Majas Sattel-Blog - Alles Pony, oder was? - Christiane Gohl - E-Book

Majas Sattel-Blog - Alles Pony, oder was? E-Book

Christiane Gohl

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Leben ist kein Ponyhof!

»Willkommen auf dem Blog über mein irres Leben. Ich bin Maja und nehme euch mit in mein Chaos aus Pleiten, Pech und – ist es zu fassen? – ausgerechnet einem Ponyhof ...«

Ernsthaft? Majas Eltern wollen nach Spanien auswandern und dort einen Pferdebetrieb eröffnen. Nur leider haben sie vom Reiten absolut keine Ahnung. Und nun soll Maja, die höllischen Respekt vor Pferden hat, die Ferien ausgerechnet auf einem Ponyhof verbringen, um dort die Grundlagen zu lernen.
Als dann auch noch bei der Buchung etwas schiefgeht und Maja den Urlaub ohne ihre beste Freundin antreten muss, ist sie fest entschlossen, sofort wieder abzureisen. Bis sie auf das verfressene Fjordpferd Bolle trifft und ein Blick in seine seelenvollen Augen alles verändert ...

Mit frech illustrierten Pferde-Wissensseiten zum Thema »Reiten lernen & Umgang mit Pferden«.

Alle verfügbaren Bände der Majas Sattel-Blog -Reihe:
Majas Sattel-Blog – Alles Pony, oder was? (Band 1)
Majas Sattel-Blog – Ich glaub, es wiehert! (Band 2)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 185

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



© privat

Autorin

DR. CHRISTIANEGOHL wurde 1958 in Bochum geboren. Die promovierte Pädagogin arbeitet als freie Fachjournalistin und Werbetexterin. Seit ihrem zehnten Lebensjahr beschäftigt sie sich mit Pferden und reitet in verschiedenen Disziplinen. Pferdefreundliches Reiten und artgerechte Haltung sind ihr dabei besonders wichtig. Mit ihren Sachbüchern und Romanen avancierte sie in kurzer Zeit zu einer Bestseller-Autorin der Pferdebuchszene. Sie lebt in Spanien.

© privat

Illustratorin

SABINEROTHMUND wurde 1972 in Ludwigshafen am Rhein geboren, studierte an der FH in Mainz mit dem Schwerpunkt Illustration und Buchgestaltung und lebt heute als Illustratorin mit ihrer Familie in Tübingen.

Mehr über cbj auf Instagram unter @hey_reader

Christiane Gohl

Mit Illustrationen von

Sabine Rothmund

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

© 2022 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur

Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten

Innenillustrationen: Sabine Rothmund

Vignetten: © Hexenkerstin/iStock, © JDawnInk/iStock

Umschlaggestaltung: Guter Punkt GmbH & Co. KG

unter Verwendung von Motiven von iStockphoto

(© Alexandra Surkova, © Vigdis Homlebekk, © Hexenkerstin, © JDawnInk)

ah • Herstellung: AW

Satz: Leingärtner, Nabburg

Reproduktion: Lorenz & Zeller, Inning a. A.

ISBN 978-3-641-27205-0V001

www.cbj-verlag.de

Über mich

Hallo, ihr Lieben!

Willkommen auf meinem Blog. Ich bin Maja und nehme euch mit in mein Chaos aus Pleiten, Pech und – als wäre das noch nicht genug! – ausgerechnet einem Ponyhof.

Bisher hatte ich nie das Bedürfnis, etwas aufzuschreiben. Ich bin mehr der visuelle Typ, für mich sagt ein Bild mehr als tausend Worte. Deshalb sind eigentlich Fotografieren und Bildbearbeitung mein größtes Hobby. Was mir allerdings in letzter Zeit passiert … das schreit danach, erzählt zu werden. Deshalb habe ich beschlossen, mit einem Blog anzufangen. Bonnie – das ist meine beste Freundin – war von der Idee begeistert. Sie findet sogar, ich wäre das beste Beispiel dafür, was einem drohen kann, wenn ganz normale Eltern plötzlich komplett durchdrehen und einem das ganze Leben auf den Kopf stellen.

Egal. Das Schreiben hilft mir auf jeden Fall dabei, nicht durchzudrehen – und Bolle nicht zu vergessen … Der ist übrigens ein Pferd. Überhaupt spielen Pferde in meinem Leben plötzlich eine ziemlich große Rolle. Und das war ganz sicher nicht so geplant!

