Julia – Ferien im Sattel - Christiane Gohl - E-Book

Julia – Ferien im Sattel E-Book

Christiane Gohl

0,0

Beschreibung

Der erste Preis eines Aufsatzwettbewerbs ist ein Wanderritt durch Andalusien. Klar, dass Protagonistin Julia im 18. Band der beliebten Kinder- und Jugendbuchreihe von Christiane Gohl daran teilnimmt. Sie gewinnt die Reiterferien und reist an die Südküste Spaniens. Julia muss jedoch feststellen, dass die Finca in der sie untergebracht ist, sich in keinem guten Zustand befindet und die Pferde dort schlecht behandelt werden...-

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 154

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Christiane Gohl

Julia – Ferien im Sattel

 

Saga

Julia – Ferien im Sattel

 

Copyright © <as per original material>

Published by Arrangement with Christiane Gohl.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 2002, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728013106

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Flucht aus der Kälte

»Warum muss es eigentlich schon wieder so kalt sein?«, jammerte Julia und zog ihren Anorak enger um sich. Ihre Hände waren so steif gefroren, dass es ihr kaum gelang, den Führstrick in das Halfter ihres Connemara-Wallachs Coffee einzuklinken.

»Weil es Oktober ist und der Wetterbericht ein ›Hoch‹ gemeldet hat«, informierte sie Nickie lachend. Die junge Frau trug Handschuhe und hatte eine Pudelmütze über ihr dichtes, dunkles Haar gezogen. »Das bedeutet, dass der Himmel zwar wolkenlos ist, aber da die Sonne schon sehr hoch steht, wird es nicht mehr so richtig warm. Heute Nacht hatten wir sogar schon Frost.«

»Ja, und die Ponys bekommen ihr Winterfell in einem Tempo, dass man fast beim Wachsen zuschauen kann. Dabei habe ich noch gar keine Lust auf Regen, Schnee und Matschwetter. Es war so ein schöner Sommer, der könnte ruhig noch etwas länger dauern.« Julia hatte Coffee endlich am Strick und öffnete das Weidetor für Nickie, die gleich zwei Ponys hinausführen musste. Energisch disziplinierte sie ihr Welsh-Pony Megan, das es wieder mal zu eilig hatte. Piazza, die ältere Welsh-Partbred-Stute, kam gesittet hinterher. Nickie hätte eigentlich aufsteigen und reiten können. Piazza war auch ohne Sattel ein sicheres Reitpony und die junge Megan ging gut als Handpferd. Julia musste ihr Jungpferd Coffee aber führen und so ging Nickie auch zu Fuß, um ihr Gesellschaft zu leisten. Die beiden brachten ihre Pferde zurück auf die große Gemeinschaftskoppel bei Julias Haus. Dort verbrachten eigentlich alle Pferde der Haltergemeinschaft den Sommer. Jetzt, im Herbst, wurde das Gras jedoch knapp. Julias und Nickies Pferde hatten daher ein paar Tage lang eine kleinere Koppel abgefressen.

»Nun mecker mal nicht«, meinte Nickie. »Wie gesagt, der Sommer war fantastisch und über den Herbst können wir bisher auch nicht klagen. Mir ist die Kälte allemal lieber als der übliche Matsch und Regen. Und du fliegst ja sowieso bald nach Andalusien ...«

»Jetzt fang du nicht auch noch an!«, sagte Julia unwillig. »Reicht schon, dass Olaf und Gloria mich dauernd mit diesem Wettbewerb nerven. Hätte ich euch bloß nichts davon gesagt...«

»Dann hätten wir die Geschichte aber nicht alle im Vorfeld lesen und Verbesserungen vorschlagen können – von der Rechtschreibkontrolle durch Glorias Computer mal ganz zu schweigen. Und um es dir noch mal zu versichern: Wir fanden den Text durchgehend preisverdächtig. Gehst du mal etwas langsamer? Megan ist außer Rand und Band.«

