Julia – Reitbeteiligung gesucht - Christiane Gohl - E-Book

Julia – Reitbeteiligung gesucht E-Book

Christiane Gohl

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Beschreibung

Julias Freundin Lisa möchte nicht mehr nur mit Schulpferden trainieren. Sie wünscht sich ein Pflegepferd oder eine Reitbeteiligung. Klar, dass Julia ihr im 14. Band der beliebten Kinder- und Jugendbuchreihe von Christiane Gohl hilft, ein Pferd zu finden. Die beiden jungen Mädchen lesen Zeitungsanzeigen und treffen sich mit Pferdebesitzern. Dabei merken sie, dass die Suche nach einem geeigneten Pferd gar nicht so einfach ist...-

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Christiane Gohl

Julia – Reitbeteiligung gesucht

 

Saga

Julia – Reitbeteiligung gesucht

 

Copyright © ‹as per original material›

Published by Arrangement with Christiane Gohl.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 2000, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728013069

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Das Glück der Pferde ...

»Na, letzter Ausritt vor der großen Trennung?«, fragte Nickie Julia und Olaf, die gerade zwei Pferde aus dem Sandauslauf führten. Die junge Frau hatte heute keine Zeit zum Reiten und Julia deshalb angeboten, ihre Ponystute Piazza zu bewegen. So konnte das Mädchen noch einmal mit seinem Freund ausreiten, bevor Olaf zu einer mehrtägigen Klassenfahrt nach Wien aufbrach.

»Wie werdet ihr nur die zwei Wochen ohneeinander aushalten?«, neckte Nickie, während sie ihre Garage aufschloss.

»Es sind nur zehn Tage«, berichtigte Julia und zupfte ihren Pferdeschwanz zurecht, bevor sie sich aufs Pferd schwang. »Und soo schrecklich ist es nun auch wieder nicht. Immerhin kann ich dann zehn Tage lang Godi reiten.«

Godi war Olafs schwarzer Islandwallach. Olaf zog gerade seinen Sattelgurt nach und stieg dann ebenfalls auf. »Und ich gehe in die Spanische Hofreitschule«, erklärte er dabei. »Und zwar jeden Tag, auch wenn unser Lehrer ein ›umfangreiches Kulturprogramm‹ für uns plant. Wenn schon Klassenreise, dann will ich auch was lernen und nicht nur alte Schlösser besichtigen. Wozu brauch ich das, schließlich werd ich ja doch nie König.«

Nickie lachte. »Na, ihr seid mir ja ein schönes frisch verliebtes Paar! Keine Tränen, kein Abschiedsschmerz, keine Schwüre, den anderen niemals zu vergessen ...«

»Nur weil Olaf für ein paar Tage nach Wien fährt?«, erwiderte Julia cool. »Also das wäre doch echt übertrieben! Wenn er jetzt irgendwas Gefährliches vorhätte ...«

»Apropos ›gefährlich‹«, fiel Nickie ein, als sie gerade in ihr Auto steigen wollte. »Was ich euch noch sagen wollte: Versucht ja nicht wieder, Achmed und seine Reitgruppe im Gelände aufzumischen! Er hat sich letzte Woche bei Gloria beschwert. Schließlich sind bei eurem letzten Zusammentreffen drei seiner Schäfchen runtergefallen!« Achmed war Reitlehrer im nahe gelegenen Reiterverein.

»Und das soll unsere Schuld sein?«, fragte Olaf verblüfft. »Nickie, diese Pflaumen wären auch mit Sicherheitsgurt und Airbag auf dem Boden gelandet!«

»Wir haben sogar noch das Schlimmste verhindert!«, verteidigte sich Julia. »Wir kamen ihnen nämlich gerade entgegen, als ihre Pferde durchgingen. Und deshalb haben ein paar von ihnen immerhin angehalten.«

»Aber nicht alle ...«, fügte Olaf grinsend hinzu. »Das Pferd von Achmed zum Beispiel ist weitergerannt ...«

Julia und Olaf lachten bei der Erinnerung an das Wirrwarr auf dem Reitweg.

Auch Nickie musste lächeln. »Na ja, es war sicher nicht eine von Herrn Hannemanns besten Ideen, Achmed mit seinen Schülern zum Geländereiten zu verdonnern. Aber ihr solltet euch da trotzdem fern halten. Man weidet sich schließlich nicht am Unglück anderer Leute!« Mit diesen salbungsvollen Worten stieg sie endgültig ins Auto.