Mittwoch, 07. November – Eintrag #1

Großtante Edeltraut

Als heute Mittag das Telefon klingelte, dachte ich mir nichts dabei. Mom nahm den Anruf an, und ich hörte sie gedämpft sprechen, bevor sie in mein Zimmer kam, wo ich gerade dabei war, mit einem fantastischen neuen Bildbearbeitungsprogramm zu experimentieren. Genau genommen versuchte ich, meine Freundin Bonnie in ein Elfenmädchen und ihre Stute Cinderella in ein Feenpferd zu verwandeln. Ich hatte die beiden gestern heimlich beim Reiten fotografiert und plante nun eine Geburtstagsüberraschung. Bonnies Helm, die Reitbahnbegrenzung, Sattel und Zaumzeug hatte ich schon wegretuschiert und wollte nur noch Bonnies blondes Haar im Wind fliegen lassen und Cinderellas Silbermähne mit leichten Glanzpunkten versehen. Vielleicht Mondlicht im Hintergrund?

»Maja?« Mom riss mich abrupt aus meinen Gedanken und ich fragte mich, was passiert war. »Großtante Edeltraut ist gestorben. Und ich muss jetzt nach München, um den Nachlass zu regeln und die Beerdigung und all das …«

Sie schien darüber weniger traurig als genervt zu sein, was mich etwas wunderte. Andererseits sprangen die angemessenen Gefühle auch mich nicht gerade an. Meine letzte Begegnung mit meiner Urgroßtante liegt elf Jahre zurück, und ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr an sie erinnern.

Ich war damals zwei, und anscheinend hatte sie versucht, mir in die Wange zu kneifen, woraufhin ich sie in den Finger biss. Danach hatten wir wohl beide nicht das Bedürfnis, die Bekanntschaft zu vertiefen. Meine Eltern zogen dann auch bald mit mir nach Schwarzenbek – ein kleiner Ort bei Hamburg –, weil Paps dort eine Stelle als Lehrer bekam. Großtante Edeltraut blieb dagegen in München und mietete sich in einem als Fünf-Sterne-Hotel getarnten Altenheim ein, der Seniorenresidenz Stift am See. Von da an hatte eigentlich nur noch Mom Kontakt gehalten und ihr Tantchen pflichtgemäß einmal im Jahr zu deren Geburtstag besucht.

»Kann ich dann zu Bonnie?«, fragte ich also hoffnungsvoll. Wenn Mom Großtante Edeltraut besucht, darf ich oft bei meiner besten Freundin übernachten. Und am Wochenende steht Bonnies Geburtstag vor der Tür, es wäre großartig, mit ihr den ganzen Tag zu feiern!

Mom verzog das Gesicht. »Wenn Frau Bernhard dich vier oder fünf Nächte lang haben will? Es wird diesmal länger dauern. Allein die Beerdigung … ich hatte gedacht, das könnte vielleicht die Residenz organisieren, aber die sagen, nach dem Tod böten sie keinen Service mehr an.«

Ich musste trotz allem beinahe lachen. Die edle Seniorenresidenz und die damit verbundenen enormen Kosten sind immer wieder ein Diskussionspunkt zwischen meinen Eltern. Paps findet, die mittlerweile völlig demente Edeltraut könnte auch preiswerter betreut werden. Allerdings ist Mom zwar ihre einzige Verwandte, hat jedoch nie die Vormundschaft beantragt. Und so ist es bei dem Heim geblieben, das meine ursprünglich sehr vermögende Urgroßtante selbst ausgesucht hat.

Mom seufzte. »Ich werde den Salon mindestens vier Tage lang zumachen müssen …«

Sie betreibt einen gutgehenden Kosmetiksalon und hat drei Mitarbeiterinnen. Leider wählt sie die nach dem Motivationsaspekt aus, wie sie das nennt. Ihre Kundinnen sollen ermutigt werden, den Angestellten in Bezug auf Kosmetikverwendung und Hautpflege nachzueifern. Dementsprechend sehen sie durchweg aus wie Finalistinnen bei Germany’s Next Topmodel. Paps bezweifelt allerdings, dass sie auch nur das Wort »Heidi« korrekt buchstabieren können.