Während Julia noch Anstalten machte, Coffees Tempo etwas zu drosseln, war es auch schon passiert. Megan, eine hübsche Cob-Stute mit langer, lockiger Mähne, herzförmiger Blesse und aufmerksamen, dunklen Augen, hatte sich mit einem energischen Ruck am Führstrick von Nickie befreit. Zielstrebig trabte sie zum nächsten Feld. Der Winterweizen darauf war bereits aufgegangen und das Ganze sah aus wie eine einladende, grüne Weide. Julia und Nickie befürchteten Schlimmstes. Wenn Megan über das Feld lief, würden ihre kräftigen, runden Hufe gut sichtbare Spuren hinterlassen. Zum Glück verhielt sie jedoch am Rand, um zunächst ein paar Gräser zu verdrücken. Megan rupfte das Grün in Rekordgeschwindigkeit, wusste sie doch genau, dass Nickie gleich hinter ihr her sein würde. Julia blieb mit Piazza und Coffee stehen und beobachtete das Geschehen. Die Sache war nicht ganz ungefährlich. Wenn Megan beschloss, sich im Galopp Richtung Heimat abzusetzen, konnte es kritisch werden. Auf dem Weg lag eine Bundesstraße. Zum Glück dachte die kleine Stute aber gar nicht daran, Coffee und Piazza zu verlassen. Ihr ging es nur um eine zusätzliche Leckerei – und natürlich wollte sie ihre Freiheit so lange wie möglich auskosten. Als Nickie sich ihr näherte, schlug sie folglich einen Haken und brachte wieder eine gebührende Distanz zwischen sich und ihre Herrin. Aber dann wurde ihr der von ihrem Halfter herabhängende Führstrick zum Verhängnis. Megan trat darauf, empfing einen Ruck auf die Nase und blieb einen Sekundenbruchteil irritiert stehen. Mehr brauchte Nickie nicht, um sie mit zwei Sprüngen zu erreichen und ihren Führstrick zu fassen. Das Pony ergab sich sofort in sein Schicksal – direkt nach solchen Eskapaden war Megan stets das bravste Pferd der Welt.

»Der Umgang mit Megan hält immerhin schlank«, seufzte Nickie, als sie zu Julia zurückkam. »Ich befürchte allerdings, auf die Dauer verursacht er Sorgenfalten.«

Während die junge Frau ihr aufmüpfiges Jungpferd wieder unter Kontrolle brachte, überdachte Julia noch einmal ihren Beitrag zum Aufsatzwettbewerb der Zeitung ›Sattelfest‹. Sie hatte über ihren Umzug nach Elbentrup, ein Dorf in Ostwestfalen, geschrieben und vor allem über die Suche nach einem Stall für ihr Pony Coffee. Dabei war ihre Schilderung des ersten Pensionsplatzes bei Bio-Bauer Hüpfer sehr witzig ausgefallen. Sie hatte aber auch darüber berichtet, wie sie mehr und mehr unter Druck geraten war, weil Bauer Hüpfer immer höhere Arbeitsleistungen von ihr gefordert hatte. Schließlich war es ihr mit Hilfe ihrer Freunde und ihres Stiefvaters Klaus gelungen, genügend Land anzupachten, um eine eigene Haltergemeinschaft zu gründen. Nickie und Gloria, ihre erwachsenen Freundinnen, fanden die Geschichte sehr gelungen. Auch Olaf, Julias Freund, hatte sich über die ulkigen Passagen vor Lachen gebogen. Nun warteten alle auf das Ergebnis des Wettbewerbs. In der nächsten Ausgabe von ›Sattelfest‹ sollten die Gewinner bekannt gegeben werden. Die drei Hauptpreise bestanden aus der Teilnahme an einem Wanderritt durch Südspanien. Und Nickie, Olaf und Gloria taten seit Wochen so, als sei Julias Reise in den Herbstferien schon fest eingeplant.

Nickie hatte ihre Führstricke inzwischen wieder geordnet und ging neben Julia her. Julia selbst hatte mit Coffee keine Probleme. Der milchkaffeefarbene kleine Wallach war meist sehr brav.

