Julia am Ziel ihrer Träume - Christiane Gohl - E-Book

Julia am Ziel ihrer Träume E-Book

Christiane Gohl

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Beschreibung

"Julia am Ziel ihrer Träume" ist der vorerst letzte Band der beliebten Kinder- und Jugendbuchreihe von Christiane Gohl. Nachdem für Julia in den vergangenen Teilen der Serie mit einem eigenen Fohlen namens "Coffee" ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen ist, muss sie sich nun der Herausforderung stellen, den jungen Hengst einzureiten. Julia hat lange auf diesen Moment gewartet, doch nun plagen sie auch Zweifel...-

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Seitenzahl: 140

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Christiane Gohl

Julia am Ziel ihrer Träume

 

Saga

Julia am Ziel ihrer Träume

 

Copyright © <as per original material>

Published by Arrangement with Christiane Gohl.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 2006, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728013120

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Nur Fliegen ist schöner

»Warum machst du denn nicht einfach das Dressurabzeichen?«, fragte Olaf etwas genervt. Seit zwei Stunden saß er jetzt schon in Julias Garten und trank Kaffee mit ihrem Besuch. Ihre erwachsene Freundin Stephanie, die seine Vorliebe fürs Westernreiten teilte, gefiel ihm dabei ganz gut. Aber auf Kathis Gejammer reagierte er zunehmend gereizt. Das rothaarige Mädchen hockte in seinem Gartenstuhl wie ein Häufchen Unglück und wirkte gar nicht wie die erfolgreiche Turnierreiterin, als die Julia sie immer geschildert hatte.

»Tolle Idee. Und vielleicht noch das Töltabzeichen oder das Rinder-Treib-Abzeichen für Westernreiter, falls es so was gibt«, wies ihn Julia zurecht und legte Kathi noch ein Cremetörtchen auf den Teller. »Kapier’s endlich, Olaf, Kathi ist nicht scharf darauf, Plaketten und Urkunden zu sammeln. Der Ehrgeizling in ihrer Familie ist ihr Vater. Und wenn der das Silberne Reitabzeichen sehen will, muss sie springen.«

»Im wahrsten Sinne des Wortes«, lachte Stephanie. Die blonde junge Frau verfolgte Julias und Kathis Geschichte seit langem. Sie war die Besitzerin von Julias erstem Pflegepferd. Außerdem gehörte ihr die Connemara-Stute Violetta, die Mutter von Julias vierjährigem Wallach Coffee.

»Und springen kann ich nun mal nicht«, begann Kathi erneut mit ihrem Gejammer. »Genauso wenig wie Pretty.«

Olaf schlug die Augen gen Himmel. Nach Julias Erzählungen war Kathis Dressurpferd Pretty Girl eine bildschöne, hochprämierte Hannoveraner-Stute. Olaf verstand nicht, warum die nicht ein paar Hindernisse bewältigen sollte.

»Unsinn«, sagte er schließlich. »Jedes Warmblut kann springen.«

»Ja?«, fragte Kathi böse. »Dann erzähl das mal Pretty! Im Übrigen reden wir nicht von ein paar Hupfern, sondern von L-Hindernissen. So groß wie Wolkenkratzer. Da kann Pretty aufrecht drunter durchgehen!«

»Na, na!«, kicherte Julia. »Jojo vielleicht, aber Pretty ist ja doch ein bisschen höher.«

Jojo, ein rundlicher Rappe, stand mit den anderen Pferden von Julias Haltergemeinschaft auf der Weide nebenan. Als er seinen Namen hörte, tappte er neugierig näher und fixierte die verbleibenden Cremetörtchen mit dem herzzerreißenden Blick eines hungrigen Ponys. Der kleine Wallach gehörte Sarah, einem Mädchen aus der Nachbarschaft, und zeichnete sich vor allem durch seine Gelassenheit in jeder Lebenssituation aus. Freundlieh ausgedrückt: Wer das Pony nicht so gern hatte, bezeichnte es schlicht und ergreifend als faul.

»Jojo läuft unter jedem Hindernis aufrecht durch. Hinterher ist da bloß meist kein Hindernis mehr.« Diese Bemerkung stammte von Gloria, die eben durchs Gartentor trat. Die junge Frau trug Reitzeug und ihr wuscheliges braunes Haar stand wieder mal in alle Richtungen. Offensichtlich kam sie gerade aus dem Reitstall. Gloria hatte die Reitwartprüfung und verdiente sich ihr Studium mit Reitunterricht.

»Hallo, Stephanie! Lange nicht gesehen! Und du musst Kathi sein!« Gloria begrüßte die Besucherinnen und wurde gleich zum Kaffeetrinken eingeladen. Dazu zeigte sie aber wenig Lust.