»Vielleicht versuche ich, Jaqueline einzuweisen. Aber ob die das wuppt? Himmel, ich müsste eigentlich gleich morgen los … Wie soll ich das alles schaffen?« Mom begann, leicht am Rad zu drehen.

»Mach dir eine Liste«, riet ich ihr, woraufhin sie die Augen verdrehte, als wäre das in ihrer Situation nicht einfach das Naheliegendste.

Aber meine Eltern reagieren immer so, wenn ich diesen Vorschlag mache, da sie meine Vorliebe für Listen für neurotisch halten. Paps vermutet dahinter sogar ein verstecktes Asperger-Syndrom, aber ich bin nicht autistisch, sondern eher vergesslich. Und manchmal hilft das Aufschreiben einfach, die Gedanken zu ordnen. Deshalb mache ich ständig Listen, meistens Shoppingpläne oder To-Do-Listen.

Sogar an einer Bucket-List habe ich mich schon mal versucht, was Mom endgültig an meiner Normalität hat zweifeln lassen. Mit dreizehn, so hat sie erklärt, sei es zu früh, sich Gedanken darüber zu machen, was man bis zum Tod unbedingt noch erledigen will.

Bonnie dagegen fand die Idee super und hat gleich ihrerseits eine Liste aufgestellt, an deren Ende ich mich gefragt habe, wie hoch wohl die Lebenserwartung eines Pferdes ist. Die Pläne haben nämlich alle Cinderella mit einbezogen – denn Bonnie ist absolut pferdeverrückt und in ihre spanische Schimmelstute geradezu vernarrt.

Nun könnte man meinen, es wäre schwierig, mit so jemandem befreundet zu sein, wenn man selbst nicht vom Pferdevirus erfasst ist. Und tatsächlich sind alle anderen Pferdemädchen in meiner Klasse nicht in der Lage, ein Gespräch zu führen, bei dem es nicht um Pferde geht. Bonnie ist da anders. Wir reden über alles Mögliche: die Schule, die Schminktipps aus der letzten Me Girl und wir können uns stundenlang darüber streiten, ob dieser gut aussehende Junge aus der zehnten Klasse nur zufällig Edward heißt oder doch vielleicht ein Vampir ist wie der Typ aus diesen alten Twilight-Büchern. Mit Bonnie kann man außerdem fabelhaft herumalbern. Wir kochen beide mit Leidenschaft aber ohne größeres Talent, und wir gehen gern shoppen. Natürlich sprechen wir dabei auch gelegentlich über Pferde – aber das finde ich nicht schlimm. Ich habe ja nichts gegen Tiere, im Gegenteil! Eigentlich hätte ich ganz gern einen Hund, und wenn Bonnies Mutter Geschichten aus ihrer Tierarztpraxis erzählt, bin ich immer fasziniert.

Tatsächlich sind Pferde mir sogar durchaus sympathisch, aber ich habe nie nur einen Funken Lust verspürt, sie zu reiten. Lieber fotografiere ich sie.

Fotografieren und Bildbearbeitung sind – neben neuerdings Bloggen – für mich sowieso das Größte. An der Wand meines Zimmers hängt das Foto einer Gruppe Nashörner im Licht der untergehenden Sonne. Es stammt von einem Tierfotografen und dient mir als Ansporn – genau solche Bilder würde ich gern machen! Ich will unbedingt mal in Afrika auf Fotosafari gehen. Am liebsten zusammen mit Bonnie, die von der Vorstellung begeistert ist. Sie steht nämlich total auf Zebras und Elefanten. Eigentlich ist Bonnie verrückt nach allem, was man reiten kann.

Moms Blick verlor sich dann in der Weite hinter den Nashörnern, gedanklich fuhr sie wohl schon nach München. Damit sie in meinem Zimmer keine Wurzeln schlug, schnappte ich ihr das Festnetztelefon, das sie immer noch umklammerte, aus der Hand und kündigte an, dass ich ganz dringend mit Bonnie sprechen müsste. Sie überließ mir das Teil widerspruchslos und ging, zerstreut vor sich hin murmelnd, hinaus.

Ich wählte sofort Bonnies Nummer und berichtete ihr von den unerfreulichen Umständen, die es mir ermöglichten, mich ein paar Tage bei ihr einzuquartieren.