»Ich gewinne garantiert nicht«, meinte Julia pessimistisch. »Wenn eine von hier einen Preis kriegt, dann höchstens Alina. Sie hat ihren Aufsatz übrigens unserer Deutschlehrerin gezeigt und mit ihr gemeinsam die ›gezielt eingesetzten Stilmittel‹ diskutiert. Ich hätte schon wieder kotzen können.«

»Zurückhaltung ist eben nicht so ihre Sache«, lachte Nickie. Alina war im Sommer neu in Julias Schulklasse gekommen und galt als Streber. Sie war in allen Fächern die Beste und sah obendrein phantastisch aus. Nur mit Alinas Reitkenntnissen haperte es ziemlich. Obwohl ihr Vater ihr ein sehr gut veranlagtes Dressurpferd gekauft hatte, reichte es nicht für Schleifengewinne. Neuerdings hatte das Mädchen sich jedoch aufs Springen verlegt. Mit Unterstützung ihres Freundes Jens trieb sie ihre Stute Aphrodite seither mit oft sehr unschönen Methoden zum Sieg.

»Aber deshalb wird sie trotzdem nicht gewinnen«, fuhr Nickie fort. »Nun zeig mal ein bisschen Selbstbewusstsein, Julia! Alina könnte dich zwar in Mathe oder beim Schachspielen ohne weiteres schlagen, aber die besseren Geschichten erzählst garantiert du. Berühmte Schriftsteller hatten nie die besten Noten im Aufsatz, das kannst du überall nachlesen. Außerdem hast du eine Freundin in der Sattelfest-Redaktion ...« Nickie verhielt ihre Pferde vor einer Straßenüberquerung.

»Du glaubst doch nicht, dass Stephanie mich absichtlich gewinnen lässt! So unfair wäre sie nie!«, erregte sich Julia. Vor ihrem Umzug hatte Julia bei Stephanie Heiden, einer Redakteurin der Zeitung ›Sattelfest‹, reiten dürfen. Außerdem war Coffee der Sohn von Stephanies Connemara-Stute Violetta.

»Natürlich nicht. Aber seien wir doch mal ehrlich:Wenn ein Jurymitglied eine der Einsenderinnen kennt, liest es deren Beitrag aufmerksamer. Auch wenn Stephanie nicht absichtlich unfair sein will, so bedeuten Beziehungen doch immer Pluspunkte. Wenn du später mal ein Buch herausbringen willst, ist es auch besser, wenn du schon eine Lektorin kennst. Das ist einfach so.« Nickie musste es wissen. Sie war als Fotografin und Illustratorin von Kinderbüchern für mehrere Verlage tätig.

»Wir werden’s ja sehen«, meinte Julia und führte Coffee über die Straße. Gleich danach hatten sie ihr Haus erreicht und entließen die Ponys auf die große Gemeinschaftsweide. Das dritte Jungpferd der Haltergemeinschaft, Olafs Quarter-Wallach Hillbilly, forderte Coffee sofort zu einem spielerischen Kampf auf. Megan stürzte sich inzwischen mit gebleckten Zähnen auf Kyla, ein Pensionspferd, und Piazza gesellte sich zu ihrem besten Freund Godi.

Als Nickie sich zum Gehen wandte, fuhr vor Julias Haus gerade der Postbote vor. Er schob einen Stapel Briefe und Zeitschriften in den Kasten der Familie Wiegand/Gronau.

»Die Post kommt auch immer später«, kommentierte Nickie. »Geh mal schnell gucken, ob ›Sattelfest‹ schon dabei ist. Ich bin ja soo gespannt, ob du gewonnen hast.«

Julia zog die Post aus dem Briefkasten und warf rasch einen Blick auf die Zeitschriften. Aber da waren nur eine Fernsehzeitschrift für ihre Mutter und zwei Fachblätter für ihren Stiefvater Klaus.

»Nöö. Aber warte mal. Hier ist ein Brief für mich!« Aufgeregt kam Julia zu Nickie und riss den großen Umschlag auf, der das Logo der Zeitschrift ›Sattelfest‹ trug.