»Wollen wir nicht lieber zusammen ausreiten?« Glorias nussbraune Augen leuchteten unternehmungslustig. »Bei dem schönen Wetter rumzusitzen, ist doch ätzend, und wir haben genug Pferde für alle: Rainbow, Godi, Piazza und Schneewittchen – und wer als Letzter ›hier‹ schreit, muss auf Jojo. Los, macht mit! Olaf guckt auch schon ganz gelangweilt.«

Das war die Untertreibung des Tages. In Wirklichkeit schaute Olaf geradezu leidend drein und sprang sofort auf, als er das Wort »Reiten« nur hörte. Auch Stephanie und Julia hatten Lust auf einen Ausritt. Lediglich Kathi war unsicher.

»Ich weiß nicht, ich...«

»Nun komm, vor einem ganz normalen Ausritt hast du doch wohl keine Angst!«, raunzte Olaf sie an. »Wenn du dich noch ein bisschen zierst, setzen wir dich auf Jojo. Dann hast du endlich allen Grund, dich zu fürchten – nämlich vor dem Muskelkater am nächsten Tag. Auf dem Prachtstück treibst du dich halb tot!«

Die Mädchen lachten.

»Tut mir Leid, ich bin sonst nicht so feige«, entschuldigte sich Kathi, als schließlich alle aufstanden und das Kaffeegeschirr ins Haus trugen. »Aber ich nehme gerade mal wieder Springstunden. Und beim letzten Pferdetausch landete ich auf einem Monster, ungelogen, 1,83 Meter groß und vier linke Füße! Jedenfalls haben wir uns beim vorletzten Hindernis gemeinschaftlich auf die Klappe gelegt. Zum Glück ist nichts passiert, bis auf ein paar blaue Flecken. Aber ihr könnt euch vorstellen, dass ich zurzeit nicht gerade wild auf fremde Pferde bin.«

»Dann kriegst du Rainbow«, bestimmte Gloria. Der braune Wallach gehörte ihr und sie teilte mit Kathi die Begeisterung fürs Dressurreiten. Allerdings war Gloria nicht so stark sportlich orientiert wie Kathi, sondern bevorzugte die Klassisch-Iberische Variante. Rainbow sah ein bisschen aus wie die Kleinausgabe eines Andalusiers.

»Und du kannst Schneewittchen haben, Julia. Jenny und Sarah sind ja auf Klassenfahrt.«

»Super!« Erfreut griff Julia nach dem Halfter der eleganten kleinen Schimmelstute. Schneewittchen war ein erfolgreiches Turnierpony und sehr angenehm zu reiten. Wenn ihre Besitzerin keine Zeit hatte, sprang Julia immer gern ein. Da sie für ihr Alter sehr zierlich war, passte sie immer noch gut auf das leicht gebaute Pony.

»Du nimmst Piazza, Stephanie. Nickie hat bestimmt nichts dagegen. Na ja, und ich mache Jojo etwas flott. Wird sowieso mal wieder Zeit.« Gloria wog mehr als Julia, aber bei Jojo machte das nicht viel aus. Der Rappe war zwar nur etwas über 1,30 Meter groß, aber stämmig. Er konnte Erwachsene mühelos tragen, machte allerdings schon beim Anblick des Sattels ein Gesicht, als wolle man ihm alle Bürden der Welt auflasten.

Olaf sattelte seinen dunkelbraunen Isländer Godi. Hillbilly, sein dreijähriger Quarter-Horse-Wallach, und Julias Coffee sahen traurig hinterdrein. Die beiden durften sonst oft als Handpferde mitlaufen, aber bei diesem Gruppenausritt ließen Julia und Olaf sie lieber zu Hause. Schließlich trösteten sich die Jungpferde mit einem kleinen Galopp über die Koppel. Die vierjährige Welsh-Cob-Stute Megan und der fünfjährige Lollypop schlossen sich ihnen begeistert an.

»Megan hat sich ja prächtig entwickelt«, bemerkte Stephanie mit einem Blick auf die hochelegante braune Stute. »Sie wird fabelhaft aussehen unter Nickie. Die kann das Anreiten doch sicher kaum erwarten, oder?«

»Frag mal wer noch!«, lachte Julia mit einem verliebten Blick auf Coffee. Der milchkaffeefarbene Wallach schwebte im Imponiertrab über die Weide. In diesem Jahr würden alle jungen Pferde unter den Sattel kommen.