Bonnie war, wie erwartet, begeistert. »Dann können wir meinen Geburtstag so richtig zusammen feiern! Das passt total gut, weil ich mir nämlich was ganz Bestimmtes von dir wünsche …«

»Ich hab schon was für dich«, blockte ich ihren Enthusiasmus. Nach meiner Erfahrung haben Bonnies Wünsche nämlich immer irgendetwas mit Pferden zu tun. Vermutlich will sie mal ausschlafen und hofft, dass ich eine Woche lang täglich für sie miste!

»Na ja, trotzdem …«, meinte Bonnie unbekümmert. »Wann kommst du? Morgen? Bring dir hübsche Sachen mit, am Sonntag ist Laternenumzug, und ich spiele den Sankt Martin. Hinterher macht die Jugendgruppe Lagerfeuer – vielleicht sind ja ein paar nette Jungs dabei.«

Ich weiß nicht, ob ich so richtig Lust auf Lagerfeuer im November habe – und die Jungs aus der katholischen Jugendgruppe haben mich schon beim Karnevalsumzug nicht vom Hocker gerissen, bei dem Bonnie natürlich auch hat mitreiten müssen. Sie behauptet immer, ihre Mutter würde sie dazu verdonnern, weil sie als Tierärztin gesellschaftliche Verpflichtungen hätte. Aber ich glaube, sie steht einfach ganz gern mit Pferd im Mittelpunkt.

Um Bonnie in ihrem grenzenlosen Optimismus nicht zu bremsen, versprach ich, mich mindestens so attraktiv herzurichten wie sie in ihrem Sankt-Martins-Kostüm und machte dann endlich mit meiner Bildbearbeitung weiter. Es wurde dann übrigens doch kein Mondlicht, sondern ein Sonnenuntergang …

Bis Paps zum Abendessen rief, versank ich ganz in der Traumwelt, durch die ich Bonnie und Cinderella galoppieren ließ.

Natürlich war Großtante Edeltrauts Tod auch beim Abendessen das Gesprächsthema. Mom hatte bereits Bahnkarten reserviert und ein Hotelzimmer. Einen möglichen Bestatter googelte Paps sofort, als Mom überlegte, sich von der Seniorenresidenz beraten zu lassen.

»Bloß nicht!«, meinte er. »Die nennen dir garantiert den teuersten von ganz München. Wahrscheinlich kriegen sie da Prozente.«

Paps ist eigentlich nicht geizig, an sich ist eher Mom die Geschäftsfrau in der Familie, die das Geld zusammenhält. Aber natürlich kann auch er rechnen – schließlich ist er Mathelehrer. Ich habe allerdings oft den Eindruck, als sei der Umgang mit Zahlen für ihn eher ein exzentrisches Hobby ohne Bezug zur Wirklichkeit.

Nur die Ausgaben für Großtante Edeltrauds Luxuspflege beschäftigen ihn komischerweise immer wieder – woraufhin Mom ihm gern Herzlosigkeit vorwirft und ihn mal gefragt hat, ob er vielleicht nur auf das Erbe aus sei. Und Paps hat das nicht einmal geleugnet! Schließlich träumt er schon lange davon, den Dienst an unserer Schule möglichst bald zu quittieren.

Er ist einfach nicht gern Lehrer – obwohl er bei den Schülern ganz beliebt ist. Tatsächlich gilt es sogar als Hauptgewinn, Herrn Hildebrand in Mathe zu kriegen: Paps gibt ungern schlechte Noten, hält mitunter eine Stunde zweimal ab, weil ihm entfallen ist, auf welcher Seite im Lehrbuch er in der letzten Woche aufgehört hat, und kann sich so in den Feinheiten der Kurvendiskussion und anderer mathematischer Spitzfindigkeiten verlieren, dass er die Klasse vor sich ganz vergisst.

Mathematik, so meint er, habe etwas Meditatives – ebenso wie Kochen, seine zweite Leidenschaft. Auch dabei verliert er sich oft in Träumereien. Ich finde die meisten seiner Kreationen ziemlich gewagt …

»Kriegst du das denn wirklich alleine hin?«, fragte er dann besorgt Mom, die daraufhin nur die Augen verdrehte.