»›Liebe Julia‹«, las sie vor. »›Wir freuen uns, dir mitteilen zu können, dass deine Geschichte ›Umzug mit Pony‹ den zweiten Preis in unserem Aufsatzwettbewerb gewonnen hat. Wir werden den Text in der nächsten Ausgabe auf der Jugendseite veröffentlichen. Wie du sicher weißt, bestehen die Hauptpreise unseres Wettbewerbs aus Reisen nach Andalusien. Wir hoffen sehr, dass du dir für die Herbstferien noch nichts anderes vorgenommen hast. Abreisetag ist der zweite November, Abflughafen Hannover, Rückflug am neunten. Der Ankunftsflughafen ist Almería ...‹ Nickie, ich hab’s! Ich hab tatsächlich gewonnen! Aber wetten, dass Alina Erste ist?« Julia tanzte mit ihrem Brief um Nickie herum, die gutmütig lächelte.

»Haben wir dir doch alle gesagt! Nur du wolltest es nicht glauben. Herzlichen Glückwunsch! Oh, ich beneide dich! Ich hätte auch Lust, diesem Wetter hier noch mal ein paar Tage zu entfliehen. In Andalusien ist es jetzt noch richtig warm. Und diese wunderschönen, spanischen Pferde! Wenn du zurückkommst, wirst du Gloria im Dressurreiten Konkurrenz machen, pass mal auf!«

Das glaubte Julia zwar nicht, aber sie freute sich doch unbändig. Nur der Abschied von Coffee tat ihr etwas Leid. Aber Olaf, Nickie und die anderen würden sich schon gut um ihn kümmern.

 

Wie sich bald herausstellte, hatte Alina den ersten Preis nicht gewonnen. Sie gehörte überhaupt nicht zu den Preisträgern, was Julias Freude über ihren Gewinn noch steigerte. Julia war sonst nicht schadenfroh, aber Alina gönnten alle den Dämpfer. Besonders Julias Freundin Lisa, der Alina im Sommer den Freund ausgespannt hatte, war fast so begeistert, als dürfte sie selbst nach Spanien reisen.

»Wo geht es denn überhaupt hin?«, fragte Gloria, als sich die Freunde wieder mal auf Julias Koppel trafen. Sie sattelte ihren Reitpony-Wallach Rainbow für einen Ritt zur Reithalle. Gloria war Reitwartin und gab zweimal in der Woche Unterricht im nahe gelegenen Reitverein. Auch Lisa machte ihr Pflegepferd Dancer fertig zum Aufbruch.

»Nach Almería«, antwortete Julia. »Aber der Hof, von dem aus wir starten, ist in einem Ort namens ... ›Ve-letz Blanco‹. Die Finca heißt ›Cor-ti-jo Verde‹.«

»Cortijo Verde in Vélez Blanco«, korrigierte Gloria und sprach die schwierigen Worte aus wie ›Korticho‹ und ›Beless‹. Sie studierte in Bielefeld Sprachen und Spanisch gehörte zu ihren einfachsten Übungen. »Cortijo Verde heißt ›Grüner Hof‹.«

»So viel Grün soll’s da aber gar nicht geben«, meinte Julia. »Im Prospekt steht, Almería wäre die trockenste Ecke Europas und hätte fast so was wie Wüstenklima.«

»Vielleicht bewässern sie ja«, mutmaßte Gloria. »Aber ihr bleibt doch sowieso nicht da, oder? Ich denke, ihr macht einen Wanderritt?«

Julia nickte. »Ja, fünf Tage durch die ganze Region. Auch ans Meer. Ob man wohl noch schwimmen kann?«

»Bestimmt«, meinte Gloria. »Nimm auf jeden Fall Badezeug mit. Warum ist es eigentlich keine Reise für zwei? Ich hätte auch Lust. Aber du würdest ja doch nur Olaf mitnehmen.«

»Julias Mutter würde ausrasten«, kicherte Lisa. Sie erinnerte sich noch gut an Frau Gronaus Reaktion, als Julia mit Olaf alleine im Baumhaus übernachten wollte. »Wer sind denn die anderen Gewinner? Ist auch ein Junge dabei?«

Julia schüttelte den Kopf. »Nöö. ›Girlscamp‹ pur. Den ersten Preis hat eine Ronja Segler aus Hameln gewonnen. Die fliegt bestimmt mit mir von Hannover aus. Und Dritte ist eine Charlotte aus Berlin geworden. Ronja muss total lustig sein. Ihre Geschichte war jedenfalls zum Kugeln.«

Ronja Seglers Aufsatz war in der aktuellen Sattelfest-Ausgabe abgedruckt. Es ging darin nur um eine ganz normale Reitstunde, aber Ronja hat die Charaktere der Pferde, der Mädchen und vor allem des ziemlich trotteligen Reitlehrers ausgesprochen witzig geschildert. Charlottes Geschichte würde erst in der übernächsten Ausgabe folgen. Der Titel ›Mit Smokey über alle Hürden‹ ließ allerdings eher auf eine gewöhnliche Turnierstory schließen.