»Lilly hat sich und Lollypop übrigens wirklich für den Reitabzeichenkurs angemeldet«, verkündete Gloria und schwang sich auf Jojo, der daraufhin einen Seufzer von sich gab. »Ich hätte nie gedacht, dass sie die Drohung wahr macht, aber sie ist fest entschlossen, es allen zu zeigen.«

Lollypop war ein in Olafs Worten etwas »gewöhnungsbedürftiges« Pferd. Der kleine Schecke hatte einen Kopf wie ein Schuhkarton, entschieden zu kurze Beine für seine Größe und ein braunes und ein blaues Auge. Dafür war er blitzgescheit, sehr angenehm zu reiten und der Augenstern seiner Besitzerin Lilly. Das Mädchen litt allerdings unter dem Spott vieler anderer Reiter, die kein gutes Haar an Lolly lassen wollten. Besonders die Springreiter Alina und Jens taten sich durch bösartige Bemerkungen hervor. Irgendwann hatte es Lilly dann gelangt, und sie hatte mit Jens gewettet, dass sie mit Lollypop die Reitabzeichenprüfung bestehen würde. Und zwar mit besseren Noten als seine Freundin Alina auf ihrem teuren Warmblutpferd!

»Am Springkurs will Lilly auch teilnehmen«, fuhr Gloria fort. »Auf Biegen und Brechen, sie trägt sogar Zeitungen aus, um ihn zu bezahlen. Ich hatte ja erst Bedenken, ob Sybil Jennings sie mit dem komischen Pferd überhaupt annimmt, aber die sieht das nicht so eng. Fabelhaft nett übrigens, die Frau, und dieser lustige Akzent! ›Eine Kurs voller Superspringpferde ist schön, aber langweilig. Wenn Pferde nicht springen, ist viel mehr interessaant!« Lachend imitierte Gloria die amerikanische Springreiterin. Herr Hannemann, der Vereinsvorsitzende, hatte Frau Jennings für den Springkurs vor der Reitabzeichenprüfung angeheuert. Sybil Jennings war eine weltbekannte Springreiterin, die ihr Land sogar bei der Olympiade vertreten hatte. Dann heiratete sie aber einen Deutschen, zog mit ihm nach Europa und verkaufte ihre Turnierpferde. Inzwischen befand sie sich in Scheidung und musste Kurse geben, um ihr Budget aufzubessern.

»Da sieht man’s mal wieder«, bemerkte Stephanie, als Gloria ihr Sybils Geschichte erzählte.

Kathi und Julia warfen sich vielsagende Blicke zu. Kathi hatte Julia vorhin schon kurz angedeutet, dass zwischen Stephanie und ihrem langjährigen Freund, Reitlehrer Holthoff, ein bisschen der Haussegen schief hing. Holthoff wollte heiraten, Stephanie nicht.

»Sybil darf jetzt jedenfalls Lollypop in die Weihen des Springsports einführen«, lachte Gloria. »Könnte schwerer werden als die Olympiade. Aber wenigstens bleibt ihr Jojo erspart. Sarah macht mit ihm nur das Kleine Reitabzeichen und zum Springkurs hat sie sich nicht angemeldet.« Energisch trieb Gloria Jojo an, der daraufhin recht fleißig vorwärts ging, wenn auch mit äußerst missmutigem Gesichtsausdruck.

Rainbow, der zweite Faulpelz in der Gruppe, ging ebenfalls sehr gut, wie Julia befriedigt registrierte. Olaf würde seine Meinung über ihre Freundin Kathi gründlich revidieren müssen. Das rothaarige Mädchen hatte einen hervorragenden Sitz, stellte Rainbow geschickt an die Hilfen und fand Riesenspaß daran, den gut gerittenen Wallach immer mal wieder ein paar Schritte Travers und Schulterherein gehen zu lassen. Auch beim Traben und Galoppieren zeigte Kathi sich nicht so ängstlich, wie Olaf befürchtet hatte. Stattdessen setzte sie sich neben Schneewittchen an die Spitze der Gruppe und legte ein flottes Tempo vor. Das große, schlanke Mädchen wirkte jetzt auch nicht mehr geduckt und verdrießlich, sondern sah sehr hübsch aus mit seinen leuchtenden grünen Augen und dem wehenden roten Haar.

Aber jetzt stach Olaf der Hafer. Bei der nächsten Schrittstrecke lenkte er Godi neben Julia. Stephanie hatte Piazza inzwischen zu Kathi aufschließen lassen, und die beiden unterhielten sich über das fantastische Reitgebiet, das Julia und ihre Freunde hier hatten. Sie selbst waren in Bochum längst nicht so gut dran, sondern mussten viele Straßen überqueren, bevor sie überhaupt auf annehmbare Reitwege kamen.

