Lea und die Pferde - Pferde, Sonne, Ferienglück - Christiane Gohl - E-Book

Lea und die Pferde - Pferde, Sonne, Ferienglück E-Book

Christiane Gohl

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Beschreibung

Band 9 - Pferde, Sonne, Ferienglück Beste Unterhaltung für Pferdefans Das Erfolgsrezept für Teenager: Pferde, Freundschaft, erste Liebe Fundiertes Fachwissen in einer witzigen Geschichte Mit vielen Hintergrundinformationen zur Pferdehaltung Urlaub auf einem andalusischen Reiterhof! Lea ist Feuer und Flamme. Einziger Wermutstropfen: Ihr Freund Thorsten und ihre beste Freundin Svenja können nicht mitkommen. Stattdessen wird es ein reiner Mutter-Tochter-Urlaub.

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Seitenzahl: 184

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Über die Autorin

Dr. Christiane Gohl wurde 1958 in Bochum geboren. Nach dem Studium der Psychologie und Pädagogik arbeitete sie zunächst als Werbetexterin und Reiseleiterin, dann als freie Autorin und Fachjournalistin. Seit ihrem zehnten Lebensjahr beschäftigt sie sich mit Pferden und reitet in verschiedenen Disziplinen. Pferdefreundliches Reiten und artgerechte Haltung sind ihr dabei besonders wichtig. Mit ihren fundierten Sachbüchern und Romanen avancierte sie in kurzer Zeit zu einer Bestsellerautorin der Pferdebuchszene. Christiane Gohl lebt heute in Spanien.

Christiane Gohl

Lea und die Pferde

Pferde, Sonne,Ferienglück

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2010 by Boje Verlag in der Bastei Lübbe AG, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Titelbild: iStockphoto

Umschlaggestaltung: Kathrin Schüler, Hamburg

Außenredaktion: Anke Thiemann

E-Book-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-8387-1004-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Inhalt

Raus aus der Kälte?

Vom anderen Ende der Welt

Ausschließlich gute Reiter

Extrastarke Cocktails

Halluzinationen?

Die Herren der Ringe

Spanische Nacht

Feuer!

Blutroter Mond

Überraschung

Abschied ohne Küsse

Raus aus der Kälte?

Wieso ist das eigentlich schon wieder so kalt?« Svenja zäumte ihre Islandstute Hrifla mit klammen Fingern auf. Sie war am Rand des Vierecks gründlich durchgefroren, während sie zusah, wie ich in der Reitstunde schwitzte. Jetzt machte sie ihr Pferd fertig, um gemeinsam mit mir nach Hause zu reiten.

»Kann’s an der Jahreszeit liegen?«, fragte mein Freund Thorsten scheinheilig. »Ich meine … wir leben auf der nördlichen Erdhalbkugel und da herrscht von November bis Februar Winter. Es pflegt zu regnen und zu schneien. Die darauffolgende Übergangszeit nennt man Frühling und da reitet man besser auch noch nicht im Sweatshirt aus …«

Svenja warf ihm einen bitterbösen Blick zu, aber er hatte natürlich recht. Schließlich hätte sie eine dicke Winterjacke überziehen können wie Thorsten und ich – aber dann hätte ihr Freund Simon sie natürlich nicht in ihrem hübschen neuen Sweatshirt mit Pferdemotiv bewundern können. Simons Andalusierwallach Orrie lebte in der Haltergemeinschaft am Höhnweg, wo unsere Reitstunden stattfanden.

»Vorhin schien schon mal die Sonne!«, behauptete Svenja.