Ab in den Süden!

Die letzten Wochen vor der Reise vergingen schnell. Das schöne Oktoberwetter war rasch dem üblichen Regen und Matsch gewichen. Kurz bevor Julia abflog, zogen die Pensionspferde in ihre Winterquartiere um. Nur Julias, Olafs, Glorias und Nickies Pferde durften noch den Rest der großen Weide abknabbern. Dancer, Gotthardt und Kyla hatten Boxen im Reitstall, Schneewittchen und Jojo bezogen den endlich fertig gestellten Stall im Garten von Familie Laubenkötter. Sarah und Jenny, ihre jungen Besitzerinnen, waren ganz aufgeregt, sie erstmals wirklich in Eigenregie versorgen zu dürfen.

»Wenn sie die erste Woche lang jeden Tag um sechs aufgestanden sind, wird ihnen der Spaß noch vergehen«, kommentierte Olaf.

 

Julias Flugzeug ging schon um acht Uhr morgens, aber sie ließ es sich nicht nehmen, Coffee und die anderen noch einmal selbst zu füttern. Megan fand den Frühstücksservice um vier Uhr früh eine bemerkenswerte Neuerung. Voller Eifer stürmte sie in den Offenstall und zerbrach dabei eine Begrenzungsstange. Julia seufzte. Megan würde sie in Spanien ganz gewiss nicht vermissen.

Punkt vier kamen Nickie und Olaf, um Julia abzuholen. Nickie hatte sich bereit erklärt, sie zum Flugplatz zu fahren, da sie ohnehin in Hannover zu tun hatte. Olaf kam zur Gesellschaft mit. Julia freute sich riesig, dass er ihretwegen so früh aus den Federn gefunden hatte.

Grummelnd reparierte Nickie die neueste Schandtat ihres Jungpferdes provisorisch und versprach, gleich am Nachmittag eine neue Stange zu kaufen und anzubringen. Dann drängte sie zur Eile. Julia hatte kaum Zeit, sich von ihrer Mutter zu verabschieden.

»Ruf zwischendurch mal an!«, forderte Frau Gronau sie auf. »Wenn’s geht auch bei uns, nicht nur bei Olaf.«

»Sofern sie auf ein Telefon trifft«, lächelte Nickie. »Fünf Tage Reiten in der Wildnis – wer weiß, ob da ein Anschluss ist.«

Die Autobahn war so früh am Morgen noch vollständig frei und Nickie kam schnell vorwärts. Julia war folglich bei den Ersten, die ihr Gepäck aufgaben, und hatte anschließend noch viel Zeit, mit den anderen zu frühstücken. Gleich neben den Check-In-Schaltern gab es ein Selbstbedienungscafé. Nickie, Julia und Olaf beluden ihre Tabletts üppig mit frischen Hörnchen und Gebäck.

Die Familie am Nachbartisch hatte allerdings noch kräftiger zugelangt. Die Mutter, eine rundliche kleine Frau, nötigte ihrer Tochter gerade das dritte Schokoladencroissant auf.

»Iss noch eins, wer weiß, wann du wieder was bekommst«, meinte sie besorgt.

»Mami, ich kriege im Flugzeug Frühstück. Zweimal wahrscheinlich, einmal auf dem Weg nach Palma und dann noch mal im Flieger nach Almería. Und der Urlaub ist mit Vollpension ...« Das Mädchen wirkte etwas gequält.

Kein Wunder, dachte Julia. Offensichtlich hatte es auch ohne drei Hörnchen um sechs Uhr früh genug mit seinem Gewicht zu kämpfen. Es war klein und rundlich wie seine Mutter. Auch der zugehörige Vater hatte nicht gerade für ›Schlankheitsgene‹ gesorgt. Er war groß und füllig und wirkte unausgeschlafen.