»Wie wär’s, sollen wir Kathi ein bisschen auf die Sprünge helfen? Im wahrsten Sinne des Wortes?«, erkundigte sich Olaf bei Julia. »Gleich kommt doch die Geländestrecke...«

»Untersteh dich!«, wollte Julia ihn warnen, aber da wurde den beiden die Sache schon aus der Hand genommen. Piazza, deren Besitzerin Nickie ein paar kleinen Hupfern nie abgeneigt war, bog gerade auf die Springstrecke ab. Stephanie ließ ihr die Zügel.

»Ist doch richtig hier, nicht? So ein schöner Galoppweg!«, rief sie über die Schulter zurück, während Piazza auch schon ansprang. Julia rief etwas und auch Gloria meldete sich von hinten, aber Kathi und Stephanie waren bereits in flottem Tempo unterwegs und hörten sie nicht mehr.

Julia seufzte, als sie Schneewittchen ebenfalls angaloppieren ließ. Der erste Sprung lag hinter einer Kurve. Stephanie würde ihn völlig überraschend vor sich haben. Freilich war er nicht hoch. Herr Hannemann hatte die Strecke in diesem Frühjahr für die Vereinsreiter anlegen lassen und von denen hatte niemand Vielseitigkeitsambitionen. Die Hindernisse waren deshalb höchstens 80 Zentimeter hoch, einladend und gut zu taxieren. Das erste war ein Baumstamm, der quer über den Weg lag. Piazza nahm ihn mit Bravour und Rainbow folgte in ebenso gutem Stil. Kathi überraschte Olaf wieder, indem sie nicht schrie, sondern gelassen die Zügel vorgab und in untadeliger Haltung über den Sprung setzte. Olaf selbst wurde dagegen kalt erwischt. Godi kam etwas ungeschickt ab, und Julia beobachtete schadenfroh, wie sich ihr Freund am Horn des Westernsattels stieß. Schneewittchen schloss inzwischen zu Rainbow auf, den Kathi ordentlich hinter Piazza hielt. Kathi lachte Julia zu, anscheinend machte der Ritt ihr Spaß.

Stephanie hatte jetzt das nächste Hindernis gesichtet und parierte zum Trab durch. »Weiter oder anhalten?«, fragte sie.

»Weiter!«, antworteten Kathi und Julia wie aus einem Mund. Das nächste Hindernis, einen kleinen Steilsprung, nahmen ihre Ponys nebeneinander – Julias brauner Pferdeschwanz und Kathis roter Schopf wippten synchron.

Der folgende Sprung war ein Billard, über den Piazza setzte wie ein rotweißer Gummiball. Die Welsh-Partbred-Stute neigte ein wenig zur Fülle, war jedoch lebhaft und springfreudig. Stephanie genoss den Ritt über die Hupfer sichtlich. Auch Kathi strahlte wie ein Honigkuchenpferd, als sie schließlich alle sechs Hindernisse hinter sich hatte und neben Julia durchparierte.

»War das toll!«, freute sie sich und konnte gar nicht mehr aufhören, Rainbow zu klopfen und zu streicheln. »Nur Fliegen ist schöner!«

»Das klang vorhin aber noch ganz anders«, meinte Olaf vergrätzt. »Kannst du mir mal sagen, was das Gejammer sollte? Mit deinem Sitz könntest du doch jedes Stilspringen gewinnen!«

Kathi freute sich über das Lob, während Julia fast etwas eifersüchtig wurde.

»So macht mir Springen ja auch Spaß«, erklärte Kathi. »Ein nettes Pferd und kleine Sprünge. Nur diese Wolkenkratzer machen mir Angst!«

»Kleine Sprünge?«, fragte Olaf und rieb sich die empfindlichen Körperpartien, die bei ihm eben unsanft in Kontakt mit dem Westernsattel gekommen waren. »Na, ich weiß nicht...«

Die Mädchen kicherten.

Inzwischen waren auch Gloria und Jojo angekommen. Die Reitlehrerin wirkte so erhitzt, als hätte sie die Hindernisse selbst genommen. Jojo schnaufte gotterbärmlich, hatte aber kein einziges feuchtes Haar am Körper.

»Wenn ihr noch einmal über diese Strecke reitet, ohne vorher Bescheid zu sagen, dürft ihr beim nächsten Mal Jojo drübertragen!«, grollte Gloria. »Dieses Pony ist eine Katastrophe. Aber falls Sarah eines Tages mal auf ein anderes Pferd wechselt, wird sie sagenhaft reiten. Wenn man ein normales Pony mit dem gleichen Kreuzeinsatz treibt, den man bei Jojo nur zum Anreiten braucht, kriegt es garantiert eine Ausstrahlung wie eine Christbaumbeleuchtung.«

Den Rest der Strecke brachten die Freunde langsam hinter sich, schon um Gloria eine Atempause zu bieten.