»Das heutige Wort zum Sonntag sprach Schwester Nicoletta Stern aus dem Orden der ›Reiter, die niemals lästern«, bemerkte Olaf und blickte grinsend dem Auto hinterher.

»Dieser Orden muss aber ein Geheimbund sein. Ich bin jedenfalls noch keinem Reiter begegnet, der nicht leidenschaftlich über andere herzieht«, kicherte Julia. »Wo reiten wir denn jetzt hin? Ich wette, Achmed geht über die Springstrecke!«

»Garantiert. Die drei Hupfer lässt er sich nicht entgehen. Schon um seinen Schülern zu zeigen, was sie alles noch nicht können. Als Herr Hannemann den angestellt hat, kann er wirklich nicht ganz bei Sinnen gewesen sein.«

Herr Hannemann war Vorsitzender des Reitervereins und seine Ansichten über Reiten und Pferdehaltung entsprachen eigentlich ziemlich genau denen von Julia und ihren Freunden. Er stand erst seit kurzer Zeit an der Vereinsspitze und hatte sich zum Ziel gesetzt, unterschiedliche Reitweisen, Freizeitreiten im Gelände und ohne Turnierstress sowie artgerechte Pferdehaltung zu fördern. »Ein Reitstall für glückliche Reiter und glückliche Pferde!«, pflegte er seine Pläne zu umreißen. Allerdings fasste er die Sache manchmal etwas ungeschickt an und einer seiner größten Flops war die Einstellung des Springreiters Achmed als Reitlehrer. Herrn Hannemanns Wahl war in erster Linie deshalb auf den jungen Marokkaner gefallen, weil er meinte, ein Südländer würde den Reitunterricht ein bisschen lockerer angehen als ein deutscher Turnierreiter. Tatsächlich machte sich Achmed nicht allzu viel aus ernsthafter Dressurarbeit und alberte lieber mit seinen Schülerinnen herum. Dabei erwies er sich allerdings auch als ziemlicher Draufgänger, dem es mehr auf Schneid und schwungvolles Reiten ankam als auf die Feinheiten einer gründlichen Ausbildung. Herr Hannemann hatte das inzwischen auch erkannt und Julias Freundin Gloria als Reitlehrerin für die Privatpferdereiter gewonnen. Die Schulpferdereiter blieben jedoch auf Achmed angewiesen und Herrn Hannemanns neueste Idee, die Ausbildung breiter zu fächern und mindestens eine Unterrichtsstunde im Monat ins Gelände zu verlegen, verbesserte ihre Lage auch nicht gerade.

Julia und Olaf ließen Piazza und Godi im flotten Schritt durchs Dorf gehen. Julia musste dabei etwas treiben, denn die rundliche Rotschimmelstute Piazza hatte es selten eilig und fand es absolut überflüssig, sich dem schnellen Schritt des Isländers anzupassen. Erst als sich die Reiter Julias Haus näherten, legte sie einen Zahn zu. Schließlich lockten dort frisch eingesäte, grüne Weiden. Julias Stiefvater Klaus hatte rund um sein Haus herum Land gepachtet und Pferdeweiden anlegen lassen: Viel zu viele für Julias jungen Connemarawallach Coffee allein. Auf dem Grasland konnten mindestens zehn Pferde satt werden, und so hatte sich Julia mit Olaf, Nickie und Gloria zusammengetan und eine Haltergemeinschaft für ihre Pferde gegründet. Im letzten Sommer waren dann noch zwei Mädchen aus der Nachbarschaft mit ihren Ponys hinzugekommen. Doch bevor das frisch eingesäte Gras nicht ordentlich gewachsen und zweimal geheut worden war, mussten sich die Freunde noch mit verschiedenen, von Bauern zusammengepachteten Weidestücken behelfen. Im nächsten Jahr würde es dann aber reichlich Gras für alle geben.