Ich verdrehte die Augen. Tatsächlich hatten sich gerade mal zwei Strahlen zwischen dicken Wolken hervorgewagt. Ansonsten war dieser Nachmittag Anfang April noch ziemlich frostig, auch wenn mir jetzt vom Reiten warm war. Meine Reitlehrerin Frau Tomms – Tommie genannt – hatte mein Pferd Joker und mich ganz schön gezwiebelt. Sie hoffte, dass ich Joker im Sommer auf Dressurturnieren vorstellen würde, aber darüber war das letzte Wort noch nicht gesprochen. Joker jedenfalls hatte keine Lust dazu – unter seinen verschiedenen Vorbesitzerinnen hatte er ausreichend Dressurplätze gesehen und keiner davon hatte ihm wirklich gefallen. Und auch mich trieb der Ehrgeiz nicht ins Viereck. Lieber schlenderten wir mit Thorsten und seinem Schimmel Mano durch den Wald, auch gern mal bei Vollmond, im Nebel, bei Sonnenauf- oder untergang … – für mich konnte es gar nicht romantisch genug sein, und Joker ging bei jedem Wetter gern spazieren. Tommie meinte allerdings, dass ein riesiger Westfale mit Superabstammung und »enormer Dressurveranlagung« als reines Freizeitpferd zu schade wäre. Reiter ohne Wettkampfambitionen suchten sich sonst tatsächlich handlichere Pferde aus, wie etwa Millie, die Ponystute meiner Mutter. Aber ich hatte mich nun einmal in Joker verliebt und durch eine Kette mehr oder weniger glücklicher Umstände hatte ich ihn schließlich geschenkt bekommen. Zur allseitigen Zufriedenheit: Joker und ich waren glücklich miteinander und brauchten dazu keine Turnierschleifen. Dennoch musste ich natürlich lernen, ihn zu kontrollieren, und das brachte Tommie mir bei. Allerdings waren Joker und ich immer noch in der Anfängerabteilung. Svenja ritt sehr viel besser als ich und hatte sich früher am Nachmittag eine Reitstunde mit Simon geteilt – eben zu der Zeit, in der sekundenlang die Sonne schien.

Ich sandte einen prüfenden Blick in den Himmel, hoffte, dass es auf dem Heimritt wenigstens nicht regnen oder schneien würde, und tat dann mein gutes Werk für heute: Ich warf Svenja mit großzügiger Geste meine dicke Jacke zu.

Joker, Mano und Hrifla zuckten nicht mit den Ohren, als der Parka durch die Luft flog, aber das vierte Pferd am Anbinder, eine elegante Reitponystute namens Zinderella, sprang erschrocken zur Seite. Ihre kleine Besitzerin, Tommies Tochter Tina, beruhigte das junge Pferd mit schmeichelnden Worten. Auch sie holte gerade ihr Sattelzeug. Tommie hatte Zinderella extra mitgebracht, um ihrer Tochter hier eine Reitstunde zu geben. Der Reitplatz am Höhnweg war ordentlich drainiert und bei jedem Wetter zu bereiten. Tommies eigenes Dressurviereck stand dagegen seit Wochen unter Wasser. Bislang hatte in diesem Frühling wirklich kaum die Sonne geschienen.

»Mami und ich fliegen in den Osterferien nach Spanien«, eröffnete uns Tina, während sie ihrem Pony den Sattel auflegte.

»Ihr fahrt in Urlaub?« Svenja sprach ungläubig aus, was auch mir direkt durch den Kopf schoss. »So kurz vor der Turniersaison? Verpasst du da nicht sogar ein oder zwei Starts?«

Tina, ein zierliches kleines Mädchen mit rotblonden Zöpfen, das ein bisschen wie Pippi Langstrumpf aussah, nickte vergnügt. Offensichtlich vergoss sie keine Träne um die Schleifen, die sie in diesen Ferien nicht gewinnen würde. Nun besaß sie davon auch schon Hunderte in allen Farben. Tina war elf und ritt auf wechselnden Pferden Turniere, seit sie vier Jahre alt war. Ihre Mutter war äußerst ehrgeizig und hatte ihr mit Zinderella gerade ein neues Turnierpony gekauft. Die bildschöne Welsh-Partbred-Stute war sicher sehr teuer gewesen.

»Habt ihr im Lotto gewonnen?«, erkundigte ich mich auch gleich, nachdem ich über die erste Verwunderung weg war. »Erst das Pony, jetzt eine Reise …«

So gut konnte Tommie mit dem Reitunterricht eigentlich nicht verdienen, obwohl sie viele Schüler hatte. Tinas Turnierkarriere, die teuren Ponys und die Fahrten zu den Wettbewerben gingen ins Geld, wie Reiten überhaupt sehr teuer war. Meine Familie war im letzten Sommer jedenfalls nicht verreist. Nachdem Mom Millie gekauft hatte und Joker obendrein einen Sattel brauchte, herrschte Ebbe in der »Familienkasse für besondere Ausgaben«.

