Wilde gerade dabei war, Schneewittchen auszuladen und von ihren Gamaschen zu befreien. Frau Wilde legte derweil letzte Hand an Jennys Outfit. Sie hielt dem Mädchen Reitstiefel und Turnierjacket hin und versuchte erfolglos, ihr rotblondes Wuschelhaar in einen Zopf zu zwingen.

»Erst kommt die Jugendreiterprüfung, dann das E-Springen«, erklärte Jenny ihren Freunden wichtig, obwohl zumindest Gloria und Sarah das natürlich längst wussten. Sarah wirkte wie immer ziemlich unscheinbar neben ihrer lebhaften Freundin. Sie war klein und zierlich, dazu etwas schüchtern, und ihre großen, dunkelgrünen Augen begannen eigentlich nur dann zu strahlen, wenn sie von ihrem heiß geliebten Pony Jojo erzählte. Julia fragte sich, ob sie auch gern mal an so einem Turnier teilgenommen hätte. Aber mit Jojo war das ausgeschlossen. Der kleine, gemütliche Rappe war ein sicheres Geländepony, dem zum Dressurreiten jegliches Talent und zum Springen obendrein das Feuer fehlte.