Zu Piazzas Enttäuschung ritten Julia und Olaf heute jedoch an diesem künftigen Pferdeparadies vorbei und bogen in Richtung Wald ab. Von den Weiden kurz vor dem Waldrand aus wurden sie mit einem fröhlichen Wiehern begrüßt. Julias zweijähriger Connemara Coffee trabte heran, gefolgt von Olafs Quarterhorse-Jährling Hillbilly. Megan, eine junge Welsh-Cob-Stute, schloss sich diesmal nicht an. Sie schien in einer anderen Weideecke etwas Interessantes entdeckt zu haben und untersuchte es gerade mit Nase und Hufen.

»Weiterreiten oder nachgucken, was sie da hat?«, fragte Julia ihren Freund.

»Nachgucken«, entschied Olaf. »Wenn Megan sich so intensiv mit etwas beschäftigt, ist es garantiert gefährlich.«

Bei Megan ging Olaf immer vom Schlimmsten aus. Die kleine Stute war ein besonders lebhaftes und intelligentes Pferd, dessen Abenteuerlust leider oft über das Ziel hinausschoss. So sehr man auch auf der Hut war: Immer ließ Megan eine Spur von umgeworfenen Elektrozäunen, in seine Bestandteile zerlegtem Sattelzeug und dem Erdboden gleichgemachten Stalleinrichtungen hinter sich. Julia nahm Godis Zügel, während der Junge nachsehen ging.

»Eine halbe Tüte Kartoffelchips! Und eine leere Colaflasche. Da hat mal wieder jemand ein Picknick auf unserer Weide veranstaltet!«, regte Olaf sich auf, als er zurückkam. »Erstaunlicherweise hat Megan das Zeug nicht gefressen. Zumindest die Tüte nicht. Und die Chips wird sie schon verdauen.« Mit dem Abfall in der Hand stieg er auf und lavierte sein Pferd zum nächsten Mülleimer. Der Abfallbehälter befand sich gleich am Eingang des Waldes, keine zwanzig Meter von der Fundstelle entfernt.

»Ich weiß nicht, was die Leute sich denken!«, schimpfte Julia. »Dabei haben wir schon überall die ›Bitte nicht füttern! ‹-Schilder aufgehängt.«

»Solche Leute denken überhaupt nicht«, behauptete Olaf. »Aber jetzt müssen wir uns sputen, sonst verpassen wir Achmed noch! Und dann hat er keinen, den er für seine heutigen Katastrophen verantwortlich machen kann!«

Rasch durchquerten die beiden das Wäldchen und passierten die dahinter liegende Bundesstraße. Danach kamen sie auf einen Graspfad, der links in einen breiten Weg mündete. Irgendjemand hatte diese Strecke mit ein paar Hindernissen versehen. Man konnte daran vorbeireiten oder darüber springen, ganz wie man wollte.

»Bei den Sprüngen sind sie noch nicht. Sollen wir ihnen wieder entgegenreiten oder das Feld von hinten aufrollen?«, fragte Olaf.

Julia sah auf die Uhr. »Wenn wir schnell reiten, kriegen wir sie von hinten. Das ist lustiger. Dann können wir ein Stück mitreiten und bekommen mehr mit.«

»Außerdem sieht das stärker nach Zufall aus«, meinte Olaf und trieb Godi an. Der Isländer zog in flottem Tölt neben der trabenden Piazza her. Julia freute sich schon darauf, ihn in den nächsten Tagen regelmäßig reiten zu dürfen. Auch wenn ihr die Trennung von Olaf schwerer fiel, als sie es Nickie gegenüber zugegeben hatte. Schließlich war sie erst seit zwei Wochen mit ihrem Freund zusammen und zudem ein bisschen eifersüchtig. Der große Junge mit dem dunkelblonden, wuscheligen Haar, der obendrein auch noch ein hervorragender Reiter war, gefiel schließlich vielen Mädchen. Julia selbst hatte lange geglaubt, dass er sich eher zu ihrer Klassenkameradin Laura hingezogen fühlte – aber das hatte sich zum Glück als Irrtum erwiesen.