»Also irgendwann muss ich euch unbedingt mit Violetta besuchen«, meinte Stephanie. »Das Ausreitgelände hier ist zu schön.«

»Würde Pretty auch Spaß machen«, bestätigte Kathi sehnsuchtsvoll. »Mal ein oder zwei Wochen nur Ausreiten. Aber ich muss ja für dieses elende Reitabzeichen üben!«

Für Megan wird’s ernst

Den Abend nach dem Ausritt hatten Kathi und Julia für sich allein. Olaf musste für eine Arbeit lernen, Gloria schrieb eine Hausarbeit und Stephanie besuchte Nickie, Piazzas Besitzerin. Die beiden Frauen kannten sich nicht nur durch ihre gemeinsame Pferdebegeisterung, sondern hatten auch beruflich schon öfter zusammengearbeitet. Stephanie war Journalistin und Nickie fotografierte und illustrierte Bücher. Jetzt wollten sie offiziell über ein paar neue Projekte sprechen – aber vor allem genüsslich klatschen. Das taten Kathi und Julia natürlich auch. Die vielen gemeinsamen Bekannten an Julias altem Wohnort und vor allem Stephanies Beziehung zu Reitlehrer Holthoff boten reichlich Stoff dazu. Die zwei wappneten sich mit Cola und Unmengen Kartoffelchips und machten es sich auf Julias Bett gemütlich. Längere Ruhe war ihnen jedoch nicht vergönnt.

»Hör mal, ist da draußen irgendwas los?« Alarmiert unterbrach Kathi ihre Erzählung und setzte sich im Bett auf. Julia horchte. Tatsächlich war vom Pferdestall aus ein Quietschen und das Geräusch brechenden Holzes zu hören.

»Todsicher wieder Megan und Piazza«, stöhnte Julia und sprang aus dem Bett. »Zwischen den beiden tobt zurzeit der Kampf um die Rangordnung. Megan will unbedingt Chefin werden, aber Piazza gibt den Posten natürlich nicht kampflos auf. Megan ist schrecklich im Moment: Chronisch gelangweilt geht sie allen auf die Nerven. Wenn Nickie sie nicht bald anreitet, legen meine Eltern sie irgendwann auf den Grill.«

In ihren Schlafanzügen rasten die Mädchen Richtung Stall, wo sich der Krach inzwischen gelegt hatte. Megan, Piazza und die meisten anderen Pferde standen aufgeregt schnaubend im Auslauf vor dem Offenstall. Allerdings war die Trennwand zwischen dem Gemeinschaftsstall und der abgetrennten Einzelbox zerschlagen. Dieser Stall wurde eigentlich für eventuelle Krankheitsfälle freigehalten, aber jetzt stand dort schlotternd Lollypop. Er musste wohl zwischen die kämpfenden Stuten geraten sein und dann in seiner Verzweiflung den Sprung über die Abtrennung gewagt haben.

»Guck mal nach, ob er sich was getan hat!«, rief Julia Kathi zu. Sie selbst machte sich daran, die fest verrammelte Zwischentür zwischen Auslauf und Krankenstall zu öffnen, um Lollypop wieder zu den anderen zu lassen. Julia fluchte, als sie sich beim Aufdröseln der Drahtsicherung die Hand verletzte. Im Schein der Taschenlampe war es nicht einfach, den pferdesicheren Verschluss zu betätigen.

Lollypop war zum Glück in Ordnung. Er hatte noch einiges Winterfell an den Beinen, das wohl als Polster gewirkt hatte. Auch den Stuten war bei ihrem Schlagabtausch nichts passiert.

»Jetzt bleibt ihr alle auf der Weide!«, entschied Julia, als Lolly wieder zu den anderen gestoßen war. Megan quietschte ärgerlich, als er sich an ihr vorbeidrückte. »Ich erkläre die Saison hiermit für eröffnet.« Bis jetzt hatten die Reiter die Pferde nachts noch in den Stall geholt und mit Heu gefüttert. Die Umstellung vom Trockenfutter zum Gras musste allmählich geschehen, sonst waren Koliken vorprogrammiert. Aber heute Nacht wollte Julia keine Unruhe mehr riskieren. »Und mit Megan muss sich Nickie wirklich was einfallen lassen. Reiten oder essen, würde ich vorschlagen.«

Kathi lachte.