»Das Flugzeugessen ist ungesund. Iss dich lieber hier richtig satt«, beharrte die Mutter des Mädchens, während Nickie schon viel sagend grinste. Die hat leicht lachen, dachte Julia. Nickie besaß eine echte Modelfigur. Aber auch Julia konnte nicht klagen. Zierlich gebaut wie sie war, konnte sie von jeher essen, soviel sie wollte.

»Und denk an die Sonnenmilch!«, fuhr die Mutter nebenan mit ihren Ermahnungen fort. »Du mit deiner hellen Haut ... Also ich bin ja gar nicht so glücklich über diese Reise – ganz allein nach Spanien! Wenn es nicht kostenlos wäre, hätten wir dir das nie erlaubt. Hoffentlich sind wenigstens die Pferde nicht gefährlich ...«

Julia und ihre Freunde spitzten die Ohren. Pferde? Eine kostenlose Reise für ein Mädchen allein?

»Entschuldigung, bist du vielleicht Ronja?«, fragte Julia. »Die Ronja, die bei ›Sattelfest‹ gewonnen hat?«

Das Mädchen schaute überrascht auf, lächelte dann aber strahlend über sein ganzes rundes, rotbackiges Gesicht. Ronja hatte tatsächlich sehr helle Haut und rotblondes, kurz gelocktes Haar. »Genau die bin ich. Und du bist dann Julia, wenn ich das jetzt richtig behalten habe.«

Julia nickte. »Schön, dass wir zusammen fliegen. Ich fand deine Geschichte übrigens toll!«

»Deine war auch super.« Die Zeitschrift mit Julias Geschichte war eben erschienen. »Sollen wir noch mal zum Schalter gehen und fragen, ob wir nebeneinander sitzen können?« Ronja wirkte erleichtert, ihrer Mutter entfliehen zu können. Die musterte Julia und ihre Begleiter inzwischen mit prüfenden Blicken.

»Fliegen Sie mit?«, wandte sie sich an Nickie. »Dann können Sie ja vielleicht ein bisschen auf Ronja aufpassen. Sie ist so unpraktisch, wissen Sie. Bestimmt steigt sie in den falschen Flieger.«

Ronja wurde rot. Aber Nickie lachte nur und zeigte auf eine Anzeigetafel. »Ich denke, die zwei brauchen kein Kindermädchen. Schaut mal, ihr beiden, da ist das Boarding-Zeichen. Wenn ihr jetzt noch was mit den Plätzen regeln wollt, müsst ihr euch beeilen.«

Julia wäre zwar gern noch etwas bei Olaf geblieben, statt gleich beim ersten Aufruf in den Warteraum zu gehen. Aber sie verstand, dass Ronja nur noch weg wollte. Die beiden Mädchen trollten sich noch einmal zum Check-In, konnten ihre Bordkarten aber nicht mehr tauschen.

»Der Flieger ist allerdings nicht voll«, meinte die freundliche Dame am Schalter. »Sprecht einfach eine Stewardess an, die weist euch dann Plätze nebeneinander zu.«

»Mach besser nicht so einen Aufstand, Liebling, das bringt die Stewardessen nur gegen dich auf«, meinte Ronjas Mutter besorgt.

Ronja schlug die Augen gen Himmel.

»Ja, und dann erzählen sie das dem Piloten, den macht es nervös und der Flieger stürzt ab«, fügte Nickie grinsend hinzu.

Julia und Ronja kicherten, während Frau Segler diese Möglichkeit ganz ernsthaft zu bedenken schien.

Schließlich verabschiedete sich Julia mit einem sehr langen Kuss von Olaf und Ronja mit einem sehr kurzen von ihren Eltern.

»Und dass du mir bloß nicht mit diesen affigen Dressursachen kommst, wenn du wieder da bist«, meinte Olaf zu Julia. »Denk dran, du bist Westernreiter. Wandere bloß nicht ab zu Piaffe und Passage!«

Julia wollte noch etwas erwidern, aber Ronja drängte fast fluchtartig in den Warteraum.

»Puh, das wäre geschafft! Eine Woche ohne Mami!« Erleichtert ließ sich Ronja auf einen der Sitze im Transitraum fallen.