Die Springstrecke war Teil eines etwa einstündigen Rundweges, den die Reitstallreiter gerne einschlugen. Auch Julia und ihre Freunde nahmen ihn häufig, kamen aber aus einer anderen Richtung. Nun wollten sie schnell einen Teil der Runde hinter sich bringen, um irgendwo auf Achmed und seine Gruppe zu stoßen. Eigentlich hatten sie damit gerechnet, den Reitlehrer kurz vor den Sprüngen zu erwischen, aber tatsächlich war er mit seiner Gruppe erst bis zu der Wegkreuzung beim Reitstall gekommen. Die Reitergruppe, bestehend aus Achmed und fünf jungen Reitschülerinnen auf Vereinspferden, wartete auf das sechste Mädchen, das offensichtlich Schwierigkeiten hatte. Auf dem Zufahrtsweg zum Reiterhof kämpfte es verzweifelt mit einem schwarzen Wallach. Der Rappe war nicht zu bewegen, sich noch weiter von seinem Stall zu entfernen. Er versuchte umzudrehen, ging rückwärts und stieg oder schlug aus, sobald das Mädchen die Gerte einsetzte.

»Nun mach schon, Lisa! Fester! Zeig ihm, wer der Chef ist! Das macht er jedes Mal an dieser Stelle. Wenn er erst auf dem Weg ist, ist alles okay«, brüllte Achmed. Mehr als Schreien schien ihm zu dem Problem nicht einzufallen, aber er hatte auch keine echte Möglichkeit, Lisa zu Hilfe zu kommen. Der Reitlehrer saß auf dem Fuchshengst Gluthauch, einem Berittpferd, das selbst ziemlich aufgeregt war. Unmöglich, sich mit ihm Lisas Pferd zu nähern, um es am Zügel zu nehmen und über die Stelle hinwegzuführen. Inzwischen begannen auch ein paar der anderen Pferde zu tänzeln und zu steigen. Die Schulpferde waren bisher nur selten ins Gelände gekommen und zeigten sich bei Ausritten immer noch sehr nervös.

»Sollen wir helfen?«, fragte Olaf fröhlich. Achmed warf ihm einen unwilligen Blick zu. Natürlich ahnte er, dass Julia und Olaf hier nicht durch Zufall vorbeigekommen waren. Andererseits blockierte die Reitgruppe den ganzen Weg und die beiden hätten beim besten Willen nicht vorbeireiten können – selbst wenn sie gewollt hätten. Trotzdem hätte Achmed Olafs Hilfsangebot natürlich niemals angenommen.

Aber inzwischen hatte Lisa schon selbst die Initiative ergriffen. Sie war abgestiegen und führte ihr Pferd zu den anderen. Der Wallach tappte zwar mit einem etwas griesgrämigen Gesicht, doch ohne weitere Auflehnung hinter ihr her. Julia fand das eine ganz vernünftige Lösung, aber Achmed war damit gar nicht zufrieden.

»So wird das nie was, Lisa! Du musst dich durchsetzen. Nun hat er wieder gewonnen!«

»Schon möglich«, meinte Lisa genervt und schob eine hellblonde Haarsträhne, die ihr beim Streit mit dem Pferd in die Stirn gefallen war, zurück unter die Reitkappe. »Aber immerhin bin ich nicht heruntergefallen. Letzte Woche hat er an dieser Stelle Franziska abgeworfen und vorletzte Woche Jana. Ich bin doch nicht lebensmüde!«

Energisch führte sie das Pferd zu den anderen und folgte der Abteilung ein paar Meter zu Fuß. Das Pferd widersetzte sich jetzt nicht mehr, im Gegenteil. Als Achmed antraben ließ, musste Lisa fast aufspringen, so schnell wollte es hinterher. Julia und Olaf warteten auf sie und schlossen dann mit ihr zur Gruppe auf.

»Ganz schön dickköpfig«, meinte Julia, als sie sah, dass der Rappe jetzt pullte statt abwenden zu wollen.

Lisa nickte mit verkniffenem Gesichtsausdruck. »Ja, er ist schrecklich. Erst will er nicht vom Stall weg, und wenn er dann doch muss, versucht er die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Ich möchte mal wissen, wer den ›Fury‹ getauft hat! Mit dem Filmpferd hat er jedenfalls nur die Farbe gemeinsam.«

Julia und Olaf lachten und achteten kurz nicht auf die restliche Gruppe. Als die Abteilung in diesem Moment unvermittelt stoppte, liefen ihre Ponys daher auch prompt auf die Pferde vor ihnen auf. Eine Fuchsstute schlug nach Piazza, aber das Pony konnte sich und Julia gerade noch in Sicherheit bringen.

»Alle mal warten, Nele ist runtergefallen!«, rief jemand von vorn.