Tina lächelte glücklich und schüttelte den Kopf. »Wir brauchen nur den Flug zu bezahlen«, berichtete sie freimütig. »Wir besuchen eine Freundin von Mami, die ist ausgewandert.«

»Und züchtet da drüben Andalusier?«, fragte Thorsten. Wenn Tommie sich in ein Flugzeug setzte, musste das irgendetwas mit Pferden zu tun haben.

»Nö, Connemaras«, verriet Tina. »Und jetzt muss sie gerade ein paar anreiten – außerdem will sie den Hengst auf irgendeiner Schau vorstellen … Jedenfalls hat sie uns eingeladen, damit wir ihr ein bisschen helfen.«

Svenja, Thorsten und ich tauschten vielsagende Blicke. Zweifellos würde Tommie darauf bestehen, dass Tina den Hengst auf der Schau ritt. Und möglichst noch auf ein paar Turnieren …

»Mami meint, da kriege ich ein bisschen internationale Erfahrung …«, bestätigte Tina.

Alles klar: Die Reise nach Spanien passte in Tommies Plan, ihre Tochter möglichst bald auf die Olympiade zu schicken.

»Na, dann viel Spaß«, wünschte ich ihr. »Aber wir sollten jetzt los, bevor’s dunkel wird. Können wir den direkten Weg nehmen, oder ist der immer noch gesperrt?«

Zwischen unserem eigenen Stall – Svenjas Eltern hatten vor einiger Zeit einen Hof mit Boxen und Weiden gekauft und Thorstens und meine Pferde waren dort untergestellt – und der Haltergemeinschaft am Höhnweg lag seit gestern eine Baustelle. Vorhin hatten wir sie weiträumig umritten. Joker und die anderen Pferde waren zwar ziemlich straßensicher, aber Bulldozer konnten doch mal zu viel für sie sein.

»Wir reiten einfach durch, inzwischen müsste da doch Feierabend sein«, erklärte Thorsten.

Tatsächlich standen die Maschinen still, aber Svenjas Hrifla tänzelte doch ein bisschen, als wir die Baugrube über einen etwas wackeligen hölzernen Steg passierten. Thorstens Mano – als trainiertes Westernpferd an solche Aufgaben gewöhnt – schritt dagegen gelassen über die Brücke. Ich war richtig stolz auf Thorsten, der dabei locker wie ein waschechter Cowboy im Westernsattel saß. Früher war er ein bisschen rundlich und gedrungen gewesen, aber in den letzten Monaten hatte er noch einen Wachstumsschub bekommen, war nun schlank und sehnig und deutlich größer als ich. Mit seinem lockigen blonden Haar und seinen klugen blauen Augen sah er ziemlich gut aus.

Jetzt musste nur noch Joker über den Steg, aber der zierte sich. Er hampelte nervös vor der Holzbrücke herum, und ich überlegte kurz, ob ich nicht einfach durch die Baugrube ritt. Sie war nicht tief, aber unten stand Wasser und es sah matschig aus. Also doch besser absteigen und führen?

Während ich noch überlegte, war Thorsten schon abgesprungen und hatte Svenja Manos Zügel gegeben.

»Darf ich das Pferd der Lady über den Abgrund geleiten?«, fragte er mit einer angedeuteten Verbeugung.

Ich lachte und nickte ihm huldvoll zu.

»Natürlich, mein Prinz, wenn Euch die tiefe Schlucht nicht zittern und zagen lässt?«

»Jetzt macht schon, es regnet!«, nölte Svenja. Tatsächlich regnete es nicht nur, sondern unter die Wassertropfen mischte sich Schnee.

Ich war froh, als Joker Thorsten nun brav folgte, bestimmt war der Steg rutschig, wenn er nass wurde.