»Torben! Es wird ja wohl nicht so schwer sein, eine Beerdigung zu planen und ein Konto aufzulösen. Außerdem liegt in Edeltrauts Zimmer ein Ordner, in dem sie alles notiert hat, was ich nach ihrem Tod wissen muss. Sie hat ihn schon vor zehn Jahren angelegt, als sie noch ganz bei sich war. Ich schaffe das, keine Sorge.«

Freitag, 09. November – Eintrag #2

Einfach pferdig!

Am Donnerstag fuhr Paps Bonnie und mich nach der Schule nach Brunstorf, das ist eine ländliche Gemeinde bei Schwarzenbek. Bonnie und ihre Mutter wohnen dort in einem Einfamilienhaus, in dem Frau Bernhard auch ihre Tierarztpraxis betreibt.

»Wie viele Wochen willst du eigentlich bleiben?«, fragte Paps, als er meinen prall gefüllten Koffer aus dem Auto wuchtete. »Oder schleppst du Goldreserven mit dir herum, von denen ich nichts wissen soll?«

»Klar, ich schürfe nachts in einer Mine unter unserem Haus«, zog ich ihn auf. »Aber ich halte das geheim, weil ich nicht mit euch nach Spanien ziehen will.«

Einen Hof im Süden zu besitzen, gehört zu den eher unrealistischen Träumen meiner Eltern. Wir fahren jedes Jahr in den Ferien nach Andalusien und haben dort andere Deutsche kennengelernt, die im Umland der Ferienzentren leben und arbeiten. Meistens sind es Künstler, aber es gibt auch welche, die Gästehäuser betreiben oder in einem anderen Beruf arbeiten, wie Frau Bernhard früher. Sie war vor Bonnies Geburt ein paar Jahre in einer spanischen Tierarztpraxis angestellt.

Paps lachte. »Dabei wäre Spanien doch ideal für einen Frostköddel wie dich!«, neckte er mich.

Tatsächlich neige ich zum Frieren, und das ist auch einer der Gründe für meinen vollgestopften Koffer. Bei Bonnie zu wohnen, bedeutet massenhaft Outdoor-Aktivitäten. Denn wer Pferde und Hunde hat, verbringt unweigerlich viel Zeit im Freien – auch wenn nicht gerade Lagerfeuer im November auf dem Programm stehen.

Bonnies Mutter öffnete uns die Tür und lud Paps sogar zum Mittagessen ein. Der lehnte allerdings entsetzt ab, als er die Packungen der Tiefkühlpizzen sah, deren Duft gerade das Haus erfüllte wie im Werbespot.

Frau Bernhard hat selten Zeit zum Kochen, bei ihr muss es immer schnell gehen, während Paps einem Tofu-Braten schon mal ein paar Stunden gönnt – in denen andere Leute einen ganzen Ochsen am Spieß braten würden, wie Mom mal sarkastisch bemerkt hat. Das Tofu hatte danach die Konsistenz eines gegrillten Autoreifens und hat auch so gerochen.

Paps gab jedenfalls vor, schleunigst los zu müssen, aber vorher wollte er unbedingt noch bei den Pferden vorbeischauen, die hinter dem Haus in einem Offenstall leben.

»Ich liebe Pferde!«, erklärte er mit strahlenden Augen, während er Bonnie über die zu dieser Jahreszeit ziemlich matschige Wiese folgte.

Aus einem befestigten Auslauf blickten uns zwei Schimmelstuten entgegen. Alegría, das Pferd von Bonnies Mutter, ist schneeweiß und etwas größer und stämmiger als Cinderella Feenpferd. Bonnies Stute ist erst vier Jahre alt und ein Grauschimmel, was den Silberglanz ihres Fells noch betont. Letztlich wird sie allerdings genauso weiß werden wie ihre Freundin. Schimmel, so hat Bonnie mir erklärt, werden als Brauner oder Rappe geboren und ergrauen erst später.

»Als kleiner Junge durfte ich immer den Kaltblüter meines Opas reiten«, sagte Paps und erzählte dann zum gefühlt zweihundertsten Mal von seinem Großvater, der Landwirt gewesen war, und seine Äcker natürlich schon mit Traktoren bestellt hatte. Aus purer Nostalgie hatte er sich allerdings eine Kaltblutstute gehalten, die eine Seele von Pferd gewesen sein musste.