Lisa schlug die Augen gen Himmel. »Das ist wieder Gala. Die buckelt draußen praktisch pausenlos. Besonders wenn der Hengst dabei ist. Dann wird sie nämlich sofort rossig. Aber das ist Achmed ja egal. Hauptsache, der kriegt sein Berittpferd bewegt.«

»Reiten ist bei euch echt ein Abenteuer«, bemerkte Olaf. »Zahlt ihr einen Aufpreis für dieses Prickel-Gefühl?«

»Soll das ein Witz sein?« Lisa war nicht so leicht aufzuheitern. Sie benötigte ihre ganze Kraft, um Fury zu halten. Als sie nur einen Augenblick nicht aufpasste, schoss er sofort vorwärts in Richtung der Fuchsstute. Das übernervöse Pferd schlug auch prompt wieder aus. Um ein Haar hätte es Fury getroffen.

»Pass doch auf!«, schimpfte das Mädchen auf dem Rücken der Stute.

Lisa lenkte ihr Pferd hinter Piazza. »Kann ich hier reiten? Oder schlagen eure Pferde auch?«

Olaf und Julia verneinten. Sowohl Piazza als auch Godi waren erfahrene Pferde und wussten sich zu benehmen. Julia befürchtete allerdings, dass Achmed einschreiten würde. Die Begleitung der Freizeitreiter passte ihm wenig, aber er konnte sie schließlich nicht daran hindern, seiner Gruppe zu folgen. Das Einreihen in die Abteilung hätte er sich dagegen verbitten können. Achmed schien Lisas Alleingang aber gar nicht zu bemerken. Vielleicht war es ihm auch egal. Schließlich hatte er genug damit zu tun, die Stute Gala wieder einzufangen und sich zu vergewissern, dass der Reiterin nichts passiert war. Dann ging es weiter. Achmed ließ gleich wieder antraben und diesmal blieben alle oben. Endlich näherten sie sich im Schritt der Springstrecke.

»So, hier galoppieren wir«, verkündet Achmed. »Rechts sind Hindernisse. Ihr könnt springen, wenn ihr es euch zutraut. Wenn nicht, dann nicht. Wie ihr wollt.«

»Achmed, bitte, ich möchte nicht springen!« Eins der Mädchen, das ziemlich weit vorn auf einem Schimmelwallach ritt, wagte zu protestieren. »Aber wenn du über die Sprünge vorreitest, kann ich Paolo nicht halten. Und dann buckelt er wieder wie letztes Mal. Können wir nicht einfach alle an den Hindernissen vorbeireiten?«

Von den anderen Reiterinnen kam zustimmendes Gemurmel. Nur ein kräftiges Mädchen auf einer eleganten braunen Stute, das direkt hinter Achmed ritt, schien Lust auf ein Abenteuer zu haben.

»Kunststück, Ariane ist das einzige Pferd, das anständig geht!«, erklärte Lisa. »Und Diana ist mutig. Die ist auch die Einzige, die Fury mal über die Kreuzung rübergekriegt hat. Sie hat einfach so lange mit der Gerte draufgehauen, bis er gespurt hat. Ich fand das aber nicht so toll. Vielleicht geht es ja bei ihm nicht anders, aber so was ist doch kein Reiten!«

Bevor Julia und Olaf antworten konnten, kam vorne Bewegung in die Gruppe. Achmed hatte die Mädchen kurz darauf verwiesen, wie leicht die Hindernisse auf dem breiten Weg zu umgehen waren. Wenn man nur reiten konnte.

Doch eben daran schien es seinen Schülerinnen noch sehr zu mangeln. Julia hatte sofort gesehen, dass sie alle noch ziemlich unsicher im Sattel saßen. Auch Lisa wäre bestimmt besser mit Fury zurechtgekommen, wenn sie sich tiefer in den Sattel gesetzt und das Kreuz angespannt hätte. Sie zog aber immer nur am Zügel, um das Tempo zu regulieren. Julia fragte sich, wie lange diese Mädchen wohl schon Unterricht hatten.