»Tina hat echt Glück«, seufzte Svenja, als wir weiterritten, während sich der Schneefall intensivierte. Wir konnten kaum mehr die Hand vor Augen sehen. »Ich möchte auch nach Spanien!«

Thorsten tippte sich an die Stirn. »Sicher, Tina ist das glücklichste Mädchen der Welt. Sie kann’s wahrscheinlich gar nicht erwarten, den ganzen Tag unter sengender Sonne im Dressurviereck herumzureiten, während Tommie sie anblafft. Garantiert muss sie den Hengst vor den Prüfungen noch schnell auf Linie bringen. Unmöglich, dass er Tommies Ansprüchen an ein Turnierpony für Tina bereits genügt.«

Svenja und ich lachten. Tommie erwartete nicht nur von ihrer Tochter, sondern auch von Tinas Ponys stets Spitzenleistungen. Allerdings bewies sie den Pferden gegenüber grenzenlose Geduld bei der Ausbildung, während sie Tina ganz schön zwiebelte. Obwohl sie eher erklärte, als ihre Schüler anzuschreien, trieb sie ihre Tochter ohne Gnade an. Die sollte schließlich gewinnen. Wir anderen brauchten nur reiten zu lernen.

»Trotzdem …« Svenja ließ nicht locker. »Spanien! Sonne, Strand …«

»Wahrscheinlich wird Tina den Strand nur sehen, falls Tommie auf die Idee kommt, die Sandqualität auf ihre Eignung zum Reitplatzbelag zu testen«, lästerte ich, obwohl mir ein bisschen Sonne im Moment auch ganz gutgetan hätte. Der Schnee wurde langsam zum Sturm und ich fror nun fast so sehr wie Svenja vorhin. Svenja bot mir großzügig an, mir die Jacke zurückzugeben, aber die letzten paar hundert Meter schaffte ich jetzt auch noch. Joker fand das Wetter ebenfalls ätzend, er versuchte, seinen Kopf zwischen den Vorderbeinen zu verstecken, und fiel dabei fast über seine eigenen Hüfte.

»Oh, Mensch, das ist ja grässlich!«, schimpfte auch Svenja.

»Plötzlicher Wintereinbruch in Duisburg«, bemerkte Thorsten. »Drei Reiter im Schneesturm vermisst!«

»In Island«, bemerkte Svenja, »pflegte man bei solchen Wetterlagen sein Pferd zu schlachten, aufzuschneiden und sich in die warmen Gedärme zu kauern. Brächte ich allerdings nie fertig. Ist das wohl der Stall oder ein Eisberg?«

Hinter dem Schneevorhang waren jetzt wirklich schemenhaft Gebäude zu erkennen, und wir atmeten auf, als Thorsten uns in schönster Westernreitermanier das Tor öffnete und wir wenigstens aus dem Wind heraus in den Schutz der Hausmauer kamen. Im Stall brannte Licht, und es wirbelte Schnee mit hinein, als wir jetzt abstiegen und die Pferde nach drinnen führten.

Auf der Stallgasse war meine Mutter eben dabei, ihre Millie abzusatteln. Offensichtlich ohne vorher geritten zu sein, Millies graues Fell war trocken. Mit vergnügtem Wiehern begrüßte die kleine Falbstute unsere Pferde.

Meine Mom war weniger guter Laune. »So ein Mistwetter!«, schimpfte sie. »Ich wollte wenigstens noch eine halbe Stunde auf den Reitplatz, aber bei dem Schnee … Es fing gerade an zu regnen, als ich mit Putzen und Satteln fertig war, und jetzt dieser Sturm!«

»Es hätte auch anfangen können, nachdem Sie gerade aufgestiegen waren«, tröstete Svenja und schälte sich aus meiner Jacke. »Gucken Sie uns an, wir sehen aus wie die Weihnachtsmänner!« Sie löste rasch Hriflas Sattelgurt. »Ach, ich möchte auch gen Süden auswandern! Ich bin den Winter so was von leid!«

Das ging uns natürlich allen so, schon weil auch unser Reitplatz seit Wochen unter Wasser stand. Mom hätte nur ein Drittel davon überhaupt nutzen können.

»Gleich auswandern ist vielleicht übertrieben«, bemerkte Mom und machte dabei ein Gesicht, das mich sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Wenn Mom diesen verschmitzten Blick draufhatte und ihre grünen Augen verhalten blitzten, waren irgendwelche ausgefallenen Ideen oder Überraschungen zu befürchten. Genau so hatte sie auch damals geguckt, als sie mich unbedingt davon überzeugen wollte, mit ihr einen Mutter-Tochter-Reitkurs zu besuchen. Sie hatte plötzlich festgestellt, ohne Pferde nicht leben zu können, traute sich jedoch allein nicht in die Reitschule.