Paps jedenfalls schwärmte in den höchsten Tönen von ihr, und davon, wie viel Spaß es ihm gemacht hatte, sie zu putzen und ihren Stall auszumisten. Dabei ließ er die Blicke über die Haltungsanlage schweifen, in der Cinderella und Alegría leben.

Die beiden teilen sich einen geräumigen Stall mit Terrasse. Sie können sich aussuchen, ob sie drinnen stehen und Heu knabbern oder sich draußen den Wind um die Nase wehen lassen wollen. Damit sie dabei nicht im Matsch versinken, ist der Auslauf mit Sand bedeckt.

»Falls wir wirklich einmal nach Spanien ziehen, wollen wir unbedingt Pferde haben!«, verkündete Paps dann. Was hat er es denn zurzeit ständig mit Spanien?

Bonnie schaute mich hinter seinem Rücken fragend an.

Ihre Mutter, die uns gefolgt war, konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen. »Sie können hier genauso gut Pferde haben, Herr Hildebrand. Schwarzenbek liegt ländlich, Sie könnten sich ein Stück Land pachten und sie in Eigenregie halten wie wir. Oder Sie stellen sie irgendwo in Pension. Es gibt nicht nur Reitställe, die Boxen vermieten, sondern auch Haltergemeinschaften und Offenstallhaltungen, in denen man Pferde einmieten kann.«

»Ich mache dir da einfach mal eine Liste!«, erklärte ich und lächelte dabei ein bisschen hinterhältig. Das Thema »Pferd« gehört nämlich ebenfalls zu den Tagträumen meiner Eltern. Während Paps von der Kaltblutstute schwärmt, erzählt Mom immer wieder von dem Pony ihrer Cousine, das sie manchmal reiten durfte. Darüber hinaus haben aber weder Mom noch Paps irgendwelche Anstrengungen unternommen, Reiten zu lernen und sich ein Pferd anzuschaffen. Dabei könnten sie es sich mittlerweile bestimmt leisten.

Paps winkte ab. »Ach, Maja, nicht nötig. Da gehört doch etwas mehr dazu als irgendein Mietstall. Das ganze Ambiente … also so ein Andalusier – nehmen Sie es mir nicht übel, Frau Bernhard, aber der passt einfach nicht hierher in den deutschen Regen. Der braucht die spanische Sonne, das Meer, das freie Land …«

Frau Bernhards Miene wurde hart. »Ein Pferd braucht vor allem Futter, Wasser und Gesellschaft. Süßwasser übrigens! Aus Sonne, Strand und Meer machen Pferde sich nichts. Und das Ambiente … Cinderella hat die ersten Monate ihres Lebens angebunden in einem dunklen Stall verbracht, bevor Tierschützer sie befreiten. Sie war abgemagert und verwurmt. Alegría ging es nicht anders, sie kommt aus einem Händlerstall, der so schaurig war, dass nicht mal die spanische Polizei wegsehen konnte. Schließlich landeten sie beide beim CYD.«

Der CYD Santa Maria ist eine Tierschutzorganisation bei Malaga. Sie nimmt Pferde auf, die Hilfe brauchen, und Bonnies Mutter hat ihre Stuten dort adoptiert, so wie andere Leute Hunde aus dem Tierheim holen.

»Jedenfalls denke ich, die beiden sind ganz gern bei uns, auch wenn es manchmal regnet«, schloss Frau Bernhard energisch. »Und jetzt muss ich wieder in die Praxis. Macht ihr hier noch eben sauber, Mädchen? Dann ist es abends nicht so viel Arbeit.«

Sie zog ab, gefolgt von Paps, der dabei eifrig auf sie einredete. Bonnie hatte derweil bereits zum Mistfix gegriffen, einer Art Mittelding zwischen Kiste und Schaufel, zu dem eine kleine Harke gehört. Man schiebt den Mist damit auf die Schaufel und kann ihn dann in die Schubkarre wuchten. Ich nahm mir den zweiten und hoffte, dass die Pizza inzwischen nicht anbrannte …

Nach einer kurzen Nacht mussten Bonnie und ich dann heute wieder zur Schule – allerdings nicht, ohne vorher erneut bei Cinderella und Alegría sauber zu machen. Es gehört zu Bonnies täglichen Pflichten, die Pferde zu füttern und den Auslauf zu misten. Sie steht dafür um sechs Uhr auf. Ich habe natürlich ein bisschen gemurrt, obwohl es Ehrensache ist, dass ich helfe, wenn ich bei den Bernhards wohne.