Achmed jedenfalls ließ Gluthauch jetzt angaloppieren. Ariane lief ihm nach, dicht gefolgt von Gala, deren Reiterin sich ängstlich an der Mähne festklammerte. Immerhin hatte die Stute jetzt keine Zeit mehr zu buckeln. Da ihre Reiterin die Zügel weitgehend durchhängen ließ, versuchte sie nun mit aller Energie, dem Hengst möglichst nahe zu kommen. Auch Paolo mochte sich mit seiner Position in der Gruppe nicht abfinden und wollte Ariane und Gala auf der Hindernisstrecke überholen. Die restlichen Pferde, die dem Springen genauso abgeneigt waren wie ihre Reiterinnen, ließen sich tempomäßig ebenfalls nicht lumpen. Sie liefen links neben den Hindernissen entlang und versuchten an Paolo, Gala, Ariane und Gluthauch vorbeizukommen. Nur Julia und Olaf hielten ihre Pferde auf Abstand und hinter ihnen schaffte es auch Lisa, ihren Fury zu kontrollieren.

Alles in allem war es jedoch eine wilde Jagd und Probleme waren vorprogrammiert. Als Erstes traf es das Mädchen auf Paolo. Den Wallach verließ vor dem dritten Hindernis schlagartig der Mut, und da seine Reiterin ihn nicht weitertrieb, rammte er überraschend die Beine in den Boden und blieb mit einem Ruck stehen. Klar, dass das Mädchen den Sprung allein nahm, während Paolo sich den Pferden auf der linken Spur anschloss. Fröhlich buckelnd galoppierte er an einem kleinen Fuchs vorbei, der sich bisher ziemlich unauffällig verhalten hatte. Jetzt ließ er sich jedoch anstecken, warf die Beine in die Luft und katapultierte seine Reiterin auch gleich beim ersten Versuch zu Boden. Julia und Olaf parierten durch, um sie nicht zu überreiten. Auch Achmed gab das Kommando zum Anhalten, konnte es aber selbst nicht recht durchsetzen. Gluthauch hatte sich jetzt warm gelaufen und zeigte einen entsprechend langen Bremsweg.

»Hast du dir wehgetan?«, fragte Julia das Mädchen mit dem Fuchs, das sich gerade wieder aufrappelte.

»Nöö. Zum Glück nicht. Aber ich weiß nicht, ob ich genug Geld mithabe. Ich muss nämlich gleich einen ausgeben, weil das mein zwanzigster Sturz war.«

»Wie bitte?«, fragte Julia fassungslos. »Ihr führt da Buch drüber? Das darf doch nicht wahr sein!«

»Aber ja doch«, meinte Lisa. »Ich bin bisher bei 16. Und Sonja, das ist die mit Paolo, liegt mit 23 ganz vorn.«

»Ich glaub, ich bin im falschen Film!«, murmelte Olaf.

»Und ich in der falschen Reitschule. Aber was soll ich machen. Hier gibt’s ja nichts anderes ...« Lisa legte kummervoll die Stirn in Falten.

Julia kam jetzt endlich dazu, sie sich näher anzusehen. Das Mädchen hatte ein sympathisches, rundes Gesicht und kurzes hellblondes Haar mit einem ziemlich langen Pony, der nicht unter der Reitkappe bleiben wollte. Ihre leuchtend blauen Augen und die Grübchen in den Wangen sahen aus, als lachte sie normalerweise gern. Allerdings war ihr bei diesem Ausritt wohl jeglicher Humor vergangen.

Inzwischen war Achmed zurückgeritten, um seine Schützlinge wieder einzusammeln. Er schien nicht das geringste schlechte Gewissen zu haben. »Das höchste Glück der Pferde ist ein Reiter auf der Erde!«, merkte er fröhlich an, während Sonja und das Mädchen mit dem Fuchs ihre Pferde wieder einfingen.

Die Mädchen sagten nichts dazu. Offensichtlich hatten sie sich damit abgefunden, sowohl Achmeds wilde Reiterei als auch seine schlechten Witze klaglos zu ertragen. Lisa schaute allerdings ziemlich griesgrämig drein.

»Wir müssen hier abbiegen«, sagte Julia zu ihr, als die Gruppe gleich nach der Springstrecke den Grasweg Richtung Elbentrup erreichte. »Wenn wir weiter mitreiten, können wir nicht mehr sagen, wir hätten euch nur durch Zufall getroffen. Und dann beschwert sich Achmed wieder über uns.«

Lisa nickte. »Ihr ward ein toller Puffer – vielen Dank! Ab hier reiten wir meist sowieso nur noch Schritt, da kann ich Fury wohl halten.«