»Aber vielleicht kann man dem Wetter ja ein paar Tage entfliehen«, sprach Mom weiter. »Hättest du Lust auf zwei Wochen Andalusien, Lea? In den Osterferien?«

Ich schaute sie ungläubig an. Noch jemand mit Spanienplänen, der sich die Reise eigentlich nicht leisten konnte? Mom wirkte nicht, als ob sie scherzte. Und dennoch … dieser Blick …

»Strand, Sonne, blaues Meer?«, fragte Svenja hingerissen, bevor ich noch etwas sagen konnte. Sie schüttelte ihr halblanges hellblondes Haar aus, nachdem sie die Reitkappe abgenommen hatte. Es war feucht, wirkte aber nicht so angeklatscht wie meine Kurzhaarfrisur nach dem Entfernen des Reithelms. »Ich bin dabei, Frau Groß! Also, falls Lea nicht will!«

Meine Mom lachte. »Lea wird schon wollen!«, behauptete sie. »Und die Reise ist leider nur für zwei. Außerdem muss sich hier jemand um die Pferde kümmern.« Eindeutig keine Chance für Svenja. Aber mir erschien die Sache trotzdem seltsam. Eine kostengünstige Spanienreise für zwei konnte ich mir gerade noch erklären: Meine Mom arbeitete in einem Reisebüro, und manchmal fiel da ein sehr günstiger Urlaub für die Angestellten ab, wenn ein Reiseveranstalter zum Beispiel ein neues Hotel bewerben wollte. Aber eine romantische Andalusienreise hätte meine Mom eher mit Paps unternommen. Und einen Strandurlaub hätte sie meinem kleinen Bruder spendiert. Der kam schließlich oft zu kurz, wenn Mom und ich etwas mit den Pferden unternahmen, und hatte gehörig gemeckert, als der Sommerurlaub im letzten Jahr auf ein paar Tage im Zelt zusammengestrichen wurde.

»Sonne, Strand und Meer?«, erkundigte ich mich skeptisch.

»Nicht … äh … so ganz«, antwortete meine Mom etwas verlegen. »Es ist mehr … na ja, eher ein Reiturlaub!«

Ja, ich weiß, die meisten Pferdemädchen hätten jetzt vor Begeisterung aufgeschrien. Reiturlaub in Andalusien! Noch dazu kostenlos, der Veranstalter hatte seinen Hof nach einer Renovierung wiedereröffnet und Einladungen an alle größeren Reisebüros verschickt. Es war zweifellos undankbar von mir, darüber nicht in Verzückung zu verfallen. Aber wenn ich die Ferien schon im Sattel verbringen sollte, dann tat ich das eigentlich lieber auf meinem eigenen geliebten Riesenross. Und mit Thorsten und Svenja. Im Sommer hatten wir einen Wanderritt gemacht und dabei Riesenspaß gehabt. Das hätte ich gern wiederholt – wenn auch nicht unbedingt in den Osterferien bei Dauerregen und letzten Schneestürmen. Aber nach Spanien fliegen, um da wildfremde Pferde zu reiten?

»Nun mal nicht wieder alles so schwarz, Lea!«, meinte Svenja, als ich meine Bedenken äußerte. Mom war schon heimgefahren, aber wir tranken noch heißen Kakao in Svenjas Zimmer, um uns aufzuwärmen. »Mensch, der Typ, der das veranstaltet, will doch Werbung machen! Bestimmt hat er tolle Pferde!«

»Eben …«, bemerkte ich. »Halbwilde Hengste, die noch zugeritten werden müssen … oder alles so S-Dressur-Cracks, auf denen ich mich nur blamiere. Von mir aus kannst du gern mitfahren, Svennie. Ich lass mich hier mit Vergnügen nass regnen.«

»Ich hab aber kein Geld für den Flug«, seufzte Svenja.

Was das anging, sah es mit unserer Reise nicht anders aus als bei Tommie und Tina: Wir hatten zwar Vollpension, mussten die Anreise aber selbst bezahlen.