Bonnies Mutter erwartete uns hinterher mit einem guten Frühstück – aufgebackene Brötchen mit Nutella. Ich schlug richtig zu, denn zu Hause gibt es nur Paps’ selbst gemachte, zuckerfreie Nuss-Nougat-Creme, die zweifellos gesünder ist.

Frau Bernhard scheint sich um unseren Zuckerkonsum weniger Sorgen zu machen. Sie hält Ausmisten vor dem Frühstück für die beste Gesundheitsvorsorge und erklärte auch diesmal: »Man muss es als Frühsport betrachten! Es ist viel spaßiger als Pilates und billiger als Ziegen-Yoga.«

»Als was?«, fragte ich.

Bonnie kicherte mit vollem Mund. »Ein neuer Trend aus den USA. Man breitet seine Yogamatte in einer Ziegenherde aus und erwartet von ihnen spirituellen Input. Im Ernst, ich hab’s gegoogelt!«

Was »spirituellen Input« angeht, so geben ihn uns Cinderella und Alegría beim Misten immer kostenlos dazu. Sie folgen Bonnie und mir durch den Auslauf, und manchmal stupsen sie uns mit ihren weichen Pferdenasen an oder blasen uns ihren warmen Atem in den Nacken. Das kitzelt angenehm, und es ist auch ein schönes Gefühl, wenn Alegría mir mitunter ihren großen Kopf auf die Schulter legt und dabei eine Art sanftes Grunzen von sich gibt. Eigentlich lohnt es sich, dafür früh aufzustehen …

Bevor der Bus fuhr, bretzelten wir uns noch etwas auf – am Freitag haben wir nämlich immer Spanisch, Wahlpflichtfach, jahrgangsübergreifend, mit Edward, dem Hübschen aus der Zehnten. Wir diskutierten dabei, ob ein Vampir wohl meinen Typ – eher dunkler Teint, dunkelbraunes Haar und braungrüne Augen – besser findet oder Bonnies blasse Haut und ihr langes, helles Haar.

»Meinen«, behauptete ich selbstbewusst und föhnte meine kurzen, kräftigen Locken in Form. Nach dem Misten sehe ich sonst aus wie ein Rosettenmeerschweinchen, während Bonnies feine Strähnen ohne Behandlung wie zu lange gekochte Spaghetti wirken. »Bei deiner hellen Haut wird Edward befürchten, dass da schon vor ihm jemand genascht hat!«

Bonnie kicherte noch, als wir zum Bus liefen!

Nach der zweiten Stunde sprach mich Paps auf dem Schulhof an, wo er Aufsicht führte. Ich grummelte etwas – er weiß schließlich, dass ich das maßlos peinlich finde –, aber er ließ es sich nicht nehmen, mir Grüße von Mom auszurichten, die alle Hände voll zu tun hatte.

»Sie bringt wirklich den ganzen Laden in Schwung«, erzählte er bewundernd. »Großtante Edeltrauts Anwalt oder Vermögensberater oder was das ist, will sich sogar am Samstag mit ihr treffen, und die Beerdigung ist am Montag.«

Ich nickte, wenig verwundert. Mom ist sehr zielstrebig und bekommt gewöhnlich, was sie will. Insofern kann ich ihre angebliche Pferdebegeisterung auch nicht allzu ernst nehmen. Wenn sie wirklich reiten wollte, hätte sie längst ein Pferd in den nächsten Reitstall gestellt.

Da erinnerte ich mich an die Liste, die Bonnie und ich gestern wie versprochen für Paps fertiggestellt hatten. Ich zog sie aus der Tasche und überreichte sie ihm feierlich. Wir hatten sie mit Pferdig schöner Wohnen betitelt.

»Vielleicht erben wir ja was, und dann klappt das noch mit eurem Pferd«, neckte ich ihn.

Paps schaute etwas säuerlich. So genau hatte er vielleicht gar nicht wissen wollen, wie es tatsächlich mit Pferdehaltung aussah.

Immerhin konnte ich mich dann schnell verdrücken. Hoffentlich hat mich Edward nicht im Gespräch mit dem Mathelehrer gesehen!

Samstag, 10. November Eintrag #3.1

Geburtstagsüberraschung