»Und deine Mom lädt mich bestimmt nicht ein«, jammerte meine Freundin weiter. »Dabei würde ich so gern! Bestimmt wirst du einen Riesenspaß haben!«

»Und es kann dich ja keiner zum Reiten zwingen«, fügte Thorsten hinzu. »Wenn’s dir nicht gefällt, lässt du es einfach und legst dich in die Sonne!«

Das stimmte natürlich. Laut Prospekt hatte der Hof eine Terrasse mit Ausblick auf eine fantastische Gebirgslandschaft und einen Swimmingpool. Das Meer war auch nur ein paar Kilometer entfernt. Allerdings wollte meine Mom garantiert nicht allein reiten. Wahrscheinlich würde sie damit argumentieren, dass wir die Pferde für ihr Reisebüro testen mussten. Insofern sah ich schwarz für Ferien am Pool. Wenn ich meine Mutter nicht zu Tode enttäuschen wollte, würden mir die spanischen Hengste nicht erspart bleiben.

Vom anderen Ende der Welt

Die Osterferien kamen fast ein bisschen zu schnell für meinen Geschmack und am ersten Ferientag herrschte strahlender Sonnenschein. Wehmütig sattelte ich Joker für einen Abschiedsritt mit Thorsten, und es war ganz so, wie ein romantischer Frühlingsausritt eigentlich sein sollte: gelbe Blümchen am Wegrand, frisches Grün und erste Blätter an den Bäumen. Joker und Mano angelten danach, wenn wir nicht aufpassten, um das lang vermisste Grünfutter dann möglichst rasch herunterzuschlingen.

»Und ich muss in die Wüste …«, maulte ich, woraufhin Thorsten mich auslachte.

»Mensch, Lea, in Spanien ist auch Frühling – Nordhalbkugel, hab ich neulich erst Svenja erklärt. Garantiert ist es jetzt noch nicht brüllheiß, nur beständig sonnig. Und wenn ich es richtig verstanden habe, ist eure Gegend auch eher gebirgig. Der Prospekt sieht aus, als läge die Finca im Wilden Westen.«

»Jedenfalls hat es seit Januar nicht geregnet«, erklärte ich, immer noch schlecht gelaunt. »Mom hat’s nachgesehen …«

»Das ist das erste Mal, dass du dich über trockenes Wetter beklagst«, neckte mich Thorsten. »Komm, Lea, es sind nur zwei Wochen. Und damit du uns nicht vergisst …« Er suchte in seiner Tasche herum und reichte mir fast etwas verschämt ein Päckchen herüber. »Das machst du auf, wenn du Sehnsucht nach uns kriegst.«

»Nach uns?«, fragte ich neugierig.

Thorsten nickte. »Nach Joker, Mano und mir. Hoffentlich vor allem nach mir! Verlieb dich ja nicht in irgend so einen Spanier!«

Ich beugte mich zu ihm herüber und gab ihm ein Küsschen. Joker drängte dabei automatisch seitwärts Richtung Mano. Er kannte das schon – manchmal war es wirklich nützlich, wenn Pferde Schulterherein und Traversalen beherrschten.

Am Mittwoch nach Ferienbeginn ging es schließlich los. Wir flogen direkt von Düsseldorf nach Almería, was etwa so weit war wie nach Mallorca. Der Pilot freute sich obendrein lauthals über Rückenwind, sodass wir fast eine halbe Stunde früher landeten als geplant. Das Wetter war die ganze Zeit klar, und schon beim Landeanflug konnte man sehen, dass Thorsten nicht zu viel versprochen hatte. Die Landschaft war gebirgig: teilweise hügelig, teilweise felsig zerklüftet, durchzogen von ausgetrockneten Flussläufen. Rund um den Flugplatz und die Stadt Almería verschandelten allerdings Hunderte von Gewächshäusern das Bild.

»Das größte Gemüseanbaugebiet Europas«, erklärte Mom.

Na, hoffentlich mussten wir nicht zwischen all den Plastikplanen herumreiten!

»Wo sind denn eigentlich Tina und Tommie?«, erkundigte ich mich, als wir unser Handgepäck nach der Landung zusammensuchten. »Wollten die nicht auch heute fliegen?«

Mom nickte. »Ich glaube schon, aber Spanien ist groß. Die können sonst wo sein. Und wenn Tina Turniere reiten soll, sind sie wohl sowieso eher im Norden. Andalusien soll in Sachen Reitsport tote Hose sein. Behauptet zumindest Simon, er hat sich gestern noch mit Svenja darüber unterhalten. Jetzt sind wir tatsächlich zu früh … hoffentlich sind die Leute von der Finca schon da.«

Wir sollten vom Flugplatz abgeholt werden, und ich linste schon mal durch das Glasfenster in Richtung Ausgang, während Mom die Koffer in Empfang nahm. Tatsächlich entdeckte ich gleich ein Schild: Finca Solima – Reiterurlaub in der Sierra Cabrera. Das Gleiche hatte auf Moms Prospekt gestanden, angeblich kam es von »Sol y más« – »Sonne und mehr«. Ein komischer Name für einen Reiterhof, aber durchaus vielversprechend. Erst recht, als ich jetzt den Jungen sah, der das Schild hoffnungsvoll hochhielt. Wenn das ein Spanier war, hatte ich die bisher völlig falsch eingeschätzt! Der Abgesandte von Solima war zwar braun gebrannt, aber goldblond. Er hatte glattes, halblanges Haar, das er wohl ein bisschen mit Gel behandelt hatte. Jedenfalls sah es aus, als käme er gerade aus dem Pool – oder aus dem Meer, er wirkte, als sei er einer kalifornischen Fernsehserie entsprungen. Blitzende blaugrüne Augen – fast unwahrscheinlich, dass die Natur sein sollten. Womöglich türkise Kontaktlinsen? Aber nein, sonst wirkte er nicht geschniegelt. Er war schlaksig, trug eine helle Hose und ein zu großes T-Shirt, darüber eine Jeansjacke. Und er grinste über sein ganzes ein bisschen kantiges Gesicht.

Mom steuerte ihren Koffertrolley zielsicher auf ihn zu.

»Bestimmt warten Sie – äh … du? – auf uns …«

Der Typ war eigentlich zu jung, um ihn zu siezen, ich schätzte ihn auf höchstens siebzehn, eher sechzehn. Aber andererseits hätte man uns doch niemanden zum Abholen geschickt, der noch keinen Führerschein hatte!

Der Junge grinste und schaute auf einen Zettel, den er in der Hand trug.

»Lottie und Lia Groth?« Er las unsere Namen unsicher ab und sprach sie Englisch aus. »Ich bin Richie. Welcome auf die Finca Solima.«

Mom lächelte, als er auch den spanischen Namen mit englischem Akzent sprach. »Ich hätte ja mehr mit ›Bienvenido‹ gerechnet, aber schön, dass du uns abholst. Bist du ganz allein hier?«

Richie schüttelte den Kopf und griff zuvorkommend nach unserem Trolley. »Nein. Ronja hat mich nur hier geschickt, weil die Flug zu früh kam. Oder hergeschickt?«

»Hierher geschickt«, verbesserte meine Mom.

Richie nickte mit dankbarem Lächeln. »Ihr müsst immer korrigieren, wenn ich sag was falsch! Will ich lernen besser Deutsch. Sehr wichtig!«

Ich fragte mich, weshalb er dann in Spanien arbeitete und nicht gleich in Deutschland, aber vielleicht war ihm ja da das Wetter zu schlecht.

»Ronja ist an die Schalter von Iberia«, sprach Richie weiter. »Andere Flugzeug, andere Gäste. Die zu spät.«

»›Die sind zu spät‹ oder ›Die kommen zu spät‹«, erläuterte Mom. Anscheinend erwachte in ihr die Pädagogin. Ich dagegen fand Richies komisches Deutsch niedlich.

»Du bist aber kein Spanier?«, fragte ich ihn, um eine Unterhaltung in Gang zu bringen.

Richie schüttelte wieder den Kopf, wobei seine Gel-Strähnen verrutschten. Es sah süß aus, wie die sorgfältig gestaltete Frisur aus den Fugen geriet. Unversehens griff ich nach meinem eigenen Schopf. Ich sollte dringend vor irgendeinem Spiegel kontrollieren, ob sich meine Strubbelhaare tatsächlich noch brav von dem neuen grünen Wundertuch mit Schirm als Schattenspender bändigen ließen. Das Teil passte hervorragend zu meinen grünen Augen und ließ obendrein nicht auf den ersten Blick erkennen, dass meine Haare gern in alle Richtungen abstanden.

Richie lachte mich an. »Nein. Ich komm von die andere Ende von die Welt. Christchurch, New Zealand.«